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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 3 K 1219/2007
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1
AO § 37 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

3 K 1219/2007

Rückforderung von Kindergeld

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 16.01.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin für die Monate Dezember 2005 bis März 2007 gezahltes Kindergeld zurückzuerstatten hat.

Aufgrund Antrags vom 07.11.2002 gewährte das Arbeitsamt - Familienkasse - A der Klägerin für ihren Sohn 1 (geb. 12.11.1984) Kindergeld ab Dezember 2002. Der Sohn der Klägerin war zunächst bei der Berufsberatung als ausbildungsplatzsuchend gemeldet. Nach einer im Juni 2003 vorgelegten Ausbildungsbescheinigung der Firma GmbH befand sich der Sohn der Klägerin ab 01.06.2003 bis voraussichtlich 30.06.2006 in Berufsausbildung als Fahrzeuglackierer.

Am 28.10.2004 ging beim Arbeitsamt - Familienkasse - A ein Antrag vom 27.10.2004 auf Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz ein. Das Antragsformular ist in der Unterschriftszeile "Unterschrift des Antragstellers/der Antragstellerin" von der Klägerin mit ihrem Geburtsnamen und in der Unterschriftszeile "Unterschrift des Kindes" vom Sohn 1 unterschrieben. Ebenfalls am 28.10.2004 ging bei der Familienkasse eine von der Klägerin unterschriebene Veränderungsmitteilung ein, mit der sie eine künftig zu beachtende Bankverbindung bei der Bank 1, Kto.Nr. mitteilte. Wegen des weiteren Inhalts wird auf den Antrag vom 27.10.2004 und die Veränderungsmitteilung Bezug genommen.

Nach der am 01.12.2004 bei der Agentur für Arbeit A eingegangenen Bescheinigung des Ausbildungsbetriebs vom 29.11.2004 endete die Ausbildung des Sohnes der Klägerin ohne Ablegung der Abschlussprüfung aus anderen Gründen am 31.10.2004. Mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 02.12.2004 teilte die Familienkasse mit, für das Kind 1 werde weiterhin Kindergeld gezahlt. Nach den in der Kindergeldakte befindlichen Wiederbewilligungsverfügungen folgten die Zahlungen auf das zuletzt mitgeteilte Bankkonto. Laut einem Aktenvermerk vom 28.12.2004 hatte sich der Sohn der Klägerin am 20.12.2004 bei der Berufsberatung und als ausbildungsplatzsuchend gemeldet. Nach einem weiteren in der Kindergeldakte befindlichen Aktenvermerk ist 1 zum 16.01.2007 aus der Arbeitsvermittlung und zum 05.08.2005 aus der Berufsberatung abgemeldet worden.

Mit Bescheid vom 02.05.2007 hob die zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind 1 ab Dezember 2005 nach § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das für den Zeitraum Dezember 2005 bis März 2007 i.H.v. 2.464 EUR gezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO von der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde angegeben, die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG lägen nicht vor. Eine Berücksichtigung des arbeitssuchenden Kindes sei nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, also bis November 2005, möglich. Etwaige Verlängerungstatbestände lägen nicht vor bzw. seien nicht nachgewiesen worden. Eine Ausbildung werde vom Kind nach Aktenlage nicht bzw. nicht mehr angestrebt.

Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 03.07.2007 wurde er als unbegründet zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage wird im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin sei nicht zur Rückzahlung von Kindergeld verpflichtet, weil sie für den strittigen Zeitraum keinerlei Kindergeldzahlungen erhalten habe. Im Jahr 2003 habe sie den letzten Antrag auf Kindergeld selbst gestellt. Der Sohn der Klägerin sei im September 2004 aus der Wohnung der Klägerin ausgezogen und habe dann gewünscht, dass das Kindergeld direkt an ihn überwiesen wird, weshalb ein entsprechendes Formular ausgefüllt und bei der damals zuständigen Familienkasse in A noch im Jahr 2004 abgegeben worden sei. Als Adresse des Sohnes der Klägerin sei die B in C angegeben worden. Die Klägerin habe damals in der D in C gewohnt. Sie habe seit Oktober 2004 keinerlei Kindergeldzahlungen mehr erhalten und nie einen Bescheid über eine Bewilligung oder eine Ablehnung von weiterem Kindergeld bekommen. Sie habe hiermit auch nicht gerechnet, da sie nie der Auffassung war, einen Antrag oder dergleichen gestellt zu haben. Das von ihr blanko unterschriebene Formular sei von ihr lediglich dahin gehend aufgefasst worden, dass ihr Sohn sich nunmehr selbst um die Angelegenheit kümmert und selbst Anspruchsinhaber ist. Erst aufgrund der Zuständigkeitsmitteilung der Familienkasse in E habe sie noch im Juni 2006 mit einem gewissen Herrn 2 von der Kindergeldstelle in A telefoniert und ihre Verwunderung für das Anschreiben zum Ausdruck gebracht und nachgefragt, ob noch Kindergeld bezahlt werde. Nachdem dies von Herrn 2 bejaht worden sei, habe die Klägerin erwidert, dies sei für sie verwunderlich, da ihr Sohn anlässlich eines zufälligen Treffens auf der Straße mitgeteilt habe, kein Kindergeld mehr zu erhalten. Die Klägerin habe Herrn 2 gebeten, sich um die Angelegenheit zu kümmern, damit sie aus der ganzen Sache "draußen" sei. Herr 2 habe am Telefon mitgeteilt, er würde sich um die Angelegenheit kümmern. Sollte die Klägerin nichts mehr von ihm hören, hätte sich die Angelegenheit für sie erledigt. Die Kindergeldzahlung hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt eingestellt werden müssen. Die Versäumnisse der Familienkasse könnten der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Bis zum Zugang des Rückforderungsbescheids habe die Klägerin dann tatsächlich nichts mehr von der Familienkasse gehört. Sie habe erst im Nachhinein erfahren, dass der Sohn im Dezember des Jahres 2004 die Lehre abgebrochen hatte. Spätestens zum Zeitpunkt der Vollendung des 21. Lebensjahres hätte die Beklagte eine Überprüfung vornehmen bzw. andernfalls die Zahlungen einstellen müssen. Die Weiterzahlung könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Dies sei weder der Fehler der Klägerin gewesen noch habe sie Zahlungen erhalten. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass überhaupt noch Kindergeld an ihren Sohn gezahlt wird. Die Klägerin habe auch nicht gewusst, ob ihr Sohn im strittigen Zeitraum Zahlungen der Familienkasse erhalten habe oder nicht, nachdem sie auch die Kontoverbindung ihres Sohnes im Oktober 2004 der Familienkasse mitgeteilt habe.

Außerdem wird vorgetragen, gemäß § 70 Abs. 2 EStG sei die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben oder zu ändern, soweit in den Verhältnissen Änderungen eingetreten sind. Dies sei entweder durch den Umzug des Sohnes der Klägerin gegeben gewesen, was von der Klägerin der Beklagten gegenüber mitgeteilt worden sei, spätestens jedoch bei Vollendung des 21. Lebensjahres. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte bis März 2007 Kindergeld an den Sohn gezahlt hat, obwohl er bereits am 05.08.2005 aus der Berufsberatung und zum 16.01.2007 aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden sei. Eine Nachfrage der Beklagten vom 29.05.2007 sei nicht unbeantwortet geblieben. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 06.06.2007 die Beklagte kontaktiert, habe jedoch aufgrund der Tatsache, dass sie mit ihrem Sohn völlig zerstritten ist und seit 2004 nahezu keinerlei Kontakt hat, die seitens der Beklagten gestellten Fragen nicht beantworten können. Es könne der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie mangels Kontakt zum Sohn keine Nachweise vorlegen kann.

Es möge grundsätzlich zutreffend sein, dass § 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- im öffentlichen Recht keine Anwendung findet. Die Klägerin wolle sich jedoch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, denn sie sei zu keinem Zeitpunkt bereichert gewesen. Der Beklagten sei seit langem bekannt gewesen, dass nicht die Klägerin, sondern deren Kind das Kindergeld erhalten hat. Es sei von der Klägerin nicht lediglich eine geänderte Kontoverbindung mitgeteilt worden, sondern es sei damals ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich um ein Konto des Sohnes handelt, welcher mit der Klägerin keinen Kontakt mehr habe bzw. haben wolle und dass er deshalb selbst das Kindergeld vereinnahmen wollte.

Zur Einreichung des vom 27.10.2004 datierenden Antrags wird für die Klägerin ausgeführt, der Sohn habe der Klägerin mitgeteilt, sie müsse sowohl dieses Formular sowie die Kontoänderungsmitteilung unterschreiben, damit er diese Formulare bei der Kindergeldstelle abgeben könne. Andernfalls würde er kein Kindergeld mehr erhalten. Die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt lediglich die Anschrift "B, C " sowie die Ortsangabe "C" und das Datum ausgefüllt sowie ihre Unterschrift geleistet. Ansonsten sei das Formular vom Sohn ausgefüllt gewesen. Die Klägerin habe insoweit nicht registriert, dass sie möglicherweise selbst als Antragstellerin gewertet werden würde. Sie selbst habe keinesfalls einen neuen Antrag stellen wollen. Sie habe das Blanko-Formular in dem Glauben unterschrieben, ihr Sohn wäre nunmehr selbst der Anspruchsteller und würde sich auch selbst darum kümmern. Ihr sei damals auch nicht bekannt gewesen, dass um diesen Zeitpunkt ihr Sohn die zweite Lehre abbrechen würde. Die Klägerin habe nie die in der Akte im Entwurf befindlichen Schreiben vom 22.10.2004 sowie 02.12.2004 erhalten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ihr Sohn dieses Schreiben bei der damals zuständigen Familienkasse abgeholt, diese dem damaligen Arbeitgeber zur Unterschrift vorgelegt und dann auch wieder bei der Familienkasse abgegeben habe. Außerdem sei der Kindergeldakte zu entnehmen, dass der Familienkasse bereits am 01.12.2004 die Beendigung der Lehre zum 30.10.2004 bekannt gewesen ist. Die Klägerin hege nunmehr den Verdacht, dass ihr Sohn sie bewusst dazu gebracht hat, am 27.10.2004 die Formulare zu unterschreiben und so in betrügerischer Art und Weise habe erreichen wollen, dass sie offiziell als Anspruchsinhaberin gilt, er selbst jedoch das Geld vereinnahmen könne.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 02.05.2007 und die Einspruchsentscheidung vom 03.07.2007 ersatzlos aufzuheben.

Für die Beklagte wird Klageabweisung beantragt und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Aus dem Antrag vom 27.10.2004 sei weder erkennbar, dass damit Kindergeld gegenüber dem Sohn der Klägerin festgesetzt werden soll, noch dass die Klägerin ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Sohn nicht nachkommen würde. Die Klägerin sei daher ohne Zweifel Antragstellerin gewesen. Die Mitteilung der Bankverbindung ihres Sohnes stelle lediglich eine vorweggenommene Verfügung der Klägerin über das an sie ausgezahlte Kindergeld dar. Sie bleibe damit Empfängerin einer Steuervergütung und habe den Betrag nach § 37 Abs. 2 AO zurückzuerstatten.

Eine Aushändigung des Bescheids vom 02.12.2004 an den Sohn der Klägerin wäre nach § 122 Abs. 1 AO nur zulässig gewesen, wenn dieser von der Klägerin dazu bevollmächtigt gewesen wäre. Im Übrigen wäre die persönliche Aushändigung des Bescheides, sei es an die Klägerin oder an eine von ihr bevollmächtigte Person, in der Akte vermerkt worden. Im Streitfall sei sie dies jedoch nicht der Fall gewesen, so dass von einer Übermittlung per Post auszugehen sei.

Der Klägerin sei Kindergeld für ihren Sohn als Kind ohne Ausbildungsplatz bewilligt worden. Er könne damit bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres berücksichtigt werden. Da der Klägerin die Festsetzung der Kindergeldzahlungen, der Grund der Festsetzung und die ihr obliegenden Mitteilungspflichten mit Bescheid vom 02.12.2004 bekannt gegeben worden seien, habe anlässlich der Vollendung des 21. Lebensjahres des Sohnes der Klägerin keine Veranlassung bestanden, die Rechtmäßigkeit der Festsetzung zu überprüfen. Auch liege der Beklagten kein Vermerk über ein Telefonat mit der Klägerin vom Juni 2006 vor. Der Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen sei der Familienkasse erst im März 2007 bekannt geworden.

Weil der Sohn der Klägerin ab Dezember 2005 keinen der Berücksichtigungstatbestände nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG erfüllt habe, sei die Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 2 EStG ab diesem Zeitpunkt aufzuheben gewesen. Ab Vollendung des 21. Lebensjahres des Sohnes der Klägerin habe der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht mehr bestanden. Auch eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG sei über November 2005 hinaus nicht möglich gewesen, denn ab dem 05.08.2005 sei der Sohn der Klägerin nicht mehr bei der Berufsberatung als Bewerber um einen Ausbildungsplatz geführt worden. Die Abmeldung sei erfolgt, weil er auf mehrere Einladungen nicht mehr reagiert habe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Kindergeldakte KG-Nr. verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Die Beklagte hat zu Recht nach § 37 Abs. 2 AO von der Klägerin das für Dezember 2005 bis März 2007 für ihren Sohn 1 gezahlte Kindergeld i.H.v. insgesamt 2.464 EUR zurückgefordert.

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). Das Kindergeld wird gemäß § 31 Satz 3 EStG im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung monatlich gezahlt, so dass die Regelung des § 37 Abs. 2 AO auch für die Rückforderung von Kindergeld Anwendung findet.

a) Für die Monate Dezember 2005 bis März 2007 sind die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG von der Klägerin, die dafür die Beweislast (Feststellungslast) trägt, weder substantiiert behauptet noch nachgewiesen worden. Die Beklagte war nach § 70 Abs. 2 EStG berechtigt, die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab Dezember 2005 aufzuheben. Damit ist der Rechtsgrund für die Zahlungen ab Dezember 2005 entfallen.

b) Die Klägerin ist Leistungsempfängerin der strittigen Kindergeldzahlungen für Dezember 2005 bis März 2007, denn auf ihren Antrag hin erfolgt ihr gegenüber als Berechtigter die Gewährung und Überweisung von Kindergeld auf das der Familienkasse mitgeteilte Konto. Der Kindergeldberechtigte ist auch dann Leistungsempfänger im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn auf seine Anweisung hin das Kindergeld auf das Konto eines Dritten überwiesen wird (vgl. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 7 AO, Tz. 113a m.w.N.). Die damals zuständige Familienkasse des Arbeitsamts A musste nicht davon ausgehen, dass es sich beim Antrag auf Kindergeld vom 27.10.2004 nicht um einen von der Klägerin als Kindergeldberechtigten gestellten Antrag, sondern um einen Antrag des Sohnes 1 handelt. Für eine solche Auslegung des Antrags bestand kein Anlass. Die Klägerin ist potentielle Kindergeldberechtigte gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG und sie hat den Antrag vom 27.10.2004 in der Unterschriftszeile unterschrieben, die deutlich den Zusatz "Unterschrift des Antragstellers/der Antragstellerin" trägt. Auch wenn sie lediglich die Anschrift des Sohnes selbst handschriftlich in das Antragsformular eingetragen hat, so ändert dies nichts daran, dass sie objektiv als Antragstellerin erscheint und unterschrieben hat, wohingegen ihr Sohn den Antrag in der Unterschriftszeile "Unterschrift des Kindes" unterzeichnet hat. Es ist aus dem Antrag nicht ersichtlich, dass der Sohn - ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit - selbst einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld stellen wollte oder eine Auszahlung an sich nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG begehrte. Irgendein Vorbehalt der Klägerin oder ihre Zustimmung zur Auszahlung an das Kind nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG ist dem Antrag nicht zu entnehmen. Ein rechtsirriger, nicht erkennbarer innerer Vorbehalt der Klägerin, nicht selbst als Antragstellerin auftreten zu wollen, kann nicht berücksichtigt werden, denn maßgeblich ist, wie ein objektiver Empfänger, d.h. hier die Familienkasse, den Antrag bei verständiger Würdigung verstehen konnte und durfte.

Gleiches gilt für die Veränderungsmitteilung vom 27.10.2004, die am 28.10.2004 bei der Familienkasse einging. Auch daraus ergibt sich keine Antragstellung durch den Sohn 1. Vielmehr hat die Klägerin dort ebenfalls in der Unterschriftszeile "Unterschrift des/der Berechtigten" unterschrieben. Entgegen der Behauptung der Klägerin ist der Sohn 1 darin lediglich als Kind in der dafür vorgesehenen Zeile genannt, ohne Hinweis auf seine Kontoinhaberschaft oder einen dadurch beabsichtigten Wechsel des Bezugsberechtigten bzw. Leistungsempfängers, obwohl im vorgedruckten Text ausdrücklich die Angabe des Kontoinhabers verlangt wird, falls es sich dabei nicht um die Person des Kindergeldberechtigten handelt. Auch aus dem weiteren Inhalt der Akten sind keine Anhaltspunkte gegeben, welche die Familienkasse veranlasst haben könnten bzw. mussten, nicht - mehr - die Klägerin, sondern ihren Sohn als Antragsteller bzw. Leistungsempfänger anzusehen.

2. Eine andere Beurteilung ergibt sich selbst dann nicht, wenn man die von der Klägerin behauptete fehlende Bekanntgabe des an sie gerichteten Bescheids vom 02.12.2004 als wahr unterstellt. Denn nach § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2004 gültigen Fassung konnte die Familienkasse zum damaligen Zeitpunkt ohnehin von der Erteilung eines schriftlichen Bescheides absehen, wenn dem Antrag - wie im Streitfall - entsprochen wird. Im Übrigen ist es gerichtsbekannt die Ausnahme, Bescheide der Familienkasse durch persönliche Übergabe bekannt zu geben. Bei einer - ausnahmsweisen - Aushändigung eines Bescheids an den Empfänger erfolgt regelmäßig die Anfertigung eines Aktenvermerks hierüber. Das Fehlen eines solchen Vermerks in der vorliegenden Kindergeldakte spricht deshalb gegen eine persönliche Übergabe des Bescheids.

Auch das Vorbringen der Antragstellerin, sie hätte im Juli 2006 telefonisch einem Sachbearbeiter der Familienkasse in A, Herrn 2, mitgeteilt, keinen Kontakt mehr mit ihrem Sohn zu haben und den Sachbearbeiter gebeten, sich um die Angelegenheit zu kümmern, damit sie "aus der ganzen Sache draußen" sei, ergibt nichts Anderes, selbst wenn man die behauptete Zusage des Sachbearbeiters, er werde sich um die Angelegenheit kümmern, sollte die Klägerin nichts mehr von ihm hören, hätte sich die Angelegenheit für sie erledigt, als wahr unterstellt. Denn weder aus dem einseitigen Ansinnen der Klägerin, "aus der ganzen Sache draußen" sein zu wollen noch der behaupteten Äußerungen des Gesprächspartners 2, kann ein von der Behörde akzeptierter Wechsel in der Person des Leistungsempfängers hergeleitet werden. Insbesondere folgt daraus keine Zustimmung der Familienkasse zu einer künftigen Auszahlung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG an den Sohn der Klägerin oder ein Verzicht auf einen möglichen Rückforderungsanspruch. Es oblag der Klägerin, die Folgen des aus objektiver Sicht ihr zuzurechnenden Antrags eindeutig und unmissverständlich zu beseitigen. Ein Verhalten der Behörde, das eine Rückforderung zu Unrecht bezogenen Kindergeldes von der Klägerin nach Treu und Glauben verbieten würde (vgl. BFH-Beschluss vom 27.02.2007 III B 1/06, BFH/NV 2007, 1120), sieht der Senat in den von der Klägerin behaupteten Äußerungen des Bearbeiters 2 anlässlich eines Telefonat im Juni 2006 jedenfalls nicht. Weiterer Feststellungen zum behaupteten Inhalt des Telefonats vom Juni 2006 bedarf es deshalb nicht.

Schließlich kann der Rückforderung auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Beklagte hätte nach Erreichen des 21. Lebensjahres des Sohnes der Klägerin die Voraussetzungen für den weiteren Bezug von Kindergeld überprüfen müssen. Zum Einen ist eine Festsetzung von Kindergeld über das 21. Lebensjahr des Kindes hinaus nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG möglich, so dass die Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes von der Beklagten nicht automatisch zum Anlass für Ermittlungen über den Fortbestand des Kindergeldanspruchs genommen werden musste. Zum Anderen würde sich selbst aus einer unterstellten Verletzung der Ermittlungspflicht zum - weiteren - Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG beim Sohn der Klägerin kein Wechsel in der Person des Leistungsempfängers oder ein Verbot der Rückforderung ergeben.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalles sind die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Rückforderungsanspruchs nicht gegeben, insbesondere ist das erforderliche Zeitmoment nicht erfüllt. Die Aufhebungs- bzw. Änderungsbefugnis nach § 70 Abs. 2 EStG ist zeitlich nur durch den nach § 169 Abs. 2 AO zu beachtenden Rahmen begrenzt. Gründe, die im Streitfall nach Treu und Glauben die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist verbieten würden, sind nicht gegeben. Die Weiterzahlung trotz Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen reicht als Vertrauenstatbestand nicht aus (vgl. BFH, a.a.O.). Dem Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO kann der Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht mit Erfolg entgegengehalten werden.

Der Einwand der Klägerin, vom Abbruch der Lehre nichts gewusst zu haben und ihre Vermutung, ihr Sohn habe den Antrag vom 27.10.2007 von ihr in betrügerischer Absicht unterschreiben lassen, verhelfen der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung nach § 37 Abs. 2 AO ist unerheblich, aus welchem Grund die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nicht gegeben sind bzw. weshalb der Rechtsgrund für den Bezug der Leistungen entfallen ist. Ein Verschulden des Kindergeldberechtigten bzw. des Leistungsempfängers für den unberechtigten Bezug von Kindergeld ist für das Entstehen des Rückforderungsanspruchs nicht erforderlich.

Eine Abtretung des Kindergeldanspruchs, die eine Inanspruchnahme des Sohnes der Klägerin zuließe (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 3 AO), ist nicht gegeben. Denn ungeachtet der dabei nach § 46 Abs. 2 AO zu beachtenden Form, kann sowohl den bei der Familienkasse eingegangenen Unterlagen als auch den behaupteten telefonischen Äußerungen der Klägerin keine Abtretung des Anspruchs entnommen werden.

Die angefochtenen Bescheide lassen auch im Übrigen keine Fehler zu Lasten der Klägerin erkennen. Nach den in der Kindergeldakte befindlichen Kassenanordnungen bestehen keine Zweifel an der Überweisung der strittigen Zahlungen auf das von der Klägerin zuletzt mitgeteilte Konto.

Die Beklagte hat deshalb zu Recht nach § 37 Abs. 2 AO das für Dezember 2005 bis März 2007 überwiesene Kindergeld i.H.v. insgesamt 2.464 EUR von der Klägerin zurückgefordert.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



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