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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 4 K 752/2008
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 9a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 11.12.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Ansatz der Pauschbeträge für Auslandsübernachtungen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt.

Der Kläger ist als Elektroniker bei der Firma A in 1 beschäftigt und erzielte aus dieser Tätigkeit im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger mit der Anlage N Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für zwei Reisen nach Kiew (Ukraine) in der Zeit vom 21.08.2006 bis 01.10.2006 und vom 02.10.2006 bis 25.11.2006 in Höhe von insgesamt 3.521 EUR geltend. Hierbei legte er den Pauschbetrag in Höhe von 120 EUR für 92 Übernachtungen -insgesamt also 11.040 EUR- zugrunde und kürzte diesen Betrag um die Erstattungen des Arbeitgebers nach den vorgelegten Reisekostenabrechnungen. Das Finanzamt setzte mit Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 09.08.2007 als Übernachtungskosten die tatsächlichen Aufwendungen abzüglich des Arbeitgeberersatzes, im Ergebnis 0 EUR an. In den Erläuterungen führte das Finanzamt aus, dass ein Ansatz des Übernachtungspauschbetrages in Höhe von 120 EUR zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würde.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit der Klage beantragt der Klägervertreter, die Einspruchsentscheidung vom 16.04.2008 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 09.08.2007 dahin zu ändern, dass weitere Übernachtungskosten in Höhe von 3.521 EUR -entsprechend dem Pauschbetrag von 120 EUR- als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

Das Finanzamt sei verpflichtet, die vom Kläger angesetzten Übernachtungspauschbeträge zu berücksichtigen. Der Kläger habe lediglich die Differenz zwischen den Pauschbeträgen und der Übernahme der nachgewiesenen Übernachtungsaufwendungen durch den Arbeitgeber in seiner Reisekostenabrechnung angesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bestehe zwar kein gesetzlicher Anspruch auf Übernahme der vom BMF festgesetzten Pauschalen, diese Pauschalen würden jedoch zu einer nach außen hin publizierten Selbstbindung der Verwaltung führen und dem Bürger Vertrauensschutz geben. Die Pauschbeträge dienten nach der Rechtsprechung des BFH der Verwaltungsvereinfachung und der gleichmäßigen Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Der Richtliniengeber habe durchaus erkannt, dass es mit zunehmender Länge des Auslandsaufenthalts erfahrungsgemäß zu einer Kostendegression komme. Dafür habe er typisierend eine zeitliche Grenze von drei Monaten angenommen, nach deren Ablauf im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nur noch 40% der Übernachtungspauschale anzusetzen seien (vgl. R 43 Abs. 9 Satz 4 LStR 2005). Diese Drei-Monats-Frist sei im vorliegenden Fall jedoch nur um ganz wenige Tage überschritten.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürften Pauschbeträge nur dann ausnahmsweise nicht angesetzt werden, wenn dies zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Bei der Prüfung der Frage, ob ein solcher Ausnahmefall vorliege, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Der BFH habe dies in einem Sachverhalt angenommen, in dem sich ein Lehrer auf einer Klassenfahrt befand und darauf abgestellt, dass ein Ausnahmefall nur dann vorliege, wenn eine vom Normaltypus abweichende Art der Dienstreise vorliege. Zwar könne dieses Beispiel sicherlich nicht als abschließend verstanden werden, jedoch liege im Streitfall keine vom Normaltypus abweichende Art der Dienstreise vor. Der Kläger habe die Montagezeit teils im Hotel, teilweise in Appartementwohnungen verbracht, für die aufgrund seiner Langzeitaufenthalte die Tagesmieten gemindert worden seien. Diese Art der Unterbringung entspreche dem Normalfall bei den Dienstreisen, die im Betrieb des Arbeitgebers des Klägers durchgeführt werden.

Das Finanzamt versuche vielmehr die steuererhöhende Regelung durch Abschnitt 9.7 Abs. 2 der LStR 2008, die erst ab dem Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden sei, bereits für das Streitjahr anzuwenden. Keinesfalls dürfe man bereits dann, wenn nur bekannt ist, dass tatsächliche Kosten unter dem Pauschbetrag angefallen sind, die Anwendung der Pauschalen ablehnen. Dies würde den Sinn und Zweck der Pauschalierungen ins Gegenteil verkehren. Schließlich dürfe der Kläger auch nicht schlechter gestellt werden, weil er die Reisekostenabrechnung des Arbeitgebers vorgelegt und somit kooperiert habe.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:

Für Übernachtungen im Ausland sehe das Gesetz keine festgelegten Pauschbeträge vor. Die Finanzverwaltung habe in Fällen mit fehlendem Einzelnachweis Pauschbeträge für Auslandsübernachtungen zugelassen. Diese Verwaltungsanweisungen führten zwar wegen des Gebots der Gleichbehandlung zu einer Selbstbindung der Verwaltung und würden grundsätzlich einen Anspruch des Steuerpflichtigen auf Anwendung der Pauschalen begründen. Jedoch seien die Pauschalen für Übernachtungen im Ausland nicht anzusetzen, wenn sie im Einzelfall zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würden. Dabei dürfe zwar nicht jedes Unterschreiten der Pauschbeträge durch die tatsächlich angefallenen Kosten zur Annahme einer unzutreffenden Besteuerung führen, jedoch könnten sich unter dem Gesichtspunkt einer längeren Aufenthaltsdauer und einer Anmietung einer Wohnung für das Finanzamt Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Ansatz der Pauschbeträge im konkreten Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führe. Ein Vergleich der tatsächlich entstandenen Kosten und der vom Arbeitgeber voll erstatteten Aufwendungen in Höhe von 6.308 EUR mit den geltend gemachten Pauschbeträgen in Höhe von 11.040 EUR lasse eindeutig erkennen, dass die tatsächlich angefallenen Kosten die Pauschbeträge in nicht unbeträchtlichem Umfange unterschreiten würden, so dass ein Ansatz der Pauschbeträge zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Zudem sei im Streitfall eine Ermittlung oder gar eine Schätzung der Arbeitgebererstattungen und der tatsächlichen Kosten nicht erforderlich, da diese durch die vorliegenden Reisekostenabrechnungen des Arbeitgebers bekannt seien. Deshalb sei die Anwendung der Auslandspauschbeträge für die Ukraine in Höhe von 120 EUR täglich zu Recht versagt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Finanzamt hat die vom Kläger geltend gemachten Pauschbeträge für Auslandsübernachtungen zu Recht versagt.

1. Zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören auch die beruflich veranlassten Reisekosten, insbesondere die anlässlich einer Dienstreise entstandenen Übernachtungskosten. Für Übernachtungen im Ausland liegen keine vom Gesetzgeber festgelegten Pauschbeträge vor. Die Finanzverwaltung hat allerdings in Verwaltungsanweisungen bei fehlendem Einzelnachweis Pauschbeträge für Auslandsübernachtungen zugelassen (für das Streitjahr 2006: R 40 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anhang 39 LStR 2005). Dabei handelt es sich um finanzamtliche Schätzungen nach § 162 AO 1977 zur vereinfachten Sachverhaltsermittlung. Die Verwaltungsanweisungen führen wegen des Gebots der Gleichbehandlung zu einer Selbstbindung der Verwaltung und begründen grundsätzlich einen Anspruch des Steuerpflichtigen auf Anwendung der Pauschalen (vgl. BFH-Beschluss vom 09.05.2005 VI B 3/05, BFH/NV 2005, 1550 Blümich/ Thürmer, Einkommensteuergesetz, § 9a Rz. 60; von Beckerath in Kirchhof, EStG, § 9 a Rz. 33; Hildesheim in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 9a EStG Anm. 27 ff, jeweils m.w.N.). Die Pauschalen für Übernachtungen im Ausland sind nicht anzusetzen, wenn sie im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würden (vgl. BFH a.a.O. in BFH/NV 2005, 1550; Hinweis 40 zu Richtlinie 40 LStR 2005). Die höchstrichterliche Rechtsprechung führt beispielhaft und folglich nicht abschließend für eine solche Besteuerung an, dass eine vom Normaltypus abweichende Art der Dienstreise, z.B. eine Klassenfahrt, nur geringe Übernachtungskosten für die Lehrkraft verursacht (vgl. BFH-Urteil vom 11.05.1990 VI R 140/86, BStBl. 1990, 777). Bestehen Anhaltspunkte, dass die tatsächlich angefallenen Übernachtungskosten die in den Lohnsteuerrichtlinien genannten Pauschbeträge nicht unwesentlich unterschreiten, so darf die Verwaltung weitere Ermittlungen über die Höhe der dem Steuerpflichtigen erwachsenen Kosten anstellen und für den Fall, dass die tatsächlich angefallenen Übernachtungskosten die in den Lohnsteuerrichtlinien genannten Pauschbeträge nicht unwesentlich unterschreiten, den Ansatz der Pauschalen wegen der ansonsten vorliegenden offensichtlich unzutreffenden Besteuerung ablehnen (BFH a.a.O. in BStBl. 1990, 777). So lag nach der Rechtsprechung des BFH eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung vor, als der Lehrer in ähnlicher Weise wie die Schüler untergebracht war und die tatsächlichen Übernachtungskosten lediglich rund ein Drittel des Gesamtbetrages der Pauschalen betragen haben oder als ein Fernfahrer in der Schlafkabine seines LKW übernachtet hat (BFH-Beschluss vom 17.03.2004, I B 158/03, unveröffentlicht). Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied bei einem Lehrer, der sich fünf Monate in Brasilien aufgehalten hat und hierzu kein Hotel benutzt, sondern eine Wohnung angemietet hatte ohne einen Nachweis über die Mietaufwendungen vorzulegen, auf eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung (vgl. Urteil vom 03.03.2006 10 K 62/05, EFG 2006, 880).

2. Im Streitfall würde die Anwendung der Pauschbeträge für Übernachtungen von 120 EUR je Tag (BMF-Schreiben vom 12.11.2001, BStBl I 2001, 818 und 09.11.2004, BStBl I 2004, 1052) zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen, denn es liegt nach Auffassung des Senats eine vom Normaltypus abweichende Art der Dienstreise vor. Während der in Richtlinie 40 LStR 2005 und in den BMF-Schreiben über die Pauschbeträge geregelte Dienstreisetypus auf einzelne Tage abstellt, ist im Streitfall über eine Dienstreise mit einer Dauer von über 13 Wochen oder einem Vierteljahr zu befinden, die lediglich am 1. Oktober für einen Tag unterbrochen war. Da bei einer mehrwöchigen Dienstreise, bei der der Ort der Dienstgeschäfte sich nicht ändert, günstigere Konditionen angeboten oder zumindest ausgehandelt werden können, sind die Pauschbeträge für Übernachtungskosten unzutreffend. Aus der vom Prozessbevollmächtigten angeführten Richtlinie R 43 Abs. 9 Satz 4 LStR 2005 lässt sich nicht entnehmen, dass erst nach Ablauf einer Dreimonatsfrist eine Kürzung der Pauschale vorgenommen werden könnte, zumal R 43 LStR 2005 die im Streitfall nicht vorliegende doppelte Haushaltsführung regelt. Die offensichtlich unzutreffende Besteuerung bei Anwendung der Pauschbeträge zeigt sich für den Senat auch darin, dass der Gesamtbetrag der Pauschbeträge von 11.040 EUR die tatsächlichen Kosten von 6.308 EUR erheblich übersteigt und die zusätzlich begehrten Werbungskosten von 3.521 EUR beispielsweise ein vielfaches des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 920 EUR nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 a EStG 2006 betragen. Wenn aber unter Anwendung des Verwaltungspauschbetrags im Einzelfall Werbungskosten entstehen, denen keine tatsächlichen Aufwendungen zugrunde liegen, und diese Werbungskosten ein Vielfaches des gesetzlichen Arbeitnehmer-Pauschbetrages betragen, sind die Grenzen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung überschritten.

Zudem ergibt sich die offensichtlich unzutreffende Besteuerung für den Senat daraus, dass die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers feststehen und damit kein Grund für eine Vereinfachungsregelung besteht. Die Pauschalen für Übernachtungen dienen der Verwaltungsvereinfachung. Verwaltungspauschalen sind im Gegensatz zu gesetzlichen Pauschbeträgen nach dem Regelungsverständnis der Verwaltung auszulegen und sind damit nur in solchen Fällen, in denen sie nach dem Verständnis der Verwaltung gelten sollen, anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2002 VI R 154/00, BStBl II 2002, 779). Im Streitfall sind jedoch die tatsächlichen Übernachtungskosten bekannt. Zudem wurden diese vollständig vom Arbeitgeber ersetzt. Damit besteht kein Bedarf für eine pauschalierende Regelung.

Schließlich würde auch die Anwendung der Pauschale auf den Tag bezogen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen, denn für den Kläger sind Aufwendungen für Übernachtungen nur in Höhe von etwa 57% der Pauschbeträge angefallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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