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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 04.08.2006
Aktenzeichen: II 112/2004
Rechtsgebiete: AO, Richtlinie 77/388/EWG, UStG
Vorschriften:
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8a | |
UStG § 4 Nr. 18 | |
AO § 68 Nr. 2 Buchst. b | |
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchts. g |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger mit seinen Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen für angeschlossene Mitgliedsvereine Umsätze erbringt, die dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Nr. 8a UStG unterliegen.
Der Kläger ist ein Verein der als gemeinnütziger Verband der freien Wohlfahrtspflege anerkannt ist (im Folgenden: Verein) in A.. Er gehört dem entsprechenden Dachverband X. in Bayern - an und ist dem entsprechenden Verband Y. in Deutschland angeschlossen (§ 1 der Satzung).
In § 2 der Satzung ist Folgendes geregelt:
"Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung.
.....
Im Rahmen dieses Auftrages koordiniert und fördert er die gemeinnützige Arbeit Arbeit in den .........bezirken, regt die hierfür erforderlichen Einrichtungen und Arbeitsgebiete an und berät sie. Der Verein steht den Mitgliedsv ereinen und .......gemeinden der .......bezirke mit ihren Einrichtungen helfend zur Seite und errichtet gegebenenfalls eigene Einrichtungen.
Der Verein betätigt sich vor allem auf dem Gebiet der offenen Sozialarbeit, der Jugend-, Familien-, Kranken- und Altenhilfe, der Führung von Vereinsvormundschaf-ten-, -pflegschaften und -betreuungen und der Hilfe in besonderen Lebenslagen .....".
Mitglieder des Vereins sind .......gemeinden (22), ..... bezirke (2) und Mitgliedsv ereine (9) in den ......bezirken B . und A . sowie natürliche Personen (33), die die Zwecke des Vereins fördern (§ 4 der Satzung).
Von den satzungsmäßigen Aufgaben liegt der Schwerpunkt in der Altenpflege. Der Verein unterhält dazu zwei Alten- und Pflegeheime in C . und B .. Vom Finanzamt ist er als gemeinnützig i.S.d. AO anerkannt.
Mit seiner Verwaltungsabteilung bzw. Geschäftsstelle erledigt der Kläger für angeschlossene kleinere Mitgliedsvereine bzw. Kindergärten ohne eigene Verwaltung z.B. Kostenabrechnungen für die von den Einrichtungen erbrachten Leistungen, die monatlichen Gehaltsabrechnungen, Behandlung von Personalkostenzuschüssen, Führung von Personalakten, Eingruppierungsfragen, Bescheinigungswesen sowie Aufgaben des Rechnungswesens, wie Buchhaltung und Vorbereitung von Jahresabschlussarbeiten.
Die den angeschlossenen Mitgliedsvereinen und Kindergärten dafür in Rechnung gestellten Beträge bestimmen sich im Wesentlichen nach den anteiligen Personalkosten, die beim Kläger angefallen waren.
Der Verein hat ursprünglich bis 1996 seine Umsätze insgesamt nicht der Umsatzsteuer unterworfen und Umsatzsteuererklärungen nicht eingereicht. Ab dem Jahr 1997 hat er die Umsätze aus der Verwaltungstätigkeit für angeschlossene Einrichtungen als Umsätze eines Zweckbetriebes nach § 68 Nr. 2 Buchst. b AO i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG mit dem ermäßigten Steuersatz erklärt.
Im Zeitraum vom 20.10. bis 12.11.2001 fand beim Kläger für die Jahre 1997 bis 1999 eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer kam zu der Auffassung, dass die Umsätze aus der Verwaltungstätigkeit des Vereins für angeschlossene Vereine als Umsätze eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einzustufen und mit dem Regelsteuersatz zu besteuern sind. Die Begünstigung betreffe nur Handwerks- oder handwerksnahe Betriebe. ................
Bereits im Laufe der Betriebsprüfung gab das Finanzamt seine Absicht bekannt, eine entsprechende Sachbehandlung auch für zurückliegende Veranlagungszeiträume vorzunehmen. Nachdem der Kläger trotz Aufforderung zunächst eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1994 nicht eingereicht hat, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) stehendem Bescheid vom 17.12.2001 die Umsatzsteuer für das Jahr 1994 mit ...... DM fest. Am gleichen Tag -17.12.2001- reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1994 ein, in der er Bruttoumsätze aus der Geschäftsführungs- und Verwaltungstätigkeit für Dritte i.H.v. ...... DM dem ermäßigten Steuersatz unterwarf und die Umsatzsteuer mit ..... DM errechnete. Das Finanzamt folgte dem nicht und besteuerte in dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 16.01.2002 den von dem Kläger angegebenen Umsatz mit dem vollen Steuersatz (Nettoumsatz: ..... DM, USt 15 %: ..... DM = Bruttoumsatz: ......). Die festgesetzte Umsatzsteuer betrug danach ..... DM.
Der Einspruch des Klägers vom 16.01.2001 gegen den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 17.12.2001 bzw. vom 18.01.2002 gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 16.01.2002 blieb ohne Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 11.03.2004).
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Umsatzsteuerbescheid vom 17.12.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2004, geändert mit Bescheid vom 16.01.2002, dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 1994 -wie erklärt- mit ..... € (= ..... DM) festgesetzt wird.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:
Die von ihm erbrachten Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen seien als Leistungen eines Selbstversorgungs- bzw. Zweckbetriebs i.S.d. § 68 Nr. 2 Buchst. b AO einzuordnen und die erzielten Entgelte dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG zu unterwerfen. Die im Streitjahr an die Mitgliedsvereine und Kindergärten erbrachten Leistungen auf der Grundlage abgerechneter Personalkosten würden rund 18 % der Gesamtkosten betragen und damit nicht die 20 %-Grenze in § 68 Nr. 2 Buchst. b AO überschreiten.
Bei den Leistungen handle es sich um solche eines steuerbegünstigten Zweckbetriebes i.S.d. § 68 Nr. 2 Buchst. b AO. Die dort genannten "anderen Einrichtungen", die für die Selbstversorgung von Körperschaften erforderlich seien, wie Tischlereien, Schlossereien, seien nur beispielhaft. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck der Regelung des § 68 Nr. 2 Buchst. b AO sei eine Beschränkung allein auf sog. handwerksnahe Dienstleistungen abzuleiten.
Nach der Rechtsprechung bzw. herrschenden Meinung seien andere Einrichtungen Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, nicht aber Handelsbetriebe. Dienstleistungsbetriebe z.B. seien eine EDV-Abteilung oder eine Wäscherei. Bei einem modernen Selbstversorgungsbetrieb, in dem eine EDV-Abteilung vornehmlich das Netzwerk und die daran angeschlossenen PCs sowie die eingesetzte Software einer steuerbegünstigten Einrichtung warte und pflege und diese Leistungen einen Umfang von weniger als 20 % der Gesamtleistungen eines Jahres betragen würden, handle es sich insoweit um einen nach § 68 Nr. 2 Buchst. b AO steuerbegünstigten Betrieb.
Die im Gesetz beispielhaft genannte und von der Art her traditionelle Aufzählung möglicher Selbstversorgungsbetriebe sei für zeitgemäße Formen möglicher Selbstversorgungsbetriebe fortzuschreiben. Diese in der Literatur vertretene Auffassung (Buchna, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 8 Aufl., 2003, Seite 290) umfasse z.B. auch Dienstleistungen der Kfz-Werkstatt eines Rettungshilfsdienstes, der Reparaturwerkstatt eines Sportvereins oder der Großküche eines Altenheims als "andere Einrichtung" i.S.v. § 68 Nr. 2 Buchst. b AO. Es sei damit nicht den Ausführungen der OFD Nürnberg im Schreiben vom 02.05.2002 zuzustimmen, wonach Einrichtungen der Selbstversorgung nur Handwerksbetriebe und handwerksähnliche Betriebe sein könnten.
Die Abteilung Geschäftsführung und Verwaltung erfülle im Übrigen die Voraussetzung der Anerkennung einer Selbstversorgungseinrichtung, da sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze, sondern ein rechtlich unselbständiger aber funktional abgrenzbarer Geschäftsbereich sei, der die erforderliche Ordnungs- bzw. Infrastruktur erbringe, damit er seine satzungsmäßigen Aufgaben koordiniert und zielgerichtet erfüllen könne. Seine Geschäftsstelle habe im Streitjahr elf Personen umfasst. Er habe für die Verwaltungs- und Geschäftsführungsleistungen an Dritte weder besonders geschultes Personal vorhalten noch neues Personal einstellen müssen, sondern die Leistungen seien von den langjährig für ihn tätigen Verwaltungsmitarbeitern ergänzend neben ihren sonstigen Tätigkeiten mit den vorhandenen PCs und Programmen erbracht worden.
Das Finanzamt D . habe wegen der gleichen Rechtsfrage bei einem vergleichbaren Verein . am 29.06.2005 eine verbindliche Auskunft dahingehend erteilt, dass es sich bei den Dienstleistungen Buchhaltung und Personalbuchhaltung um einen steuerbegünstigten Selbstversorgungsbetrieb i.S.v. § 68 Nr. 2 Buchst. b AO handle und die Umsätze dieses Betriebs an Außenstehende, soweit sie die in § 68 Abs. 2 Buchst. b AO genannte Grenze von 20 % nicht überstiegen, dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG) unterlägen (vgl. Schreiben vom 28.07.2004 mit Anlagen).
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es nimmt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung im Wesentlichen wie folgt Stellung:
Die Geschäftsführungs- und Verwaltungstätigkeit des Klägers sei keine Einrichtung zur Selbstversorgung i.S.d. § 68 Nr. 2 Buchst. b AO. Bei entsprechenden Leistungen an Dritte sei ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorhanden, dessen Umsätze dem Regelsteuersatz unterlägen. Der Begriff der "anderen Einrichtungen" in § 68 Nr. 2 Buchst. b AO werde durch die genannten Beispiele "Tischlereien und Schlossereien" näher bestimmt; als Einrichtungen der Selbstversorgung kämen nur Handwerksbetriebe und handwerksähnliche Betriebe in Betracht. Denn die zu Einnahmen führenden Leistungen eines Selbstversorgungsbetriebes an Dritte seien vom Gesetzgeber, ohne dass § 65 Nr. 3 AO zu prüfen wäre, nur deshalb in Grenzen zugelassen worden, weil der Tatsache Rechnung getragen habe werden sollen, dass der eigene Bedarf nicht genau abgeschätzt werden oder die Produktion die Erwartungen übertreffen könne. Dienstleistungsbetriebe seien damit nur dann andere Einrichtungen i.S.d. Vorschrift, wenn sie dem Handwerk zuzurechnen seien (Krankenhaus-Wäscherei), nicht jedoch wenn sie in anderen Wirtschaftsbereichen, z.B. Handel (Krankenhausapotheke) oder in Bereichen der sonstigen privaten Dienstleistungen erbracht würden (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.1990 V R 35/85, BStBl. II 1991, 157). Es werde damit nicht der Rechtsauffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 03.02.1993 Az. 12 K 51/91, EFG 1993, 619 gefolgt, wonach eine "zentrale Gehaltsabrechnungsstelle" als Selbstversorgungseinrichtung für möglich gehalten werde.
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung die Beträge und das Rechenwerk wegen der Ermittlung des Anteils der Fremdleistungen des Klägers im Schreiben vom 27.07.2006 unstreitig gestellt.
Gründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Die Umsätze aus Verwaltungs- und Geschäftsführungsleistungen an angeschlossene Mitgliedsvereine und Kindergärten sind weder nach § 4 Nr. 18 UStG oder nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. EG-Richtlinie steuerbefreit, noch sind sie mit dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Nr. 8 Buchst. a UStG zu besteuern. Es handelt sich um Leistungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, die dem Regelsteuersatz unterliegen.
A. Der Kläger hat mit seinen Verwaltungs- und Geschäftsführungstätigkeiten gegen Entgelt an die angeschlossenen Mitgliedsvereine bzw. Verbände und Kindergärten sonstige Leistungen im Rahmen seines Unternehmens gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht. Denn die Leistungen einer Personenvereinigung an ihre Mitglieder sind jedenfalls dann auf die Erlangung einer Gegenleistung gerichtet, wenn sie gegen ein Sonderentgelt erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben, da die erbrachten Leistungen von den Empfängern gesondert bezahlt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.1996 V R 34/96, BStBl. II 1997, 366).
B. Die Verwaltungsleistungen waren nicht nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreit. Zwar hat sich der Kläger nicht auf eine Steuerbefreiungsvorschrift berufen, es wäre jedoch der Klage in vollem Umfang stattzugeben, wenn die streitigen Umsätze steuerbefreit wären.
Nach § 4 Nr. 18 UStG sind die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, umsatzsteuerfrei, wenn a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter dem durchschnittlich für derartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben.
Der Kläger gehört zu dem nach § 4 Nr. 18 UStG begünstigten Personenkreis, da er mit den anderen ........bezirken in der Bundesrepublik das "......... in Deutschland e.V." bildet, einem gem. § 23 .....UStDV amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege, der nach seinem Satzungsinhalt unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke verfolgt. Allerdings kamen die Verwaltungs- und Geschäftsführungsleistungen an andere Einrichtungen nicht unmittelbar dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis zugute (vgl. § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG). Denn diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen und seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind (§ 53 Satz 1 Nr. 1 AO, vgl. auch § 66 Abs. 2 AO). Der Kläger hat mit seinen Verwaltungs- und Geschäftsführungsleistungen an kleinere Mitgliedsvereine oder Kindergärten jedoch nicht unmittelbar die genannten notleidenden und gefährdeten Mitmenschen unterstützt, sondern Leistungen erbracht, die den begünstigten Personen allenfalls mittelbar zugute kamen. Damit ist das Merkmal der Unmittelbarkeit in § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG nicht erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn die Leistungsempfänger selbst gemeinnützig sind. Denn § 4 Nr. 18 UStG bezweckt nicht die Förderung mehrstufiger Mitgliedsverbände (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.1996 V R 34/96 a.a.O.).
C. Die Verwaltungsdienstleistungen des Klägers an nachgeordnete Mitgliedsvereine sind auch nicht als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. EG-Richtlinie steuerbefreit.
Die Richtlinie kann als Prüfungsmaßstab für die Steuerbefreiung unmittelbar herangezogen werden. Denn das UStG hat die Richtlinienbestimmung - wie auch die anderen in Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Steuerbefreiungen - bisher lediglich dadurch "umgesetzt", dass es die bereits bei In-Kraft-Treten der Richtlinie 77/388/EWG vorhandenen, teilweise bereits im UStG 1951 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat. Da die Leistungen des Klägers nicht -wie ausgeführt- unter die Steuerbefreiung des UStG 1999 fallen, kann er sich unmittelbar auf die Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie berufen (vgl. im Einzelnen die Ausführungen im BFH-Urteil vom 18.08.2005 Az. V R 71/03, BStBl. II 2006, 143).
Allerdings liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht vor, da es sich bei den Verwaltungsdienstleistungen an die nachgeordneten Vereine nicht um eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g EG-Richtlinie handelt. Vielmehr fallen die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen - wie z.B. Lohn- und steuerliche Buchhaltung - auch bei anderen Wirtschaftsunternehmen an und sind Teil der Unternehmensverwaltung. Eine enge Verbundenheit gerade mit der Wohlfahrtstätigkeit des Klägers ergibt sich damit nicht.
D. Entgegen der Auffassung des Klägers können die Umsätze aus Verwaltungs- und Geschäftsführungstätigkeit an nachgeordnete Vereine und Institutionen nicht gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG mit dem halben Steuersatz besteuert werden. Der Kläger hat die Verwaltungs- und Geschäftsführungsleistungen nicht im Rahmen eines Zweckbetriebes, sondern in dem eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erbracht.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf den halben Steuersatz (für das Streitjahr 7 %) für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden.
Die Vorschrift wird durch die allgemeine Regelung des Gemeinnützigkeitsrechts ergänzt. Dazu bestimmt § 64 AO: Schließt das Gesetz die Steuervergünstigung insoweit aus, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten wird, so verliert die Körperschaft die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Umsätze, Vermögen), soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 - 68 AO) ist.
Der Kläger hat im Rahmen der Erledigung der Verwaltungsaufgaben selbständig und nachhaltig Aufgaben übernommen und dafür ein Entgelt erhalten, so dass er insoweit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten hat.
Denn ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt nach § 14 AO bereits vor, wenn eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit ausgeübt wird, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensnutzung hinausgehen; dagegen ist die Absicht, Gewinn zu erzielen, nicht erforderlich.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ist kein Zweckbetrieb im Sinne des § 66 AO.
Nach § 66 Abs. 1 und 3 AO ist eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege ein Zweckbetrieb, wenn seine Leistungen mindestens zu zwei Dritteln den in § 53 AO genannten Personen (behinderte und sozial schwach gestellte Menschen) zugute kommen. Bei der Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist nicht generell auf die Tätigkeit der Körperschaft, sondern auf die einzelne Leistung abzustellen (Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 66 Rz. 17; Tipke in Tipke/Kruse, AO, 16. Aufl., § 66 Tz. 3). Die Erledigung der Verwaltungsaufgaben kam in erster Linie den Mitgliedsorganisationen des Klägers zugute und somit nicht in erster Linie den in § 53 AO genannten Personen, so dass die vom Kläger dafür unterhaltene Einrichtung Verwaltungs- und Geschäftsstelle keinen Zweckbetrieb nach § 66 AO darstellt.
Die Verwaltungs- und Geschäftsstelle ist auch keine als Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 2 Buchst. b AO begünstigte Einrichtung.
A. Zweckbetriebe nach § 68 Nr. 2 Buchst. b AO sind andere Einrichtungen, die für die Selbstversorgung von Körperschaften erforderlich sind, wie Tischlereien oder Schlossereien, wenn die Lieferungen oder sonstigen Leistungen dieser Einrichtung an Außenstehende dem Wert nach 20 v.H. der gesamten Lieferungen oder sonstigen Leistungen des Betriebs einschließlich der an die Körperschaft selbst bewirkten nicht übersteigen.
Es geht dabei nur um die Umsätze nach Außen, denn die steuerbegünstigten Körperschaften beteiligen sich mit ihren Innenumsätzen nicht am wirtschaftlichen Verkehr. Außenstehende sind andere Personen als die Körperschaft selbst, die Angehörigen der Körperschaft oder die begünstigten Benutzer. Die Vorschrift gilt auch für Wohlfahrtsbetriebe i.S.v. § 66 AO (vgl. Fischer in Hübschman/Hepp/Spitaler, AO, Kommentar, § 68 Rz. 15). In den Fällen des § 68 AO muss nicht mehr geprüft werden, ob die allgemeinen Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb nach § 65 AO vorliegen. Es sollen jedoch die einzelnen in § 68 AO aufgeführten Betriebe in ihrer Gesamtrichtung dazu dienen, den begünstigten Zweck zu verwirklichen. Liegt § 68 AO nicht vor, ist gleichwohl § 65 AO zu prüfen (Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 68 AO Tz. 1.).
Zwar ist der Begriff der "anderen Einrichtung" im Gesetz nicht abschließend definiert. Nach der Rechtsprechung des BFH werden aber nur solche Einrichtungen erfasst, die den in § 68 Nr. 2 Buchst. b AO beispielhaft genannten Betrieben (Handwerksbetriebe) vergleichbar sind. Nicht unter die Vorschrift fallen daher Handelsbetriebe (BFH-Urteil vom 18.10.1990 V R 76/89, BStBl. II 1991, 268).
Auch nach Literaturmeinung handelt es sich im Wesentlichen um handwerklich produzierende Betriebe oder Dienstleistungsbetriebe, wie z.B. Nähstube, Druckerei, Krankenhauswäscherei, Bäckerei (Scholtz in Koch/Scholtz, AO, Kommentar, § 68 Tz. 4; Koenig in Pahlke/Koenig AO, Kommentar § 68 Rz. 6).
Entscheidend ist, dass der Betrieb zum einen der Versorgung der Körperschaft selbst dient und zum anderen Lieferungen und sonstige Leistungen an Außenstehende nur in geringfügigem Umfang, (d.h. nicht mehr als 20 %) erbringt und die Einrichtung eine ungeplante Überproduktion hat, z.B. wenn sich der eigene Bedarf nicht genau hat abschätzen lassen oder die Erzeugung die Erwartungen übertroffen hat oder der Betrieb nur gelegentlich Leistungen an Dritte erbringt (vgl. Buchna, "Gemeinnützigkeit im Steuerrecht", 8. Aufl., S. 290).
Bei der Bestimmung des Anwendungsbereiches von § 68 Nr. 2 Buchst. b AO ist des weiteren zu beachten, dass steuerbegünstigende Vorschriften aus Wettbewerbsgründen eng auszulegen sind, d.h. grundsätzlich einer erweiternden Auslegung nicht fähig sind. § 68 AO ist eine drittschützende Norm. Behandelt die Finanzbehörde eine Körperschaft unter Verstoß gegen § 68 AO als Zweckbetrieb, so werden betroffene Wettbewerber dadurch in ihren Rechten verletzt (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., Tz. 1).
B. Unter Berücksichtigung vorstehender Rechtsgrundsätze erfüllt der Kläger mit seiner Geschäftsstelle und der Wahrnehmung von Verwaltungs- und Geschäftsleitungsaufgaben nach Auffassung des Senats die Anforderungen des § 68 Nr. 2 Buchst. b AO nicht.
Es handelt sich bei den Dienstleistungen, die der Kläger in seinen Räumen, mit seinem Personal und mit seinen sächlichen Mitteln (PC und Software) für andere Mitgliedsvereine oder Kindergärten gegen Entgelt erbringt, nicht um Leistungen, die unmittelbar der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke dienen, d.h. sie kommen nicht unmittelbar dem bei Wohlfahrtseinrichtungen begünstigten Personenkreis zugute. Vielmehr stellen Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Patientenabrechnungen und Buchhaltung Verwaltungstätigkeiten dar, wie sie auch bei anderen Wirtschaftsunternehmen anfallen.
Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass es dem Sinn und Zweck des § 68 Nr. 2 Buchst. b AO widerspricht, wenn nicht nur gelegentlich oder wegen zeitweiliger Überkapazitäten Fremdleistungen erbracht werden, sondern wie im Streitfall über Jahre hinweg seit mindestens 1994 bis in die Gegenwart geplant und gezielt Leistungen an die angeschlossenen Vereine gegen Entgelt getätigt werden.
Auch unter Beachtung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität ist eine Erweiterung der bisher vom BFH vorgegebenen Auslegung der "ähnlichen Einrichtung" i.S. d. § 68 Nr. 2 Buchst. b AO als handwerksähnlichen produzierenden oder dienstleistenden Betrieb, dem -soweit ersichtlich- die Literaturmeinung folgt, nicht veranlasst.
Denn die Tätigkeit der Klägerin hat reinen Verwaltungscharakter und wird - wenigstens teilweise - auch von Buchhaltungsbüros und Steuerkanzleien erbracht. Nicht maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Geschäftsführungs- und Verwaltungsaufgaben im Übrigen für das Erbringen der begünstigten Leistungen erforderlich sind.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 65 AO.
A. Da die Einrichtung nicht unter die Sondervorschriften des § 68 AO fällt, wäre sie nur dann ein Zweckbetrieb, wenn sie den drei Voraussetzungen des § 65 AO entsprechen würde, also
der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,
die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und
der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
Zumindest die zweite Voraussetzung ist nicht erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einer gemeinnützigen Körperschaft nur dann unschädlich, wenn er sich von der Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks nicht trennen lässt, er vielmehr als das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks anzusehen ist (BFH-Urteil vom 15.10. 1997 II R 94/94, BFH/NV 1998, 150). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger mit der Einrichtung, die die Verwaltungsaufgaben gegenüber den anderen Mitgliedsvereinen übernommen hat, nicht. Denn der Kläger könnte seine satzungsmäßigen Aufgaben, seine Mitgliedsorganisationen zu unterstützen, auch ohne die Übernahme der vorgenannten Verwaltungsaufgaben verwirklichen. Mag die Übernahme der Aufgaben auch für die Mitgliedsorganisationen des Klägers nützlich gewesen sein, zwingend i.S. der vorgenannten Rechtsprechung war sie auf jeden Fall nicht.
B. Da der Kläger mit der Übernahme der Verwaltungsaufgaben einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten hat, der keinen Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO darstellt, scheidet der ermäßigte Steuersatz für die vereinnahmten Entgelte gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG aus. Da insoweit ein steuerbarer und steuerpflichtiger Leistungsaustausch vorliegt, hat das Finanzamt insoweit die vom Kläger vereinnahmten Entgelte zu Recht dem Regelsteuersatz unterworfen.
Gem. § 115 Abs. 1 FGO war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der Senat misst dem Streitfall über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bei.
Die Kostenfolge beruht auf § 135 Abs. 1 AO.
Ende der Entscheidung
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