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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 07.08.2007
Aktenzeichen: II 150/06
Rechtsgebiete: UStG, EStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 9a Nr. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

II 150/06

Umsatzsteuer 2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 07.08.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 01.04.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.06.2006 wird dahin geändert, dass die Umsatzsteuer in Höhe von 20.522 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 9/16 und das Finanzamt zu 7/16 zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist der Umfang der privaten Kfz-Nutzung.

Die Klägerin ist als Unternehmensberaterin freiberuflich tätig. Am 21.02.2005 reichte sie die Umsatzsteuererklärung 2003 ein und errechnete eine Umsatzsteuer von ............ EUR. Hierbei berücksichtigte sie in vollem Umfang die Vorsteuern aus den Betriebskosten ihrer unternehmerisch genutzten Leasingfahrzeuge der Marke Audi A6 mit den amtlichen Kennzeichen ...... 880 (bis 09.05.2003) bzw. ....... 669 (10.05.2003 bis 27.12.2004). Eine unentgeltliche Wertabgabe für die private Kfz-Nutzung erklärte sie nicht.

Mit Bescheid vom 01.04.2005 setzte das Finanzamt unter Ansatz einer unentgeltlichen Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer auf ......... EUR fest. Die Bemessungsgrundlage für die private Kfz-Nutzung in Höhe von ........ EUR (80% von ......... EUR) jährlich ermittelte es nach der sog. 1%-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ausgehend von einem Listenpreis der Kfz von ......... EUR.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 02.04.2005 Einspruch ein und trug unter Hinweis auf das von ihr geführte elektronische Fahrtenbuch vor, dass sie die Fahrzeuge ausschließlich betrieblich genutzt habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2006 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit Schreiben vom 16.04.2006 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung beantragt sie nunmehr,

den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 01.04.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.06.2006 dahin zu ändern, dass keine private Kfz-Nutzung angesetzt wird.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Die betrieblichen Fahrzeuge seien nicht privat genutzt worden. Dies werde durch das ordnungsgemäß geführte elektronische Fahrtenbuch dokumentiert. Sie habe die Software "mmm-fb-Fahrtenbuch" im Professional-Modus eingesetzt. Dieses Programm erfülle die Anforderungen an elektronische Fahrtenbücher, die im Schreiben des BMF vom 21.01.2002 genannt seien. Die Aufzeichnungen seien zeitnah erstellt worden. Nachträgliche Veränderungen könnten im Fahrtenbuch nicht ohne Dokumentation vorgenommen werden, d.h. bei etwaigen Korrekturen wegen Tippfehlern etc. seien die ungültigen Eingaben durchgestrichen und somit weiterhin erkennbar.

Ihre berufliche Tätigkeit bestehe in Projektarbeiten, die über einen längeren Zeitraum bei den Kunden bzw. Geschäftspartnern stattfänden. Im Allgemeinen verlasse sie ihren Wohnsitz bereits am Sonntagnachmittag und kehre erst am Samstag zwischen 0 Uhr und 2 Uhr früh nach A. zurück. Datum und Kilometerstand würden nicht nur für diese wöchentliche berufliche Auswärtstätigkeit aufgezeichnet, sondern detailliert pro Tag und Fahrtroute. Hierbei werde immer das Reiseziel und das Kundenprojekt angegeben. Damit sei auch der Geschäftspartner nachvollziehbar angegeben. Eine individuelle Tätigkeitsbeschreibung als Begründung für eine einzelne Fahrt werde nicht vorgenommen. Allerdings könne anhand der den Geschäftspartnern in Rechnung gestellten Projekttage und der damit einhergehenden Leistungsnachweise sehr einfach nachvollzogen werden, was der Anlass der einzelnen Fahrten im Detail gewesen bzw. welche Leistung erbracht worden sei. Ihrer Auffassung nach seien die vom Finanzamt gestellten Anforderungen an ein Fahrtenbuch nicht angemessen und mit dem Sinn und Zweck eines Fahrtenbuchs nicht vereinbar.

Sie sei nicht bereit, jeden Tag einen ausführlichen Roman zu schreiben bzgl. Reiseziel, Reisezweck etc. und betrachte es als vorsätzliche Schikane des Finanzamts, einzelne Eintragungen isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zu betrachten. Auch sei sie nicht bereit, eine Art "Projektstatus und Tätigkeitsbeschreibung" individuell für das Finanzamt zu erstellen. Als ergänzende Anlagen zum Fahrtenbuch verweise sie auf die Ausdrucke "Tätigkeitsbericht" und "Reisekostenabrechnung", die einen Teil der monatlichen Abrechnungsaktivitäten darstellten.

Das Fahrtenbuch werde in der Weise geführt, dass persönliche Aufzeichnungen in Verbindung mit Arbeitzeiten beim Kunden (Fahrtzweck/Projekt), Abwesenheitszeiten von der Wohnung, Tankbelege, gefahrene Kilometer, Hotelrechnungen etc. berücksichtigt würden. Auf der Basis dieser persönlichen Aufzeichnungen würden die Rechnungen an die Kunden (Projekte) sowie die Reisekostenabrechnungen erstellt und auch das Fahrtenbuch geführt. Bei den Begriffen PJO (Projektorganisation) und PZO (Prozessorganisation) handele es sich um Organisationseinheiten innerhalb des Projekts "SASPF Bw B. ". Es seien zwei räumlich getrennte Projektstandorte, die zu ein und demselben Projekt gehörten. Die Projekte, bei denen sie tätig sei, dauerten im Allgemeinen ca. 1/2 bis 1 1/2 Jahre. Häufig fänden zwei bis drei Projekte parallel statt. Ein langfristiges Projekt finde im Raum B. statt. Im Rahmen dieses Projektes sei sie zeitweise fünf Tage pro Woche beschäftigt. Die unterschiedlich aufgezeichneten Entfernungen A. - B. von 527 km bzw. 550 km resultierten aus witterungs- bzw. verkehrsbedingten Gegebenheiten wie z.B. Staus, Sperrungen oder Urlaubsverkehr. Bei den täglichen Fahrten in B. handele es sich um Fahrten zwischen den einzelnen Projektstandorten.

Im Streitjahr habe sie einen Pkw mit der höchstmöglichen Kilometerleistung von 57.500 km im Jahr geleast. Die tatsächlich gefahrene Kilometerleistung sei jedoch aufgrund der relativ weit entfernten Projektorte wesentlich höher gewesen, so dass sie ohnehin auch andere Fahrzeuge, z.B. private Kfz von Verwandten habe benutzen müssen, um die zulässige Kilometerleistung dieses Leasingfahrzeugs annähernd einzuhalten. Für private Fahrten sei der betriebliche Pkw nicht genutzt worden. Ihre berufliche Tätigkeit einschließlich der damit verbundenen Fahrtzeiten ließen es überhaupt nicht zu, den PKW am Wochenende zu privaten Zwecken zu nutzen. Am Wochenende müsse sie u.a. den regelmäßigen Schriftverkehr mit dem Finanzamt und einige persönliche Angelegenheiten erledigen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor:

Das Fahrtenbuch sei nicht ordnungsgemäß erstellt und daher nicht geeignet, einen Nachweis über den Umfang der unternehmerischen und privaten Nutzung zu erbringen. Die Eintragungen Anreise

B. - Rückfahrt

B. - Rückreise

A. seien ohne Aussagewert. Das Fahrtenbuch weise keine einzige private Fahrt aus, was nicht den allgemeinen Lebenserfahrungen entspreche. Die vorgenommenen Eintragungen bewiesen keinesfalls, dass die Klägerin nicht Privatfahrten während der täglichen Dienstgeschäfte mit dem betrieblichen PKW unternommen habe. Ihre Einlassung, sie habe für weitere Fahrten andere Verkehrsmittel und geliehene PKW genutzt, könne zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung führen.

Zwar stelle der Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (sog. 1%-Regelung) nach der Rechtsprechung des BFH für das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich keinen geeigneten Maßstab dar, um Fahrzeugkosten auf Privatfahrten und unternehmerische Fahrten aufzuteilen. Aus Vereinfachungsgründen könne der ertragsteuerliche Wert der 1%-Regelung aber als geschätzte Bemessungsgrundlage mit einem pauschalen Abschlag wegen der nicht mit Vorsteuern belasteten Posten von 20% übernommen werden. Ausreichende Erkenntnisse für eine sachgerechte Schätzung lägen nicht vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zum Teil begründet. Zwar hat die Klägerin die ausschließliche betriebliche Nutzung ihres PKW nicht nachweisen können, weil das vorgelegte Fahrtenbuch nicht als ordnungsgemäß anerkannt werden kann. Das Finanzamt hat jedoch die Bemessungsgrundlage für die private Kfz-Nutzung zu Unrecht anhand der sog. 1%-Regelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geschätzt.

1. Gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG ist die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt. Bemessungsgrundlage sind die entstandenen Kosten (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG).

Im Falle der Kfz-Nutzung kann der Unternehmer die ausschließlich betriebliche Nutzung des Fahrzeugs durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch nachweisen. Dabei muss nach der Rechtsprechung des BFH ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch grundsätzlich zu den beruflichen Reisen Angaben zum Datum, zum Reiseziel, zum aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. zum Gegenstand der dienstlichen Verrichtung und zu dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs enthalten. Die erforderlichen Angaben müssen sich dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen. Ein Verweis auf ergänzende Unterlagen ist nur zulässig, wenn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird. Der Übergang von der beruflichen Nutzug zur privaten Nutzung des Fahrzeugs ist im Fahrtenbuch durch Angabe der bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Gesamtkilometerzahl zu dokumentieren (BFH-Urteil vom 16.03.2006 VI R 87/04, BStBl. II 2006, 625). Bei einem elektronisch geführten Fahrtenbuch muss ebenfalls Ziel ordnungsgemäßer Aufzeichnungen sein, die unzutreffende Zuordnung einzelner Privatfahrten zum beruflichen Nutzungsanteil wie auch deren gänzliche Nichtberücksichtigung im Fahrtenbuch möglichst auszuschließen. Dieser Anforderung wird nur die fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis gerecht, das aufgrund seiner äußeren Gestaltung geeignet ist, jedenfalls im Regelfall nachträgliche Abänderungen, Streichungen und Ergänzungen als solche kenntlich werden zu lassen (BFH-Urteil vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBl. II 2006, 410).

2. Das von der Klägerin vorgelegte Fahrtenbuch entspricht nicht den oben genannten Anforderungen. Es ist daher nicht geeignet, die behauptete fehlende Privatnutzung zu belegen. So enthält es keine detaillierten Angaben über den Reisezweck oder die besuchten Geschäftspartner. Der Verweis auf ergänzende Unterlagen genügt nicht, denn das Fahrtenbuch muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich und nachprüfbar sein. Außerdem sind die Kilometerangaben ungenau, denn es sind stets glatte Zahlen angegeben, was wohl nicht in jedem Fall zutreffend sein kann. Eine stichprobenweise Überprüfung der sehr allgemein gehaltenen Angaben ist kaum möglich. Im Übrigen bestehen auch Zweifel hinsichtlich der zeitnahen Erstellung des Fahrtenbuchs. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie auf der Basis persönlicher Aufzeichnungen sowohl Rechnungen an die Kunden sowie die Reisekostenabrechnungen fertige als auch das Fahrtenbuch führe. Es ist aber nicht nachgewiesen, wann sie diese persönlichen Aufzeichnungen in das Fahrtenbuch übertragen hat. Diese Handhabung entspricht nicht dem Erfordernis einer fortlaufenden und zeitnahen Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis, denn es ist eine Aufbereitung der Daten vor Eintragung in das Fahrtenbuch nicht ausgeschlossen.

3. Die Klägerin hat die ausschließlich betriebliche Nutzung des PKW auch nicht glaubhaft gemacht. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein berufliches Fahrzeug nicht nur beruflich genutzt wird (BFH-Beschluss vom 14.05.1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Dieser Anscheinsbeweis kann zwar durch einen Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. An den Nachweis der fehlenden Privatnutzung sind aber strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Beschluss vom 13.04.2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300). Angesichts des Umstandes, dass nur ein PKW vorhanden ist, ist der Vortrag der Klägerin nicht glaubhaft, sie unternehme mit diesem PKW keinerlei private Fahrten, zum Beispiel zum Einkaufen, zum Friseur oder zum Arzt und mache ihre Erledigungen zu Fuß oder mit dem Auto ihrer Tochter.

4. Grundsätzlich hat das Finanzamt daher zu Recht eine unentgeltliche Wertabgabe für die private Kfz-Nutzung gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG angesetzt. Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des BFH der Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (sog. 1%-Regelung) für das Umsatzsteuerrecht keinen geeigneten Maßstab dar, um Fahrzeugkosten auf Privatfahrten und unternehmerische Fahrten aufzuteilen. Aus Vereinfachungsgründen kann der ertragsteuerliche Wert der 1%-Regelung zwar als Bemessungsgrundlage im Schätzungswege unter Berücksichtigung eines pauschalen Abschlags wegen der nicht mit Vorsteuern belasteten Posten von 20% übernommen werden. Dies gilt aber nur, wenn der Unternehmer dieser Behandlung zustimmt. Anderenfalls ist eine sachgerechte Schätzung vorzunehmen.

Nachdem die Klägerin der Anwendung der sog. 1%-Regelung nicht zugestimmt hat, war das Gericht gehalten, den Umfang der privaten Nutzung sachgerecht zu schätzen (§ 162 AO). Angesichts der glaubhaft vorgetragenen überwiegenden betrieblichen Nutzung setzt das Gericht einen privaten Nutzungsanteil von 15% an. Ausgehend von vorsteuerbelasteten Betriebskosten laut G- und V-Rechnung in Höhe von 17.132 EUR beträgt die Bemessungsgrundlage 2.569 EUR (17.132 EUR x 15% = 2.569 EUR). Es ergibt sich damit eine Umsatzsteuer für die unentgeltliche Wertabgabe von 411 EUR (2.569 EUR x 16% = 411 EUR).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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