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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 02.10.2009
Aktenzeichen: 4 V 271/09
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
HGB § 272 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

am 02.10.2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Beschwerde wird zugelassen.

3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Streitig ist die steuerliche Behandlung des vom Antragsteller erbrachten Agios für seine Beteiligung bei der B AG und atypisch stillen Gesellschaft.

Der Antragsteller beteiligte sich im Jahr 1999 unter der Zertifikatsnummer { } mit einer Zeichnungssumme in Höhe von 118.000 DM als atypisch stiller Gesellschafter an der Firma B AG und atypisch stillen Gesellschaft. Gegenstand der B AG - B AG- ist die Investition von Kapitalanlagen, der Erwerb und Handel von und mit Unternehmensbeteiligungen sowie bebauten und unbebauten Grundstücken und die Vermittlung von Immobilien, Beteiligungen, Versicherungen und Kapitalanlagen. Über das Vermögen der B AG hat das Amtsgericht 1 mit Beschluss vom 23.02.2006 unter der Geschäftsnummer IN { } das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Verfahren ist noch nicht beendet.

Die Beteiligung der atypisch stillen Gesellschafter an der B AG und atypisch stillen Gesellschaft konnte wahlweise durch eine Einmaleinlage von mindestens 5.000 DM oder monatliche Rateneinlagen von mindestens 50 DM erfolgen. Zusätzlich leistete der atypisch stille Gesellschafter mit der Einmaleinlage bzw. der Monatsrate an die Gesellschaft als Abschlussgebühr ein Agio in Höhe von 5% bei der Einmaleinlage und in Höhe von 8% bei der Ratenzahlung (§ 5 des Gesellschaftsvertrages vom Oktober 1998). Die atypisch stillen Gesellschafter sind am Vermögen, den stillen Reserven und dem Geschäftswert der B AG beteiligt (§ 9). Vom maßgeblichen Jahresergebnis erhalten die Aktionäre einen Vorabgewinn in Höhe von 6% des Gesamtjahresüberschusses. Atypisch stille Gesellschafter mit Einmaleinlagen erhalten wegen der sofortigen Gesamteinzahlung des Kapitals im Vergleich zu den Rateneinlagen einen Vorweggewinn von 1% der stillen Gesellschaftseinlage. Die Verteilung des Restgewinnes richtet sich sowohl für den atypisch stillen Gesellschafter als auch für den Aktionär nach der Beteiligungsquote. Die atypisch stillen Gesellschafter sind am Gewinn des Unternehmens in voller Höhe der Nominaleinlage, am Verlust mit der Nominaleinlage und dem Agio in gesamter Höhe beteiligt.

Für die atypisch stillen Gesellschafter werden bei der Inhaberin ein Kapitalkonto und als Unterkonten ein Einlagekonto, ein Gewinn- und Verlustkonto sowie ein Privatkonto geführt. Die Konten werden jeweils zum Ende des Geschäftsjahres zu einem Kapitalkonto zum Zwecke der Erfassung im Jahresabschluss zusammengefasst (§ 8 des Gesellschaftsvertrages).

Das Agio, welches der stille Gesellschafter und damit der Antragsteller zu leisten hatte, wurde durch die Firma auf der Ebene der B AG als Kapitalrücklage der AG nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB und damit erfolgsneutral behandelt. In der Gliederung des nach § 30 KStG a.F. verwendbaren Eigenkapitals der B AG zum 31.12.2000 wurden die Agio-Beträge als nicht belastete Beträge nach § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG behandelt.

Auf den Antragsteller entfiel ein gezeichnetes Agio in Höhe von 9.440 DM (8%).

Mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung stellte das Finanzamt erklärungsgemäß die Einkünfte der B AG und atypisch stillen Gesellschaft aus Gewerbebetrieb für 1999 mit Bescheid vom 16.03.2001 in Höhe von - 8.840.622 DM, für 2000 mit Bescheid vom 24.09.2001 in Höhe von - 9.236.986 DM, für 2001 mit Bescheid vom 31.01.2003 mit - 6.527.415 DM sowie für 2002 mit Bescheid vom 26.02.2004 mit - 4.172.418 EUR fest. Für den Antragsteller wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß für 1999 mit - 20.569,37 DM, für 2000 mit - 10.667,82 DM, für 2001 mit - 3.992,93 DM und für 2002 mit - 2.098,82 EUR festgestellt. Für den Antragsteller ergaben sich noch Korrekturbeträge nach § 15 a EStG. Die Bescheide ergingen gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und wurden der B AG mit Wirkung für alle Feststellungsbeteiligten bekanntgegeben.

Im Anschluss an eine bei der B AG und atypisch stillen Gesellschaft durchgeführten und mit Bericht vom 15.12.2005 abgeschlossenen Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt u.a. die Auffassung, dass die Vereinnahmung der Agio-Beträge zu einem Ertrag der Gesellschaft geführt habe, der im Rahmen der Gewinnverteilung allen an der atypisch stillen Gesellschaft beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen sei. In Höhe der gezeichneten Agio-Beträge wurden vom Finanzamt in Ergänzungsbilanzen zusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung der einzelnen atypisch stillen Gesellschafter aktiviert und verteilt auf eine Nutzungsdauer von 8 Jahren abgeschrieben.

Dem folgend erließ das Finanzamt am 16.10.2006 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung der Jahre 1999 bis 2002. Das Finanzamt stellte für den Antragsteller mit den Bescheiden Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1999 in Höhe von - 1.236, 32 DM, für 2000 in Höhe von - 4.800,22 DM, für 2001 in Höhe von - 2.882,02 DM sowie für 2002 in Höhe von -1.281,13 EUR fest. Die Bescheide wurden an den Antragsteller im Wege der Einzelbekanntgabe bekanntgegeben. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Gegen die Bescheide vom 16.10.2006 erhob der Prozessbevollmächtigte am 11.05.2007 Einspruch. Das Finanzamt gewährte zwar nach § 110 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wies jedoch mit Einspruchsentscheidung vom 30.01.2009 die Einsprüche als unbegründet zurück. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide vom 16.10.2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung wies das Finanzamt mit Bescheid vom 05.07.2007 und Einspruchsentscheidung dazu vom 30.01.2009 zurück.

Der Prozessbevollmächtigte hat Klage erhoben, die beim Finanzgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 4 K 270/2009 anhängig ist. Daneben hat er bei Gericht Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide vom 16.10.2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Bescheide gestellt.

Zur Begründung der Klage und des Antrags wird im Wesentlichen vorgetragen, dass das vom Antragsteller geleistete Agio einen erfolgsneutralen Zugang zu der Kapitalrücklage der B AG darstelle. Bei der stillen Gesellschaft zähle das durch die Einlage eingebrachte gezeichnete Kapital nach § 272 Abs. 1 HGB zum Eigenkapital der AG. Daneben seien dem Eigenkapital auch Kapitalrücklagen zuzurechnen, zu denen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 4 HGB auch das Aufgeld gehöre. Das bei Abschluss der jeweiligen Beteiligungsverträge von der B AG erzielte Aufgeld sei demnach voll als Kapitalrücklage anzusehen. Dies gelte unabhängig davon, dass das Agio nicht dem Einlagekonto der Gesellschafter gutgeschrieben werde, sondern der Kapitalrücklage der B AG.

Alle Voraussetzungen für die Einstufung des Agios als Einlage seien erfüllt. Es handle sich um einen vom Gesellschafter geleisteten einlagefähigen Vermögenswert, den dieser nicht nach Belieben abziehen könne (gebundenes Kapital) und welchen er im Insolvenzfalle nicht als Forderung geltend machen könne (haftendes Kapital).

Für die Feststellung des Einkommens des Antragstellers aus der Beteiligungsgesellschaft seien die Verhältnisse der B AG maßgeblich. Die atypisch stille Gesellschaft könne steuerrechtlich nicht getrennt von der Aktiengesellschaft betrachtet werden. Zwar sei die atypisch stille Beteiligung im Allgemeinen gesellschafts- und steuerrechtlich lediglich eine Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen und ohne Außenwirkung. Aufgrund der schuldrechtlichen Regelung, dass der Antragsteller nicht nur am Gewinn und Verlust der AG, sondern auch an den stillen Reserven des Anlagevermögens und des Geschäftswerts beteiligt ist, sei für das Einkommensteuerrecht die Gleichstellung mit der Kommanditgesellschaft gerechtfertigt, sodass der Antragsteller wie ein Kommanditist zu behandeln sei. Da der Antragsteller für die Agio-Zahlung keine Gesellschaftsrechte oder sonstigen Vorteile als Gegenleistung erhalten habe -also ein unentgeltlicher Vorgang vorliege- sei die Zahlung als verdeckte Einlage zu werten. Dieses zusätzliche Agio werde zur Erreichung des Gesellschaftszwecks geleistet.

Die verdeckte Einlage, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis habe, sei einkommensteuerrechtlich wie eine Einlage zu behandeln. Hingegen bestehe kein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb der B AG, um sie als betrieblichen Ertrag zu qualifizieren. Der Agio-Zahlung lägen keine betrieblichen oder geschäftlichen Tätigkeiten der B AG zugrunde, sondern die sich aus den §§ 5 ff des Gesellschaftsvertrages ergebende Verpflichtung "zusätzlich zu der Zeichnungssumme ein zusätzliches Aufgeld (Agio) zu leisten". Nach § 5 Abs. 4 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom Oktober 1998 bzw. § 7 Abs. 3 in der Fassung vom Dezember 2001 stehe das Agio allein der B AG zu. Es werde der Rücklage zugeführt, solle das Eigenkapital verstärken und werde auch im Falle der vorzeitigen Beendigung nicht zurückgezahlt. Hintergrund für diese Regelung sei, dass die Gesellschafter bei der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses an den stillen Reserven und dem Geschäftswert und damit auch an den Vorteilen aus der Zuführung der Agio-Beträge beteiligt seien.

Daher seien die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass bei den Einkünften des Antragstellers aus Gewerbebetrieb die Agio-Beträge nicht als Betriebseinnahmen zu berücksichtigen sind.

Das Finanzamt beantragt

die Zurückweisung des Antrags.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die mit der Vereinnahmung der Agio-Beträge verbundenen Vermögensmehrungen zu Recht als Ertrag der Aktiengesellschaft erfasst und im Rahmen der Gewinnverteilung allen an der atypisch stillen Gesellschaft beteiligten Gesellschaftern zugerechnet worden seien.

Auf der Ebene der AG und ihrer Gesellschafter (Aktionäre) hätten die von den Aktionären erhobenen Agio-Beträge nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB und sonstige Zuzahlungen der Gesellschafter nach Nr. 4 der Vorschrift Eigenkapitalcharakter. Die Kapitalrücklage könne beispielsweise zum Ausgleich des Jahresfehlbetrags, zum Ausgleich des Verlustvortrags oder zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden. Bei der Gliederung des Eigenkapitals seien diese bisher dem EK 04 zuzuordnen gewesen.

Davon zu unterscheiden sei jedoch die Ebene der Personengesellschaft. Hier sei die Beteiligung des atypisch stillen Gesellschafters am Unternehmen des Geschäftsinhabers rein schuldrechtlich. Atypisch stilles Gesellschaftskapital liege nur insoweit vor, als der atypisch stille Gesellschafter schuldrechtlich damit am Unternehmen beteiligt und durch seine Einlage zur Teilnahme am Unternehmenserfolg und den stillen Reserven berechtigt werde. Dies sei im Streitfall nur in Bezug auf die von den stillen Gesellschaftern erbrachte Nominaleinlage erfüllt, nicht dagegen in Bezug auf die darüber hinaus von den Gesellschaftern gezahlten Agio-Beträge. Während das Agio der Aktionäre auf der Ebene der Kapitalgesellschaft Eigenkapitalqualität habe, sei dies im Hinblick auf die Agio-Beträge der stillen Gesellschafter im Rahmen der Personengesellschaft bei der vorliegenden Gestaltung nicht gegeben. Auch könne in der Zahlung der Agio-Beträge keine Zuwendung des atypisch stillen Gesellschafters an "seine Mitunternehmerschaft" gesehen werden.

Eine Qualifizierung als Einlage bzw. verdeckte Einlage scheide aus, da eine Gutschrift des Agios auf dem für den atypisch stillen Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zu führenden Konto nicht erfolge (§ 8 Gesellschaftsvertrag).

Mit der Aufnahme des Stillen in die atypisch stille Gesellschaft habe die AG eine Leistung an den Stillen ausgeführt und steuerlich einen Ertrag erwirtschaftet, der erfolgswirksam zu erfassen sei. Dies ergebe sich auch aus der Regelung des § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages für den Fall einer vorzeitigen vertragswidriger Kündigung des Vertrages oder Zahlungseinstellung. In diesen Fällen stehe der AG das Agio zu, bzw. ein noch nicht bezahltes Agio werde sofort fällig. Auch bei der vertragsgemäßen Beendigung der stillen Gesellschaft werde das Agio nicht zurückbezahlt. Nach § 17 errechne sich der Abfindungsanspruch aus dem Kapitalkonto des Gesellschafters und dem anteiligen Auseinandersetzungswert. Mit dem Eintritt in die Gesellschaft habe der Stille jeglichen direkten Rückzahlungsanspruch auf das von ihm persönlich bezahlte Agio verloren. Der entsprechende Betrag gehe sofort unmittelbar in das Vermögen der AG über, ohne dass sich sein Beteiligungsanteil erhöhe.

Weiter könne das bei der Begründung einer atypisch stillen Beteiligung am Unternehmen einer Kapitalgesellschaft vom atypisch stillen Gesellschafter zu zahlende Agio - selbst bei Bejahung des Eigenkapitalcharakters - entgegen der Auffassung des steuerlichen Vertreters direkt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in die Kapitalrücklage im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB eingestellt werden. § 272 HGB stehe im 2. Abschnitt "Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften". Die Norm spreche von "Anteilen" bzw. "Gesellschaftern", sodass damit die Aktien beziehungsweise die Aktionäre einer Aktiengesellschaft gemeint seien. Die gegenteilige Ansicht des Antragstellers sei mit der Gesetzessystematik nicht vereinbar.

Die Gewinnerhöhung, die infolge der Qualifizierung der Agio-Beträge als Ertrag der AG vorzunehmen sei, sei entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel auch zutreffend auf alle Gesellschafter der atypisch stillen Gesellschaft verteilt worden.

Dem Gericht liegen die vom Finanzamt überlassenen 4 Aktenhefte und 3 Leitz-Ordner über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, die Prüfungsberichte der B AG & atypisch stille Gesellschaft jeweils für die Jahre 1998 bis 2002, 3 Leitz-Ordner Betriebsprüfungsberichte sowie eine Vertragsakte und die Akte über das Rechtsbehelfsverfahren vor.

II.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat keinen Erfolg.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Voraussetzung ist, dass die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 FGO).

Ernstliche Zweifel liegen nach der ständigen Rechtsprechung vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschlüsse vom 14.09.1994 IX B 142/93, BFHE 175, 421, BStBl. II 1995, 778; vom 20.12.2000 IX B 78/00, BFHE 194/196, BFH/NV 2001, 668). Es ist auf Grund einer summarischen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts zu entscheiden. Die Erforschung des Sachverhalts ist von Amts wegen so weit erforderlich, dass entschieden werden kann, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Beweisaufnahme ist auf präsente Beweismittel beschränkt. Die gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken brauchen nicht zu überwiegen.

Im Streitfall ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt, weil der Antragsgegner zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Antragstellers vollständig abgelehnt hatte. Eine notwenige Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO kommt im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht, da diese Vorschrift auf den endgütigen Rechtsschutz zugeschnitten ist (vgl. Seer bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 124; Gräber/Koch, FGO, § 69 Rz. 141).

Bei der vorzunehmenden Prüfung bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Das Finanzamt hat den vom stillen Gesellschafter für die Aufnahme in die AG und atypisch stille Gesellschaft zu zahlenden Agio-Betrag steuerlich zutreffend als Betriebseinnahme der AG behandelt.

Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999; § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2008). Betriebseinnahmen sind Zugänge von Wirtschaftsgütern in Form von Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, § 4 Rz. 420). Betrieblich veranlasst sind alle laufenden und einmaligen, außerordentlichen Einnahmen aus betrieblicher Tätigkeit und Geschäften einschließlich Hilfsgeschäften (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, § 4 Rz. 441).

1. Das Aufgeld kann steuerlich eine Zuführung zum Eigenkapital und damit eine Einlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG in der Fassung der Streitjahre sein. Allerdings bedingt dies, dass sich eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Betriebsvermögensmehrung herleiten lässt. Diese liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder ein (Noch-) Nichtgesellschafter dieser Gesellschaft ein Aufgeld zur Erlangung einer Gesellschafterstellung leistet (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.2005 I R 3/04, BFHE 211, 339, BStBl II 2008, 809; Gosch in Entscheidungen des BFH für die Praxis der Steuerberatung 2006, 104 ). Hier steht der Ursächlichkeit im gesellschaftsrechtlichen Bereich auch keine Ursächlichkeit des Zuflusses im betrieblichen Bereich entgegen, denn dies würde ein Austauschverhältnis (" do ut des") in deren eigenen geschäftlichen Bereich voraussetzen, das bei Einräumung der Gesellschafterstellung ausschließlich von den bisherigen Gesellschaftern und nicht von der Kapitalgesellschaft ausscheidet (vgl. BFH-Urteil a.a.O. in BStBl II 2008, 809). Eine formelle gesetzliche Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Behandlung besteht wegen § 5 Abs. 6 EStG nicht (vgl. Gosch a.a.O. in BFH-PR 2006, 104).

2. Im Streitfall wird dem Antragsteller die Gesellschafterstellung nicht von den bisherigen Gesellschaftern, sondern der AG eingeräumt. Der Antragsteller ist nicht der B AG beigetreten, an die er das Aufgeld leistete, sondern er wurde Gesellschafter der atypisch stillen Gesellschaft. Mit der Agio-Zahlung erwarb der neue Gesellschafter keinen Wertanteil am Gesellschaftsvermögen der AG, da Träger des Gesellschaftsvermögens bei der stillen Gesellschaft allein die AG als Inhaberin des Handelsgewerbes ist. Der atypisch stille Gesellschafter erwarb nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auszahlung seines Gewinnanteils sowie Rückzahlung seines Auseinandersetzungsguthabens bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses (§ 230 HGB; BFH-Urteile vom 14.02.1984 VIII R 126/82, BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580; vom 23.02.2000 VIII R 40/98, BFHE 192, 490, BStBl. II 2001, 24; Baumbach/Hopt, HGB, § 230 Rz. 3). Die B AG ihrerseits erhält als Gegenleistung für die schuldrechtlichen Teilhaberechte an ihrem Betriebsvermögen im Rahmen der atypisch stillen Gesellschaft unter anderem die Agio-Beträge. Damit hat der Zufluss seine Ursache im betrieblichen Bereich und es liegt bei der B AG keine Einlage, sondern eine Betriebseinnahme vor. Dies folgt daraus, dass der entsprechende Agio-Betrag nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages sofort unmittelbar in das Vermögen der AG übergeht ohne dass sich der Beteiligungsanteil erhöht. Mit dem Eintritt in die Gesellschaft hat der Stille jeglichen direkten Rückzahlungsanspruch auf das von ihm persönlich bezahlte Agio verloren (§ 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages 1998). Dies gilt sowohl für die vertragsgemäße Beendigung der stillen Gesellschaft als auch für die vertragswidrige Kündigung. Dies zeigt, dass zwischen der AG und dem eintretenden Gesellschafter ein Austauschverhältnis im Rahmen des geschäftlichen Bereichs der Gesellschaft besteht. Für das Vorliegen einer Betriebseinnahme spricht auch, dass in den Prüfungsberichten des Abschlussprüfers (31.12.1999 bis 31.12.2001) als Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit der B AG im jeweiligen Berichtsjahr die Ansammlung liquider Mittel angeführt wird. Eine Qualifizierung als Einlage bzw. verdeckte Einlage scheidet zudem deshalb aus, weil eine Gutschrift des Agios auf dem für den atypisch stillen Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zu führenden Konto nicht erfolgt (§ 8 Gesellschaftsvertrag).

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB, denn diese Bestimmung ist nur auf Kapitalgesellschaften anwendbar. Die Vorschrift ist nach Auffassung des Senats nicht auf Personengesellschaften wie im Streitfall eine atypisch stille Gesellschaft anwendbar. § 272 HGB steht im 2. Abschnitt "Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften". Die Norm benennt "Anteile" bzw. "Gesellschafter", sodass damit die Aktien beziehungsweise die Aktionäre einer Aktiengesellschaft gemeint sind. Die gegenteilige Ansicht des Antragstellers ist mit der Gesetzessystematik nicht vereinbar. Zudem regelt die Bestimmung das Verhältnis Gesellschaft und neuer Gesellschafter, nicht aber das im Streitfall vorliegende Dreier-Verhältnis Kapitalgesellschaft - Personengesellschaft - Gesellschafter der Personengesellschaft.

4. Gegen die Qualifizierung der Agio-Beträge als verdeckte Einlage spricht auch, dass eine Ausschüttung an die Aktionäre andernfalls steuerfrei möglich wäre. In der Gliederung des nach § 30 KStG a.F. verwendbaren Eigenkapitals der B AG zum 31.12.2000 wurden die Agio-Beträge als nicht belastete Beträge nach § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG behandelt. Dies hätte zur Folge, dass die entsprechenden Geldmittel der Stillen über den Weg der Ausschüttung aus dem EK 04 steuerfrei in das Vermögen der Aktionäre gelangen könnten. Eine Besteuerung einer entsprechenden Ausschüttung an die Aktionäre wäre nicht möglich. Auch nach dem Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren und der Übernahme des positiven EK 04 in das Einlagekonto nach § 27 KStG führt die Rückgewähr von Einlagen nicht zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen auf der Ebene des Anteileigners.

5. Dieser Betrachtungsweise steht auch nicht das BFH-Urteil vom 23.02.2000 VIII R 40/98 (BFHE 192, 490, BStBl. II 2001, 24) entgegen. Das höchstrichterliche Urteil betrifft die steuerliche Behandlung des Ausgabeaufschlags als Anschaffungskosten und nicht als Werbungskosten des stillen Gesellschafters und trifft keine Aussage zur steuerlichen Behandlung bei der Empfängerin der Agio-Beträge unter der besonderen Konstellation des hier zu beurteilenden Sachverhalts.

6. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Finanzamt in Höhe der gezeichneten Agio-Beträge in den Ergänzungsbilanzen der Antragsteller zusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung aktiviert und diese verteilt auf eine Nutzungsdauer von 8 Jahren abgeschrieben hat. Damit wird auf den Gesamtbetrachtungszeitraum von 8 Jahren für den einzelnen stillen Gesellschafter erreicht, dass die gezahlten Agio-Beträge gewinnneutral sind.

7. Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung der Bescheide eine unbillige Härte für den Antragsteller darstellen würden, wurden weder vorgetragen noch sind sie für den Senat ersichtlich.

Die Beschwerde wird der Anregung der Beteiligten folgend wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO) zugelassen. Rechtsprechung des BFH zu der Frage, ob § 272 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 4 HGB auf die Beteiligung des atypisch stillen Gesellschafters an einer Aktiengesellschaft anwendbar ist, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Vorschriften der §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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