Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 4 K 885/2008
Rechtsgebiete: EStG, AO, StlÜbk, AuslG, AufenthG


Vorschriften:

EStG § 52 Abs. 62
EStG § 62 Abs. 2
AO § 367 Abs. 2
StlÜbk Art. 24
StlÜbk Art. 29
AuslG a.F. § 55 Abs. 2
AufenthG § 7
AufenthG § 25 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 26.02.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin für ihren Sohn, (geboren 08.12.1983) in der Zeit von Januar 1996 bis August 2001 Kindergeld zustand.

Die Klägerin reiste mit ihrem Ehemann und dem Sohn am 14.05.1990 aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte. Dieser Antrag wurde durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 28.09.1990 abgelehnt. Die Klage gegen den Ablehnungsbescheid wies das Bayerische Verwaltungsgericht 2 mit Urteil vom 25.08.1992 zurück, den Antrag auf Zulassung der Berufung wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17.12.1992 zurück. Die Klägerin wurde mit Bescheid des Landratsamts 1 vom 14.02.1991 zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert. Die Klägerin hat laut einer Mitteilung des rumänischen Justizministeriums vom 08.11.1991 die rumänische Staatsangehörigkeit verloren.

Mit Bescheid des Landratsamts 1 vom 28.06.1990 wurde der Klägerin der Aufenthalt zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet. Der Bescheid stand unter der Auflage "selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Tätigkeit ist nicht gestattet". Die Aufenthaltsgestattung wurde mehrmals , zuletzt bis 30.04.1992 verlängert. In der Folgezeit stellte das Landratsamt 1 der Klägerin am 09.03.1992 einen Bescheid über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) und Ausweisersatz aus, dessen Gültigkeit mehrmals verlängert wurde, unter anderem bis zum 20.12.1996.

Eine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG wies das Bayerische Verwaltungsgericht 3 mit Urteil vom 07.02.1996 ab, die Berufung dagegen verwarf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof -VGH- mit Urteil vom 21.11.1996. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.1997 das Urteil des VGH vom 21.11.1996 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 31.07.1998 wurde die Berufung der Klägerin wiederum zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht verwarf mit Beschluss vom 16.12.1998 die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 31.07.1998.

Einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid des Landratsamts 1 vom 10.07.2001 sowie gegen die Abschiebungsandrohung hat das Bayerische Verwaltungsgericht 3 mit Beschluss vom 26.09.2001 abgelehnt. Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14.12.2001 abgelehnt.

Das Landratsamt 1 hat die Gültigkeit des Bescheids über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) und Ausweisersatz mehrmals verlängert, zuletzt bis zum 30.12.2004. Am 22.02.2005 erteilte das Landratsamt 1 der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 i.V.m. § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis berechtigte zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und war zunächst bis zum 21.08.2005 befristet. Daneben wurde ein Staatenlosenausweis am 22.02.2005 erteilt. Am 04.08.2005 stellte das Landratsamt 1 eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 9 i.V.m. § 26 Abs. 4 AufenthG an die Klägerin aus.

Den Antrag der Klägerin vom 05.06.2001 auf Gewährung von Kindergeld für den Sohn lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 07.06.2001 ab.

Das Einspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid verlief erfolglos.

Mit der Klage wird für die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids der Familienkasse vom 07.06.2001 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 21.08.2001 die Familienkasse zu verpflichten, der Klägerin Kindergeld für den Sohn für die Zeit ab 01.01.1996 zu gewähren.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin Kindergeld nach §§ 62 Abs. 2 Satz 1 EStG, Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EG-Verordnung 1408/71 zustehe. Die Einbeziehung von Staatenlosen und deren Gleichbehandlung mit Inländern sei nicht davon abhängig, dass der Staatenlose der Anwendung des Gemeinschaftsrechts unterfalle. Nach der Legaldefinition in Art. 1 e der EU-Verordnung 1408/71 sei die Staatenlosigkeit mit der Bedeutung verknüpft, die in Art. 1 des Abkommens für die Rechtsstellung der Staatenlosen festgelegt sei. Eine Beschränkung auf Staatenlose aus EU-Staaten sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus wäre eine solche Beschränkung auch nicht vereinbar mit dem Abkommen für Staatenlose und daher rechtswidrig. Es läge ein eindeutiger Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschafts- und Völkerrecht vor, wenn EU-Staatenlose hinsichtlich der staatlichen Beihilfen bessergestellt würden als Staatenlose aus Nicht EU-Staaten. Wäre der Anspruch Staatenloser auf Kindergeld von der vorherigen Ausübung des Rechts der Freizügigkeit innerhalb der EU abhängig, wäre rein tatsächlich kein Staatenloser jemals berechtigt, Kindergeld zu beziehen. Eine solche Auslegung des Gesetzes und der Verordnungen der EU wäre rechtswidrig wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Verletzung von Völkerrecht. Staatenlose seien nach Art. 29 des Staatenlosenübereinkommens Inländern gleichzustellen.

Die Klägerin sei aufgrund einer Falschbeurteilung durch die zuständige Ausländerbehörde in der Vergangenheit lediglich geduldet worden. Die Klägerin hätte diesen Status über 15 Jahre hinweg innegehabt, obwohl sie bereits seit Juli 1991 regelmäßig und rechtmäßig als Arbeitnehmerin beschäftigt und an sämtliche Behörden und relevanten Stellen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt habe. Die über Jahre hinweg wiederholte Erneuerung einer Duldung widerspreche § 56 AuslG. Die Voraussetzungen einer Aufenthaltsberechtigung nach § 27 AuslG hätten vorgelegen.

Die Familienkasse beantragt Klageabweisung.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass sich nach dem BFH-Urteil vom 22.11.2007 (Az. III R 60/99, BFH/NV 2008, 846) kein Anspruch auf Kindergeld für die Klägerin ergebe. Die Voraussetzungen des § 62 EStG würden im Streitfall nicht vorliegen. Nach § 62 Abs. 2 EStG erhalte ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld nur, wenn er eine Niederlassungserlaubnis besitze oder eine Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe. Die Klägerin erfülle im Streitzeitraum nicht den Anwendungsbereich des § 62 Abs. 2 EStG, da sie sich in diesem Zeitraum nur aufgrund einer Duldung in der Bundesrepublik aufgehalten habe, jedoch keine Aufenthaltserlaubnis bestanden habe. Ein Anspruch der Klägerin aufgrund der Berücksichtigung als Staatenlose mit einer Aufenthaltsbefugnis scheide aufgrund des angegebenen Urteils ebenfalls aus. Die der Klägerin im Jahr 2005 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 7 i.V.m. § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG erfülle nicht die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 2 EStG n.F. und wirke zudem nicht rückwirkend auf den Streitzeitraum.

Zudem könne nach § 52 Abs. 62 EStG (ab 1999; früher § 52 Abs. 32 b EStG) Kindergeld auf einen nach dem 31.12.1997 gestellten Antrag rückwirkend längstens bis einschließlich Juli 1997 gewährt werden. Für den Zeitraum zuvor sei der Sozialrechtsweg gegeben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).

Dem Gericht liegen die von der Familienkasse überlassene Kindergeldakte Nr. sowie vier Heftungen der Ausländerbehörde vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Familienkasse hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung für die Zeit von Januar 1996 bis August 2001 abgelehnt, denn die Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung nach § 62 EStG liegen nicht vor.

1. Der Klagezeitraum reicht von Januar 1996 bis August 2001, denn die Einspruchsentscheidung erging am 21.08.2001. Gemäß § 44 Abs. 1 FGO ist die Klage, wenn ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Im Streitfall hat die beklagte Familienkasse mit dem Ablehnungsbescheid vom 07.06.2001 zunächst nur über die Kindergeldberechtigung der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt entschieden. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 21.08.2001 wurde noch über den Zeitraum bis dahin entschieden, weil die Behörde im Rahmen der Einspruchsentscheidung die Sache nach § 367 Abs. 2 AO in vollem Umfang erneut zu prüfen hat. Für die Zeiträume nach Ergehen der Einspruchsentscheidung hat die beklagte Familienkasse jedoch keine Entscheidung getroffen, weil sich ein Bescheid, durch den ein Antrag auf Festsetzung von Kindergeld abgelehnt wird, in der Regelung des bis dahin abgelaufenen Zeitraums erschöpft. Über in der Zukunft liegende und damit zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht entstandene Kindergeldansprüche trifft ein Ablehnungsbescheid keine Regelung (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.2004 VIII R 12/03, BFH/NV 2004, 786; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 09.07.2007, 16 K 427/05, EFG 2007, 1787).

2. Es besteht kein Kindergeldanspruch der Klägerin nach Art. 24 und 29 des Staatenlosenübereinkommens -StlÜbk-. Nach Art. 29 StlÜbk erheben die Vertragsstaaten von den als Staatenlosen anerkannten Ausländern keine anderen oder höheren Gebühren, Steuern oder sonstige Abgaben gleich welcher Art oder Bezeichnung, als von ihren Staatsangehörigen unter entsprechenden Voraussetzungen jetzt oder künftig erhoben werden. Durch die Nichtgewährung von Kindergeld werden von den Staatenlosen jedoch keine höheren Steuern oder Abgaben erhoben als von Deutschen. Erzielt der Staatenlose einkommensteuerpflichtige Einkünfte, werden das steuerliche Existenzminimum des Kindes sowie der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bei der Einkommensteuerveranlagung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Einkommensteuer freigestellt. Der Staatenlose wird daher nicht höher besteuert als ein Deutscher, bei dem die Freistellung von der Einkommensteuer ganz oder teilweise durch das Kindergeld bewirkt wird (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.2007 III R 60/99, BFH/NV 2008, 846; Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.12.1996, 10 RKg 8/96).

3. Für die Klägerin ergibt sich auch nichts anderes aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EG-Verordnung 1408/71. Diese gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zur Einbeziehung der Staatenlosen und deren Gleichbehandlung mit Inländern gelten nur für die Einreise aus einem EU/EWR Staat nach Deutschland, das heißt bei unmittelbarer Einreise aus einem Drittland können aus der Verordnung keine Rechte abgeleitet werden (vgl. EuGH-Urteil vom 11.10.2001 C-95/99; Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.12.1996 10 RKg 8/96; Blümich/Treiber, EStG § 62 Rz. 35). Rumänien war zum Einreisezeitpunkt jedoch weder EU - noch EWR - Mitglied.

4. Der Klägerin steht als Staatenloser im Streitzeitraum kein Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 zu. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung der Jahre 1997 bis 2001 hat ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. § 62 Abs. 2 EStG stellt hierbei auf den Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG) ab (vgl. BFH-Beschluss vom 01.12.1997, VI B 147/97, BFH/NV 1998, 696; Schmidt/Weber-Grellet, EStG 23. Auflage 2004, § 62 Rz. 8). Eine Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG), Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG) oder eine Duldung (§§ 55, 56 AuslG) reicht nicht aus (vgl. BFH-Urteile vom 15.03.2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234; vom 22.11.2007 III R 61/04, BFH/NV 2008, 769; Schmidt/Weber-Grellet, EStG 23. Auflage 2004, § 62 Rz. 8). Die Klägerin war jedoch im Streitzeitraum nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis nach dem AuslG, denn sie war nur im Besitz eines Bescheids über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 55 Abs. 2 AuslG a.F..

5. Der Klägerin steht im Streitzeitraum auch kein Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG n.F. zu.

a) Die Neuregelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten und erfasst gemäß § 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG alle Sachverhalte, bei denen -wie im Streitfall- das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2915). Nach § 62 Abs. 2 EStG in der Neufassung ab dem 01.01.2006 erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld nur, wenn er eine Niederlassungserlaubnis besitzt (Nr. 1) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat (Nr. 2). Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 c EStG n.F.). Ein Aufenthalt aufgrund einer Duldung berechtigt auch nach neuem Recht nicht zum Bezug von Kindergeld.

b) Der Kindergeldanspruch von Ausländern hängt hierbei nach § 62 Abs. 2 EStG 2006 u.a. vom Besitz bestimmter aufenthaltsrechtlicher Titel nach dem AufenthG ab oder -für Zeiträume vor 2005- von bestimmten ausländerrechtlichen Genehmigungen nach dem AuslG 1990, die in sinngemäßer Anwendung des § 101 AufenthG in aufenthaltsrechtliche Titel umzuqualifizieren sind. Eine vor dem 1. Januar 2005 erteilte Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt als Niederlassungserlaubnis fort (§ 101 Abs. 1 AufenthG). Die übrigen Aufenthaltsgenehmigungen -Aufenthaltsbewilligung nach §§ 28, 29 AuslG 1990 oder Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 (vgl. § 5 AuslG 1990)- gelten fort als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt (§ 101 Abs. 2 AufenthG). Duldungen bleiben nach § 102 AufenthG für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirksam. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist zu entscheiden, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt werden kann oder die Duldung nach § 60 a AufenthG zu verlängern ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234). Solange ein Ausländer nicht erstmals im Besitz einer entsprechenden ausländerrechtlichen Genehmigung oder eines aufenthaltsrechtlichen Titels ist, hat er keinen Anspruch auf Kindergeld (vgl. BFH-Urteil vom 17.04.2008, III R 16/05, BFH/NV 2008, 1576 m.w.N.).

c) Im Streitfall war die Klägerin im Streitzeitraum lediglich geduldet im Sinne der §§ 55, 56 AuslG. Unerheblich ist, dass die Klägerin erwerbstätig war. Die geduldeten erwerbstätigen Ausländer sind bewusst von dem Bezug von Kindergeld ausgeschlossen worden. Sie sollten bei der Neuregelung des Kindergeldes in § 62 Abs. 2 EStG nicht berücksichtigt werden, weil nach dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005 für diese Personen eine befriedigende Lösung nach dem AufenthG vorgesehen ist (vgl. BT-Drucksache 16/1368, Seite 8; BFH-Urteil vom 15.03.2007 III 93/03, BFH/NV 2007, 1234). Der Senat teilt - wie auch der BFH - nicht die in den Vorlagebeschlüssen des Finanzgerichts Köln an das Bundesverfassungsgericht vom 09.05.2007 (Az.: 10 K 1689/07 und 16 K 1690/07, EFG 2007, 1247) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 22.11.2007 III R 61/04, BFH/NV 2008, 769; vom 22.11.2007 III R 54/02, BFH/NV 2008, 457). Insbesondere ist die Nichtgewährung von Kindergeld für geduldete Ausländer, auch wenn sie sich wie die Klägerin über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik aufhalten und erwerbstätig sind, nach Auffassung des Senats vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein Gestaltungsspielraum zu. Für den Gesetzgeber ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Der hierbei zu berücksichtigende Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG von Ehe und Familie enthält keine Beschränkung auf Deutsche. Ob eine gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234). Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Ausländern mit den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstiteln und Ausländern, die lediglich geduldet sind, bestehen hinreichende sachliche Gründe. Während die herkömmlichen Aufenthaltstitel i.S. des AuslG 1990 bzw. des AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik begründen, die regelmäßig als Vorstufe eines Daueraufenthalts anzusehen sind, gilt dies bei einer bloßen Duldung nicht (vgl. BFH-Urteile vom 15.03.2007 a.a.O. in BFH/NV 2007, 1234; vom 22.11.2007 a.a.O. in BFH/NV 2008, 846 und in BFH/NV 2008, 769). Vielmehr wird mit der nach § 56 Abs. 2 AuslG 1990 auf ein Jahr bzw. nunmehr nach § 60 a Abs. 1 AufenthG auf grundsätzlich sechs Monate befristeten erneuerbaren Duldung nur die Abschiebung zeitweise ausgesetzt -Aussetzung der Vollziehung der Ausreiseverpflichtung bzw. Abschiebungsstopp- und die grundsätzlich bestehende Ausreisepflicht des Ausländers nicht beseitigt. Damit ist der geduldete Aufenthalt nicht strafbar (§ 56 Abs. 1 und 2 AuslG 1990 bzw. § 60 a AufenthG).

Die Erwägung des Gesetzgebers, das Kindergeld nur Ausländern zu gewähren, die aufgrund eines Aufenthaltstitels einen rechtmäßigen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet haben und bei denen im Unterschied zu lediglich geduldeten Ausländern auch eine langfristige Integration ihrer Familien in der Bundesrepublik beabsichtigt ist, ist vor diesem Hintergrund hinreichend sachlich gerechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234; ebenso Urteil des FG München vom 05.12.2007 9 K 3691/07, EFG 2008, 457; Urteil des FG Köln vom 14.06.2007 15 K 1928/02, EFG 2008, 66).

d) Auch die am 22.02.2005 vom Landratsamt 1 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und die ausgestellte unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 9 i.V.m. § 26 Abs. 4 AufenthG vom 04.08.2005 führt zu keiner anderen Entscheidung, denn diese Berechtigungen gelten zumindest nicht rückwirkend für den Streitzeitraum.

e) Zudem steht der Klägerin für die Monate vor Juli 1997 auch deshalb kein Anspruch auf Kindergeld zu, da dies durch § 66 Abs. 3 EStG 1997 a.F. ausgeschlossen ist. Nach dieser Bestimmung wurde Kindergeld rückwirkend nur für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen war. § 66 Abs. 3 EStG 1997 a.F. war nach § 52 Abs. 66 EStG in der Fassung vom 16.04.1997 letztmals für 1997 anzuwenden ist, sodass für nach dem 31.12.1997 gestellte Anträge auf rückwirkende Zahlung allenfalls bis Juli 1997 rückwirkend Zahlung von Kindergeld erfolgen kann (vgl. Schmidt/Weber-Grellet EStG § 66 Rz. 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück