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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 21.05.2007
Aktenzeichen: II 49/04
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388 EWG


Vorschriften:

UStG § 14
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
RL 77/388 EWG Art. 17 Abs. 2 Buchst. a
RL 77/388 EWG Art. 18 Abs. 1 Buchst. a
RL 77/388 EWG Art. 22 Abs. 3
Abzug von Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen über unternehmerisch veranlasste und auf die Arbeitnehmer ausgestellte Rechnungen für Übernachtungen.
Finanzgericht Nürnberg

II 49/04

Umsatzsteuer 1999

In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

ohne mündliche Verhandlung

am 21.05.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zuließ aus Rechnungen über unternehmerisch veranlasste Übernachtungen, die auf die Arbeitnehmer der Klägerin ausgestellt worden waren.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH die Datenverarbeitung und damit verbundene Tätigkeiten. In der am 23.03.2001 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr gab sie u.a. Umsätze zu 16% in Höhe von 1.796.217 DM und abziehbare Vorsteuerbeträge von 102.565,30 DM an, davon Vorsteuern aus Übernachtungskosten von 2.221,03 DM. Der so berechneten Umsatzsteuer von 184.829,40 DM stimmte das Finanzamt zu, so dass die Anmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich stand ( §§ 164 Abs. 1, 168 AO).

Bei einer steuerlichen Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Vorsteuern von 2.221,03 DM aus Übernachtungskosten in der Zeit von 01.04.1999 bis 31.12.1999 angefallen und in Rechnungen ausgewiesen worden waren, die auf die Namen der Arbeitnehmer der Klägerin lauteten. Er ließ sie deswegen nicht zum Abzug zu (vgl. Bp-Bericht vom 20.12.2002, Tz. 6.2).

Den Feststellungen in dem Bericht folgend erließ das Finanzamt am 09.04.2003 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1999 und setzte die Umsatzsteuer in Höhe von ......... DM fest. Den Einspruch hiergegen wies es mit der Entscheidung vom 23.01.2004 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid vom 09.04.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2004 dahin zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge von 2.221,03 DM anerkannt werden.

Zur Begründung trägt sie Folgendes vor:

Die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Übernachtungskosten widerspräche rechtsstaatlichen Grundsätzen. Denn nach der zu § 15 UStG ergangenen Verwaltungsanweisung in A 196 Abs. 4 UStR sei ein Vorsteuerabzug auch zulässig gewesen, wenn bei dienstlich veranlassten Übernachtungen die Rechnungen auf die Namen der Arbeitnehmer ausgestellt und die unternehmerischen Veranlassungen eindeutig nachgewiesen worden seien. Diese Voraussetzungen seien für die streitigen Kosten erfüllt gewesen. Es sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, dass die Verwaltungsanweisung in A 196 Abs. 4 UStR durch das BMF-Schreiben vom 05.11.1999 (BStBl. I 1999, 964) rückwirkend zum 01.04.1999 geändert worden sei. Daher sei ihr Vertrauen in eine jahrelang geltende Regelung schutzwürdig.

Dem stehe auch nicht die mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 zum 01.04.1999 eingeführte Vorschrift des § 15 Abs. 1a UStG entgegen, weil dessen Regelungen laut BFH-Urteil vom 23.11.2000 (V R 49/00, BStBl. II 2001, 266) nicht mit den Bestimmungen der 6. EG-RL in Einklang gestanden hätten. Unter Berufung auf die 6. EG-RL sei der beantragte Vorsteuerabzug zu gewähren.

Im Einzelnen verweist das Gericht auf die Ausführungen in der Klagebegründung vom 08.04.2004.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Darin macht es im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte geltend:

Voraussetzung eines Vorsteuerabzugs sei nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, dass in einer Rechnung nach § 14 UStG der Name und die Anschrift des Leistungsempfängers angegeben sei; diese Voraussetzung liege nicht vor, weil die Rechnungen auf die Namen der Arbeitnehmer lauteten.

Auch nach dem mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 mit Wirkung zum 01.04.1999 eingeführten § 15 Abs. 1a UStG seien Vorsteuerbeträge für Übernachtungskosten nicht mehr abziehbar gewesen.

Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 seien auch mit Wirkung ab 01.04.1999 die Vorschriften in §§ 36 bis 39 UStDV gestrichen worden und die hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen A 196, 197 UStR bedeutungslos geworden. Dies habe das BMF-Schreiben vom 05.11.1999 (BStBl. I 1999, 964) lediglich klargestellt.

Die Beteiligten haben sich mit der Entscheidung durch den Berichterstatter gemäß §§ 79a Abs. 3 und 4 FGO ohne mündliche Verhandlung ( § 90 Abs. 2 FGO) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht gegeben sind. Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein Unternehmer im eigenen Namen von einem anderen Unternehmer Übernachtungsleistungen bestellt, damit seine Arbeitnehmer bei einer Reise für Zwecke des Unternehmens übernachten können, und darüber in einer Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG gegenüber dem Unternehmer abgerechnet wird (BFH-Urteil vom 23.11.2000 V R 49/00, BStBl. II 2001, 266).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu. Denn unstreitig wurden die Übernachtungsleistungen nicht ihr selbst, sondern ihren Arbeitnehmern in Rechnung gestellt. Somit fehlen bereits die von Gesetzes wegen bestimmten wesentlichen formalen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Es kommt daher insoweit nicht auf die Frage an, ob die den Vorsteuerabzug ausschließende Regelung des § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG 1999 anzuwenden ist (vgl. FG Hamburg-Urteil vom 19.07.00 VI 205/99, UR 2000, 438).

2. Die Klägerin kann sich mit ihrem Begehren auch nicht unmittelbar auf die Regelungen der 6. EG-RL ( Richtlinie 77/388 EWG) berufen.

Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL ist der Steuerpflichtige befugt, soweit Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, von der von ihm geschuldeten Steuer die im Inland geschuldete Mehrwertsteuer für Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von anderen Steuerpflichtigen erbracht wurden oder erbracht werden. Dabei erfordert der Vorsteuerabzug gem. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-RL eine auf den Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung.

Aus diesen Bestimmungen wird deutlich, dass auch nach dem Recht der 6. EG-RL als wesentliche formale Voraussetzung für den Vorsteuerabzug eine Rechnung an den Steuerpflichtigen erforderlich ist, in der er selbst als der Bezieher der Dienstleistungen ausgewiesen wird. Die nationale Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999 hat mithin die Richtlinienregelung insoweit zutreffend umgesetzt (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2005 V R 4/03, BFHE 211, 56, UR 2005, 611). Rechnungen, die diesen Voraussetzungen genügen, liegen aber gerade nicht vor.

3. Die Klägerin kann einen Anspruch schließlich nicht auf einen Vertrauenstatbestand stützen, der auf Abschnitt 196 Abs. 4 UStR 1996 i.V.m. Abschnitt 284 UStR 1996 und Abschnitt 284 UStR 2000 beruht. Denn diesen Verwaltungsanweisungen wurde durch die Gesetzesänderung mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 die Grundlage entzogen. Einer formellen Aufhebung des Abschnitts 196 Abs. 4 UStR 1996 zum 31. März 1999 bedurfte es nicht (vgl. FG Hamburg-Urteil vom 19.07.00 VI 205/99, UR 2000, 438).

a) Grundsätzlich begründen Verwaltungsvorschriften, die zur Vereinheitlichung des Normenvollzugs als Innenrecht die Behörden binden, auch eine gewisse Rechtsgeltung gegenüber dem normbetroffenen Bürger. Es ist daher unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung ein klagbarer Anspruch auf eine den Verwaltungsvorschriften entsprechende Sachbehandlung allgemein anerkannt (vgl. Pahlke/Koenig/Pahlke, AO-Kommentar, § 4 Rz. 58). Eine Selbstbindung durch die Verwaltungsregelung besteht jedoch nur soweit und solange, als diese im Einklang mit dem Gesetz bzw. der Verordnung steht, auf die sie sich bezieht; das Gesetz hat also Vorrang. Daher ist die Verwaltung nicht gehindert, ihre Verwaltungspraxis und damit ihre Selbstbindung aus sachgerechten Gründen aufzuheben (vgl. Pahlke/-Koenig/Pahlke, a.a.O., § 5 Rz. 31). Insbesondere wenn sich die Verwaltungsregelung als nicht oder nicht mehr mit dem Gesetz übereinstimmend erweist, kann sie keinen Vertrauenstatbestand begründen.

b) So liegt es gerade im Streitfall. Denn die Klägerin beruft sich auf eine Verwaltungsvorschrift, die weder im Einklang mit der nationalen Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, noch mit den ihr zugrunde liegenden Richtlinienvorschriften der 6. EG-RL stand. Danach ist ein Vorsteuerabzug nur aus Rechnungen möglich, die an den steuerpflichtigen Unternehmer gerichtet sind.

c) Die Klägerin kann sich zudem nicht auf ein Vertrauen auf das Fortbestehen der Richtlinienregelung über den 31.03.1999 hinaus berufen. Denn aufgrund der zum 01.04.1999 erfolgten Gesetzesänderung in § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG musste ihr klar sein, dass ab diesem Zeitpunkt der nationale Gesetzgeber einen Vorsteuerabzug aus Übernachtungskosten grundsätzlich nicht mehr zulassen wollte. Damit ist wegen des Vorranges der gesetzlichen Regelung die Verwatungsvorschrift hinfällig geworden und es bedurfte keiner formellen Aufhebung. Zutreffend weist das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung darauf hin, dass das BMF-Schreiben vom 05.11.1999 (BStBl. I 1999, 964) nur die Rechtslage klarstellte. Die Verwaltung war daher ab dem 01.04.1999 gehindert, A 196 Abs. 4 UStR 1996 weiterhin anzuwenden.

d) Allenfalls konnte sich die Klägerin auf das Recht der 6. EG-RL unmittelbar berufen. Hierzu hätte sie jedoch dafür Sorge tragen müssen, dass die Übernachtungsleistungen, die ihre Arbeitnehmer ab 01.04.1999 zugunsten des Unternehmens in Anspruch nahmen, unmittelbar ihr selbst in Rechnung gestellt worden wären, wie es auch in dem BMF-Schreiben vom 28.03.2001 (BStBl. I 2001, 251) zum Ausdruck kommt.

Die Klage konnte daher unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich sein.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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