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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: I 110/2003
Rechtsgebiete: UmwStG


Vorschriften:

UmwStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UmwStG § 2 Nr. 1
UmwStG § 18 Abs. 4
UmwStG § 27 Abs. 4a
UmwStG § 39
UmwStG § 46
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob eine Anteilsveräußerung nach Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft gewerbesteuerpflichtig ist.

Die Klägerin hat die Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Komplementärin ist die K-GmbH . Kommanditist war zunächst X , der zugleich Alleingesellschafter der Komplementärin und der Firma W-GmbH (nachfolgend W-GmbH ) war.

Zwischen der - bis 1997 unter der Firma K-GmbH & Co. KG auftretenden - Klägerin (Besitzunternehmen) und der W-GmbH (Betriebsunternehmen) bestand eine Betriebsaufspaltung.

Mit notariellem Vertrag vom 29.06.1997 veräußerte X jeweils 90% seiner Anteile an den drei Gesellschaften an die Firma Holding AG. Am 12.08.1997 wurde das Vermögen der W-GmbH mit Wirkung zum 01.01.1997 als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Verschmelzung gemäß §§ 2 Nr. 1, 39 ff, 46 ff Umwandlungsgesetz (UmwG) auf die Klägerin als übernehmenden Rechtsträger übertragen. Den Gesellschaftern der W-GmbH wurden als Gegenleistung Kommanditeinlagen gewährt. Gleichzeitig wurde die Firma der Klägerin in " W GmbH & Co. KG geändert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 12.08.1997 Bezug genommen.

Mit notariellem Vertrag vom 28.12.1998 veräußerte X seinen verbliebenen Kommanditanteil von 10% an der Klägerin und den restlichen Geschäftsanteil an der K-GmbH mit Wirkung zum 31.12.1998 gegen Zahlung eines Kaufpreises von 5.500.000 DM an die Firma Holding AG. Für den Verkauf des Kommanditanteils ergab sich unter Abzug der Buchwerte und der Veräußerungskosten ein Veräußerungsgewinn von 4.738.260 DM.

Mit Bescheid vom 16.02.2000 setzte das Finanzamt zunächst - entsprechend den erklärten Besteuerungsgrundlagen- den Gewerbesteuermessbetrag 1998 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 DM fest. Im Rahmen einer Außenprüfung, die sich laut Prüfungsanordnung vom 19.12.2000 u.a. auf die Gewerbesteuer 1998 erstreckte, stellte der Prüfer u.a. fest, dass der Gewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils am 28.12.1998 nach § 18 Abs. 4 Umwandlungsteuergesetz (UmwStG) der Gewerbesteuer unterliegt. Das Finanzamt folgte den Feststellungen und setzte am 01.02.2002 den Gewerbesteuermessbetrag 1998 auf 341.080 DM fest. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin hat Klage erhoben und vorgetragen, dass die Anteilsveräußerung vom 28.12.1998 nicht nach § 18 Abs. 4 UmwStG gewerbesteuerpflichtig sei, da kein Vermögensübergang i.S.d. Vorschrift stattgefunden habe. Die Anteile von X am übertragenden Rechtsträger - W-GmbH - seien bereits vorher im Betriebsvermögen der Klägerin als übernehmendem Rechtsträger enthalten gewesen. Die Beteiligung am Betriebsunternehmen habe zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II des Kommanditisten X gehört, da eine Betriebsaufspaltung vorgelegen habe und die Geschäftsanteile seine Position in der Kommanditgesellschaft gestärkt hätten. Da es sich bei § 18 Abs. 4 UmwStG um eine steuerliche Vorschrift handle, sei auch der Begriff des Vermögensübergangs aus steuerlicher Sicht auszulegen. Ohne einen Vermögensübergang in diesem Sinne lägen jedoch nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 4 UmwStG vor.

Hilfsweise sei die Gewerbesteuerpflicht auf den Teil des Veräußerungsgewinns zu beschränken, der auf die Übertragung der stillen Reserven der Kapitalgesellschaft zum steuerlichen Verschmelzungszeitpunkt, also dem 01.01.1997, entfalle. § 18 Abs. 4 UmwStG sei als besondere Missbrauchsvorschrift teleologisch zu reduzieren, wenn und soweit kein Missbrauch vorliege. Die Verschmelzung habe nicht der Vorbereitung der Veräußerung und Steuerminderung gedient, da die GmbH-Anteile als Sonderbetriebsvermögen bereits mit dem Mitunternehmeranteil hätten steuerfrei verkauft werden können; die Holding AG habe jedoch die Rechtsform der GmbH & Co. KG für ihre Tochtergesellschaft bevorzugt. Wenn aber keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorlägen, sei die Beschränkung auf die stillen Reserven zum Übertragungszeitpunkt vorzunehmen, da andernfalls der Sinn und Zweck der Vorschrift weit überschritten würde. Vom Veräußerungsgewinn entfiele ein Betrag von 2.602.489 DM auf stille Reserven, die bereits am 01.01.1997 in der übertragenden Kapitalgesellschaft vorhanden gewesen seien. Der restliche Veräußerungsgewinn, der auf die stillen Reserven im Betriebsvermögen der Klägerin vor und nach der Verschmelzung entfalle, könne nicht als Gewerbeertrag angesetzt werden.

Die Klägerin hat beantragt, den Gewerbesteuermessbetrag 1998 mit 104.670 DM, hilfsweise mit 234.794 DM festzusetzen und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 1998 vom 01.02.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.02.2003 entsprechend zu ändern. Weiterhin hat sie, für den Fall des Unterliegens, die Zulassung der Revision beantragt.

Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat es hat auf den eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 4 UmwStG und die Gründe des Beschlusses des Finanzgerichts Nürnberg vom 27.08.2002 im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides 19981 126/2002 hingewiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Veräußerungsgewinn unterliegt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach der Gewerbesteuer.

Nach § 18 Abs. 4 Sätze 1 und 2 UmwStG (in der ab 01.01.1997 geltenden Fassung, vgl. § 27 Abs. 4a UmwStG) unterliegt ein Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft der Gewerbesteuer, wenn das Vermögen einer Kapitalgesellschaft auf diese Personengesellschaft nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes übertragen wurde und die Veräußerung innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren nach der Vermögensübertragung erfolgt. Maßgebend ist dabei der steuerliche Übertragungsstichtag (Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 18 UmwStG Rz. 213).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Vorschrift ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur der Teil des Veräußerungsgewinns der Gewerbesteuer unterliegt, der auf die stillen Reserven im Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft entfällt.

Das Vermögen der W-GmbH wurde mit steuerlicher Wirkung zum 01.01.1997 im Wege der Verschmelzung auf die Klägerin übertragen. Einer Vermögensübertragung steht nicht entgegen, dass die Geschäftsanteile an der W-GmbH lt. Steuerbilanz der Klägerin bereits zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters X gehörten. Ein Rechtsträgerwechsel und damit ein Vermögensübergang i.S.d. § 18 Abs. 4 UmwStG fand nicht hinsichtlich dieser Geschäftsanteile statt, sondern hinsichtlich der Rechte an den einzelnen Wirtschaftsgütern der W-GmbH . Diese Wirtschaftsgüter waren in der Sonderbilanz der Klägerin nicht enthalten. Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass der Vermögensübergang nach § 18 Abs. 4 UmwStG steuerlich i.S. einer Änderung der bilanziellen Zuordnung des Betriebsvermögens zu verstehen ist. Das UmwStG knüpft vielmehr an die handelsrechtlichen Tatbestände des Umwandlungsgesetzes an und normiert hierfür die steuerlichen Konsequenzen. § 18 UmwStG ist daher nur anwendbar, wenn eine Umwandlung im Sinne des § 1 UmwG stattgefunden hat (§ 1 Abs. 1 UmwStG). Die im Streitfall durchgeführte Verschmelzung nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 39 ff, 46 ff UmwG setzt nach Handelsrecht eine Übertragung des Vermögens zwischen zwei Rechtsträgern voraus.

Der seit dem Vermögensübergang ab 01.01.1997, laufende 5-Jahreszeitraum war noch nicht verstrichen, als X am 28.12.1998 den ihm noch verbliebenen Kommanditanteil veräußert hat. Der dadurch entstandene Veräußerungsgewinn von 4.738.260 DM ist der Höhe nach unstrittig.

Die Regelung des § 18 Abs. 4 UmwStG ist auch nicht einschränkend auszulegen.

Ziel jeder Gesetzesauslegung ist die Ermittlung des objektivierten Willens des Gesetzgebers, wie er sich insbesondere aus dem Gesetzeswortlaut und dem Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt. Die Motive und Vorstellungen der gesetzgebenden Körperschaften bzw. deren Mitglieder können insoweit berücksichtigt werden, als sie im Gesetz selbst einen hinreichenden Ausdruck gefunden haben (Urteil des BVerfG vom 21.05.1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312 und ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 18.05.1994 I R 84/93, BStBl II 1994, 713).

a) Der Wortlaut des § 18 Abs. 4 UmwStG gibt keinen Anlass zu Zweifeln, dass der gesamte Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils der Gewerbesteuer unterliegt. Diese Vorschrift enthält keine Regelung hinsichtlich der stillen Reserven, die beim Rechtsträgerwechsel von der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft vorhanden waren oder in den übertragenen Wirtschaftsgütern später gebildet wurden.

b) Der Zweck des § 18 Abs. 4 UmwStG steht einer Einbeziehung des gesamten Veräußerungsgewinns in den Gewerbeertrag nicht entgegen.

Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung verhindern, dass die Steuerbegünstigung für Umwandlungen missbraucht wird. Der Gewinn aus einer Betriebsveräußerung, der bei einer Kapitalgesellschaft der Gewerbesteuer unterlegen hätte, sollte nicht durch eine steuerneutrale Übertragung der stillen Reserven auf eine Personengesellschaft dieser Steuer entzogen werden können. Dieser Zweck wird erreicht, wenn eine zeitnahe Veräußerung der Personengesellschaft oder ab 01.01.1997 eines Anteils hieran der Gewerbesteuer unterworfen wird. Der Gesetzgeber hätte dieses Ziel auch anderweitig, mit weniger einschneidenden Folgen erreichen können. Er hat sich jedoch entschieden, nicht die stillen Reserven in den von der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft übertragenen Wirtschaftsgütern auf den Übertragungszeitpunkt festzuhalten und ggf. festzustellen, da sich hierdurch erhebliche Bewertungsschwierigkeiten ergeben hätten. Eine nachträgliche Aufgliederung des Gewinns bei der Veräußerung der Personengesellschaft wäre noch problematischer geworden, da insbesondere die Wertentwicklung eines Geschäftswertes nach der Übertragung nicht mehr nachvollziehbar gewesen wäre.

c) Die Anwendung des § 18 Abs. 4 UmwStG widerspricht weder der Systematik des Umwandlungssteuergesetzes noch der des Gewerbesteuergesetzes. Die gewerbesteuerlichen Auswirkungen der Umwandlung sind in § 18 UmwStG geregelt. Dabei wurde der Konflikt, dass nach heutiger Rechtsauffassung Gewinne aus Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe zwar bei einer Kapitalgesellschaft, nicht jedoch bei einer Personengesellschaft der Gewerbesteuer unterliegen, dadurch gelöst, dass innerhalb einer Sperrfrist die Veräußerung oder die Aufgabe des Betriebs auch bei der Personengesellschaft gewerbesteuerpflichtig wird (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2001 VIII R 23/01, BStBl. 2004, 474). Diese ausdrückliche Sonderregelung verdrängt die grundsätzlich bestehende Gewerbesteuerfreiheit für entsprechende Veräußerungsgewinne bei Personengesellschaften.

d) Der spezielle Charakter des § 18 Abs. 4 UmwStG als Missbrauchsvorschrift gebietet keine teleologische Reduktion. Dies wäre nur zulässig, wenn der Gesetzeszweck und der Wortlaut der Norm divergieren würden, der Wortlaut der Vorschrift also planwidrig zu weitgehend gefasst worden wäre. Eine teleologische Reduktion kommt hingegen grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn der weite Wortlaut der Vorschrift Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (BFH-Urteil vom 04.12.2001 III R 47/00, BStBl II 2002, 195). Da der Gesetzgeber den Missbrauch der Umwandlungsmöglichkeiten hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Auswirkungen vermeiden wollte, andererseits mit dem UmwStG die Umwandlung zu Buch- oder Zwischenwerten ohne aufwendige und bewertungsrechtlich problematische Zwischenbilanzen ermöglichen wollte, hat er sich für eine volle Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns innerhalb einer Sperrfrist entschieden. Plan und Wortlaut der Norm fallen daher nicht auseinander. Der Steuerpflichtige hat es in der Hand, durch die Wahl des Übertragungszeitpunkts die Gewerbesteuerbelastung zu vermeiden oder die Auswirkungen in die Kaufpreisverhandlungen mit einzubringen.

Die Klägerin hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie in der Sache unterlegen ist.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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