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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 6 K 1049/07
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 1
AO § 172 Abs. 1 S. 1
EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 16 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

6 K 1049/07

Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 1998 und Gewerbesteuermessbetrag 1996 und 1997

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 22.08.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob im Jahr 1998 eine Betriebsaufspaltung beendet worden und ein Aufgabegewinn zu versteuern ist.

Im Jahr 1984 hatte der Kläger das Grundstück G in H erworben, bebaut und anschließend ab Januar 1986 an die Xxxxxxx GmbH (im Folgenden: GmbH) vermietet, an der er damals als Gesellschafter-Geschäftsführer zu 80 v.H., später zu 100 v.H. beteiligt gewesen war. Die GmbH hat dort ihren Fertigungsbetrieb und das Lager.

Die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks hatte der Kläger seit jeher nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG ermittelt und als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, § 15 EStG, erklärt. Das Finanzamt war seiner Erklärung bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1992 gefolgt. Ab der Veranlagung 1993 war das Finanzamt jedoch abweichend von der Steuererklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, § 21 EStG, ausgegangen. Ab dem Veranlagungszeitraum 1995 erklärte der Kläger insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; den Gewinn ermittelte er jedoch bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 1996 weiter durch Betriebsvermögensvergleich, erst danach durch Einnahme-Überschussrechnung.

Mit notariellem Vertrag vom 15.01.1996 hatte der Kläger einen Geschäftsanteil von 20 v.H. am Stammkapital der GmbH von 50.000 DM verkauft und dem Käufer in einem weiteren notariellen Vertrag vom selben Tag ein bis zum 31.12.2000 unwiderrufliches Kaufangebot für die restlichen Anteile von 80 v.H. unterbreitet. Bis zum Ablauf der Bindungsfrist sollte der Käufer das Angebot jederzeit mit Erklärung zur Urkunde eines deutschen Notars annehmen können. Der Kaufpreis sollte 40.000 DM betragen (B III. des Angebots).

Mit notarieller Urkunde vom 23.01.1998 (URNr. XXX ) nahm der Käufer das Kaufangebot für die restlichen 80 v.H. der GmbH-Geschäftsanteile "mit der Änderung an, dass alle Rechte und Pflichten aus den veräußerten Geschäftsanteilen mit Wirkung zum 01.01.1998, 00 Uhr auf ihn übergehen." Der Kaufpreis war bereits am 05.01.1998 dem Konto des Klägers gutgeschrieben worden. Im Mai 1998 verkaufte und übereignete der Kläger auch das Grundstück G an den Käufer.

Der Kläger wurde für den Veranlagungszeitraum 1998 mit Bescheid vom 27.07.2000 zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei wurden Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks G, H, i.H.v. 28.755 DM erklärungsgemäß berücksichtigt. Die Einkommensteuer wurde auf 1.628 DM festgesetzt.

Eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 kam zu dem Ergebnis, dass in den Jahren 1996 und 1997 die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorgelegen hätten.

Bei dem Grundstück G in H habe es sich um eine wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH gehandelt. Der Kläger sei beherrschender Gesellschafter der GmbH gewesen und habe über seine Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer seinen Willen im Unternehmen durchsetzen können. Eine personelle Verflechtung mit der GmbH habe vorgelegen, weil der Kläger alleiniger Eigentümer des Betriebsgrundstücks G gewesen sei.

Die Veräußerung der GmbH-Anteile zum 01.01.1998 habe zum Wegfall der personellen Verflechtung und damit zur Beendigung der Betriebsaufspaltung geführt, mit der Folge, dass der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks G als Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 EStG im Veranlagungszeitraum 1998 zu erfassen sei.

Den Veräußerungsgewinn ermittelte die Betriebsprüfung mit 941.117 DM. Der Veräußerungserlös betrug lt. Betriebsprüfung für die GmbH-Anteile 40.000 DM, für das Grundstück 1.400.000 DM (Tz. 1.14 und 1.18 Betriebsprüfungsbericht vom 27.11.2000).

Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht Bezug genommen.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 02.04.2001 die Einkommensteuer 1998 auf 239.777 DM fest. Den Veräußerungsgewinn setzte es bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb an, die Mieteinnahmen unverändert bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben, § 164 Abs. 3 AO.

Ebenfalls mit Bescheiden vom 02.04.2001 wurde erstmals ein einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag für 1996 und 1997 auf 620 DM bzw. 774 DM festgesetzt.

Gegen die Bescheide vom 02.04.2001 erhob der Kläger mit Zustimmung des Finanzamts am 25.04.2001 Sprungklage zum Finanzgericht.

1. Der Kläger meint, eine Betriebsaufspaltung habe nicht vorgelegen, weil es von Anfang an der dafür notwendigen sachlichen Verflechtung gefehlt habe. Das Grundstück sei in Leichtbauweise mit einer Halle nebst Büro- und Sozialräumen bebaut, die für unterschiedliche gewerbliche Nutzungen geeignet seien. Die Bebauung sei nicht speziell auf die Bedürfnisse der GmbH zugeschnitten.

2. Selbst bei Vorliegen einer sachlichen Verflechtung sei die personelle Verflechtung schon vor dem 01.01.1998 entfallen.

a. Schon seit März 1992 (= Datum der "Hausmitteilung") habe die faktische Geschäftsführung beim späteren Käufer der GmbH-Anteile gelegen, weil der Kläger wegen gesundheitlicher Probleme dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei. Die Eintragung sei am 05.02.1991 vollzogen worden. Der Kläger legt hierzu eine Kopie der "Hausmitteilung" vom 17.03.1992 vor, in der er seine Mitarbeiter davon in Kenntnis setzt und dem Geschäftsführer "ab sofort" sämtliche Kompetenzen und Entscheidungen bezüglich der Personal- und Geschäftspolitik überträgt. Er selbst werde "bis auf weiteres" nur noch beratend tätig werden.

b. Jedenfalls sei eine Betriebsaufspaltung mit dem unwiderruflichen Vertragsangebot vom 15.01.1996 weggefallen.

Der bereits zu 20 v.H. an der GmbH beteiligte Käufer habe durch die Einräumung des bis 31.12.2000 unwiderruflichen Ankaufsrechts auf die restlichen Anteile die tatsächliche (faktische) Beherrschung in der GmbH erlangt. Er hätte die restlichen Anteile jederzeit übernehmen und danach den Mietvertrag mit dem Kläger kündigen können, ohne dass der Kläger dies hätte verhindern können. Damit sei die personelle Verflechtung als Tatbestandsvoraussetzung der Betriebsaufspaltung entfallen. Auf die tatsächliche Annahme des Angebots am 23.01.1998 komme es nicht mehr an.

Zwar habe der Kläger auch nach Einräumung des unwiderruflichen Angebots über den restlichen Geschäftsanteil verfügen können, da er aber an sein Angebot gebunden gewesen sei, hätte eine solche Veräußerung einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo ausgelöst.

Zudem habe sich der Kläger mit Unterbreitung des unwiderruflichen Angebots im eigenen Interesse dem geschäftlichen Betätigungswillen des Mitgesellschafters und Angebotsempfängers unterordnen wollen. Er habe mit diesem konkludent eine Stimmrechtsvereinbarung getroffen, wonach er sich verpflichtet habe, sein Stimmrecht nicht mehr abweichend von den Vorstellungen des anderen auszuüben.

c. Die Betriebsaufspaltung sei spätestens im November 1997 beendet worden, als der Kläger und der Käufer den nicht mehr auffindbaren Entwurf zur notariellen Urkunde vom 23.01.1998 unterzeichnet hätten. Damit habe der Käufer das Angebot angenommen. Er habe auch den Kaufpreis noch im Dezember 1997 angewiesen.

Hierzu legt der Klägervertreter die Kopie einer undatierten Vereinbarung vor, nach der der Verkauf der Gesellschaftsanteile unabhängig vom Zeitpunkt der notariellen Beurkundung "zum 31.12.1997" stattfinden solle. Bis dahin verpflichte sich der Kläger dazu, sein Stimmrecht nicht ohne Abstimmung mit dem Käufer auszuüben. Der Käufer verpflichte sich im Gegenzug, den Kaufpreis bis zum 31.12.1997 zu zahlen

3. Die Vermietungseinkünfte seien entgegen der Auffassung des Finanzamts auch nicht deshalb als gewerblich zu qualifizieren, weil der Kläger durch die nach dem Anteilsverkauf fortdauernde Vermietung des Grundstücks ohne entsprechende Aufgabeerklärung sein "Verpächterwahlrecht" wahrgenommen habe.

a. Zum einen habe für ihn kein Grund vorgelegen, eine solche Erklärung abzugeben, nachdem das Finanzamt seit 1993 die Vermietung des Betriebsgrundstücks den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet habe. Erst im Jahr 2000 habe er anlässlich der Betriebsprüfung erfahren, dass das Finanzamt diese Einkünfte nunmehr wieder als gewerblich behandeln wolle.

b. Zum anderen setze das Wiederaufleben eines Verpächterwahlrechts nach Beendigung einer Betriebsaufspaltung voraus, dass die Verpachtung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehöre. Das sei hier aber gerade nicht der Fall. Dies habe auch der frühere Sachbearbeiter des Finanzamts erkannt, der auf dem Deckblatt des Jahresabschlusses vom 31.12.1992 handschriftlich vermerkt habe: "keine Betriebsaufspaltung, vgl. 1986 Einkommensteuer-Akte als Gesellschafter X Halle errichtet und an GmbH vermietet, nicht gewerbesteuerpfl."

4. Zumindest sei das Finanzamt aufgrund langjähriger Übung nach Treu und Glauben an seine alte Rechtsauffassung gebunden, wonach die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks als solche nach § 21 und nicht als solche nach § 15 EStG zu qualifizieren seien. Daran ändere auch der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung nichts. Im Gegenteil: Das Finanzamt habe stets alle relevanten Tatsachen einschließlich der notariellen Urkunden vom 15.01.1996 gekannt und sei dennoch seit 1993 unbeirrt von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgegangen, obwohl der Kläger bis 1994 weiter Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt und danach noch bis 1996 seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt habe. Man müsse deshalb davon ausgehen, dass das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut geprüft habe und stets zum selben Ergebnis gekommen sei. Der Kläger habe im - jährlich gewachsenen - Vertrauen darauf den Grundstückskaufvertrag abgeschlossen. Hätte er geahnt, dass das Finanzamt seine Rechtsauffassung ändern und den Veräußerungsgewinn besteuern würde, hätte er einen höheren Kaufpreis verlangt, da der Grundstücksverkauf seiner Altersversorgung habe dienen sollen.

Die Gewerbesteuermessbescheide seien ohne Grundlagenbescheid ergangen, weil die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 nicht geändert worden seien und auch nicht mehr hätten geändert werden können.

Vor der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2007 legte der Klägervertreter noch eine Stellungnahme des Käufers vom 14.08.2007 vor, der darin u.a. die Meinung äußert, ab der Einräumung des Optionsrechts habe er die GmbH faktisch beherrscht, weil er im Konfliktfall jederzeit die Option hätte ausüben können. Mit Abschluss der Verträge vom 15.01.1996 seien sowohl das Risiko der Wertminderung als auch die Chance der Wertsteigerung der Gesellschaftsanteile auf ihn übergegangen.

Der Klägervertreter beruft sich insbesondere auf die BFH-Urteile vom 29.01.1997 XI R 23/96, BFHE 182, 216, BStBl II 1997, 437 undvom 11.07.2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II 2007, 296.

Der Klägervertreter beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 02.04.2001 sowie die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1996 und 1997 vom 02.04.2001 aufzuheben.

Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision beantragt.

Die Vertreterin des Finanzamts beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision beantragt.

Das Finanzamt ist der Auffassung, der Einkommensteuerbescheid 1998 habe, nachdem das Finanzamt aufgrund der Ergebnisse der Betriebsprüfung seine Rechtsauffassung (wieder) geändert habe, geändert werden dürfen, weil er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden habe.

Wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung sei dem Kläger aus der abweichenden Übung der Vorjahre kein Vertrauensschutz erwachsen. Eine verbindliche Auskunft über die rechtliche Behandlung des Sachverhalts sei nie beantragt und nie erteilt worden.

Die Betriebsaufspaltung sei frühestens am 01.01.1998 mit der Annahme des bindenden Angebots am 23.01.1998 beendet worden. Nach der Urkunde sollten alle Rechte und Pflichten aus den veräußerten Geschäftsanteilen mit Wirkung zum 01.01.1998 um 0.00 Uhr übergehen. Ein einseitig bindendes Angebot verschaffe noch kein wirtschaftliches Eigentum an den Gesellschaftsanteilen; ein Vertrag i.S.d. § 15 GmbHG sei erst mit der Urkunde vom 23.01.1998 zustande gekommen. Erst damit sei die personelle Verflechtung entfallen. Allein durch die Unterbreitung des unwiderruflichen Angebots habe der Mitgesellschafter und spätere Käufer die Gesellschaft auch tatsächlich noch nicht beherrscht. Es gebe auch keine Hinweise auf eine faktische Beherrschung durch den Anteilserwerber.

Da das Grundstück als "Unternehmen im Ganzen" bis zum 30.04.1998 weiterhin an die X-GmbH verpachtet und eine Erklärung über die Betriebsaufgabe nicht abgegeben worden sei, sei der gewerbliche Verpachtungsbetrieb des Klägers erst mit der Veräußerung des Grundstücks als wesentlicher Betriebsgrundlage aufgegeben worden; der Veräußerungsgewinn sei im Jahr 1998 anzusetzen gewesen.

Der Gewerbesteueranspruch sei nicht verwirkt.

Der in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2006 gestellte Antrag nach § 163 AO auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer 1998 ist inzwischen bestandskräftig abgelehnt worden (vgl. Einspruchsentscheidung vom 18.05.2007).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks G in H zu Recht im Veranlagungszeitraum 1998 besteuert. Es hat zu Recht Gewerbesteuermessbescheide für 1996 und 1997 erlassen.

1. Das Finanzamt konnte den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1998 vom 27.07.2000 jederzeit ändern, § 164 Abs. 2 S. 1 AO.

a) Nach § 164 Abs. 1 AO können Steuern, solange der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist, ohne Begründung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden. Die Nachprüfung kann sich sowohl auf den Sachverhalt als auch auf dessen rechtliche Würdigung beziehen (vgl. Tipke in Tipke/Kruse AO/FGO Kommentar, § 164 AO Rn. 12). Im Streitfall fand im Juli/August 2000 beim Kläger eine Betriebsprüfung statt, die die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 umfasste. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass es aufgrund der Prüfung zu Änderungen kommen würde, war die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 27.07.2000 angezeigt.

b) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann der Bescheid innerhalb der Festsetzungsfrist zur Anpassung an das materielle Recht aufgehoben oder geändert werden, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 172, 173 AO vorliegen müssen (BFH-Urteil vom 28.03.1985 IV R 224/83, BFHE 143, 400, BStBl II 1985, 700, Ziff.1 b der Gründe). Diese Vorschriften sind nicht anwendbar, wenn der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (dazu auch Tipke in Tipke/Kruse a.a.O., § 164 AO Rn. 9, Vor § 172 Rn. 27). Das ergibt sich aus dem Gesetzestext des § 172 Abs. 1 S. 1 AO: "Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur geändert werden, (...)".

Es schadet deshalb auch nicht, wenn die Tatsachen, die der Änderung zugrunde liegen, wie hier die Vermietung des Grundstücks G an die X -GmbH und die Beteiligungs- und Eigentumsverhältnisse, dem Finanzamt bereits bei Erlass des Vorbehaltsbescheides bekannt oder erkennbar waren.

c) Da der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheid jederzeit geändert werden kann, darf der Steuerpflichtige nicht auf den Bestand des Bescheides vertrauen, so dass die Verwaltung auch nicht nach Treu und Glauben an den Bescheid gebunden ist (ständige Rspr., vgl. BFH Beschluss vom 20.12.1994 V B 3/94, BFH/NV 1995, 946).

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es zu einer Verdrängung des gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben nur in besonders gelagerten Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.09.2000 IX R 33/97, BStBl II 2000, 676, m.w.N.). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30.09.1997 IX R 80/94, BStBl II 1998, 771; BFH Beschluss vom 28.08.2002 V B 71/02, BFH/NV 2003, 4).

Allein die Tatsache, dass die Verwaltung einen bestimmten Sachverhalt über Jahre hinweg gleich behandelt hat, genügt nicht zur Schaffung eines solchen Vertrauenstatbestandes. Schutzwürdiges Vertrauen kann nur insoweit entstehen, als die Verwaltung im Rahmen des Gesetzes eine diesem nicht widersprechende Regelung trifft. Aus einem Steuerbescheid können im Regelfall keine Schlüsse für die Zukunft gezogen werden. Er bezieht sich nur auf die Vergangenheit. Bei jeder Veranlagung ist der Sachverhalt neu festzustellen und rechtlich zu beurteilen, weshalb das Finanzamt an frühere Entscheidungen nicht gebunden ist. Im Gegenteil: Nach Auffassung des BFH muss das Finanzamt eine als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt selbst dann aufgeben, wenn der Steuerpflichtige darauf vertraut haben sollte oder wenn das Finanzamt über längere Zeit eine rechtsirrige Auffassung vertreten hat (z.B. BFH Urteil vom 21.10.1992 X R 99/88, BStBl II 1993, 289, 291 m.w.N.) Eine falsche rechtliche Beurteilung wird nicht deshalb richtiger oder vertrauenswürdiger, weil sie wiederholt wird.

d) Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies: Der Kläger durfte nicht darauf vertrauen, dass das Finanzamt seine falsche Rechtsauffassung auch in Zukunft fortführen würde. Er hat der Rechtsauffassung des Finanzamts auch nicht getraut. Das zeigt sich daran, dass er noch bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1994 gewerbliche Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks erklärt und bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1996 den Gewinn durch Vermögensbestandsvergleich ermittelt hat.

e) Selbst wenn der Kläger darauf hätte vertrauen dürfen, dass das Finanzamt weiterhin davon ausgehen würde, dass es sich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handle, das vermietete Grundstück mithin Privatvermögen des Klägers und ein möglicher Veräußerungserlös außerhalb der Spekulationsfrist steuerfrei sei, so wäre weitere Voraussetzung eines Vertrauensschutzes nach Treu und Glauben, dass der Kläger im Vertrauen auf die Rechtsauffassung des Finanzamts disponiert hätte und ihm dadurch ein Vertrauensschaden (in Form der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes) entstanden wäre.

Auch daran fehlt es im Streitfall.

Zwar trägt der Kläger vor, er hätte einen höheren (die Steuer auf den Veräußerungsgewinn berücksichtigenden) Kaufpreis verlangt, wenn er gewusst hätte, dass das Finanzamt den Gewinn besteuern würde, doch hat er weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass der Käufer einen solchen höheren Kaufpreis auch gezahlt hätte. Der Käufer kannte als langjähriger Geschäftsführer das Grundstück und den Zustand der Gebäude genau. Es ist nicht anzunehmen, dass er einen höheren als den Marktpreis gezahlt hätte, nur um den Lebensabend des Verkäufers zu sichern. - Zumal der Kläger stets vorträgt, dass die GmbH ihr Gewerbe auch in anderen Räumen ausüben könnte.

Außerdem wäre dem Kläger der "Schaden" auch entstanden, wenn er das Grundstück nicht verkauft hätte: in diesem Fall wäre im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung (dazu unten 2.) ein Aufgabegewinn in gleicher Höhe zu versteuern gewesen, da sich der Wert des Grundstücks zwischen Januar und Mai 1998 nicht wesentlich geändert haben dürfte.

In diesem Fall würde es bereits an einer Disposition des Klägers fehlen, da die Betriebsaufspaltung ohne sein Zutun durch die Ausübung der Kaufoption beendet wurde.

f) Hätte der Kläger vor der Veräußerung der Anteile und des Grundstücks Sicherheit über die Rechtsauffassung des Finanzamts erlangen wollen, hätte er eine verbindliche Zusage einholen können, § 89 AO. Das ist nicht geschehen.

2. Das Finanzamt hat den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks G, H, zu Recht im Veranlagungszeitraum 1998 der Besteuerung zugrunde gelegt.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG auch Gewinne, die bei der Veräußerung oder Aufgabe eines ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs erzielt werden. Der Gewerbebetrieb "Vermietung des Grundstücks G in H im Rahmen einer Betriebsaufspaltung" endete im Jahr 1998.

Am 01.01.1996 bestand zwischen der X -GmbH, deren Alleingesellschafter der Kläger damals war, und dem Kläger als Eigentümer des an die GmbH vermieteten Betriebsgrundstücks eine sog. "Betriebsaufspaltung", die dazu führt, dass die Überlassung des Betriebsgrundstücks als gewerbliche Betätigung und das Grundstück als wesentliche Betriebsgrundlage (auch) dieses Gewerbebetriebes angesehen wird. Die besondere Qualifikation einer an sich vermögensverwaltenden Tätigkeit als gewerbliche folgt aus der engen sachlichen und personellen Verflechtung zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen (grundlegend BFH GrS Beschluss vom 08.11.1971 GrS 2/71, BStBl II 1972, 63).

a) Die notwendige "sachliche Verflechtung" ergibt sich hier aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks an das Betriebsunternehmen, für dessen Bedürfnisse es vom Kläger gekauft und bebaut worden war. Ein Grundstück ist im Rahmen einer Betriebsaufspaltung eine wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen, wenn es nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt. Einer branchenspezifischen Ausgestaltung derart, dass Baulichkeiten nur noch und ausschließlich von Betriebsunternehmen genutzt werden können, bedarf es nicht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.01.1997 XI R 23/96, BFHE 182, 216, BStBl II 1997, 437).

b) Die "personelle Verflechtung", welche verlangt, dass beide Unternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen sind, der sich insbesondere auch auf das Nutzungsverhältnis in der Weise erstrecken muss, dass es nicht gegen den Willen des Besitzunternehmers aufgelöst werden kann (BFH Urteil vom 21.08.1996 X R 25/93, BStBl II 1997, 44) war gegeben, weil der Kläger sowohl Alleineigentümer des Grundstücks als auch Alleingesellschafter der GmbH war ("Beteiligungsidentität"). Dass damals schon der künftige Käufer Mitgeschäftsführer der GmbH war, ändert daran nichts. Der Geschäftsführer untersteht im Innenverhältnis der Weisungsbefugnis des Alleingesellschafters im Anstellungsvertrag, der zudem - ggf. unter Einhaltung von Kündigungsfristen - jederzeit aufgelöst werden kann.

Die personelle Verflechtung endete nicht durch den Verkauf von 20 v.H. der Anteile an den Mitgeschäftsführer und die gleichzeitige, bis 31.12.2000 für den Kläger unwiderrufliche Einräumung einer Kaufoption zugunsten des neuen Mitgesellschafters hinsichtlich der restlichen Anteile im notariellen Vertrag vom 15.01.1996. Solange der Käufer die Option nicht ausübte, war der Kläger im Besitz der qualifizierten Mehrheit der Anteile und der damit verbundenen Stimmrechte. Die Vereinbarung eines Optionsrechts reicht zur Begründung wirtschaftlichen Eigentums des Optionsberechtigten an veräußerten Wirtschaftsgütern grundsätzlich nicht aus; sie versetzt ihn nicht in die Lage, den Eigentümer von der tatsächlichen Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich auszuschließen (BFH Urteil vom 25.08.1993 XI R 6/93, BStBl II 1994, 23, m.w.N.). Dem Eigentümer bleibt es unbenommen, die Anteile vertragswidrig an Dritte zu verkaufen. Wie der Kläger richtig erkennt, hätte dies lediglich Schadensersatzansprüche des Optionsberechtigten zur Folge. Letzterer hat aber keine Rechtsposition erlangt, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden konnte.

Ein förmlicher Stimmrechtsbindungsvertrag wurde nicht geschlossen. Das vom Kläger in Kopie vorgelegte Schreiben ist undatiert. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass sich der Kläger in seinem Stimmverhalten von dem Käufer hätte beeinflussen lassen.

Damit ist keine faktische Beherrschung des Betriebsunternehmens durch den Minderheitsgesellschafter gegeben, die die Betriebsaufspaltung beendet hätte, weil er das Besitzunternehmen nicht beherrschte, das im Alleineigentum des Mehrheitsgesellschafters stand. Allein die theoretische Möglichkeit im Fall von Meinungsverschiedenheiten das Optionsrecht auszuüben - mit der Folge, den Kaufpreis zahlen zu müssen - führt noch nicht zu einer faktischen Beherrschung des Betriebsunternehmens.

Die von der Rechtsprechung hierzu entschiedenen und vom Klägervertreter zitierten Fälle betreffen den umgekehrten Fall, dass der an der Betriebsgesellschaft nicht maßgeblich beteiligte Besitzunternehmer diese dennoch beherrscht.

c) Die personelle Verflechtung und damit die Betriebsaufspaltung endete erst mit der tatsächlichen Ausübung der Kaufoption im notariellen Vertrag vom 23.01.1998 zum 01.01.1998. Nach § 15 Abs. 3 GmbHG bedarf es zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter - anders als bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften - eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages, so dass eine etwa im November 1997 vorausgehende mündliche oder schriftliche Einigung der Parteien nicht genügen würde, um das Formerfordernis zu erfüllen. "Abtretung" i.S.d. § 15 Abs. 3 GmbHG bedeutet Änderung der dinglichen Zuordnung des Geschäftsanteils durch Einzelrechtsnachfolge, z.B. durch Anteilskauf (Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff GmbHG Kommentar, 16. Aufl. 2004, § 15 Rn. 15). Fehlt es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form, ist das Rechtsgeschäft nach § 125 S. 1 BGB nichtig. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kaufpreis noch 1997 oder erst 1998 gezahlt worden ist.

d) Der Zeitpunkt, zu dem eine Rechtsübertragung wirksam werden soll, wird grundsätzlich durch die vertragliche Vereinbarung der Parteien bestimmt. Die eindeutige Vereinbarung, das Vertragsangebot zur Übertragung der Gesellschaftsanteile solle zum 1. Januar eines Jahres angenommen werden, welches auch entsprechend vollzogen wird, lässt es nicht zu, den Vorgang dem abgelaufenen Kalenderjahr zuzuordnen (vgl. BFH Urteil vom 21.09.2000 IV R 54/99, BStBl II 2001, 178 m.w.N.).

e) Es kann für die Besteuerung des Kaufpreises dahingestellt bleiben, ob bereits die Beendigung der Betriebsaufspaltung oder erst der Grundstücksverkauf im Mai 1998 zu einer gewinnrealisierenden Betriebsaufgabe hinsichtlich des Besitzunternehmens geführt hat, weil beides in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang im selben Veranlagungszeitraum stattgefunden hat. Der Veräußerungsgewinn im Mai entspricht dem Aufgabegewinn im Januar.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Das Finanzamt hat die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks im Jahr 1998 den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet, obwohl es davon ausging, dass die gewerbliche Vermietung erst im Mai mit der Veräußerung des Grundstücks endete. Dadurch ändert sich die Höhe der Einkommensteuer nicht.

3. Das Finanzamt war nicht am Erlass der Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1996 und 1997 vom 02.04.01 gehindert. Der Gewerbesteuermessbetrag wird für den Erhebungszeitraum nach dessen Ablauf festgesetzt, § 14 S. 1 GewStG.

a) Festsetzungsverjährung war noch nicht eingetreten, § 184 Abs. 1 S. 3 i.V.m. §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO und § 14a GewStG. Da der Kläger keine Gewerbesteuererklärung abgegeben hat, begann die Festsetzungsfrist für den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1996 erst mit Ablauf des 31.12.1999 zu laufen. Sie endete vier Jahre später am 31.12.2003.

b) Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers dahingehend, dass das Finanzamt seine Rechtsauffassung bzgl. der Einkunftsart, der die Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks zuzuordnen sind, nicht ändert, bestand, wie oben bereits für die Einkommensteuer dargelegt, nicht.

c) Zwar ist gemäß § 7 GewStG Ausgangsgröße für die Bestimmung des Gewerbeertrags "der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb". Der Gewerbeertrag ist jedoch selbständig zu ermitteln (so auch BFH BStBl II 2004, 699).

d) Einwendungen gegen die rechnerische Richtigkeit der Bescheide wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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