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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: II 255/2005
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 05.08.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin bestimmte Beförderungsstrecken zutreffend dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG unterworfen hat.

Die Klägerin ist eine mit Vertrag vom 21.05.1984 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegenstand des Unternehmens sind alle Arten gewerbsmäßiger Beförderung von Personen sowie der Betrieb einer Tankstelle und einer Werkstatt. Schwerpunkt des Unternehmens ist die Beförderung behinderter Kinder zu Kindertagesstätten und Schulen im Auftrag sozialer Einrichtungen.

Im Rahmen einer 2002 für die Jahre 1997 bis 2000 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin auch für Beförderungsstrecken, die sich über mehrere Gemeinden erstreckten und über 50 km betrugen, den ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG anwendete. Auftraggeber der Fahrten und Rechnungsempfänger war jeweils die katholische Jugendfürsorge der Diözese A.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden vom 14.04.2003 die Umsatzsteuer für 1997 auf 144.308,04 EUR, für 1998 auf 169.197,22 EUR, für 1999 auf 123.469,32 EUR und für 2000 auf 128.911,51 EUR fest.

Die Einsprüche hatten nur insoweit Erfolg, als die Steuerfestsetzungen wegen eines Berechnungsfehlers im Prüfungsbericht zu korrigieren waren. Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide vom 14.04.2003 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 03.08.2005 die Umsatzsteuer für 1997 auf 137.725,16 EUR, für 1998 auf 161.187,32 EUR, für 1999 auf 115.447,15 EUR und für 2000 auf 120.881,16 EUR herabgesetzt.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 2000 vom 14.04.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2005 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 1997 auf 93.838,42 EUR (183.532 DM), für 1998 auf 110.234,53 EUR (215.600 DM), für 1999 auf 65.308,33 EUR (127.732 DM) und für 2000 auf 70.691,73 EUR (138.261 DM) festgesetzt wird.

Zur Begründung trägt sie vor:

Im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 1984 bis 1986 sei die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die auch hier streitigen Fahrtstrecken X, Y, Z geprüft und als ordnungsgemäß anerkannt worden. Daher fänden sich im Prüfungsbericht hierzu keine Feststellungen (vgl. Bericht über die Betriebsprüfung bei der B C GmbH vom 29.06.1988). Es habe daher in der Folgezeit keine Veranlassung bestanden, die Besteuerung dieser Strecken zu überprüfen. Sie habe weder ein wirtschaftliches Interesse noch einen Wettbewerbsvorteil durch Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gehabt, denn die von der W genehmigten Vergütungen für die Beförderungsleistungen hätten sich auf den Nettopreis bezogen.

Im Vertrauen auf die Ergebnisse der vorherigen Betriebsprüfung und das konkludente Verhalten der Finanzbehörde über einen Zeitraum von rund 15 Jahren habe sie mit dem ermäßigten Steuersatz disponiert und könne diese Dispositionen nun nicht mehr rückgängig machen. Sie sei in besonderem Maße schutzwürdig, weil die Umsatzsteuer ihrem Wesen nach eine wettbewerbsneutrale Durchlaufsteuer und keine Substanzsteuer sei. Wegen der eingetretenen Verjährung habe sie keine Möglichkeit, den höheren Regelsteuersatz gegenüber dem Auftraggeber geltend zu machen. Der Fiskus schaffe sich hier einen einseitigen Steuervorteil, denn die Umsatzsteuernachforderung gehe allein zu ihren Lasten und gefährde das Unternehmen mit rund 180 Arbeitsplätzen bis hin zur Insolvenz.

Vorliegend seien die Grundsätze des Rechtsinstituts "Treu und Glauben" anwendbar. Die Finanzbehörde habe über einen langen Zeitraum einen Vertrauenstatbestand geschaffen, den sie, die Klägerin, zur Grundlage ihrer Leistungsabrechnung habe machen dürfen. Bei der vorherigen Betriebsprüfung sei der Sachverhalt in ihrem Sinne beurteilt worden, denn sonst wäre es wegen des Ausnahmecharakters des ermäßigten Steuersatzes zu Anschlussprüfungen oder Umsatzsteuersonderprüfungen gekommen. Die Finanzverwaltung habe durch eine aktive Prüfungshandlung an der Schaffung des Vertrauenstatbestands mitgewirkt.

Es sei unbillig, wenn der Fiskus einerseits verfahrensrechtlich eine höhere Umsatzsteuer beanspruche, dieser aber gleichzeitig den Ausgleich der Mehrbelastung unter Hinweis auf die Verjährung verweigere. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben seien Behörde und Steuerpflichtiger gehalten, auf die Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht zu nehmen. Es dürfe sich keiner zu seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderruflich disponiert habe, in Widerspruch setzen.

Im Übrigen sei die Annahme des Finanzamts unzutreffend, dass die Beförderungsstrecken über 50 km betrügen, da Einzelbeförderungs- und nicht Gruppenbeförderungsverträge abgeschlossen worden seien. Jedes behinderte Kind habe nach Art. 118 a, 129 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung einen Anspruch darauf, zu den entsprechenden Tagesstätten bzw. Schulen befördert zu werden. Dieser Anspruch stehe nicht einer Gruppe behinderter Kinder als Gesamtanspruch, sondern jedem einzelnen behinderten Kind zu. Daraus folge, dass der Beförderungsvertrag letztendlich mit jedem einzelnen Kind geschlossen werde. Die mit den verschiedenen gemeinnützigen Einrichtungen vereinbarten Rahmenverträge seien insoweit unschädlich, denn Leistungsempfänger der Beförderungsleistungen seien nicht die Einrichtungen, sondern die einzelnen Kinder. Auch ließen die vertraglichen Regelungen erkennen, dass Einzelbeförderungsverträge vorlägen. Beispielsweise entfiele die Fahrt ohne Abrechnungsmöglichkeit bei Erkrankung von vier Kindern, die in einem Fahrzeug befördert würden. Werde bei einer Beförderungsstrecke von 49 km im Laufe des Schuljahres ein weiteres Kind mitbefördert, das vier km vom weitest entfernten Kind wohne und betrage die Entfernung daher tatsächlich 53 km, könne nur die geringere Entfernung abgerechnet werden. Bei Erkrankung des weitest entfernt wohnenden Kindes könne ebenfalls nur die Entfernung bis zu dem zweit weitest entfernt wohnenden Kind abgerechnet werden.

Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass andere Unternehmen, die ebenfalls Beförderungsleistungen für behinderte Kinder erbrächten, der erhöhten Kostenbelastung durch den Regelsteuersatz nicht unterworfen seien. Durch die offensichtlich uneinheitliche Umsetzung einer umsatzsteuerlichen Vorschrift entstehe ein erheblicher, existenzbedrohender Wettbewerbsnachteil. Dies sei aus Neutralitätsgründen unzulässig.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es aus:

Die Finanzbehörde habe durch ihr Verhalten bei der vorherigen Außenprüfung keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Über eine passive Nichtbeanstandung hinaus habe sie nicht aktiv Einfluss genommen und es sei die Steuerpflichtige auch nicht durch die Prüfung veranlasst worden, sich der Rechtsansicht des Finanzamts erstmalig anzuschließen.

Es sei nicht mehr nachzuvollziehen, ob im Rahmen der früheren Betriebsprüfung Beförderungsstrecken hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes geprüft worden seien. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung seien aber ohnehin in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung müsse zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgegeben werden, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut und entsprechend disponiert habe. Verbindliche Zusagen seien vorliegend nicht erteilt worden. Die eventuell unzutreffende Beurteilung eines Sachverhalts komme einer verbindlichen Zusage nicht gleich und binde das Finanzamt für die Zukunft nicht.

Als Beförderungsstrecke bei Beförderung einer Mehrzahl von Personen habe der Prüfer die von der Klägerin aufgrund des Beförderungsvertrags und der Fahrpläne zurückgelegte Strecke, die mit dem Einstieg der ersten und dem Ausstieg der letzten beförderten Person innerhalb einer Fahrtrichtung beginnt bzw. endet, berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien nicht Einzelbeförderungsverträge mit den behinderten Kindern, sondern mit der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese A. Beförderungsverträge für eine Mehrzahl von Personen abgeschlossen worden. Die Beförderungen unterlägen dem Regelsteuersatz, weil die Beförderungsstrecke als Gruppenfahrt mehr als 50 km betragen habe. Die Ermittlung der Umsatzanteile mit Beförderungsstrecken über 50 km sei im Rahmen der Betriebsprüfung ausführlich erläutert worden und nicht streitig.

Der Vortrag der Klägerin, dass andere Unternehmen genauso wie sie handelten, sei nicht entscheidungserheblich. Ein Steuerpflichtiger könne sich im Rahmen der Steuerfestsetzung nicht darauf berufen, dass das Finanzamt andere Steuerpflichtige zu Unrecht nicht zur Steuer heranziehe.

Entscheidungsgründe:

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Das Finanzamt hat die streitigen Beförderungsleistungen zutreffend dem Regelsteuersatz unterworfen. Es war nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben an einer Änderung der Umsatzsteuerbescheide gehindert.

1. Bei Beförderungen von Personen mit Kraftfahrzeugen im genehmigten Linienverkehr ermäßigt sich gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchstabe b) UStG die Steuer auf 7%, wenn die Beförderung innerhalb einer Gemeinde erfolgt oder die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt. Beförderungen von körperlich, geistig oder seelisch behinderten Personen mit Kraftfahrzeugen zu und von Einrichtungen, die der Betreuung dieser Personenkreise dienen, sind als genehmigter Linienverkehr zu behandeln, wenn von den beförderten Personen selbst ein Entgelt nicht zu entrichten ist (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG, Kommentar § 12 Abs. 2 Nr. 10 Anm. 56 unter Hinweis auf die Freistellungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz). Beförderungsstrecke ist dabei die Strecke, auf der der Beförderungsunternehmer einen Fahrgast oder eine Mehrzahl von Fahrgästen aufgrund eines Beförderungsvertrages oder mehrerer Beförderungsverträge befördert oder, zum Beispiel durch einen Subunternehmer, befördern lässt. Werden mehrere Beförderungsverträge abgeschlossen, so erbringt der Beförderungsunternehmer eine entsprechende Zahl von Beförderungsleistungen, von denen jede für sich zu beurteilen ist (Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, Kommentar § 12 Rz. 519). Nur eine Beförderungsleistung liegt dagegen vor, wenn der Beförderungsunternehmer mit einer Mehrzahl von Personen einen einzigen Beförderungsvertrag abgeschlossen hat. Maßgebliche Beförderungsstrecke ist in diesem Fall die vom Beförderungsunternehmer aufgrund des Beförderungsvertrages zurückgelegte Strecke. Sie beginnt mit dem Einstieg der ersten und endet mit dem Ausstieg der letzten beförderten Person innerhalb einer Fahrtrichtung (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG, Kommentar § 12 Abs. 2 Nr. 10 Anm. 76; Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, Kommentar § 12 Rz. 521).

2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchstabe b) UStG nicht gegeben. Die Beförderungen sind weder innerhalb einer politischen Gemeinde erfolgt noch betrugen sie weniger als 50 km.

Aufgrund des Akteninhalts sowie des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin mit der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese A Beförderungsverträge für eine Mehrzahl von Personen geschlossen hat. Es liegen daher sogenannte Gruppenbeförderungsverträge vor, bei denen die einzelnen Fahrstrecken unstreitig mehr als 50 km betrugen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der vorgelegten Beförderungsverträge sind Vertragspartner die Klägerin und die Katholische Jugendfürsorge der Diözese A. Allein zwischen diesen Vertragsparteien haben die Verhandlungen über die zu fahrenden Strecken und über das Entgelt stattgefunden. Auch die Abrechnung über die erbrachten Beförderungsleistungen (Kilometervergütung nach Besetztkilometern) erfolgte allein gegenüber der Katholischen Jugendfürsorge A als Vertragspartner und Leistungsempfänger. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Verträge. Es ist Aufgabe der Vertragsparteien, die Abrechnungsmodalitäten zu regeln und festzulegen, wie viel beispielsweise im Krankheitsfall oder bei Zuzug und Wegzug eines Kindes zu bezahlen ist. Dass hierbei die Verhältnisse der einzelnen Kinder zugrunde gelegt werden, ist durchaus üblich.

Dem Vortrag der Klägerin, die Beförderungsverträge mit der Katholischen Jugendfürsorge oder vergleichbaren Einrichtungen stellten lediglich technische Rahmenverträge dar, tatsächlich seien aber Einzelbeförderungsverträge mit den behinderten Kindern geschlossen worden, kann nicht gefolgt werden. Die zu befördernden Kinder waren zwar Begünstigte der Fahrleistung, sie bzw. ihre Eltern waren aber zu keinem Zeitpunkt Vertragspartner der Klägerin. Die Kinder waren der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vielfach namentlich gar nicht bekannt, Verhandlungen mit ihnen oder ihren Eltern fanden nicht statt. Folglich schuldeten auch nicht die Kinder, sondern die Katholische Jugendfürsorge A das Entgelt für die Beförderung. Einzelbeförderungsverträge liegen auch nicht vor, soweit jedes behinderte Kind nach der Bayerischen Verfassung Anspruch auf eine Beförderung zu den entsprechenden Tagesstätten bzw. Schulen hat (vgl. Art. 118a, 129 Abs. 2 Bayerische Verfassung). Denn es bleibt dem Freistaat Bayern überlassen, wie er diesen Anspruch des Einzelnen umsetzt und die Beförderung der behinderten Kinder organisiert. Vorliegend hat er die Durchführung dieser Aufgabe der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese A übertragen, die sich wiederum der Klägerin bedient. Daraus resultiert aber nicht ein unmittelbarer Einzelbeförderungsanspruch des behinderten Kindes gegenüber der Klägerin als beauftragte Unternehmerin. Unmittelbarer Leistungsempfänger der Beförderungsleistung ist als Vertragspartner allein die Katholische Jugendfürsorge der Diözese A. Auch der Einwand der Klägerin, dass eine individuelle Beförderung der Fahrgäste von der Wohnung bzw. im Urlaub von den Großeltern zur Unterrichtsstätte stattfände und die Beförderungsleistung daher mit der eines Taxiunternehmens vergleichbar sei, führt nicht zur Annahme von Einzelbeförderungsverträgen. Unstreitig fährt die Klägerin regelmäßig im Linienverkehr bestimmte Strecken, die im Hinblick auf die zu befördernden Kinder festgelegt worden sind. Abweichungen von den Fahrstrecken in Einzelfällen ändern hieran nichts.

Die im Rahmen des Gruppenbeförderungsvertrages gefahrenen Fahrstrecken über 50 km können auch nicht deswegen ermäßigt besteuert werden, weil die Klägerin überwiegend Beförderungsstrecken unter 50 km fährt. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ist hier nicht einschlägig, denn die jeweiligen Beförderungsstrecken sind einzeln zu betrachten und zu beurteilen. Eine einheitlich ermäßigte Besteuerung für alle Beförderungsstrecken kommt daher nicht in Betracht.

Bei der hier anzunehmenden Gruppenbeförderung liegt nur eine Beförderungsleistung vor. Maßgebliche Beförderungsstrecke ist nach allgemeiner und zutreffender Meinung die vom Beförderungsunternehmer aufgrund des Beförderungsvertrages zurückgelegte Strecke. Sie beginnt mit dem Einstieg der ersten und endet mit dem Ausstieg der letzten beförderten Person innerhalb einer Fahrtrichtung (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG, Kommentar § 12 Abs. 2 Nr. 10 Anm. 76; Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, Kommentar § 12 Rz. 521).

3. Das Finanzamt ist nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, die Steuerfestsetzungen zu ändern. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es zu einer Verdrängung des gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben nur in besonders gelagerten Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (BFH-Urteil vom 05.09.2000 IX R 33/97, BStBl. II 2000, 676). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH-Urteil vom 30.09.1997 IX R 80/94, BStBl. II 1998, 771). Weder die Umsatzsteuersonderprüfung noch die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide schaffen insoweit einen Vertrauenstatbestand, da es sich bei beiden Maßnahmen lediglich um vorläufige Beurteilungen der Finanzverwaltung handelt, die einer späteren abweichenden Beurteilung nicht entgegenstehen.

Eine verbindliche Zusage wurde der Klägerin unstreitig nicht erteilt. Durch die vorangegangene Betriebsprüfung hat das Finanzamt keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich die Klägerin nunmehr berufen kann.

Der damalige Prüfungsbericht enthält keine Feststellungen zu der Frage der ermäßigt zu besteuernden Fahrstrecken. Der Prüfer hat jedoch in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass damals wohl auch die ermäßigten Umsätze geprüft worden seien. Er könne sich aber nicht mehr erinnern, welche Verträge vorgelegt und welchen Umfang die geprüften Fahrstrecken gehabt hätten. Ob die ermäßigten Umsätze in der Schlussbesprechung angesprochen worden seien, wisse er nicht. Im Vordergrund hätten aber ertragsteuerliche Probleme gestanden. Steuerberater F als steuerlicher Vertreter und Teilnehmer der damaligen Schlussbesprechung hat als Zeuge ausgesagt, dass der ermäßigte Steuersatz für Beförderungsleistungen Gegenstand einer Vorbesprechung mit dem Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung gewesen sei. Dieser habe handschriftliche Berechnungen zu Beförderungsstrecken im Landkreis M gefertigt und letztlich die Angaben der Steuerpflichtigen übernommen. Dieses Thema sei daher nicht mehr Gegenstand der Schlussbesprechung gewesen. Ob die Frage der Einzel- oder Gruppenbeförderung angesprochen worden sei, wisse er nicht mehr.

Danach kann zwar davon ausgegangen werden, dass bei der früheren Betriebsprüfung die ermäßigt zu besteuernden Fahrstrecken angesprochen worden sind. Es ist aber nicht mehr nachvollziehbar, welche Strecken im Einzelnen geprüft und welche Verträge vorgelegt wurden. Eine Bindungswirkung für die Zukunft kann sich im Streitfall bereits deswegen nicht ergeben, weil der Umfang der damaligen Prüfung hinsichtlich der ermäßigt zu besteuernden Umsätze nicht mehr feststellbar ist. Im Übrigen entspricht es dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und zu würdigen hat. Ein Vertrauensschutz besteht insofern selbst dann nicht, wenn der Steuerpflichtige auf die frühere Rechtsauffassung vertraut und entsprechend disponiert hat (BFH-Beschluss vom 12.07.2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028). Der Ausnahmefall, dass das Finanzamt den Steuerpflichtigen selbst von der richtigen Rechtsauffassung abgebracht hat und später dennoch ändern will, liegt hier offensichtlich nicht vor. Denn das Finanzamt hat bei der ersten Prüfung die möglicherweise fehlerhafte Behandlung bestimmter Beförderungsstrecken lediglich nicht beanstandet. Allein die umsatzsteuerliche Prüfung durch den Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung in Verbindung mit einer jahrelangen Nichtbeanstandung durch das Finanzamt genügt entgegen dem Einwand der Klägerin daher nicht, um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 02.08.2004 IX B 41/04, BFH/NV 2005, 68).

4. Die Klägerin kann auch nicht mit dem Vortrag gehört werden, die Transporte behinderter Kinder würden bayern- bzw. bundesweit ermäßigt besteuert. Zum einen ist diese Darstellung nicht belegt, zum anderen kann die Klägerin daraus keinen Anspruch für sich ableiten, denn es gibt keine Gleichheit im Unrecht.

5. Abschließend ist festzustellen, dass im vorliegenden Verfahren allein die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung zu prüfen ist. Im Rahmen dieser Prüfung ist nicht entscheidungserheblich, dass die Klägerin die umsatzsteuerliche Mehrbelastung an ihren Vertragspartner wegen Verjährung nicht weitergeben konnte. Dieser Umstand wäre allenfalls im Rahmen eines Erlassantrags zu würdigen. Die Wettbewerbsneutralität ist hierdurch jedenfalls nicht verletzt.

Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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