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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: 4 K 387/2007
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 44 Abs. 3
AO § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 05.02.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Haftungsbescheid vom 18.03.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2007 wird dahin geändert, dass die Haftungssumme auf 23.973,42 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger für rückständige Kapitalertragsteuer und rückständigen Solidaritätszuschlag der Firma A Gesellschaft für { } mbH i.L., 1 (künftig nur noch als A -GmbH bezeichnet) sowie die gegenüber dieser Gesellschaft angefallenen Säumniszuschläge für den Anmeldungszeitraum Juli 2000 gemäß § 69 AO haftet.

Die A -GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 22.03.1994 (UR-Nr. { } ) der Notarin B, 2, gegründet und am 14.06.1994 in das Handelsregister eingetragen. Gegen-stand des Unternehmens ist u.a. die Durchführung von Bauvorhaben sowie die Vermittlung von Vermögensanlagen, insbesondere von Immobilien. Der Kläger und { } C waren zunächst mit einer jeweils 50-prozentigen Beteiligung Gesellschafter der A -GmbH und alleinvertretungsbefugte Geschäftsführer. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 02.06.1995 (Handelsregistereintrag vom 10.08.1995) wurde { } C als Geschäftsführer abberufen, sodass der Kläger bis zum 28.05.2001 alleiniger Geschäftsführer der A -GmbH war. Laut Handelsregistereintrag vom 28.05.2001 unter HRB { } des Amtsgerichts 1 ist der Kläger nicht mehr Geschäftsführer, gleichzeitig wurde D zur Geschäftsführerin der A -GmbH bestellt.

Der A -GmbH konnten stille Gesellschafter unter Verwendung eines Musters als Beitrittserklärung beitreten. Es galten u.a. folgende Vertragsbedingungen:

§ 2 - Dauer der Gesellschaft, Geschäftsjahr

1.

Die Gesellschaft wird auf 3, 5 oder 7 Jahre abgeschlossen. Nach Ablauf der vereinbarten Mindestzeitdauer verlängert sich die stille Gesellschaft jeweils um ein Jahr, sofern nicht eine der Vertragsparteien wirksam gemäß § 11 dieses Vertrages kündigt.

2.

Das Geschäftsjahr entspricht dem der Inhaberin und ist mit dem Kalenderjahr identisch.

3.

Mit schriftlicher Zustimmung der Inhaberin kann die Dauer des Vertrages auf Antrag des stillen Gesellschafters einvernehmlich verkürzt werden. ...

§ 5 - Konten der stillen Gesellschafter

1.

Für den stillen Gesellschafter werden bei der Inhaberin ein Einlagenkonto, ein Privatkonto und ein Verlustkonto als Kapitalgegenkonto geführt.

2.

Auf dem Einlagenkonto wird die Einlage des stillen Gesellschafters verbucht. Das Konto ist fest und unverzinslich.

3.

Auf dem Privatkonto werden die Zinsen, Gewinne und Auszahlungen nach § 8 Abs. 2 verbucht. Das Konto ist im Soll und Haben mit 4% p.a. zu verzinsen.

4.

Auf dem Verlustkonto werden die Verlustanteile verbucht. Ist das Verlustkonto belastet, wird dieses durch Umbuchung vom Privatkonto ausgeglichen.

5.

Das Einlagenkonto, das Privatkonto und das Verlustkonto sind bei Beendigung der stillen Gesellschaft zu verrechnen und ergeben zusammen das Kapitalkonto des stillen Gesellschafters.

§ 6 - Jahresabschluss

1.

Die Inhaberin hat innerhalb von acht Monaten nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres ihren Jahresabschluss zu erstellen und dem stillen Gesellschafter abschriftlich zu übermitteln. ...

2.

Der Jahresabschluss hat den einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu entsprechen. ...

§ 8 - Entnahmen

1.

Der stille Gesellschafter ist nicht berechtigt, innerhalb der Vertragsdauer des stillen Gesellschaftervertrages Entnahmen zu tätigen.

2.

Die Inhaberin ist berechtigt, das Guthaben des stillen Gesellschafters auf dem Privatkonto jederzeit ganz oder teilweise auszuzahlen.

Auf Antrag des Rechtsanwalts der neuen Geschäftsführerin vom 16.09.2002 eröffnete das Amtsgericht 1 -Insolvenzgericht- (Az. IN { } ) mit Beschluss vom 01.10.2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A -GmbH. Die Gesellschaft ist dadurch aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung waren noch 21 stille Gesellschafter beteiligt. Nach der Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 02.02.2009 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A -GmbH noch nicht abgeschlossen.

Der Jahresabschluss für 1999 der Gesellschaft wurde am 30.06.2000 aufgestellt. Die Gewinn- und Verlustrechnung weist einen Jahresüberschuss in Höhe von 67.576,05 DM sowie aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrags abgeführte Gewinne in Höhe von 200.973,00 DM aus.

Im Rahmen der Durchführung einer Betriebsprüfung bei der A -GmbH, die mit Berichten vom 20.12.2001 und 07.06.2002 abgeschlossen wurde, stellte das Finanzamt u.a. fest, dass die Anmeldung der Kapitalertragsteuer und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlags bezüglich der Gewinnanteile der stillen Gesellschafter für 1999 in Höhe von 200.973 DM bei der Schlussbesprechung am 20.11.2001 noch nicht beim Finanzamt eingereicht war. Der Kläger wurde vom Prüfer darauf hingewiesen, dass dies umgehend zu erfolgen habe.

Am 18.12.2001 ging beim beklagten Finanzamt ein von der Geschäftsführerin D unterzeichnetes Schreiben der A -GmbH ein. Darin führte die Geschäftsführerin aus: "Bei der Endbesprechung unserer Betriebsprüfung wurde mir mitgeteilt, dass die Kapitalertragsteueranmeldung für das Geschäftsjahr 1999 Ihnen nicht vorliegen würde. Diese allerdings wurde vom damaligen Geschäftsführer, E, abgegeben, ansonsten hätte die Anmeldung auch nicht bei der Prüfung vorliegen können. Da wir nicht wissen, ob sie nun vorliegt, anbei nochmals eine Kopie. ...." Mit gleicher Post ging die Kopie der von der Geschäftsführerin D unterzeichnen Kapitalertragsteueranmeldung für Juli 2000 ein. In der Kapitalertragsteueranmeldung wurden als Kapitalerträge mit Steuerabzug nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG Einnahmen aus stiller Gesellschaft für das Kalenderjahr/Wirtschaftsjahr 1999 in Höhe von 200.973 DM, Kapitalertragsteuer mit 25% = 50.243,35 DM und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer mit 5,5% = 2.763,30 DM angemeldet.

Die A -GmbH hat die verspätet angemeldete Kapitalertragsteuer sowie den Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer nur teilweise entrichtet.

Nachdem für das Finanzamt keine Möglichkeit bestand, die streitbefangenen Abgabenrückstände bei der Steuerschuldnerin beizutreiben, nahm es nach vorheriger Ankündigung der beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme den Kläger mit Haftungsbescheid vom 18.03.2003 in Höhe von insgesamt 28.397,15 EUR nach § 69 AO in Haftung.

Der Haftungssumme liegen die Kapitalertragsteuer für den Anmeldungszeitraum Juli 2000 in Höhe von 23.850,29 EUR, der Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer für Juli 2000 in Höhe von 1.412,89 EUR sowie angefallene Säumniszuschläge bis März 2003 zugrunde. Die Begründung für das Vorliegen des Haftungstatbestands und die Ermessensentscheidung erläuterte das Finanzamt in der Anlage 2 zum Haftungsbescheid vom 18.03.2003, auf die insoweit Bezug genommen wird.

Auf den Einspruch des Klägers wurde die Haftsumme des Haftungsbescheides auf einen Betrag von 25.161,65 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wies das Finanzamt den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 01.03.2007 als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:

Die A GmbH sei nach § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG verpflichtet gewesen, die Kapitalertragsteueranmeldungen für die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter für Juli 2000 bis zum 10.08.2000 beim Finanzamt anzumelden. Gemäß § 44 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 EStG habe der Schuldner der Kapitalerträge, im Streitfall also die A GmbH, in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger - also den stillen Gesellschaftern - zufließen, den Steuerabzug für Rechnung der stillen Gesellschafter der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen und die Steuer bis zum 10. des dem Zufluss folgenden Monats an das für seine Besteuerung zuständige Finanzamt abzuführen.

§ 44 Abs. 2 und 3 EStG enthielten für die Einnahmen aus einer typisch stillen Gesellschaft eine besondere Regelung für den Zeitpunkt des Zuflusses für kapitalertragsteuerliche Zwecke. Der Tag der Auszahlung könne zwar nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG gleichzeitig der Tag der Entstehung der Kapitalertragsteuer sein. Jedoch greife dies nur dann ein, wenn im Ausschüttungsbeschluss i.S. von § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt sei, wann der Tag der Auszahlung sei. Die Regelungen in den §§ 5 und 8 der Vertragsbedingungen würden jedoch diesen Anforderungen an den zeitpunktgenauen Zufluss nicht genügen. Es sei keine abweichende Fälligkeit im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG getroffen worden. Unter dem Begriff "Zeitpunkt" sei nach der Rechtsprechung eine taggenaue Bestimmung zu verstehen. Im Streitfall sei jedoch zwischen der GmbH und den stillen Gesellschaftern keine Aussage über den zeitpunktgenauen Zufluss der jeweiligen Gewinnanteile getroffen worden. Damit gelte als Zuflusszeitpunkt nach § 44 Abs. 3 EStG der Tag nach der Aufstellung der Bilanz, spätestens jedoch 6 Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, für das der Kapitalertrag ausgeschüttet oder gutgeschrieben werden soll. Da die Bilanz der GmbH für das Kalenderjahr 1999 am 30.06.2000 aufgestellt worden sei, sei diese verpflichtet gewesen, spätestens bis zum 10.08.2000 beim Finanzamt die Kapitalertragsteueranmeldungen für die in der Bilanz zum 31.12.1999 ausgewiesenen Gewinnanteile der stillen Gesellschafter in Höhe von 200.973 DM einzureichen und die Kapitalertragsteuer in Höhe von 50.243,25 DM sowie den Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.763,30 DM abzuführen. Die GmbH hafte gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG als Schuldner der Kapitalerträge für die Kapitalertragsteuer, die sie einzubehalten und abzuführen gehabt hätte.

Die Pflichtverletzungen der GmbH seien dem Kläger in seiner Eigenschaft als früherem Geschäftsführer und damit als gesetzlichem Vertreter der GmbH anzulasten. Nach den §§ 34 AO, 35 GmbHG hätte er als gesetzlicher Vertreter die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllen müssen. Der Kläger sei bis zum 28.05.2001 alleiniger Geschäftsführer der A GmbH gewesen und die Rückstände würden aus dieser Zeit resultieren. Durch seine Pflichtverletzung sei ein Schaden entstanden, der darin bestehe, dass die rückständigen Steuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen nicht rechtzeitig festgesetzt und entrichtet worden seien. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig bis zum Ablauf des Fälligkeitstages die Steuer nicht angemeldet und abgeführt. Das Verschulden des Klägers sei ursächlich für den Haftungsschaden, denn aufgrund der verspäteten Anmeldungen seien die Steuern erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig geworden, zu dem sich die Zahlungsfähigkeit der GmbH gegenüber dem gesetzlichen Abgabezeitpunkt zum Fälligkeitstermin verschlechtert habe. Der Haftungstatbestand umfasse nach § 69 Satz 2 AO auch die rückständigen Säumniszuschläge, die infolge der Pflichtverletzung angefallen sind.

Die Inanspruchnahme des Klägers sei auch ermessensgerecht. Nach dem Legalitätsprinzip sei das Finanzamt verpflichtet, entstandene Steueransprüche geltend zu machen. Da keine Möglichkeit mehr bestehe, die derzeitigen Haftungsrückstände bei der GmbH selbst beizutreiben, bleibe als einzige Befriedigungsmöglichkeit die Haftungsinanspruchnahme des Klägers als früherem Geschäftsführer. Eine Nachforderung bei den stillen Gesellschaftern selbst sei nicht möglich, da die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 EStG nicht vorliegen würden.

Mit der Klage beantragt der Prozessbevollmächtigte

die Aufhebung des Haftungsbescheids vom 18.03.2003 und der Einspruchsentscheidung dazu vom 01.03.2007.

Für den Fall des Unterliegens wird

die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung

beantragt.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen:

Bei der A -GmbH seien insgesamt 82 typisch stille Gesellschafter geworben worden, die Einlagen in Höhe von ca. 800.000 DM geleistet hätten. Das Kapital der typisch stillen Gesellschafter habe als Eigenkapital im Zusammenhang mit der Bankfinanzierung des Bauvorhabens in der Str. 1 in 1 gedient.

Es bestehe keine Kapitalertragsteuerhaftungsschuld der A GmbH für den Monat Juli 2000 auf der Basis eines Ausschüttungsbetrages in Höhe von 200.973 DM. Die im Dezember 2001 für den Monat Juli 2000 abgegebene Kapitalertragsteueranmeldung sei unrichtig, denn die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter seien nicht ausbezahlt, sondern den Privatkonten gutgeschrieben worden (reiner Buchungsakt). Kapitalertragsteuer entstehe nur dann, wenn bei den stillen Gesellschaftern Einkünfte aus Kapitalvermögen anfielen. Solche würden aber nur mit dem Zufluss von Gewinnanteilen anfallen. Es gelte das Zuflussprinzip des § 11 EStG. Einem Zufluss von Gewinnanteilen stehe nur dann eine Gutschrift auf den Privatkonten gleich, wenn der stille Gesellschafter über die Gutschriften auf Privatkonten auch verfügen könne. Daher sei eine Berichtigung der Kapitalertragsteueranmeldung der Jahre 1996 bis 1999 vorzunehmen. Selbst wenn der Kläger Haftender wäre, könne er sich auf die Unrichtigkeit des Bescheids berufen, da die Beschränkungen des § 166 AO für ihn nicht gelten würden.

Zudem komme die Zuflussfiktion des § 44 Abs. 3 EStG nicht in Betracht, denn der Gesellschaftsvertrag enthalte eine ausdrückliche Regelung über die "Ausschüttungen" der Gewinnanteile des stillen Gesellschafters. Die stillen Gesellschafter hätten die ihren Konten gutgeschriebenen Gewinnanteile nach § 8 Ziff. 1 der Vertragsbedingungen erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses entnehmen dürfen. Mangels einer Auszahlung könne eine Kapitalertragsteuerschuld im Streitjahr auch nicht auf § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG gestützt werden. Auch aus dem vom Finanzamt angeführten BFH-Urteil vom 08.07.1998 (I R 57/97, BStBl II 1998, 672) ergebe sich nichts anderes. Das Urteil betreffe den für stille Gesellschaften (z.B. kein Gewinnausschüttungsbeschluss) nicht einschlägigen § 44 Abs. 2 EStG. Im Übrigen stehe das Vertragsende taggenau fest, sodass den Anforderungen Genüge geleistet sei. Weiter regele § 44 Abs. 4 EStG, dass Stundungsvereinbarungen der Ausschüttungsfiktion vorgehen würden. Im Streitfall sei daher zu beachten, dass gutgeschriebene Gewinnanteile erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses beansprucht werden könnten. Ein jährliche Auszahlung wäre liquiditätsmäßig gar nicht möglich gewesen.

Die dem Finanzamt vorliegende Kapitalertragsteueranmeldung vom Dezember 2001 sei zudem nicht vom Kläger unterzeichnet worden und sie sei auch zu einem Zeitpunkt abgegeben worden, als der Kläger nicht mehr Geschäftsführer der A -GmbH war. Der Kläger habe sein Amt zum 15.05.2001 niedergelegt.

Zudem fehle es an der für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach § 69 AO erforderlichen groben Fahrlässigkeit. Die GmbH habe im Juli 2000 nicht über ausreichende flüssige Mittel verfügt, um alle steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dieser Liquiditätsengpass sei dem Finanzamt bekannt gewesen. Die Gesellschaft sei dadurch in Liquiditätsnot geraten, dass der frühere Geschäftsführer C sich geweigert habe mitzuwirken, das der GmbH zustehende Geldvermögen auf einem Konto bei der Bank 1 in Schweiz wieder der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, und zudem Geldmittel der GmbH veruntreut habe. Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH alles getan, um die Mittel zu beschaffen, die zur Erfüllung der Steuerverbindlichkeiten einschließlich der vermeintlichen Kapitalertragsteuerverpflichtung erforderlich gewesen seien. Er habe auch gegenüber dem früheren Geschäftsführer C Klage eingereicht. Weiter scheide eine grobe Fahrlässigkeit deshalb aus, weil ihm jedenfalls die Unkenntnis nicht vorwerfbar wäre, falls Kapitalertragsteuer bereits durch die Gutschrift der Gewinne auf dem Privatkonto entstehen sollte.

Weiterhin stünden der A GmbH Ansprüche aus dem treuhänderisch für C verwalteten Geldmitteln zu, so dass das Finanzamt in jedem Falle mit einer Quote auf die vermutlich angemeldete Kapitalertragsteuer rechnen könne. Schließlich kämen auch weitere Personen als Haftende in Betracht, u.a. Frau D.

Das Finanzamt beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung

Klageabweisung.

In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Finanzamts ergänzend vorgetragen, dass die nach § 8 Nr. 2 des Vertrages bestehende Berechtigung der GmbH, das Guthaben des stillen Gesellschafters auf dem Privatkonto jederzeit ganz oder teilweise auszuzahlen, ebenfalls der Festlegung eines zeitpunktgenauen Zuflusses der jeweiligen Gewinnanteile widersprechen würden.

Dem Gericht liegen die vom Finanzamt überlassene Akte über Haftungsprüfung des Klägers sowie von der A GmbH die Bilanzakten, Gewerbesteuerakten und Akten über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 KStG jeweils für die Jahre 1999 bis 2000, die Körperschaftsteuerakten für die Jahre 1998 bis 2000, die Bp-Akte und die Kapitalertragsteuerakte vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat im Wesentlichen keinen Erfolg.

Die Entscheidung des beklagten Finanzamts, den Kläger wegen der rückständigen Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags zur Kapitalertragsteuer in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. Der Haftungsbescheid ist formell und inhaltlich in Ordnung und auch unter ermessensrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Klage hat jedoch insoweit Erfolg, als die Säumniszuschläge zur Kapitalertragsteuer auf 2.556 EUR und die zum Solidaritätszuschlag auf 146 EUR reduziert werden.

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 35 GmbH-Gesetz haftet der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter der GmbH für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, wenn diese infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Haftungsvorschrift umfasst demnach als selbständige Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung die Nichtfestsetzung, die Nichterfüllung und die nicht rechtzeitige Erfüllung der Steueransprüche. Die Haftung umfasst nach § 69 Satz 2 AO auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH zweigliedrig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02 BStBl. II 2004, 579). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Haftungstatbestandes erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO 1977 zu treffende Ermessensentscheidung an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nimmt. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler zu überprüfen.

1.

Die A GmbH war gemäß § 44 Abs. 1 EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG verpflichtet, die Kapitalertragsteueranmeldungen für die Gewinnanteile der stillen Gesellschafter für den Anmeldungszeitraum Juli 2000 bis zum 10.08.2000 beim Finanzamt anzumelden.

a)

Nach § 43 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 44 Abs. 1 EStG entsteht die Kapitalertragsteuer, die für Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter erhoben wird, in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Bei Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter gilt der Kapitalertrag am Tag nach Aufstellung der Bilanz oder einer sonstigen Feststellung des Gewinnanteils des stillen Gesellschafters, spätestens jedoch 6 Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, für das der Kapitalertrag ausgeschüttet oder gutgeschrieben werden soll, nach § 44 Abs. 3 EStG als zugeflossen, sofern in dem Beteiligungsvertrag über den Zeitpunkt der Ausschüttung keine Vereinbarung getroffen worden ist. Diese Bestimmung, bei der Begriff "Ausschüttung" als Entnahme auszulegen ist, enthält eine Zuflussfiktion für Erträge im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG (ebenso Blümich/Lindberg EStG § 44 Rz. 14 ff; Schmidt/Weber-Grellet, EStG § 44 Rz. 3). § 44 Abs. 3 EStG geht § 11 EStG vor (lex specialis; vgl. Blümich/Lindberg EStG § 44 Rz. 16). Die Zuflussfiktion knüpft an die Aufstellung der Bilanz und nicht an eine Auszahlung an und greift deshalb auch bei einem reinen Buchungsakt ein. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist der für die Entrichtung der Kapitalertragsteuer maßgebliche Zeitpunkt der Auszahlung einer Gewinnausschüttung nur dann i.S. von § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG im Ausschüttungsbeschluss bestimmt, wenn ein Beschluss über den Tag der Auszahlung gefasst worden ist. Die Angabe eines Auszahlungszeitraumes (Woche, Monat, Jahr) genügt hierfür nicht, es bedarf einer zeitpunktgenauen, also taggenauen Festlegung (vgl. BFH-Urteile vom 08.07.1998 I R 57/97, BStBl II 1998, 672; und vom 20.12.2006 I R 13/06, BStBl II 2007, 616; Schmidt/Weber-Grellet, EStG § 44 Rz. 3). Diese Rechtsprechung ist zwar zu § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG und damit zu Gewinnanteilen (Dividenden) und anderen Kapitalerträgen, deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen wird, ergangen. Diese Grundsätze sind jedoch auf stille Gesellschaften analog anzuwenden, denn § 44 Abs. 3 EStG stellt wie § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG auf den Auszahlungszeitpunkt und nicht auf den -zeitraum ab (ebenso Blümich/Lindberg EStG § 44 Rz. 15; Schmidt/Weber-Grellet, EStG § 44 Rz. 3).

b)

Im Streitfall war die GmbH nach § 44 Abs. 1 bis 3 EStG als Schuldnerin der Kapitalertragsteuer zur Erklärung und deren Entrichtung verpflichtet. Die Kapitalertragsteuer ist aufgrund der Sonderregelung des § 44 Abs. 3 EStG bereits am Tag nach der Aufstellung der Bilanz entstanden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerseite beinhaltet § 8 Zif. 1 der Vertragsbedingungen für die stille Gesellschaft keine taggenaue Festlegung des Auszahlungszeitpunktes. Diese Vertragsbedingung enthält nur eine Bestimmung, bis zu welchem Zeitraum der stille Gesellschafter nicht berechtigt ist, Entnahmen zu tätigen. § 8 Zif. 1 enthält jedoch keinen definitiven Auszahlungszeitpunkt. Zum einen ist nach § 8 Zif. 2 der Vertragsbedingungen die Gesellschaft berechtigt, auch bereits vor dem Beendigungszeitpunkt Auszahlungen vom Guthaben auf dem Privatkonto vorzunehmen. Wenn ein Beteiligter Änderungen bezüglich des Entnahmezeitpunktes vornehmen kann, so ist über den Tag der Ausschüttung (Entnahme) im Beteiligungsvertrag keine Vereinbarung getroffen worden. Zudem wird aber auch über den Tag der Beendigung im Beteiligungsvertrag keine Regelung getroffen. Gemäß § 2 Zif. 1 Satz 1 der Vertragsbedingungen verlängert sich die stille Gesellschaft nach Ablauf der vereinbarten Mindestzeitdauer jeweils um ein Jahr, sofern nicht eine der Vertragsparteien wirksam gemäß § 11 dieses Vertrages kündigt. Selbst wenn der Beendigungszeitpunkt als Zeitpunkt der Ausschüttung bzw. Entnahme gesehen werden könnte, so wird dieser Beendigungszeitpunkt nicht im Beteiligungsvertrag festgelegt. Im Streitfall ist daher zwischen der GmbH und den stillen Gesellschaftern keine Aussage über den zeitpunktgenauen Zufluss der jeweiligen Gewinnanteile getroffen worden. Damit gilt als Zuflusszeitpunkt nach § 44 Abs. 3 EStG der Tag nach der Aufstellung der Bilanz, spätestens jedoch 6 Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, für das der Kapitalertrag ausgeschüttet oder gutgeschrieben werden soll. Da die Bilanz der GmbH für das Kalenderjahr 1999 am 30.06.2000 aufgestellt wurde, war diese verpflichtet, spätestens bis zum 10.08.2000 beim Finanzamt die Kapitalertragsteueranmeldungen für die in der Bilanz zum 31.12.1999 ausgewiesenen Gewinnanteile der stillen Gesellschafter einzureichen und die Kapitalertragsteuer sowie den Solidaritätszuschlag abzuführen.

c)

Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Höhe der Anmeldung wurden von der Klägerseite nicht vorgetragen und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Die Anmeldung (§ 168 AO) vom 18.12.2001 ist auch nicht geändert worden.

2.

Die Verpflichtung, eine Kapitalertragsteueranmeldung abzugeben, ist auch nicht nach § 44 Abs. 4 EStG entfallen. Diese Vorschrift ist im Streitfall nicht einschlägig, da eine ausdrückliche Stundungsvereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeit des Schuldners weder vorgetragen noch nachgewiesen wurde.

3.

Es besteht eine Kapitalertragsteuerhaftungsschuld der A GmbH für den Monat Juli 2000, denn die GmbH haftet als Schuldnerin der Kapitalerträge für die Einbehaltung und Abführung der Steuern.

a)

Der Schuldner der Kapitalerträge haftet nach § 44 Abs. 5 EStG für die Kapitalertragsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat, es sei denn er weist nach, dass er die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Ausmaß außer Acht lässt (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.1992 VII R 52/91 BFH/NV 1992, 785; Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 07.08.2003 VII 124/00, EFG 2004, 74; Blümich/Lindberg EStG § 44 Rz. 28; Loose bei Tipke/Kruse AO/FGO § 69 AO Rz. 26). Die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften steuerlicher Art muss von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden (vgl. BFH-Urteil vom 07.03.1995 VII B 172/94 BFH/NV 1995, 941).

b)

Diese Verpflichtung zur Kapitalertragsteueranmeldung wurde im Streitfall zumindest grob fahrlässig nicht erfüllt. Durch die Nichtanmeldung hat der Kläger die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Ausmaß außer Acht gelassen. Die Gesellschaft hätte, vertreten durch ihren damaligen Geschäftsführer - dem Kläger - bis zum 10.08.2000 die Kapitalertragsteueranmeldung beim Finanzamt einreichen und die Zahllast begleichen müssen. Der Kläger kannte die Verpflichtung zur Kapitalertragsteueranmeldung und -zahlung aus den Vorjahren. Für die Jahre bis 1998 wurden durch den Kläger als Geschäftsführer Kapitalsteueranmeldungen eingereicht und Zahlungen geleistet. Umstände dafür, dass der Kläger im August 2000 diese Verpflichtung unverschuldet nicht erfüllt hat, wurden nicht vorgetragen und sind für den Senat nicht ersichtlich. Der Umstand, dass in den Vorjahren bei der Abgabe der Kapitalsteueranmeldungen eine Steuerkanzlei mitgewirkt hatte, spricht nicht dagegen, zumal auch bei der verspätet von der neuen Geschäftsführerin eingereichten Steueranmeldung für 1999 eine Steuerkanzlei mitgewirkt hat. Auch die finanzielle Situation der A GmbH zum fristgerechten Anmeldezeitpunkt spricht nicht gegen ein Verschulden. Nach dem Schreiben des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Fraas vom 08.11.2002 hat zwar der Zustand der Überschuldung seit 2000 vorgelegen. Es wird jedoch von der Klägerseite nicht vorgetragen, dass bereits vor Dezember 2000 Liquiditätsprobleme bestanden hätten. Hierfür ergeben sich auch aus den Steuerakten, dem Schreiben des Insolvenzverwalters vom 08.11.2002 oder den sonstigen Unterlagen keine Hinweise. Nach den vorliegenden Akten wurden erst ab Anfang 2001 die Steuern nicht mehr beglichen und nach der vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten Liste wurden im Januar 2001 noch größere Auszahlungen an die stillen Gesellschafter vorgenommen.

4.

Das Finanzamt durfte den Kläger in Anspruch nehmen. Der Haftungsbescheid ist formell und inhaltlich in Ordnung und auch unter ermessensrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

a)

Die Entscheidung über den Erlass eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO ist eine Ermessensentscheidung. Gemäß § 102 FGO ist die gerichtliche Prüfung des Bescheids und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob das Finanzamt bei seiner Entscheidung den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

b)

Das Finanzamt hat ausgeführt, dass der Kläger bis 28.05.2001 Geschäftsführer der A GmbH war und somit nach §§ 69, 191 AO für den Schaden verantwortlich war, der durch die Pflichtverletzung entstanden ist. Der Schaden besteht darin, dass die rückständigen Steuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen nicht rechtzeitig festgesetzt und entrichtet worden sind. Steuern sind deshalb erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig geworden, zu dem sich die Zahlungsfähigkeit der GmbH gegenüber dem gesetzlichen Abgabezeitpunkt zum Fälligkeitstermin verschlechtert hatte. Der Kläger hat zumindest grob fahrlässig bis zum Ablauf des Fälligkeitstages die Steuer nicht angemeldet und abgeführt. Das Verschulden des Klägers ist ursächlich für den Haftungsschaden. Der Kläger hat auch sonst keine Gesichtspunkte angeführt, die dieses Verhalten entschuldigen könnten. Auch die Übertragung von steuerlichen Angelegenheiten auf einen Steuerberater kann den Kläger nicht entlasten. Für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten war primär der Kläger als Geschäftsführer der GmbH zuständig. Der Kläger kannte seine Verpflichtung aus den Vorjahren.

c)

Das beklagte Finanzamt hat das Auswahlermessen nicht verletzt, indem es eine mögliche Inanspruchnahme der späteren Geschäftsführerin D bei der Frage des Auswahlermessens unterließ. Für eine Berücksichtigung der späteren Geschäftsführerin im Rahmen der Ermessensausübung bestand für das Finanzamt kein Anlass, da diese im Anmeldezeitraum nicht Geschäftsführerin der GmbH war. Zudem wurde im Schreiben des Finanzamts vom 10.06.2003 eine Inanspruchnahme der späteren Geschäftsführerin angesprochen. Das Finanzamt hat auch im Übrigen die zu berücksichtigenden Ermessensgesichtspunkte einwandfrei und erschöpfend ermittelt, sie gegeneinander abgewogen und ist dabei zu einem Ergebnis gelangt, das im Rahmen der gerichtlichen Überprüfungsbefugnis des § 102 FGO nicht zu beanstanden ist.

5.

Das Insolvenzverfahren muss nicht abgewartet werden. Wird über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist das Finanzamt regelmäßig berechtigt, den -früheren- Geschäftsführer als Haftenden in Anspruch zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.1983 II R 108/81, BStBl II 1983, 592). Es bestand keine Notwendigkeit, mit dem Erlass des Haftungsbescheides etwa so lange zu warten, bis die Ergebnisse des Insolvenzverfahrens feststanden. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahren wird die Zahlungsunfähigkeit der Steuerschuldnerin dokumentiert. Damit entfallen alle Hinderungsgründe für die Inanspruchnahme des früheren Geschäftführers als Haftenden. Dies gilt selbst für den Fall, dass noch eine Quote oder gar eine volle Erfüllung der Steuerforderungen zu erwarten sein sollte. Der Kläger wird dadurch nicht benachteiligt. Bei Zahlung aufgrund des Haftungsbescheids würden die Insolvenzforderungen auf den Zahlenden übergehen (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.1983 a.a.O. in BStBl II 1983, 592).

6.

Die Klage hat jedoch insoweit Erfolg, als die Säumniszuschläge zur Kapitalertragsteuer um 1.125,34 EUR auf 2.556,34 EUR und die zum Solidaritätszuschlag um 62,90 EUR auf 146,90 EUR zu reduzieren sind.

a)

Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten. Zwar umfasst die Haftung nach § 69 Satz 2 FGO auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge, jedoch sind bei einer Inanspruchnahme des Haftungsschuldners hierfür bereits Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen, die bei der Erhebung der Säumniszuschläge beim Steuerschuldner -hier A GmbH- sonst nach § 227 AO zu einem Billigkeitserlass führen können (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2000 VII R 63/99, BStBl II 2001, 217; Klein/Rüsken, AO § 240 Rz. 48). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH haben Säumniszuschläge einen doppelten Zweck. Sie sind zum einen ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgen sie den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuerschulden zu erhalten und Verwaltungsaufwendungen abzugelten, die bei den steuerverwaltenden Körperschaften regelmäßig entstehen, wenn Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß bezahlen (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2000 a.a.O. in BStBl II 2001, 217; Klein/Rüsken, AO § 240 Rz. 48). Der Tatbestand der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit rechtfertigt für sich allein jedoch keinen vollständigen Erlass von Säumniszuschlägen wegen sachlicher Unbilligkeit. Diese sind vielmehr in der Regel nur zur Hälfte zu erlassen, wenn sie lediglich ihren Zweck verloren haben, als Druckmittel zur pünktlichen Steuerzahlung zu dienen.

b)

Das Finanzamt hat im Streitfall Säumniszuschläge für die Zeit vom 18.12.2001 bis zum 16.09.2002 festgesetzt. Bei der A GmbH bestanden jedoch ab Dezember 2000 Liquiditätsprobleme, ab Januar 2001 liefen Steuerrückstände auf und am 16.09.2002 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Der Senat ist der Überzeugung, dass der A GmbH die rechtzeitige Zahlung der Steuern spätestens ab Anfang Dezember 2001 wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr möglich war.

c)

Wegen der insoweit gegebenen Reduzierung des Ermessens wird die Haftungs-summe wie folgt festgesetzt:

Die Revision wird der Anregungen des Prozessbevollmächtigten folgend wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen. Rechtsprechung, insbesondere des Bundesfinanzhofs, zu der Auslegung des § 44 Abs. 3 EStG ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1 , 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Ende der Entscheidung

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