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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 26.10.2004
Aktenzeichen: II 264/2002
Rechtsgebiete: 6. EG-Richtlinie


Vorschriften:

6. EG-Richtlinie Art. 13 Teil A Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob auch die Dozentenleistungen, die durch eine Mitarbeiterin des Klägers ausgeführt wurden, nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung, umsatzsteuerbefreit sind.

Der Kläger ist Inhaber eines CAD-Zeichenbüros ( C omputer A ided D esign) mit dazugehörigem Vertrieb von CAD-Anlagen und EDV-Zubehör. Im Rahmen seines Unternehmens erbrachte er in den Streitjahren 1995 und 1996 regelmäßig CADSchulungen für die Handwerkskammer A und für das Berufsförderungswerk des in B . Die Dozentenleistungen für die Handwerkskammer erbrachte der Kläger persönlich, die Schulungen für das Berufsförderungswerk ließ er durch eine Mitarbeiterin durchführen. Eine Bescheinigung gern. § 4 Nr. 21 b UStG der Bezirksregierung C für den Zeitraum 01.01.1996 bis 31.12.1998 liegt vor, wonach das Berufsförderungswerk ., B , auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet (vgl. Bescheinigung vom 19.12.1996).

In den vom Kläger eingereichten Steuererklärungen, die als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkten, behandelte er die Umsätze aus Dozententätigkeit insgesamt als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 21 UStG (1995: 70.234 DM, 1996:16.412 DM).

Anlässlich einer beim Kläger durchgeführten steuerlichen Prüfung erkannte der Prüfer die Dozententätigkeit insoweit nicht als steuerfreie Leistung an, als sie von der Mitarbeiterin des Klägers ausgeführt wurde (vgl. Betriebsprüfungsbericht vom 16.02.2000 Tz. 7).

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte in nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden jeweils vom 23.05. 2000 die Umsatzsteuer für das Jahr 1995 mit 12.906 DM und für das Jahr 1996 mit 59.729 DM fest. Die steuerlichen Auswirkungen der abweichenden Betrachtungsweise betrugen für die Jahre 1995 6.965,54 DM und für das Jahr 1996 136,83 DM.

Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 vom 23.05.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2002 dahin abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 1995 auf 5.940,46 DM und für 1996 auf 59.592,17 DM festgesetzt wird.

Er nimmt im Wesentlichen wie folgt Stellung:

Die Umsätze aus der Dozententätigkeit, auch soweit sie von einer Mitarbeiterin erfüllt worden seien, seien insgesamt gemäß § 4 Nr. 21b UStG steuerfrei.

Es sei unerheblich, dass er die Schulungen nicht persönlich durchgeführt habe. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes dienten die Dozentenleistungen unmittelbar einem Schul- und Bildungszweck im Sinne von § 4 Nr. 21b UStG. Die in der Steuerbefreiungsvorschrift bezeichneten Leistungen müssten ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- und fortbildung dienen (BFH-Urteil vom 12.12.1985 V R 15/80 (BStBl. II 1986, 499 und BFH-Beschluss vom 29.10.1997 V B 86/97 BFH/NV 1998, 626). Es komme nicht auf die Art und Weise der Leistungsausführung an, sondern vielmehr auf das Merkmal des Dienens, also auf die Herbeiführung des Erfolges. Nach dem BFH-Urteil vom 27.08.1998 V R 73/97 (BStBl. II. 1999, 376) sei es für die Unmittelbarkeit der Leistung ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung ermöglichten, förderten, ergänzten oder erleichterten. Auch könne er sich unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe j der 6. EG-Richtlinie berufen. Gemäß dieser Bestimmung führe der Unterricht an einer Schule oder Hochschule zur Umsatzsteuerfreiheit, wenn er gemessen an seinen Anforderungen dem Unterricht entspreche, der üblicherweise an einer Schule oder an einer Hochschule erteilt werde. Die von seiner Mitarbeiterin abgehaltenen CAD-Schulungen beim Berufsförderungswerk B erfüllten diese Voraussetzungen, denn die CAD-Schulungen seien Bestandteil eines Umschulungslehrganges für den anerkannten Ausbildungsberuf Bauzeichner gewesen und die Teilnehmer hätten sich nach Ende des Lehrganges einer ordentlichen Abschlussprüfung vor der IHK unterzogen.

Die Leistungen des Berufsförderungswerkes an die Schüler seien umsatzsteuerfrei, denn Sinn und Zweck der Steuerbefreiung sei es, die Aus- und Weiterbildung nicht unnötig zu verteuern. Die Ausbildungslehrgänge, die er selbst abgehalten habe, seien aus diesem Grunde auch nach Auffassung des Finanzamts von der Umsatzsteuer befreit. Es könne jedoch für die Lehrgänge, die durch seine Mitarbeiterin abgehalten würden, nichts anderes gelten. Denn auch diese hätten den bezweckten Erfolg, nämlich die Berufsaus- und fortbildung der Lehrgangsteilnehmer herbeigeführt. Würden diese Lehrgänge jedoch der Umsatzsteuer unterworfen, so würde der Sinn und Zweck der Umsatzsteuerbefreiung verfehlt, es würden letztlich die Schüler/Auszubildenden mit der Umsatzsteuer, also mit höheren Ausbildungskosten belastet. Gerade dies solle aber mit den Steuerbefreiungsvorschriften vermieden werden. Zwar gelte die vorgelegte Bescheinigung für das Berufsförderungswerk nach § 4 Nr. 21b UStG erst ab dem 01.01.1996. Jedoch habe der V. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 06.12.1994 klargestellt, dass eine solche Bescheinigung auch für die Zeit vor Antragstellung Geltung haben könne. Außerdem hätten sich die Umsatzsteuerreferenten der Länder bereits in ihrer Besprechung vom 26. bis 28.01.1981 dahingehend verständigt, dass die Leistungen der Berufsförderungswerke umsatzsteuerfrei seien. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung lägen vor. Auch der BFH stelle in seinem Urteil vom 10.06.1999 Az. V R 84/98 (BStBI. II 1999. 578) eindeutig nur auf den Inhalt der Leistung ab und verweise ausdrücklich darauf, dass es unbeachtlich sei, ob der Unternehmer diese Leistung selber oder durch Mitarbeiter erbringe.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es nimmt im Wesentlichen wie folgt Stellung:

Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 b UStG 1980 seien deswegen nicht anwendbar, weil die Gestellung von Hilfspersonen als Dozenten an Bildungseinrichtungen mangels Unmittelbarkeit nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 b UStG erfülle. Unmittelbarkeit im Sinne dieser Vorschrift setze eine Leistung voraus, durch die der Zweck gefördert oder erfüllt werde, ohne dass eine weitere Leistung dazwischen geschaltet werde. Unmittelbar, werde der Bildungszweck erst durch die Lehrtätigkeit des Unternehmers erfüllt, bei vorgeschalteter Personalgestellung geschehe dies lediglich mittelbar. Auch im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 27.08.1998 V R 73/97 (a.a.O.) sei die Anwendung des § 4 Nr. 21b UStG zutreffend versagt worden, da die Dozentenleistungen an das Berufsförderungswerk nicht vom Kläger selbst, sondern von einer von ihm gestellten Hilfsperson erfolgt seien.

Selbst wenn im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 10.06.1999 Az. V R 84/98 (a.a.O.) das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" zu bejahen sei, ergäbe sich für den Streitfall keine andere rechtliche Beurteilung, da anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall die übrigen Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG nicht vorlägen, insbesondere sei der Kläger keine Einrichtung im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Ziff. i der 6. EGRichtlinie.

Auch scheide eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 UStG 1980 aus, da die Vorschrift ausschließlich die aufgeführten Unternehmer befreie und der Kläger als natürliche Person vom Regelungsgehalt des § 4 Nr. 22a UStG 1980 nicht erfasst werde.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt ( § 90 Abs.2 FGO ).

Gründe

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.

Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21b UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung erfasst nicht nur die Einnahmen aus der Dozententätigkeit des Klägers, sondern auch die Dozententätigkeit der für ihn tätigen Mitarbeiter.

1. Nach § 4 Nr. 21b. UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung (§ 4 Nr. 21b UStG 1993) waren die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

Über den Wortlaut des § 4 Nr. 21b UStG 1993 hinaus werden durch die Vorschrift nicht nur die Träger privater Schulen oder anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen begünstigt, sondern auch freie Mitarbeiter, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen. Die erweiternde Auslegung des Begriffs der Einrichtung ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des EuGH vom 07.09.1999 Az. C-216/97 - Gregg- , UR 1999, 419. Danach ist der Begriff der Einrichtung dahin auszulegen, dass auch natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben, nicht von der Steuerbefreiung auszuschließen sind. Ausgehend von dem Umstand, dass in Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer die Mitgliedstaaten unterschiedliche Bezeichnungen für die dort erwähnten Wirtschaftsteilnehmer benutzen, kann nicht geschlossen werden, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiungen -soweit ausdrücklich von Umsätzen einer "Einrichtung" die Rede ist- juristischen Personen vorbehalten wären, während sie in den anderen Fällen auch von natürlichen Personen in Anspruch genommen werden können. Der Begriff der "Einrichtung" legt zwar die Existenz einer abgegrenzten Einheit nahe, die eine bestimmte Funktion erfüllt. Dieses Merkmal trifft aber nicht nur auf juristische Personen zu, sondern auch auf eine oder mehrere natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben (EuGH Urteil vom 07.09.1999 a.a.O.).

Damit hat der EuGH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach der Begriff der Einrichtung in Artikel 13 des 6. EG-Richtlinie im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Steuerbefreiungsvorschrift eng auszulegen und auf juristische Personen beschränkt ist und natürliche Personen nicht erfasst (vgl. EuGH-Urteil vom 11.08.1995 Rs. C-453/93, Bulthuis-Griffioen, UR 1995, 476). Soweit sich das BFH-Urteil vom 27.08.1998 V R 73/97 (a.a.O.) auf diese Entscheidung beruft, dürfte diese Rechtsauffassung somit wie überholt sein.

Es hat sich auch der BFH für andere Befreiungstatbestände des § 4 UStG der Auffassung angeschlossen, dass unter den Begriff der Einrichtung nicht nur juristische, sondern auch natürliche Personen bzw. deren Zusammenschlüsse fallen können. So hat der BFH es im Beschluss vom 28.02.2002 Az. V B 31/01 (BFH/NV 2002, 957) durch das Urteil des EuGH vom 07.09.1999 (a.a.O.) als geklärt angesehen, dass nach richtlinienkonformer Auslegung durch Art: 13 Teil A Abs. 1 6. EG-Richtlinie "Einrichtungen" begünstigt sind, die von natürlichen Personen betrieben werden bzw. werden können.

Dieser Auslegung entspricht auch die Auffassung der Finanzverwaltung in den für die Streitjahre geltenden Umsatzsteuerrichtlinien (Abschnitt 112 a Abs. 1 Satz 1 UStR 1996). Mit Wirkung ab 1999 wurde dieser Umfang der Steuerbefreiung schließlich durch Änderung des § 4 Nr. 21 UStG ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen. Nachdem jedoch unstreitig unter den Begriff der Einrichtung juristische Personen, die die steuerbefreite Tätigkeit auch durch angestelltes Personal ausführen können, als auch natürliche Personen oder Zusammenschlüsse von natürlichen Personen fallen, verbleibt kein Raum, einen Unternehmer als natürliche Person von der Befreiung auszuschließen, wenn er die steuerbefreite Tätigkeit -bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen- durch einen Mitarbeiter ausführen lässt, der die Dozententätigkeit wahrnimmt. Denn nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten, ist es ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert (BFH-Urteil vom 10.06.1999 V R 84/98, BStBl. II 1999, 578). Dies ist aber auch beim Kläger der Fall, wenn ein Mitarbeiter den Unterricht hält.

2. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21b UStG vor, insbesondere ist es unschädlich, dass die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde erst für den Zeitraum ab 01.01.1996 gilt, da zum einen die Möglichkeit der Rückwirkung besteht (BFH-Beschluss vom 06.12.1994 V B 52/94, BStBl. II 1995, 913) und darüber hinaus die Verwaltung auch grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen von Berufsförderungszentren anerkannt hat (Besprechung der Umsatzsteuerreferenten der Länder vom 31.08. bis 02.09.1981, UR 1981, 279; vgl. auch Schuhmann in Rau/Dürrwächter, UStG § 4 Nr. 21 Anm. 54 Stichwort Berufsförderungswerk).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO, da das Urteil vom BFH-Urteil vom 27.08.1998 V R 73/97 (a.a.O.) zur Auslegung des § 4 Nr. 21b UStG 1993 abweicht und darüber hinaus bislang - soweit kenntlich - nicht darüber entschieden ist, ob die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 21 UStG auch dann anwendbar ist, wenn der Unternehmer als natürliche Person durch einen Mitarbeiter tätig wird.

Ende der Entscheidung

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