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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 26.10.2004
Aktenzeichen: II 221/03
Rechtsgebiete: UStG, EStG, GG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 14 S. 1
UStG § 22 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
GG Art 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

II 221/03

Umsatzsteuer 1997 bis 1999

In dem Rechtsstreit

hat der II. Senat des Finanzgerichts Nürnberg unter Mitwirkung

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 26. Oktober 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 1999 vom 25.07.2002 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2003 werden geändert und die Umsatzsteuer für 1997 in Höhe von 1.941 DM, für 1998 in Höhe von 1.911 DM und für 1999 in Höhe von 2.133 DM festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 7/13 und das Finanzamt zu 6/13 zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Leistungen der Klägerin aus medizinischer Fußpflege von der Umsatzsteuer befreit sind und gegebenenfalls in welchem Umfang steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze vorliegen.

Die Klägerin meldete zum 19.11.1991 den Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit als medizinische Fußpflegerin an. Für diesen Beruf hatte sie sich 1977 in der Kneipp-Gesundheitsschule A. in einem vierwöchigen Lehrgang ausgebildet und die Schulung als ärztlich geprüfte medizinische Fußpflegerin abgeschlossen. Bei Fortbildungen im September 1992 erwarb sie ein Diplom für Nagelkorrektur und Nagelprothetik. Zum 01.11.1993 erhielt sie von der AOK ....... die Zulassung zur Behandlung von Kassenmitgliedern aufgrund ärztlicher Verordnungen über Fußpflegeleistungen. Die Kassenzulassung wurde mit Schreiben vom 29.11.1994 gekündigt, weil mit Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 25.05.1994 die Leistungen der medizinischen Fußpflege als Heilmittel aus dem Leistungsrahmen der Krankenkassen gestrichen worden waren. Ab Oktober 2000 erhielt sie wieder von der AOK ...... die Zusage der Kostenübernahme für ärztlich verordnete Fußpflegeleistungen. Die Kostenerstattung wurde ihr von der AOK ....... erneut mit Schreiben vom 14.10.2002 für bereits bei ihr in Behandlung befindliche Patienten bestätigt, obwohl sie die Voraussetzungen zur Berufsbezeichnung als Podologe nach dem Podologengesetz vom 04.12.2001 (PodG) nicht erfüllte, mit der Begründung, dass zu diesem Zeitpunkt im Einzugsgebiet der AOK ......... kein Fußpfleger die Voraussetzungen für eine Zulassung nachweisen könnte.

In der erstmals für das Jahr 1992 abgegebenen Umsatzsteuererklärung führte die Klägerin nur steuerpflichtige Umsätze auf. Sie stellte am 22.12.1993 bei dem beklagten Finanzamt einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage unter Bezugnahme auf § 4 Nr. 14 UStG i.V.m. Abschnitt 90 Abs. 7 UStR 1992, ob und inwieweit die Umsätze aus der Tätigkeit als medizinische Fußpflegerin der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, den sie allerdings nur mit allgemeinen Ausführungen begründete und schließlich nicht weiter verfolgte. Vielmehr gab sie in den Umsatzsteuererklärungen der Folgejahre und in den Streitjahren nur umsatzsteuerpflichtige Leistungen an und erklärte insoweit Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit.

Die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre, die aufgrund der Zustimmung des Finanzamts unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (§§ 164 Abs. 1, 168 AO), wiesen folgende Besteuerungsgrundlagen aus: ......

Mit Posteingang vom 06.06.2002 bei dem Finanzamt reichte die Klägerin berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein, in denen sie die Leistungen aus medizinischer Fußpflege steuerfrei beließ und Umsatzsteuererstattungen für 1997 ..., für 1998 .... und für 1999 .... berechnete.

Das Finanzamt stimmte den berichtigten Umsatzsteuererklärungen zunächst ... zu .... Mit Bescheiden vom 25.07.2002 änderte das Finanzamt erneut die Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO und legte wieder die ursprünglich erklärten Angaben zugrunde. .... Die hiergegen erhobenen Einsprüche wies es mit Entscheidung vom 23.05.2003 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt zuletzt,

die Umsatzsteuerbescheide 1997-1999 vom 25.07.2002 - jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2003 - dahin zu ändern, dass bei der Festsetzung der Umsatzsteuer berücksichtigt wird der 2/3-Anteil der medizinisch veranlassten Fußpflegemaßnahmen, .... ein dementsprechender Vorsteueranteil und die Beträge, die auf Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis entfallen entsprechend der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Auflistung.

Zur Begründung der nunmehr beantragten Steuerfestsetzungen legte sie Kopien von Buchhaltungskonten, Kassenblättern, Erlösaufstellungen und Aufzeichnungen über die Aufteilung der Einnahmen vor. Danach würden sich folgende Besteuerungsgrundlagen ergeben: ....

Zur Begründung trägt sie vor, ihre Umsätze aus medizinischer Fußpflege seien unter Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere des Urteils vom 10.09.2002 (Rs. C-141/00), steuerfrei gemäß Art 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinien 77/388/EWG (6. EG-RL) zu belassen. Sie könne sich unmittelbar auf diese Regelung berufen. Ihre Tätigkeit im Rahmen der medizinischen Fußpflege diene der Behandlung und Heilung von Krankheiten im Sinne der Definition des EuGH.

Unstreitig habe sie eine Ausbildung zur medizinischen Fußpflegerin mit Erfolg abgeschlossen und besitze somit den Befähigungsnachweis zur Erbringung arztähnlicher Leistungen. Auch sei sie in den Jahren 1993, 1994 und von Oktober 2000 bis zum 31.12.2002 bei der AOK ........... zur Abrechnung ihrer Leistungen aus medizinischer Fußpflege gemäß § 124 Abs. 2 SGB V zugelassen gewesen. Zwar hätten die Krankenkassen 1994 beschlossen, die Leistungen der medizinischen Fußpfleger aus ihrem Leistungskatalog herauszunehmen, so dass unstreitig in den streitbefangenen Jahren eine Kassenzulassung nicht bestanden habe. Es sei die Krankenkassenzulassung jedoch nur ein Indiz und keine Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung und es könne allein die fiskalische Entscheidung der Krankenkassen, die Kosten einer Behandlung zu übernehmen, nicht maßgeblich für die Qualifizierung der Umsatzsteuerpflicht sein. Ihre Tätigkeit gehe auf ärztliche Anordnungen zurück und erfolge nicht aus kosmetischen Gründen. Auch das neue Podologengesetz treffe die Grundaussage, dass die Leistungen der Podologen der Heilbehandlung dienten; dies habe auch Wirkung für die Qualifizierung ihrer Leistungen in der Vergangenheit.

Ebenfalls sei nach der nationalen Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG von steuerbefreiten Umsätzen für medizinische Fußpflege auszugehen. Nach den Grundsätzen des Urteils des BFH vom 28.08.2003 (Az. IV R 69/00, BFH/NV 2004, 282) sei ihre Tätigkeit als eine einem Heilhilfsberuf ähnliche und damit freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen. Der Rechtsprechung des BSG folgend habe der BFH entschieden, dass es sich bei der in § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geforderten Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung nicht notwendigerweise um eine staatliche Erlaubnis handeln müsse. Die Kassenzulassung sehe der BFH als ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlichen Tätigkeit an. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Zulassung einer Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V ein Indiz für eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit.

Durch das Podologengesetz habe letztlich auch der Gesetzgeber die Leistungen der medizinischen Fußpflege als Heilmittel anerkannt. Abweichende Regelungen des nationalen Rechts in der Vergangenheit und frühere unterschiedliche berufsrechtliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern seien daher unbeachtlich.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist zur Begründung auf die Rechtsprechung des BFH in dem Urteil vom 19.12.2002 (V R 28/00, BStBl. II 2003, 532) und auf die vorausgehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1999 (2 BvR 1820/92, BStBl. II 2000, 158). Danach sei nicht zu beanstanden, dass die Zulassung eines Unternehmers bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit sein könne. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 10.09.2002 Rs .C-141/00) seien die Steuerbefreiungsvorschriften der EG-Richtlinie eng auszulegen. Im Streitfall habe eine Anfrage bei der für die Zulassung zur Krankenkasse zuständigen Stelle ergeben, dass es eine Zulassung von medizinischen Fußpflegern im streitigen Zeitraum nicht gegeben habe. Damit komme eine Steuerbefreiung nicht in Betracht.

Auch die Entscheidung der Krankenkassen vom September 2000, für Fußpflegemaßnahmen bei Diabetikern eine Kostenerstattung zu leisten, bedeute nicht, dass für sämtliche fußpflegerische Leistungen eine Kostenerstattung bestünde und den Fußpflegern eine Zulassung erteilt würde. Dies habe erst durch das Podologengesetz erfolgen können. Es verweise auf das BMF-Schreiben vom 10.06.2002 (BStBl. I 2002, 634).

Grundsätzlich würden Fußpfleger und Fußpraktiker keinen dem Berufe des Heilpraktikers oder Krankengymnasten ähnlichen Beruf ausüben und ebenso keine ähnliche heilberufliche Tätigkeit erbringen, weil sie vorwiegend auf kosmetischem Gebiet tätig seien und Handel mit Waren betreiben würden. Lediglich ein medizinischer Fußpfleger erbringe eine einem Physiotherapeuten ähnliche Leistung, die von der Umsatzsteuer befreit sei.

Auch nach Auffassung der Oberfinanzdirektion .... lägen für die Streitjahre bei Fußpflegern keine umsatzsteuerfreien Leistungen vor. Erst durch die bundeseinheitliche Regelung des Podologengesetzes (BGBl. I 2001, 3320) sei ab dem Jahre 2002 eine bundeseinheitliche berufsrechtliche Regelung geschaffen worden. Da die Leistungen der Klägerin in den Streitjahren nicht von den Krankenkassen übernommen worden seien, lägen keine umsatzsteuerbefreiten Leistungen vor.

Schließlich sei die Klägerin den generellen Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG nicht nachgekommen, weil sie die von ihrem Standpunkt aus steuerfreien Umsätze nicht gesondert aufgezeichnet habe. Ergänzend werde auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2003 verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung am 26.10.2004 wurde von den Beteiligten unstreitig gestellt, dass auf ärztlich veranlasste medizinische Leistungen 2/3 der erklärten Umsätze entfallen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur insoweit begründet, als ärztlich veranlasste medizinische Fußpflegeleistungen erbracht wurden.

1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1993 sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker steuerfrei. Der Zusatz "im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG" bezieht sich nicht nur auf die ähnlichen heilberuflichen Tätigkeiten, sondern beschränkt auch die Steuerfreiheit der Umsätze der genannten Berufe auf ihre freiberufliche Tätigkeit (BFH-Urteil vom 30.09.1999 V R 56/97, BFH/NV 2000, 284). Merkmal für die Abgrenzung der freiberuflichen Tätigkeit gegenüber der gewerblichen Tätigkeit ist die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 10.06.1997 V B 62/96, BFH/NV 1998, 224).

Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (6. EG-RL). Danach befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer: die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH stellen die Steuerbefreiungen autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar, die im Gesamtzusammenhang des Mehrwertsteuersystems zu sehen sind. Dabei sind die Steuerbefreiungen des Art. 13 der 6. EG-RL eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt. Der Begriff der "Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin" ist so auszulegen, dass er nur medizinische Eingriffe umfasst, die zum Zwecke der Diagnose, der Behandlung und - soweit möglich - der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführt werden. Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, sind daher vom Anwendungsbereich des Art 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der 6. EG-RL ausgeschlossen und unterliegen der Umsatzsteuer (EuGH-Urteil vom 10.09.2002 Rs. C-41/00, UR 2002, 513).

Art 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der 6. EG-RL stellt also die Steuerbefreiung unter zwei Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen einer ärztlichen oder arztähnlichen Leistung und das Erbringen dieser Leistung von Personen, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen. Diese Steuerbefreiung verfolgt den Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken. Zudem ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität des Mehrwertsteuersystems zu beachten, der es verbietet, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2002 V R 28/00, BStBl. II 2003, 532; EuGH-Urteil vom 10.09.2002 Rs. C-141/00, a.a.O.).

Der Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 14 UStG beinhaltet schließlich keinen berufsrechtlichen Lenkungszweck, der die Steuerbefreiung für Heil- und Heilhilfsberufe von ihrer beruflichen Qualifikation abhängig machen würde. Vielmehr ist erkennbarer Normzweck des § 4 Nr. 14 UStG allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von Umsatzsteuer (BVerfG-Beschluss vom 29.10.1999, Az. 2 BvR 1264/90, BStBl. II 2000, 155, BVerfG-Urteil vom 10.11.1999, Az. 2 BvR 1820/92, BStBl. II 2000, 158). Dabei kommt es jedoch nicht auf eine konkrete Kostenübernahme als Abgrenzungsmerkmal an, sondern darauf, ob die Leistungen ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern getragen werden (BFH-Urteile vom 13.04.2000 V R 78/99, BFH/NV 2000, 1431 und vom 19.12.2002 V R 28/00, a.a.O.; BFH-Beschluss vom 27.02.2003 V B 164/02, BStBl. II, 2003, 622).

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die Leistungen der Klägerin für ärztlich veranlasste medizinische Fußpflege in den Streitjahren als steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 14 UStG zu beurteilen. Im Übrigen erbringt sie steuerpflichtige Umsätze.

a) Die Leistungen der Klägerin für medizinische Fußpflege sind arztähnliche Leistungen, also Dienstleistungen zur Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin mit therapeutischem Ziel. Insoweit erbringt sie Heilbehandlungen (Art 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. EG-RL), bzw. einem Heilberuf ähnliche Tätigkeiten (4 Nr. 14 UStG). Die gemeinschaftsrechtlich gebotene enge Auslegung des Begriffs der Heilbehandlung erkennt nur solchen Leistungen die Steuerfreiheit zu, die zu medizinischen Zwecken erfolgen, also nur der Krankheitsvorbeugung, der Erkennung von Krankheiten, ihrer Behandlung und der Heilung dienen (EuGH-Urteil vom 10.09.2002 Rs. C-141/00, a.a.O.; BFH-Urteile vom 22.04.2004 V R 1/98, UR 2004, 475 und vom 15.07.2004 V R 27/03, BFH/NV 2004, 1490). Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, sind von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ausgeschlossen. Die Klägerin beansprucht nur für die podologischen Leistungen die Steuerfreiheit, also für die Behandlungen von Fußerkrankungen, die auf ärztliche Veranlassung durchzuführen waren, und von Maßnahmen der Prävention, Therapie und Rehabilitation (vgl. § 3 PodG). Es spricht auch die Kostenübernahme der AOK ...... im Jahre 1994 und ab dem Jahr 2000 dafür, die medizinischen Fußpflegeleistungen der Klägerin als Dienstleistungen zur Heilbehandlung anzuerkennen, denn nach § 124 Abs. 1 SGB V werden nur für Heilmittel die Kosten übernommen.

Die von der Klägerin daneben ausgeführten Lieferungen und Leistungen, wie z.B. der Verkauf von Geschenken und Pflegemittel oder kosmetische Behandlungen, erfüllen die Voraussetzungen einer arztähnlichen Leistung nicht und können auch nicht als unselbständige Nebenleistungen angesehen werden (vgl. Weymüller, in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 4 Nr. 14, Rz 17 ff, 35, 87). Sie sind daher umsatzsteuerpflichtig.

b) Die Klägerin verfügte in den Streitjahren auch über die für die Anerkennung als medizinische Fußpflegerin erforderlichen Befähigungsnachweise. Eine entsprechende Ausbildung hatte sie bereits 1977 erfolgreich abgeschlossen und sich später fortgebildet. Damit war sie berechtigt, Leistungen der medizinischen Fußpflege anzubieten.

Zwar umfasste ihre Ausbildung nur einen vierwöchigen Lehrgang und nicht etwa die im Bundesland Bayern seit 1993 erforderliche zweijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule (vgl. BFSO Fußpflege, Bay. GVBl. 1993, 317). Auch besitzt sie nicht die seit Inkrafttreten des Podologengesetzes erforderliche Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Podologin" bzw. "medizinische Fußpflegerin", weil sie die erforderliche staatliche Ergänzungsprüfung nicht abgelegt hat (§§ 1, 10 Abs. 4 PodG).

Aber die zum 01.11.1993 und von Oktober 2000 bis zum 31.12.2002 von der AOK ........ erteilte Zulassung als medizinische Fußpflegerin zur Behandlung von Kassenmitgliedern aufgrund ärztlicher Verordnungen über Fußpflegeleistungen spricht für das Vorliegen einer ausreichenden Befähigung (BFH-Urteil vom 01.04.2004 V R 54/98, BStBl. II 2004, 681). Denn eine Zulassung erhält grundsätzlich nur, wer eine für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung besitzt (§ 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V). An der einmal erlangten beruflichen Befähigung ändert die Entscheidung der Krankenkasse nichts, die Kostenübernahme ab 1994, also auch in den Streitjahren, allgemein nicht mehr zu gewähren.

Ebenso führt das Fehlen einer bundeseinheitlichen berufsrechtlichen Regelung für medizinische Fußpflege in den Streitjahren nicht dazu, dass der Klägerin die berufliche Befähigung abzuerkennen wäre. Denn unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes nach Art 3 Abs. 1 GG darf es für die Frage der Umsatzsteuerfreiheit einer Leistung im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG nicht darauf ankommen, ob eine bundeseinheitliche berufsrechtliche Regelung hinsichtlich der fraglichen Leistung fehlt und eine solche etwa nur in einzelnen Bundesländern existiert. Die Gewährung der Steuerfreiheit nur für in einem Bundesland mit entsprechender berufsrechtlicher Regelung erbrachte medizinische Fußpflege wie es Abschnitt 90 Abs. 8 UStR 1996 vorsieht, ist mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar (BVerfG-Urteil vom 10.11.1999, Az. 2 BvR 1820/92, a.a.O.; BFH-Urteil vom 19.12.2002 V R 28/00, a.a.O.; vgl. auch BFH-Urteil vom 01.04.2004 V R 54/98, a.a.O.). Der Befreiungstatbestand beinhaltet auch keinen berufsrechtlichen Lenkungszweck, der die Steuerbefreiung für Heil- und Heilhilfsberufe von ihrer beruflichen Qualifikation abhängig machen würde (Vgl. BFH-Beschluss vom 27.02.2003 V B 164/02, a.a.O.).

3. Es kommt für die Entscheidung nicht darauf an, dass die Klägerin in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte erklärt hatte und diese ertragsteuerlich als solche bestandskräftig festgesetzt worden sind. Denn unter dem Gesichtspunkt der Eigenständigkeit der Begriffe in gemeinschaftsrechtlichen Normen (EuGH-Urteil vom 08.05.2003 Rs. C-269/00, BStBl. II 2004, 378; BFH-Urteil vom 24.07.2003 V R 39/99, BStBl. II 2004, 371) ist der nationalen Verweisung auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur erläuternde Bedeutung zuzumessen. Entscheidend ist, dass es sich bei der Tätigkeit der medizinischen Fußpflege um heilberufliche Leistungen handelt, die arztähnlich sind. Eine solche der etwa des Krankengymnasten ähnliche Tätigkeit liegt bei der medizinischen Fußpflege vor (vgl. Weymüller, in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 14 Tz 84, 87). Die Klägerin hat ihre medizinischen Leistungen persönlich und unmittelbar gegenüber ihren Patienten erbracht und sie jeweils nach dem Krankheitsbild abgestimmt. Ihre Tätigkeit war insoweit der Art nach die eines freien Berufes.

a) Zwar sah die in den Streitjahren maßgebliche Vorschrift § 4 Nr. 14 UStG 1993 die Steuerbefreiung nur vor für Tätigkeiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Eine solche wurde von der Klägerin weder erklärt noch war sie für medizinische Fußpflege von der Finanzverwaltung anerkannt; erst nach Inkrafttreten der bundeseinheitlichen berufsrechtlichen Regelung des PodG werden nach dem 31.12.2002 erzielte Einkünfte der Podologen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG beurteilt (vgl. BMF-Schreiben vom 29.07.2002, BStBl. I 2002, 962 und vom 19.12.2002, BStBl. I 2003, 183).

Auch die bisherige Rechtsprechung des für Fragen der Umsatzsteuer zuständigen V. Senats des BFH hat der Verweisung in § 4 Nr. 14 UStG auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine Beschränkung der Steuerfreiheit nur auf Umsätze von Unternehmern mit freiberuflicher Tätigkeit beigemessen. Die Verweisung lasse für eine eigenständige umsatzsteuerliche Auslegung des Merkmals der ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit keinen Raum (BFH-Beschluss vom 10.06.1997 V B 62/96, a.a.O.).

Es kommt zudem der Streichung des Verweises auf § 18 EStG mit dem StÄndG 2003 (BGBl. I 2003, 2645) für die hier zu entscheidende Frage keine grundlegende Bedeutung zu, da sie infolge der EuGH-Rspr. zum Problem der Rechtsformneutralität des § 4 Nr. 14 UStG erfolgte (vgl. Weymüller, in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 14 Tz 3 a.E.). In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucksache 15/1562) wird lediglich weiter ausgeführt, dass "eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG somit auch dann vorliegen kann, wenn es sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt".

b) Erforderlich ist aber eine gemeinschaftsrechtlich konforme Auslegung der Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG 1993. Art 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. EG-RL verlangt eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht wird, also dass die Klägerin Leistungen erbrachte, die der Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen dienten (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.2000 V R 72/99, BStBl. II 2000, 554) und dass sie hierzu befähigt war. Ihre Befähigung hat sie durch die Ausbildung im Jahre 1977 und insbesondere dadurch nachgewiesen, dass sie für ihre Leistungen im Jahre 1993 und ab dem Jahre 2000 die Kassenzulassung gemäß § 124 Abs. 2 SGB V erhalten hatte. Eine fachgerechte Berufsausbildung ist gewährleistet, wenn eine Kassenzulassung erteilt ist; auf eine staatlich reglementierte Ausbildung und Prüfung kommt es dann nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 28.08.2003 IV R 69/00, BFH/NV 2004, 282; vgl. auch FG Brandenburg-Beschluss vom 12.03.2004, Az. 1 V 24/04, EFG 2004, 937; FG Düsseldorf-Urteil vom 03.03.2004, Az. 5 K 7317/01 U, EFG 2004, 1092).

c) Zwar ist dem Merkmal "von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten arztähnlichen Berufe" in Art 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. EG-RL die Bedeutung beizumessen, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, welchen Berufen sie unter welchen Voraussetzungen - etwa denen des Podologengesetzes - die Steuerfreiheit zuerkennen wollen (vgl. Reiß/Kraeusel/Seite, UStG-Kommentar, § 4 Nr. 14 Rz. 61 und Wagner, in HFR 2003, 590, Anmerkung zu BFH-Urteil vom 19.12.2002 V R 28/00). Dabei kann es jedoch unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung und der Wettbewerbsfreiheit nur darauf ankommen, dass in einem Mitgliedstaat die steuerbefreite Tätigkeit erlaubterweise ausgeführt wird. Bestehen dort unterschiedliche Regelungen, die etwa aus staatsrechtlichen Gründen wie in der Bundesrepublik Deutschland der Länderkompetenz entspringen, so kann nur die Erlaubnis zugrunde gelegt werden, die unter den geringsten Voraussetzungen die entsprechende Tätigkeit gestattet. Danach durfte die Klägerin aufgrund ihrer vierwöchigen Ausbildung selbst in Bayern als medizinische Fußpflegerin tätig werden und entsprechende Leistungen erbringen. Ob ihre Ausbildung auch den höheren Anforderungen des PodG oder der Bayer. BFSO Fußpflege (Bay.GVBl. 1993, 317) genügten, ist unter der allgemeinen Geltung der Mehrwertsteuerrichtlinie und des UStG nicht maßgeblich.

4. Schließlich entspricht es nach Auffassung des Gerichts auch dem Normzweck der gesetzlichen Vorschriften, die podologischen Leistungen der Klägerin in den Streitjahren steuerfrei zu belassen, selbst wenn sie in dieser Zeit nicht über die Kassenzulassung verfügte. § 4 Nr. 14 UStG versteht sich von seiner Entstehungsgeschichte her als Vorschrift zur Entlastung der Sozialversicherungsträger (vgl. Weymüller, in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 4 Nr. 14 Tz 1; BVerfG-Urteil vom 10.11.1999 2 BvR 1820/92, a.a.O.). Art 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. EG-RL sieht als Zweck der Vorschrift allgemeiner die Senkung der Kosten ärztlicher Heilbehandlung (vgl. EuGH-Urteil vom 10.09.2002 Rs. C-141/00, a.a.O.) Dementsprechend ist es geboten, auch unter dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer mit gleichartigen Umsätzen verlangt, die Leistungen steuerfrei zu stellen, die ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern übernommen werden; auf eine konkrete Kostenübernahme im Einzelnen kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 13.04.2000 V R 78/99, BFH/NV 2000, 1431 und vom 19.12.2002 V R 28/00, a.a.O.; a.A. wohl FG Karlsruhe-Urteil vom 20.06.2000 Az. 1 K 13/96, EFG 2000, 948). Da die Kosten für die medizinischen Leistungen der Klägerin bereits in vor den Streitjahren liegenden als auch in nach den streitigen Jahren liegenden Zeiträumen von den Krankenkassen übernommen wurden, ist deutlich, dass die Leistungen ihrer Art nach geeignet sind, von den Sozialversicherungsträgern übernommen zu werden. Eine gleiche Beurteilung ergibt sich aus dem Umstand, dass von der Finanzverwaltung die Umsatzsteuerfreiheit der entsprechenden Leistungen gemäß § 4 Nr. 14 UStG in Bundesländern mit staatlicher Anerkennung des Berufes des Podologen anerkannt wurde (vgl. Abschnitt 90 Abs. 8 Satz 2 UStR 1996).

5. Danach sind die ärztlich veranlassten medizinischen Fußpflegeleistungen steuerfrei zu belassen.

Den Umfang dieser Leistungen konnte die Klägerin anhand ihrer Aufzeichnungen und der Buchführungsunterlagen nicht in vollem Umfang nachweisen. Die Beteiligten gehen jedoch übereinstimmend davon aus, dass 2/3 der aufgezeichneten Leistungen den steuerfreien Umsätzen zuzurechnen sind. ..........

Der Steuerbefreiung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ursprünglich die einzelnen Umsätze nicht getrennt entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG erfasst hatte. Denn die Aufzeichnungen sind keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung; ihr Fehlen bewirkt keinen Besteuerungsnachteil (vgl. Wagner, in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 22 Rz 44, 51, 54). Im Übrigen besteht kein Anlass, die Richtigkeit der dem Gericht vorgelegten Aufzeichnungen, die auch den Gewinnermittlungen der Klägerin nach § 4 Abs. 3 EStG zugrunde liegen, zu beanstanden.

Entsprechend sind auch die anzuerkennenden Vorsteuerbeträge zu ändern. Gemäß § 15 Abs. 4 UStG sind die Vorsteuerbeträge den jeweils mit den in Anspruch genommenen Leistungen ausgeführten Umsätzen zuzuordnen; gegebenenfalls ist die Zuordnung im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln. Nach den nicht zu beanstandenden Buchungsaufzeichnungen der Klägerin können die Vorsteuerbeträge nur zum Teil unmittelbar den Ausgangsumsätzen zugewiesen werden. Daher macht das Gericht von seiner Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m § 162 AO Gebrauch und verteilt die restlichen Vorsteuerbeträge im Verhältnis der steuerpflichtigen Netto-Umsätze zu den insgesamt ausgewiesenen Netto-Umsätzen. ...........

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 143 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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