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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 4 K 1831/07
Rechtsgebiete: AO, BewG


Vorschriften:

AO § 129
BewG § 138 Abs. 1
BewG § 138 Abs. 3
BewG § 145 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15.01.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. In Abänderung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes vom 08.06.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2007 wird der Grundbesitzwert auf 77.500 EUR festgestellt.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten die Vollstreckung vor Rechtskraft des Urteils abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beschluss: Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren der Klägerin wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Erschließungskosten in die Berechnung des Grundbesitzwertes einzubeziehen sind.

Mit Schreiben vom 13.11.2006 forderte das für die Erbschaftsbesteuerung zuständige FA 1 das beklagte Finanzamt auf, für Zwecke der Erbschaftsteuer den Grundbesitzwert für das Grundstück in 2, Str. 1 , auf den 15.04.2005 festzustellen, und legte dem Schreiben die eingereichte Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts bei. In der Erklärung war die Fläche des Grundstücks mit 544 qm und der Bodenrichtwert auf den 01.01.1996 mit 350 DM/qm angegeben sowie der Zustand des Grundstücks als "voll erschlossen" angekreuzt.

Das Finanzamt nahm einen Zuschlag in Höhe von 25,56 EUR (= 50 DM) je qm wegen abweichender Erschließung zum (erschließungsbeitragspflichtigen) Bodenrichtwertgrundstück vor und ermittelte so einen Mindestwert des Grundstücks in Höhe von 88.998 EUR. Mit Bescheid vom 08.06.2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 15.02.2005 für Zwecke der Erbschaftsteuer setzte es den Grundbesitzwert auf 88.500 EUR fest und rechnete diesen der Klägerin sowie der Beigeladenen entsprechend der Anforderung des FA 1 jeweils zur Hälfte zu.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 12.10.2007 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundstückswerts vom 08.06.2007 dahin zu ändern, dass der Mindestwert aus dem festgestellten Richtwert von 350 DM/qm ohne Zuschlag für Erschließungskosten festgestellt wird. Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Der Grundstückswert werde allein durch die Fläche und den um 20 v.H. ermäßigten Bodenrichtwert festgelegt. Die Bodenrichtwerte seien für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich. Sie seien deswegen von den Finanzbehörden und den Finanzgerichten ungeprüft und ohne eigenen Bewertungsspielraum der Ermittlung des Bedarfswerts zugrunde zu legen. Der Steuerpflichtige habe Anspruch auf eine Wertermittlung, welche diesem typisierenden Verfahren entspreche. Werde der Bodenrichtwert wegen abweichender Erschließung von der Finanzbehörde abgeändert, weiche diese von den Wertermittlungsgrundsätzen in unzulässiger Weise ab. Es werde faktisch ein tatsächlicher Erschließungszustand in die Bewertung einbezogen. Werde für die Bedarfsbewertung ein Zuschlag für Erschließungskosten angesetzt, so wäre das ein unzulässiger eigener Bodenrichtwert der Finanzverwaltung und nicht der vom Gutachterausschuss nach dem BauGB ermittelte Bodenrichtwert auf den 01.01.1996.

Das Schreiben des Landratsamts 3 vom 14.01.2008, dass Erschließungskosten bei den entsprechenden Gemeinden nachzufragen seien, sowie die Bestätigung des Marktes 2, dass die Erschließungskosten 65 DM je qm betragen würden, bestätige, dass nicht der Gutachterausschuss, sondern das Bauamt zu den Erschließungskosten Stellung genommen habe. Der Gutachterausschluss habe diesbezüglich keine Aussage über die Höhe der Bodenrichtwerte getroffen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen und für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision. Es begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Der Gutachterausschuss beim Landratsamt 3 habe den Bodenrichtwert für die Gemarkung 2 zum 01.01.1996 erschließungsbeitragspflichtig auf 350 DM festgestellt. Für erschließungsbeitragsfreies Bauland habe der Gutachterausschuss für den gesamten Landkreis 3 einen Pauschalbetrag von 50 DM als Zuschlag für Erschließungskosten vorgegeben. Schriftliche Unterlagen hierüber seien nicht vorhanden. Das Finanzamt habe den Zuschlag angesetzt, nachdem vom Bauamt des Marktes 2 mitgeteilt worden sei, dass für das streitbefangene Grundstück keine Beitragspflicht mehr bestehe.

Nach § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB seien Bodenrichtwerte für "erschließungsbeitragspflichtiges oder (in der Klagebegründung: und) erschließungsbeitragsfreies Bauland" zu ermitteln. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil vom 18.08.2005 II R 62/03 den "beitrags- und abgabenrechtlichen Zustand des Grundstücks" als entscheidend bezeichnet.

Durch die Vorgabe des Zuschlags habe der Gutachterausschuss faktisch auch einen Bodenrichtwert für erschließungsbeitragsfreies Bauland ermittelt.

Für den Fall des Unterliegens sei die Revision zuzulassen im Hinblick auf R 161 Abs. 6 Satz 6 Erbschaftsteuerrichtlinien 2003.

Der Bodenrichtwert für Bauland - ohne Erschließung - beträgt entsprechend der Richtwertkarte für 2 zum Stichtag 31.12.1995 350 DM je qm. Der Markt 2 hat dem Finanzamt während des Klageverfahrens durchschnittliche Erschließungskosten in Höhe von 65 DM je qm mitgeteilt, welche sich (in etwa) wie folgt aufgliedern:

Straßenbeitrag 50 DM je qm

Kanalbeitrag 2,20 DM (Grundstücksfläche) und 8,70 DM (zul. GFZ) je qm

Wasserbeitrag 1,30 DM (Grundstücksfläche) und 5,70 DM (zul. GFZ) je qm

Nach Auskunft des Landratsamts 3 und des Marktes 2 besteht für das streitgegenständliche Grundstück keine Beitragspflicht mehr.

Am 05.06.2008 war bereits eine mündliche Verhandlung vor dem Gericht durchgeführt worden. Zur Vorlage einer ergänzenden Äußerung des Gutachterausschusses erhielt der Vertreter des Finanzamts eine Frist bis spätestens 30.09.2008. Das Finanzamt hat Stellungnahmen des Landratsamts 3 (Gutachterausschuss ) vom 16.09.2008 und vom 28.10.2008 vorgelegt; auf diese wird verwiesen (FG-Akte Bl. 47 und 51).

Das Gericht hat mit Beschluss vom 15.12.2008 Frau A zum Verfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet, der Bodenrichtwert auf den 01.01.1996 war mit 350 DM/qm anzusetzen.

1. Die Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 15.02.2005 stellt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO dar, führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Bescheides. In der Einspruchsentscheidung ist der Bewertungsstichtag zutreffend mit 15.04.2005 bezeichnet worden.

2. Der Bodenrichtwert für das zu bewertende Grundstück beträgt 350 DM/qm.

2.a. Gemäß §§ 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BewG werden Grundbesitzwerte für wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt und der Wertverhältnisse zum 01.01.1996 festgestellt. Dabei darf der für ein bebautes Grundstück nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG anzusetzende Wert nicht geringer sein als der Wert, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG zu bewerten wäre (Mindestwert, § 146 Abs. 6 BewG). Demnach bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke nach ihrer Fläche und den um 20 v.H. ermäßigten Bodenrichtwerten (§ 196 BauGB). Gemäß § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG sind die Bodenrichtwerte von den Gutachterausschüssen nach dem Baugesetzbuch auf den 01.01.1996 zu ermitteln und den Finanzämtern mitzuteilen.

Die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Jahressteuergesetz 1997 (BT-Drs. 13/4839, S. 44 und 50) geht davon aus, dass unbebaute Grundstücke nach dem Vergleichswertverfahren auf der Grundlage von Bodenrichtwerten bewertet werden, die von den Gutachterausschüssen ermittelt werden und bei der Bewertung des einzelnen Grundstücks nur noch an eine abweichende bauliche Nutzung durch Umrechnung von Geschoßflächenzahlen angepasst werden sollen. Weitere wertbeeinflussende Merkmale wie z.B. Ecklage, Grundstücksgröße etc. sollen - abweichend von der bisherigen Einheitsbewertung - außer Ansatz bleiben bzw. durch einen generellen Abschlag von 30 v.H. (durch Vermittlungsausschuss auf 20 v.H. reduziert) abgegolten werden.

2.b. Ziff. 4.2 des Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 15.04.1997 (34-S 3014-17/11-16645), R 160 Abs. 1 Satz 6 ErbStR 1999 und R 160 Abs. 1 Satz 6 ErbStR 2003 sehen vor, dass die Gutachterausschüsse verpflichtet sind, die Bodenrichtwerte für Zwecke der Bedarfsbewertung flächendeckend für bebaute Grundstücke und bei unbebauten Grundstücken zumindest für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland festzustellen und den Gemeinden mitzuteilen. Nach Ziff. 4.4 des Schreibens vom 15.04.1997, R 161 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStR 1999 und R 161 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStR 2003 handelt es sich bei der Unterteilung in erschließungsbeitragspflichtiges und erschließungsbeitragsfreies Bauland um ein lagetypisches Merkmal des Bodenrichtwertgrundstücks; der Wert von Grundstücken, die von den lagetypischen Merkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks abweichen, ist danach aus dem Bodenrichtwert abzuleiten. Ziff. 4.6 des Schreibens vom 15.04.1997, R 161 Abs. 6 Satz 2 und 3 ErbStR 1999 und R 161 Abs. 6 Satz 2 und 3 ErbStR 2003 führen aus, dass die Erschließung regelmäßig kein werterhöhendes Merkmal eines einzelnen Grundstücks ist, sondern werterhöhendes Merkmal sämtlicher Grundstücke an einer Straße oder in einer Gegend, so dass die Erschließung bereits im Bodenrichtwert berücksichtigt ist. Die Regelungen gehen allerdings davon aus, dass es für den Wert des Grundstücks ohne Bedeutung sei, ob die Gemeinde Erschließungsbeiträge bereits angefordert hat oder ob Vorauszahlungen geleistet wurden; entscheidend sei der tatsächliche Erschließungszustand des zu bewertenden Grundstücks. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 18.08.2005 II R 62/03 (BStBl. II 2006, 5) dagegen entschieden, dass es auf den tatsächlichen Erschließungszustand nicht ankommt, sondern der beitrags- und abgabenrechtliche Zustand des Grundstücks entscheidend ist. Weicht der (tatsächliche) Erschließungszustand des zu bewertenden Grundstücks von dem des Bodenrichtwertgrundstücks ab, ist dies bei der Ermittlung des Bodenwerts gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Gutachterausschuss zu berücksichtigen , Ziff. 4.6 des Schreibens vom 15.04.1997, R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 1999 und R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 2003.

2.c. Der BFH hat mit Urteil vom 18.08.2005 II R 62/03 (BStBl. II 2006, 5; Streitjahr: 1998) entschieden, dass das Finanzamt in den Fällen, in denen die Richtwertkarte lagetypische Merkmale des Bodenrichtwertgrundstücks bezeichnet oder entsprechend dem beitrags- und abgabenrechtlichen Zustand (erschließungsbeitragspflichtig und erschließungsbeitragsfrei) unterschiedliche Bodenrichtwerte benennt, nicht selbst einen "eigenen" Bodenrichtwert ermittelt, sondern lediglich eine vom Gutachterausschuss vorgegebene Differenzierung beachtet.

Weiter hat der BFH in dem Urteil ausgeführt, dass der maßgebliche Bodenrichtwert ausschließlich der Bodenrichtwertkarte auf den 31.12.1995 zu entnehmen ist; soweit diese lediglich eine Preisspanne vorgibt, ist sie für Zwecke der steuerlichen Bewertung ungeeignet und entspricht nicht dem § 145 Abs. 3 BewG. Es kann lediglich der unterste Wert der angegebenen Wertspanne nach dieser Vorschrift übernommen werden. Wegen der bisher ungeklärten Rechtslage hat der BFH die Streitsache an das Finanzgericht zurückgegeben mit der Maßgabe, dass dem Finanzamt in einem zweiten Rechtszug die Gelegenheit gegeben wird, beim Gutachterausschuss auf die Erarbeitung einer für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes geeigneten und dem § 145 Abs. 3 BewG entsprechenden Richtwertkarte hinzuwirken und die dieser Entscheidung entsprechenden "ergänzenden Vorgaben" i.S. von § 196 Abs. 1 Satz 4 BauGB zu machen.

2.d. Mit Urteil vom 26.04.2006 II R 58/04 (BStBl. II 2006, 793; Streitjahr: 1997) hat der BFH entschieden, dass die Finanzämter nicht berechtigt sind, die für die Bedarfsbewertung von Rohbauland maßgebenden Bodenrichtwerte mit einem Prozentsatz aus den von den Gutachterausschüssen für erschließungsbeitragsfreies Bauland ermittelten und mitgeteilten Bodenrichtwerten abzuleiten. Über die bloße Beachtung der vom Gutachterausschuss vorgegebenen Differenzierungen hinaus dürfen die Finanzämter keine "eigenen" Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Bodenrichtwerten ableiten, denn es würde sich sonst um eine Schätzung handeln, die mit der gesetzlichen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gutachterausschüssen und den Finanzämtern sowie mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Typisierung und Vereinfachung der Bedarfsbewertung nicht vereinbar wäre. Wegen der ungeklärten Rechtslage im dortigen Streitfall hat der BFH die Streitsache ebenfalls an das Finanzgericht zurückgegeben mit der Maßgabe, dass dem Finanzamt in einem zweiten Rechtszug die Gelegenheit gegeben wird, beim Gutachterausschuss auf die Ermittlung und Mitteilung eines für die Bedarfsbewertung des Grundstücks geeigneten Bodenrichtwerts auf den 01.01.1996 nach den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wertverhältnissen und den tatsächlichen Verhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt hinzuwirken.

Das Hessische Finanzgericht, an welches die Streitsache zurückgegeben wurde, entschied mit Urteil vom 11.12.2007 (3 K 2095/06, EFG 2008, 776), dass die bloße Stellungnahme der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses die fehlende Ermittlung des Bodenrichtwertes durch den Gutachterausschuss selbst nicht ersetzen kann, da es sich - im dortigen Streitfall - nicht um eine bloße Auskunft aus einer Datensammlung gehandelt hatte, sondern die Geschäftsstelle eigene Überlegungen zur Ermittlung des lagetypischen Werts des Bewertungsobjekts angestellt und dabei auch den hypothetischen und unverbindlichen Charakter ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht hatte. Nach Auffassung des Hessischen FG fehlte dieser Wertermittlung jede Verbindlichkeit und überzeugende Begründung und war daher nicht zu berücksichtigen.

2.e. Das FG Nürnberg hat mit Urteil vom 27.01.2000 IV 261/1999 (EFG 2000, 610; Streitjahr: 1998) entschieden, dass - ebenfalls - vom Gutachterausschuss ermittelte und mitgeteilte Erschließungswerte den (erschließungsbeitragspflichtigen) Bodenrichtwert erschließungsbeitragsfreier Grundstücke erhöhen. Zwar hatte dort der Gutachterausschuss Bodenrichtwerte für erschließungsbeitragspflichtige Grundstücke ermittelt, die für die einzelnen Gemeindegebiete maßgeblichen Erschließungswerte dem Finanzamt jedoch in einer eigenen Übersicht mitgeteilt; die Übersicht über die Erschließungswerte bildete damit einen Teil der vom Gutachterausschluss ermittelten und dem Finanzamt mitgeteilten Richtwerte und war in die Wertermittlung gemäß § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG einzubeziehen.

2.f. Hinsichtlich der Erschließungskosten sieht § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB vor, dass Bodenrichtwerte mindestens für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland zu ermitteln sind.

Nach § 199 Abs. 2 Nr. 4 BauGB können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung die Ermittlung der Bodenrichtwerte regeln. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der auf dieser Rechtsgrundlage ergangenen GutacherausschussV i.d.F. ab 01.05.2005 (§ 12 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz GutachterausschussV i.d.F. bis 30.04.2005) sollen Bodenrichtwerte die Erschließungskosten sowie die für die anderen Erschließungsanlagen in Betracht kommenden Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz enthalten. Bodenrichtwerte, welche den Erschließungsbeitrag nicht enthalten, sind gesondert zu kennzeichnen (§ 14 Abs. 2 GutachterausschussV). Für Zwecke der steuerlichen Einheitsbewertung des Grundbesitzes zum jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 12 Abs. 1 Satz 3 GutachterausschussV i.d.F. bis 30.04.2005) bzw. der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes (§ 12 Abs. 1 Satz 4 GutachterausschussV i.d.F. ab 01.05.2005) sind Bodenrichtwerte für die Entwicklungszustände Bauland, Rohbauland und Bauerwartungsland sowie für bebaute Grundstücke zu ermitteln.

Gemäß Ziff. 4.3 der Richtlinie über Bodenrichtwerte (Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 30.11.2000 Nr. II B 5 - 4611.31 - 004/99) sollen die Bodenrichtwerte für baureife Grundstücke grundsätzlich die Erschließungsbeiträge nach § 127 BauGB und Abgaben nach dem KAG enthalten. Der Einfluss der Beiträge und Abgaben auf den Bodenwert ist dabei am Marktverhalten zu orientieren. Lediglich in Ausnahmefällen können demnach auf Grund örtlicher Gegebenheiten vorübergehend erschließungsbeitragspflichtige Bodenrichtwerte ermittelt werden.

3. Im Streitfall ist das Grundstück in 2 "voll erschlossen" im beitrags- und abgabenrechtlichen Sinne, d.h. erschließungsbeitragsfrei. Der Gutachterausschuss beim Landratsamt 3 hat die Bodenrichtwerte auf den 31.12.1995 lediglich für Bauland ohne Erschließung (= erschließungsbeitragspflichtig) mitgeteilt. Dieser beträgt unstreitig 350 DM je qm.

Der Regelung in Ziff. 4.6 des Schreibens vom 15.04.1997, R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 1999 und R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 2003 entsprechend hat das Finanzamt zwar den abweichenden tatsächlichen und auch beitrags- und abgabenrechtlichen Erschließungszustand des zu bewertenden Grundstücks von dem des Bodenrichtwertgrundstücks bei der Ermittlung des Bodenwerts insoweit berücksichtigt, als es in mündlicher Abstimmung mit dem Gutachterausschuss für die Erschließung pauschal - wie für den gesamten Landkreis 3 seit dem Jahr 1996 - einen Betrag von 50 DM je qm herangezogen hat.

Es hat sich jedoch in der Entwicklung der Rechtsprechung vor allem in den Jahren 2005/2006 herauskristallisiert, dass die Zurechnung von Erschließungskosten für den Bereich des Landkreises 3 nicht den damaligen bewertungsrechtlichen Vorgaben entsprach. Denn die Finanzämter dürfen über die bloße Beachtung der vom Gutachterausschuss vorgegebenen Differenzierungen hinaus keine "eigenen" Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Bodenrichtwerten ableiten; es würde sich sonst um eine Schätzung handeln, die mit der gesetzlichen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gutachterausschüssen und den Finanzämtern sowie mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Typisierung und Vereinfachung der Bedarfsbewertung nicht vereinbar ist. Benennt die Richtwertkarte dagegen entsprechend dem beitrags- und abgabenrechtlichen Zustand (erschließungsbeitragspflichtig und erschließungsbeitragsfrei) unterschiedliche Bodenrichtwerte, ermittelt das Finanzamt nicht selbst einen "eigenen" Bodenrichtwert, sondern beachtet lediglich eine vom Gutachterausschuss vorgegebene Differenzierung. Die mündlich getroffene Absprache zwischen Finanzamt und Gutachterausschuss über einen pauschalen Ansatz von 50 DM/qm stellt dagegen ebenso wenig die Vorgabe einer Differenzierung dar wie der nachträgliche Verweis des Gutachterausschusses in den Schreiben vom 16.09. und 28.10.2008 auf die Einzelauskunft bei der entsprechenden Gemeinde. Die Differenzierungskriterien haben sich aus der Richtwertkarte zu ergeben, so dass dieser der Wert des Grundstücks - eventuell nach Umrechnung - entnommen werden kann. Sollten der Feststellung von Erschließungskosten Schwierigkeiten jedweder Hinsicht entgegengestanden haben, ergibt ein Vergleich mit den Bodenrichtwertkarten anderer Landkreise, dass dort die Gutachterausschüsse hinsichtlich der Erschließungskosten z.B. zwischen Kernort und Neubaugebieten oder dem Herstellungsjahr der Erschließungsanlage differenziert haben. Ziff. 4.6 des Schreibens vom 15.04.1997, R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 1999 und R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 2003 betreffend eine Abstimmung zwischen dem Finanzamt und dem Gutachterausschuss bei der Zurechnung von Erschließungskosten lassen sich insoweit weder mit der Gesetzesbegründung noch mit der Entwicklung der Rechtsprechung vereinbaren.

Der Senat hat dem beklagten Finanzamt Gelegenheit gegeben, beim Gutachterausschuss auf die Ermittlung und Mitteilung eines für die Bedarfsbewertung des Grundstücks geeigneten Bodenrichtwerts auf den 01.01.1996 nach den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wertverhältnissen und den tatsächlichen Verhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt hinzuwirken. Soweit die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses erneut auf eine Einzelauskunft bei den Gemeinden verweist, können die vom Markt 2 angeführten tatsächlichen durchschnittlichen Erschließungskosten in Höhe von 65 DM je qm nicht für die Bewertung des streitgegenständlichen Grundstücks herangezogen werden, da diese zum einen nicht vom Gutachterausschuss und zum anderen nicht verbindlich in der Richtwertkarte für den Markt 2 festgestellt und mitgeteilt wurden (s.o.). Es handelt sich bei beiden Schreiben um eine bloße Mitteilung der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses. Nicht ersichtlich ist, dass der Gutachterausschuss zusammengetreten ist, den Bodenrichtwert für den Markt 2 verbindlich um die Festlegung von Erschließungskosten ergänzt hat und diese Ergänzung auch mitgeteilt wurde. Darüber hinaus soll auf tatsächlich entstandene Erschließungskosten zurückgegriffen werden, welche z.B. weder nach dem Zeitpunkt der Durchführung der Erschließung in den verschiedenen Ortsbereichen (z.B. Altort, Neubaugebiete) differenzieren noch am zu erzielenden Marktpreis orientiert sind.

4. Der Grundbesitzwert ist daher auf 77.500 EUR (Mindestwert) zu reduzieren. Er wird wie folgt festgestellt (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO):

Fläche 544 qm

 Bodenrichtwert je qm 350 DM = 178,95 EUR
Abschlag von 20 v.H. 35,79 EUR
Anzusetzender Bodenwert je qm 143,16 EUR
Wert des Grund und Bodens: 143,16 EUR/qm x 544 qm = 77.879 EUR
Grundbesitzwert (gerundet) 77.500 EUR

5. Die Revision zum BFH wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Entscheidung entgegen Ziff. 4.6 des Schreibens vom 15.04.1997, R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 1999 und R 161 Abs. 6 Satz 6 ErbStR 2003 erfolgt.

6. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt, § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 FGO), sie hat das Verfahren nicht gefördert.

Die Voraussetzungen für eine vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung sind gegeben (§ 151 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO). Das Gericht hat nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 711 ZPO von Amts wegen auszusprechen, dass das Finanzamt die Vollstreckung hinsichtlich der Kostenerstattung vor Rechtskraft des Urteils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden kann, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das von der Klägerin durchgeführte Vorverfahren war aufgrund der Schwierigkeit der Rechtsfrage für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Ende der Entscheidung

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