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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 17.12.2007
Aktenzeichen: 2 V 1958/07
Rechtsgebiete: UStG, GKG


Vorschriften:

UStG § 14 Abs. 4 Nr. 2
GKG § 1 Nr. 3
GKG § 52 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

2 V 1958/07

Erlass einer einstweiligen Anordnung

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch

...

am 17.12.2007

beschlossen:

Tenor:

1. Das Finanzamt wird verpflichtet, der Antragstellerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke zu erteilen.

2. Das Finanzamt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Streitig ist im Hauptsacheverfahren der Anspruch auf Erteilung einer Umsatzsteuernummer.

Die Antragstellerin (Ast) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie wurde von dem ungarischen Staatsangehörigen A. B. nach deutschem Recht mit Sitz in Xxx am 22.08.2007 errichtet und am 13.09.2007 in das Handelsregister des Amtsgerichts Xxx unter dem Firmennamen C. GmbH eingetragen. Zum Geschäftsführer wurde A. B. bestellt. Als Gegenstand des Unternehmens wurden der Handel mit und der Vertrieb von Buntmetall, sowie die Unternehmensberatung ohne Rechts- und Steuerberatung eingetragen.

Die von der Ast bevollmächtigte Steuerberatungsgesellschaft meldete die Gründung bei dem örtlich zuständigen Finanzamt, dem Antragsgegner, an und legte die Eröffnungsbilanz zum 22.08.2007 vor. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau gemäß § 27 b UStG überprüfte das Finanzamt den angegebenen Firmensitz der Ast und stellte fest, dass er sich in einem Wohngebäude in den Geschäftsräumen der Firma D. und E. Consulting GmbH befand. Mit dem Bescheid vom 23.10.2007 lehnte das Finanzamt die Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ab, weil die ermittelten Gesamtumstände auf keine selbständige unternehmerische Tätigkeit der Ast im Sinne von § 2 UStG haben schließen lassen.

Die Ast beantragte mit dem Schreiben vom 21.11.2007 erneut die Erteilung einer Umsatzsteuernummer und bat für den Fall der Ablehnung um eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung. Das Finanzamt teilte am 23.11.2007 schriftlich ohne weitere Begründung und ohne Rechtsbehelfsbelehrung mit, dass es zu keiner anderen Rechtsauffassung gekommen sei.

Die Ast beantragt bei Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO das Finanzamt zu verpflichten, ihr eine Steuernummer, die auch als Umsatzsteuernummer gilt, zu erteilen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, sie beabsichtige den Handel mit Buntmetallen und habe bereits Geschäftskontakte geknüpft. Sie könne jedoch in Ermangelung der erforderlichen Umsatzsteuernummer ihr Unternehmen nicht beginnen.

Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 28.11.2007 verwiesen.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es macht im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte geltend:

Die Ast könne unter der von ihr angegeben Anschrift eine Geschäftsleitung nicht entfalten und ihrer angestrebten wirtschaftlichen Tätigkeit nicht nachgehen, da es sich nur um eine Briefkastenadresse handele. Es lasse sich eine fiktive Ansiedelung in der Form, wie sie für eine Briefkastenfirma oder für eine Strohfirma charakteristisch sei, nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit einstufen. Die Ast sei als Domizilgesellschaft anzusehen, die keinen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer habe.

Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Stellungnahme vom 13.12.2007 verwiesen.

II. Der Antrag hat Erfolg, weil der Ast ohne Erteilung einer Umsatzsteuernummer wesentliche nicht wieder gutzumachende Nachteile beim beabsichtigten Betrieb ihres Unternehmens drohen.

1. Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der ZPO; BFH-Beschluss vom 22.12.2006 VII B 121/06, BFH/NV 2007, 802 m.w.N.).

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt"). Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen. Das gilt insbesondere, wenn nicht nur eine vorläufige Maßnahme begehrt wird, sondern die Vorwegnahme der Hauptsache. Ein solches Rechtsschutzbegehren ist nur im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gestattet und nur dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BFH-Beschluss vom 07.01.1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818, m.w.N.).

Die Entscheidung des Gerichts hat im summarischen Verfahren die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen und die Interessen des Antragstellers mit den Belangen der Öffentlichkeit abzuwägen (vgl. Gräber/Koch, FGO-Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 114 Rz. 49, 54).

2. Nach diesen Grundsätzen hat die Ast einen Anspruch auf Erteilung einer Umsatzsteuernummer gegenüber dem Antragsgegner als dem örtlich zuständigen Finanzamt schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht.

a) Die Ast kann als Steuerpflichtige im Sinne von § 33 AO einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Umsatzsteuernummer geltend machen.

Unstreitig ist die Ast als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht wirksam errichtet worden. Dadurch ist sie steuerrechtsfähig geworden und hat gemäß § 33 Abs. 1 AO die ihr durch die Steuergesetze auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. Pahlke/Koenig, AO-Kommentar, § 33 Rz. 2, 6). Als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG hat sie u.a. Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen abzugeben (vgl. Pahlke/Koenig, a.a.O., § 33 Rz. 19). Das Finanzamt verkennt, dass auch ein Strohmann als leistender Unternehmer und damit als Steuerpflichtiger in Betracht kommt (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 2 Rz. 225 m.w.N.).

Aus der rechtlichen Stellung als Steuerpflichtiger folgt auch für die Ast der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer, unter der sie ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen hat (vgl. FG Niedersachsen-Urteil vom 23.08.2007 Az. 5 K 364/06, [...]; FG Münster-Urteil vom 27.03.2007 Az. 1 K 3553/06, EFG 2007, 1575 m.w.N.). Die Erfassung eines Steuerpflichtigen unter einer eigenen Steuernummer ist nicht nur ein verwaltungsinterner Vorgang zur sachgerechten Bearbeitung von Steuerfällen, sondern die Erteilung der Steuernummer und ihre Bekanntgabe an den Steuerpflichtigen soll diesem es ermöglichen, seine steuerlichen Verpflichtungen, wie etwa eine korrekte Rechnungsstellung im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG, zu erfüllen.

b) Die Ast hat auch einen Anordnungsgrund schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht. Denn ihre beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit ist ohne die Erteilung einer Steuernummer ernsthaft gefährdet.

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG ist die Ast verpflichtet in einer Rechnung die vom Finanzamt erteilte Steuernummer anzugeben. Ohne Angabe dieser Steuernummer ist die Ast im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nur eingeschränkt handlungsfähig, weil sie dann nicht in der Lage ist, gegenüber möglichen Geschäftspartnern ihre Leistungen ordnungsgemäß abzurechnen (vgl. FG Niedersachsen-Urteil vom 23.08.2007, a.a.O.; FG Münster-Urteil vom 27.03.2007, a.a.O.; FG Nürnberg-Beschluss vom 04.06.2007 Az. 2 V 373/2007, [...]). Insoweit für das summarische Antragsverfahren ausreichend hat die Ast glaubhaft mögliche Geschäftsbeziehungen im Buntmetallhandel dargelegt. Für eine nachhaltige unternehmerische Tätigkeit, die auch den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist die Erteilung einer Steuernummer aber unerlässlich.

c) Bei der im Antragsverfahren gebotenen Abwägung des Interesses der Ast an der Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke mit den Belangen der Öffentlichkeit ist zu berücksichtigen, dass es den Finanzbehörden wirksam nur möglich ist, die unternehmerische Betätigung der Ast zu verfolgen und zu kontrollieren, wenn sie, wie nun gesetzlich vorgeschrieben, unter ihrer Steuernummer tätig wird. Die Regelung des § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG wurde gerade deswegen eingeführt, um Unternehmer zur steuerlichen Erfassung zu veranlassen, damit ihr wirtschaftliches Handeln besser kontrolliert werden kann (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 14 Rz. 253 ff).

Dem rechtlichen und wirtschaftlichen Interesse der Ast an der Erteilung der Steuernummer steht nicht entgegen, dass sie ihre Stellung als Unternehmer auch zur Steuergefährdung missbrauchen kann. Die Umstände der Firmengründung, die Art der Geschäftsführung und der beabsichtigten Leistungen mögen zwar Anlass geben, an einer seriösen unternehmerischen Tätigkeit zu zweifeln. Dies berechtigt jedoch nicht, die steuerliche Erfassung zu verweigern, um eine mögliche Gefährdung des Steueraufkommens zu vermeiden. Eine solche Kompetenz zur Gefahrenabwehr sehen weder die Verfahrensvorschriften der AO noch die materiell-rechtlichen Regelungen des UStG und der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vor (vgl. FG Niedersachsen-Urteil vom 23.08.2007, a.a.O.; FG Münster-Urteil vom 27.03.2007, a.a.O.; FG Nürnberg-Beschluss vom 04.06.2007, a.a.O.). Eine konkrete Steuergefährdung ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.

3. Das Finanzamt hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg, die Ast zur Klageerhebung zu verpflichten. Denn es obliegt zunächst dem Finanzamt, in der Hauptsache über die Erteilung der Steuernummer im Einspruchsverfahren zu entscheiden. Das Gericht hält jedenfalls die vom Finanzamt vorgenommene Versagung der Steuernummer für einen Verwaltungsakt im Sinne von § 118 Satz 1 AO. Denn die Erteilung einer Steuernummer hat nicht nur verwaltungsinterne Wirkung, sondern erlangt insbesondere wegen der Verpflichtung aus § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen (vgl. FG Niedersachsen-Urteil vom 23.08.2007, a.a.O.; FG Münster-Urteil vom 27.03.2007, a.a.O.). Im Streitfall hat das Finanzamt die Erteilung der Steuernummer mit dem Verwaltungsakt vom 23.10.2007 abgelehnt, die Ast hat hiergegen mit dem Telefax-Schreiben vom 21.11.2007 fristgerecht Einspruch eingelegt. Die erneute Ablehnung des Finanzamts mit Schreiben vom 23.11.2007 ist keine Einspruchsentscheidung im Sinne von § 366 AO.

4. Da das Finanzamt in vollem Umfange unterlegen ist, hat es die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO).

5. Die Beschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§§ 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Zwar hält das Gericht die für den Streitfall maßgeblichen gesetzlichen Regelungen für eindeutig, im Hinblick auf die erforderliche Rechtssicherheit bei Unternehmensgründungen misst das Gericht aber der Beschwerdeentscheidung durch den BFH eine richtungweisende Bedeutung bei (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 23, 35, 38), auch im Hinblick auf die bereits anhängigen Revisionen (V R 69/07 und V R 75/07).

6. Gemäß §§ 1 Nr. 3, 52 Abs. 2 GKG ist ein Streitwert von 5.000 EUR anzusetzen, weil der Sach- und Streitstand keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwertes bietet. Im maßgeblichen Antragsverfahren fehlt es an den Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 GKG, weil das Begehren der Antragstellerin nicht auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war.

Im Hinblick auf das Begehren der Antragstellerin, als ein in Xxx ansässiger Steuerpflichtiger eine entsprechende Umsatzsteuernummer zu erhalten, ist für den Streitwert nur der wirtschaftliche Vorteil entscheidend, der gerade für die Ansiedelung des Unternehmens in Xxx spricht. Hierfür liegen im Streitfall aber keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, so dass von dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG auszugehen ist.

Ende der Entscheidung

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