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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 3 V 1280/07
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 309
AO § 313
AO § 314
FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 4 S. 2 Nr. 2
FGO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

3 V 1280/07

Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 29.05.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch

am 11.10.2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

I. Der Antragsgegner betreibt wegen fälliger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von zunächst 1.938,15 EUR die Vollstreckung gegen den Antragsteller.

Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 29.05.2007 pfändete der Antragsgegner alle dem Antragsteller gegenwärtig und künftig gegen die Sparkasse A, die Bank B und die BAUSPARKASSE C zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus den dort geführten Konten bzw. Bausparverträgen. Zugleich wurde die Einziehung der gepfändeten Ansprüche in Höhe des geschuldeten Gesamtbetrags angeordnet. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 29.05.2007 verwiesen.

Nach der Drittschuldnererklärung der Sparkasse A vom 06.06.2007 besteht dort ein Sparkonto Nr. 67 mit einem Guthabenstand von 591,57 EUR, welches als Mietkaution dem Vermieter des Antragstellers als Sicherheit zusteht. Nach der Drittschuldnererklärung der BAUSPARKASSE C vom 11.06.2007 wurde die Pfändung im Nachrang vorgemerkt, weil das Bausparguthaben zu Sicherungszwecken vorrangig verpfändet sei. Die Bank B teilte in ihrer Drittschuldnererklärung vom 07.06.2007 mit, das laufende Konto des Antragstellers habe bei Zustellung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung ein Guthaben in Höhe von 1.592,57 EUR ausgewiesen, die gepfändete Forderung werde in dieser Höhe als begründet anerkannt, das Guthaben werde nach Abschluss überwiesen, sofern keine vorrangigen Rechte bestünden. Außerdem wurde mitgeteilt, die gepfändete Forderung aus dem Sparkonto Nr. 24 werde in Höhe von 276,67 EUR als begründet anerkannt.

Mit (Fax-)Schreiben vom 08.08.2007 legte der Antragsteller gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 29.05.2007 Einspruch ein.

Ebenfalls mit Schreiben vom 08.08.2007, eingegangen per Fax beim Finanzgericht Nürnberg am selben Tag, begehrt der Antragsteller eine "einstweilige Anordnung" gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 29.05.2007. Aufgrund dieser Verfügung habe er keine Miete bezahlen, keine Versicherungen begleichen und noch nicht einmal Toilettenpapier kaufen können. Er sei gezwungen gewesen Sozialhilfe zu beantragen.

Auf Anfrage des Gerichts teilte der Antragsteller mit, einen Antrag nach § 850k ZPO werde er in den nächsten Tagen stellen. Sein Antrag vom 08.08.2007 beziehe sich auf das Konto bei der Bank B und die Konten bei der Sparkasse A und der BAUSPARKASSE C. Die Guthaben bei der Sparkasse A und der BAUSPARKASSE C seien Kautionen für sein Mietverhältnis. Sollte er umziehen, benötige er diese Gelder für eine neue Mietkaution. Von seiner geringen Rente könne er nicht leben. Er sei auf Stellensuche und möchte nicht der Sozialhilfe lästig fallen.

Der Antragsgegner trägt vor, ein Anspruchsgrund liege nicht vor. Am 29.05.2007 seien drei Konten gepfändet worden, darunter ein einziges Girokonto bei der Bank B. Der Antragsteller trage nicht vor, dass bestimmte Einnahmen, die auf dieses Konto fließen, einem Pfändungsschutz unterliegen. Dieser wäre ohnehin von der kontoführenden Bank zu beachten (Hinweis auf § 55 Abs. 1 SGB I) bzw. vom Antragsteller zu beantragen (§ 850k ZPO). Ein solcher Antrag sei nicht gestellt worden. Der Antragsteller trage lediglich vor, er benötige Geld für bestimmte Zwecke. Insoweit sei im Gesetz ein Pfändungsschutz nicht vorgesehen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, welche Einnahmen in welcher Höhe der Antragsteller von einer Pfändung freigestellt haben will.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die dem Gericht vorliegenden Vollstreckungsakten verwiesen.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die den Begriff "einstweilige Anordnung" enthaltende Antragsschrift des Antragstellers vom 08.08.2007 bedarf der Umdeutung (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, § 114 FGO Tz. 57 m.w.N.).

Gegen eine Pfändungsverfügung nach § 309 AO kann ebenso wie gegen eine Einziehungsverfügung nach § 314 AO einstweiliger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) oder bei Pfändung fortlaufender Bezüge im Sinne des § 313 AO durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) gewährt werden. Die Aussetzung der Vollziehung kann auch noch nach Einziehung der Forderung verlangt werden (vgl. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 309 AO Tz. 56).

Im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers ist sein auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Begehren als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO zu werten, denn nach dem Vorbringen der Beteiligten und dem Inhalt der vorliegenden Vollstreckungsakten wurden bei der Sparkasse A, der Bank B und der BAUSPARKASSE C keine laufenden Bezüge im Sinne des § 313 AO gepfändet. Einzig die vom Antragsteller in seinem Schreiben vom 15.09.2007 genannte Pfändung des Kontos bei der Sparkasse D betrifft offenbar laufende (Renten-)Bezüge bzw. laut der hierzu vorliegenden Drittschuldnererklärung vom 01.02.2007 unpfändbare Sozialleistungen. Die dem zugrunde liegende Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 05.02.2007 ist nach ausdrücklicher Erklärung des Antragstellers aber nicht Gegenstand des vorliegenden Antrags.

Für den Aussetzungsantrag ist die Ausnahme von der Zugangsbeschränkung nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO gegeben, denn eine Vollstreckung droht jedenfalls dann, wenn sich der Aussetzungsantrag unmittelbar gegen einen Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren richtet (vgl. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 69 FGO Tz. 79 m.w.N.).

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 29.05.2007 sind nach Aktenlage innerhalb noch offener Einspruchsfrist angefochten worden, denn nach den in der Vollstreckungsakte befindlichen Aktenausfertigungen der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen und den Anschreiben an den Antragsteller waren diesen keine Rechtsbehelfsbelehrungen beigefügt. Die demnach einzuhaltende Jahresfrist nach § 356 Abs. 2 AO ist durch den am 08.08.2007 per Fax beim Antragsgegner eingegangenen Einspruch gewahrt worden.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Steuerbescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage im summarischen Beschlussverfahren nicht abschließend zu entscheiden. Die Aussetzung der Vollziehung setzt auch nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10.05.2001 I S 3/01, BFH/NV 2001, 957 m.w.N.).

Im Streitfall bestehen bei summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 29.05.2007.

Nach Aktenlage haben die Voraussetzungen des § 254 AO für den Beginn der Vollstreckung hinsichtlich der Pfändung und Einziehung der Forderungen vorgelegen. Der Antragsteller hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

Die Pfändung- und Einziehung der Ansprüche, Forderungen und Rechte des Antragstellers gegenüber der Sparkasse A, der BAUSPARKASSE C und der Bank B lässt auch im Übrigen keine Rechts- bzw. Ermessensfehler zu Lasten des Antragstellers erkennen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17.07.2003 VII B 49/03, BFH/NV 2003, 1538 m.w.N.) umfasst der Pfändungsschutz bei der Forderungspfändung grundsätzlich lediglich das Arbeitseinkommen und bestimmte gleichgestellte fortlaufende Bezüge des Vollstreckungsschuldners. Diese Regelung ist vom Gesetzgeber gewollt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Vollstreckungsschuldner hat die mit der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere Kontenpfändungen einhergehenden Beschränkungen im Rahmen des gesetzlich geregelten Pfändungsschutzes hinzunehmen. Ggf. muss der Vollstreckungsschuldner es ertragen, dass seine Gläubiger nicht privilegierte Forderungen vollständig wegpfänden und er dadurch sozialhilfebedürftig wird (vgl. BFH-Beschluss, a.a.O.). Pfändungsschutzvorschriften (§ 55 Abs. 1 SGB I, § 850k ZPO) greifen hinsichtlich der mit Verfügungen vom 29.05.2007 gepfändeten Konten nicht ein. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragsgegners und den vorliegenden Drittschuldnererklärungen gehen solche geschützten Bezüge nur auf dem Konto bei der Sparkasse im Landkreis D ein. Die Mietkautionen unterliegen zum einen keiner Beschränkung oder Verboten nach § 319 AO i.V.m. §§ 850 bis 852 ZPO. Zum anderen sind sie nach der Drittschuldnererklärung der Sparkasse A ohnehin vorrangig an den Vermieter abgetreten. Gleiches gilt hinsichtlich des Guthabens bei der BAUSPARKASSE C. Dass das bei der Bank B bestehende Bankguthaben einem Pfändungsschutz unterliegt, ist weder den Angaben des Antragstellers noch den Akten zu entnehmen.

Die Vollziehung der vom Antragsgegner am 29.05.2007 ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen stellt auch keine unbillige Härte dar.

Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Zahlung Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde (vgl. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 69 FGO Tz. 103 m.w.N.). Wie sich aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BFH jedoch ergibt, hat der Vollstreckungsschuldner ggf. auch Pfändungen, durch die er sozialhilfebedürftig wird, hinzunehmen. Eine unbillige Härte kann deshalb allein in der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, bei der die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften - auch vom Drittschuldner - beachtet werden, grundsätzlich nicht liegen. Übertragen auf die beantragte Aussetzung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bedeutet dies, dass darüber hinaus eine existenzbedrohende Situation oder ein nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten müsste. Dafür sind jedoch weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch nach dem Inhalt der vorliegenden Vollstreckungsakten ausreichende Anhaltspunkte gegeben, insbesondere trägt der Antragsteller nicht vor, wegen der tatsächlich bevorstehenden Anmietung einer anderen Wohnung die Mietkaution bzw. deren Freigabe zzt. zu benötigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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