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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: IV 200/2006
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 42 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

IV 200/2006

Einkommensteuer 1996 bis 1998

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 06.12.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen bei gleichzeitiger Vereinbarung einer dauernden Last ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist.

Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, sie erzielten neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die Klägerin erhielt mit notarieller Urkunde des Notars A in 1 vom 23.05.1969 (URNr. ) von ihrer Großmutter im Wege vorweggenommener Erbfolge das im Jahre 1957 mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück Straße 1, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts 2 für 3 Band 28 mit der FlNr. /4 sowie mit Urkunde vom 11.06.1969 des Notars A (URNr. ) von ihrer Mutter das angrenzende unbebaute Grundstück mit der FlNr. /1 und 10.000 DM von ihrem Vater.

Als Gegenleistung wurde zugunsten der Eltern der Klägerin ein unbefristetes Dauerwohnrecht bezüglich der Flurstück-Nummern /4 und /1 bestellt. Entsprechend Ziffer X des notariellen Vertrages vom 11.06.1969 erfolgte im Jahr 1970 die Erweiterung und Aufstockung des Wohnhauses durch die Klägerin zu einem Zweifamilienhaus mit einer Nutzfläche von ca. 100 qm je Wohnung. Im Jahr 1999 wurde dem Finanzamt bekannt, dass das Dachgeschoss bereits seit 1980 zu einer weiteren Wohnung mit 75 qm ausgebaut und von den Klägern eigengenutzt wird.

Mit als "Ablösung eines Dauerwohnrechts gegen Einräumung einer dauernden Last" bezeichnetem notariellen Vertrag vom 01.03.1985 (URNr. R) des Notars B verzichteten die Eltern der Klägerin auf das ihnen an dem Anwesen Straße 1 in 3 eingeräumte Dauerwohnrecht rückwirkend zum 01.01.1984. Die Klägerin schloss mit ihren Eltern am 06.01.1984 einen Mietvertrag über eine Wohnung im ersten Stockwerk mit vier Zimmern zum monatlichen Mietzins von 350 DM ab. Die Kläger verpflichteten sich, rückwirkend zum 01.01.1984 an die Mutter der Klägerin bzw. nach deren Tod an den Vater der Klägerin einen Betrag in Höhe von 400 DM als dauernde Last als Gesamtschuldner zu zahlen und zwar unter Vorbehalt der Abänderung nach § 323 ZPO. Zur Sicherung der dauernden Last bestellte die Klägerin eine Reallast zugunsten ihrer Mutter und ihres Vaters, das Dauerwohnrecht wurde im Grundbuch gelöscht. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 01.03.1985 verwiesen.

In den Steuererklärungen der zurückliegenden Jahre, mindestens ab dem Jahr 1990, ermittelten die Kläger die Einkünfte aus dem Grundstück in 3 durch Gegenüberstellung der Einnahmen zu den Werbungskosten. Dabei wurden Mieteinnahmen für die von den Eltern der Klägerin genutzte Wohnung im Obergeschoß jeweils mit 4.200 DM angegeben sowie ein Nutzungswert von 4,20 DM je qm der eigengenutzten Wohnung im Erdgeschoss bei einer Größe von 90 qm und der eigengenutzten Garage erklärt. Ein Wegfall der erklärten Nutzungswertbesteuerung für einen Zeitpunkt nach dem 31.12.1986 wurde nicht beantragt. Im Rahmen der Sonderausgaben gaben die Kläger jeweils als dauernde Last einen Betrag von 4.800 DM an.

In der Anlage V zur Einkommensteuererklärung 1998 machten die Kläger zunächst Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 157.232 DM geltend und erklärten einen Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 152.431 DM. Das Finanzamt folgte mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 18.10.1999 diesen Angaben und wies hierbei einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von ./. 64.949 DM aus. Mit nach § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1996 und 1997, ebenfalls jeweils vom 18.10.1999, berücksichtigte das Finanzamt für 1997 einen Verlustrücktrag aus 1998 in Höhe von 32.352 DM und für 1996 einen Verlustrücktrag aus 1998 in Höhe von 32.597 DM.

Im Anschluss an eine am 14.10.1999 durchgeführte und mit Bericht vom 26.11.1999 abgeschlossene betriebsnahe Veranlagung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass das Mietverhältnis steuerlich nicht anzuerkennen sei. Die Vereinbarung der Bestellung einer dauernden Last ab 01.01.1984 in Höhe von monatlich 400 DM bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Miete ab 01.01.1984 in Höhe von monatlich 350 DM sei als Gestaltungsmissbrauch anzusehen und deshalb die bisher durchgeführte Nutzungswertbesteuerung der eigengenutzten Wohnung aufgrund der großen Übergangsregelung nach § 21 EStG 1998 nicht mehr möglich. Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 17.12.1999 wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 0 DM und die Sonderausgaben für die dauernde Last statt mit den beantragten 4.800 DM nur noch mit 600 DM berücksichtigt. Hierdurch ergab sich ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 87.482 DM. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Aufgrund des positiven Gesamtbetrags der Einkünfte erließ das Finanzamt ebenfalls am 17.12.1999 nach § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1996.

Mit dem Einspruch wurde für die Kläger eine berichtigte Anlage V für 1998 für das Anwesen Straße 1 in 3 eingereicht, nach der sich ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen in Höhe von 103.188 DM ergab. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass auf dem Anwesen auch ein Anbau erstellt worden sei, der von der Klägerin ab dem Jahr 2000 umsatzsteuerpflichtig an den Kläger vermietet worden sei. Insoweit seien Aufwendungen bisher teilweise unberechtigt im Rahmen der Vermietung und Verpachtung geltend gemacht worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 31.05.2006 wies das Finanzamt die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1996, 1997 und 1998 vom 17.12.1999 als unbegründet zurück.

Zur Begründung wurde dabei ausgeführt, dass der geltend gemachte Werbungskostenüberschuss aus dem streitigen Mietverhältnis und die in Höhe der Miete geltend gemachte dauernde Last im Hinblick auf den entgeltlichen Verzicht der Mutter der Klägerin auf ihr Dauerwohnrecht an dem übertragenen Grundstück wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 Abs. 1 AO abzulehnen sei. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648) liege ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vor, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes unentgeltliches Wohnungsrecht wegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart werde. Im Streitfall hätten die Parteien der Grundstücksübertragung -die Klägerin und die Mutter bzw. die Eltern der Klägerin- durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreicht, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung der Übertragenden komme. Die Eltern der Klägerin erhielten 400 DM je Monat für die Aufgabe des Wohnungsrechts und würden 350 DM dafür bezahlen, dass sie die Wohnung als Mieter nutzen dürften. Beide Rechtsgeschäfte würden damit zu einem Ausgleich der Zahlungspflichten führen. Die Rechtsgeschäfte hätten für sich keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung, sondern würden lediglich dazu dienen, der Grundstückseigentümerin, also der Klägerin, die Abziehbarkeit von Sonderausgaben und von Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu verschaffen, ohne dass tatsächlich Einnahmen durch die Überlassung des Grundstücks erzielt würden.

Da ein Missbrauch i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO vorliege, entstehe der Steueranspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehe. Dies bedeute im Streitfall, dass die Eltern der Klägerin wirtschaftlich so zu stellen seien, wie wenn sie nach wie vor die Wohnung im ersten Obergeschoss unentgeltlich nutzen würden. Deshalb entstehe der Steueranspruch bei der Klägerin so, wie er bei einer unentgeltlichen Nutzung der Wohnung im ersten Obergeschoss durch ihre Eltern bestünde. Damit komme im Streitfall die sogenannte große Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 EStG 1998 nicht zur Anwendung und die Kläger würden daher im Streitjahr 1998 keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen, so dass die Rückgängigmachung des Verlustrücktrags aus dem Jahr 1998 durch die Einkommensteueränderungsbescheide vom 17.12.1999 für die Jahre 1996 und 1997 zu Recht erfolgt sei.

Zudem sei das Finanzamt nicht an eine bei früheren Veranlagungen zugrunde gelegte Rechtsauffassung gebunden, denn es gelte der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung müsse das Finanzamt zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte.

Mit der Klage wird für die Kläger sinngemäß begehrt, den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 17.12.1999 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 31.05.2006 dahin zu ändern, dass die Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 103.188 DM berücksichtigt werden. Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision beantragt.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass im Streitfall kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliege. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO sei nur dann gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt werde, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen sei, der Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche, nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei. Das Motiv, Steuern zu sparen, mache hingegen eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Auch Angehörigen stehe es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Der BFH habe mitUrteil vom 10.12.2003 (Az. IX R 12/01, BStBl. II 2004, 643) entschieden, dass beim Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliege, weil das Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen worden sei. Auch ein Nebeneinander von Wohnungsrecht und Mietvertrag sei zivilrechtlich zulässig und steuerrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der BFH habe sowohl mit dem genannten Urteil vom 10.12.2003 als auch mit einem weiterenUrteil vom 17.12.2003 (Az. IX R 60/98, BStBl. II 2004, 646) entschieden, dass die Auflösung eines vorbehaltenen Wohnrechts gegen eine dauernde Last in Verbindung mit dem Abschluss eines Mietvertrages nicht als Gestaltungsmissbrauch anzusehen sei. Das vom Finanzamt angeführte Urteil des BFH vom 17.12.2003 (Az. IX R 56/03) sei hingegen im Streitfall nicht einschlägig, da es nur den Fall des vorbehaltenen Wohnrechts behandle, im Streitfall aber das Wohnrecht von den Eltern der Klägerin entgeltlich erworben worden ist, denn diese hätten neben der Übertragung des Gartengrundstücks weitere 10.000 DM an die Klägerin geleistet. Zwar sei im Rahmen der Veranlagung und des Rechtsbehelfsverfahrens bisher von der Klägerseite vorgetragen worden, dass ein vorbehaltenes Wohnrecht begründet worden sei, jedoch sei durch die Hingabe der 10.000 DM und durch die Übertragung eines Gartengrundstücks, das an das Wohngrundstück anschließe, ein entgeltliches Wohnrecht entstanden.

Das Finanzamt beantragt unter Verweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Klageabweisung.

Dem Gericht liegt die vom Finanzamt überlassene Einkommensteuerakte der Kläger für die Jahre 1993 bis 1998 sowie die Akte über die betriebsnahe Veranlagung und die Einheitswertakte für das Grundstück Straße 1 in 3 vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Finanzamt im geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998 die Berücksichtigung des Werbungskostenüberschusses aus dem streitigen Mietverhältnis und der dauernden Last im Hinblick auf den entgeltlichen Verzicht der Eltern der Klägerin auf ihr Wohnungsrecht an dem --im Wege vorweggenommener Erbfolge-- übertragenen Grundstück wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Abs. 1 AO 1977) abgelehnt.

Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden (§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht.

1. Ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteile vom 16.01.1996 IX R 13/92, BStBl II 1996, 214;vom 14.01.2003 IX R 5/00, BStBl II 2003, 509, vom 17.12.2003 IX R 60/98, BStBl. II 2004, 646 m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29.11.1982 GrS 1/81, BStBl II 1983, 272; BFH-Urteil vom 19.10.1999 IX R 39/99, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl II 2003, 648).

2. Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das vermietete Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter auf den Vermieter übertragen wurde und der Mieter in diesem Zusammenhang auf ein bei der Grundstücksübertragung zu seinen Gunsten eingeräumtes Wohnungsrecht an dem Vermietungsobjekt --unentgeltlich-verzichtet. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass die Eigentumsübertragung einerseits und die anschließende Vermietung andererseits jeweils zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennt und deshalb auch steuerrechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Danach kann ein Gestaltungsmissbrauch nicht allein mit der Begründung bejaht werden, die im Zusammenhang mit dem Erwerb vereinbarte Versorgungsleistung an den Übertragenden (als dauernde Last) entspreche der Höhe nach im Wesentlichen der vereinbarten Miete (BFH-Urteil in BStBl II 2003, 648 ).

3. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt aber vor, wenn die Parteien der Grundstücksübertragung durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreichen, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt. Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Beteiligten durch zivilrechtlich mögliche Gestaltungen zwar wechselseitige Zahlungspflichten begründen, damit aber die Position des unentgeltlich Nutzenden tatsächlich und wirtschaftlich nicht verändern. So verhält es sich, wenn der Abschluss eines Mietvertrages mit der entgeltlichen Aufgabe des unentgeltlichen Wohnungsrechts verbunden wird und dieses Vertragsgeflecht den Verzichtenden im Ergebnis so stellt, wie er stünde, wenn die vertraglichen Vereinbarungen auf der Nutzungsebene nicht abgeschlossen worden wären und er unverändert sein unentgeltliches Nutzungsrecht ausüben würde (vgl. BFH-Urteile vom 13.10.1993 X R 86/89, BStBl II 1994, 451;vom 25.07.1995 IX R 66/93, BFH/NV 1996, 123;vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648; Mellinghoff in Kirchhof, EStG § 21 Rz. 36; Fischer in FR 2004, 720).

4. Im Streitfall haben die Kläger und die Eltern durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene im Jahr 1984/1985 erreicht, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt. Vor dem Jahr 1984 hatten die Eltern der Klägerin ein unentgeltliches Nutzungsrecht. Durch die Vereinbarungen der Jahre 1984/1985 haben die Eltern zwar den Verzicht auf das Wohnungsrecht erklärt und einen entgeltlichen Mietvertrag mit einem monatlichen Mietzins von 350 DM sowie eine Vereinbarung einer dauernden Last mit einer monatlichen Zahlung von 400 DM an die Eltern abgeschlossen. Im Ergebnis bestand damit für die Eltern der Klägerin weiterhin ein Wohnrecht, ohne dass hierfür eine Zahlung zu leisten war. Die Vereinbarungen wurden auch in engem zeitlichen Zusammenhang, nämlich weitgehend in der notariellen Urkunde vom 01.03.1985 geregelt. Der von den Klägern verwirklichte Sachverhalt entspricht der Sachverhaltsgestaltung, bei welcher der BFH mit Urteil vom 17.12.2003 einen Gestaltungsmissbrauch angenommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648). Zwar waren in dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt der Betrag des Mietzinses und der dauernden Last mit 400 DM identisch, während im Streitfall der Betrag der dauernden Last den Mietzins um 50 DM übersteigt. Dies ist jedoch nach der Überzeugung des Senats unerheblich, denn der BFH stellt in der o.g. Entscheidung (Ziffer 1b) eindeutig darauf ab, dass nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen es nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt. Aus der Sicht der Übertragenden - also der Mutter bzw. der Eltern der Klägerin - kommt es jedoch nicht zu einer entgeltlichen Nutzung; diese erhalten im Gegenteil noch 50 DM im Monat. Den vom Klägervertreter angeführten BFH Entscheidungen lag ein vom Streitfall in maßgeblichen Punkten abweichender Sachverhalt zugrunde. Bei den BFH-Urteilen vom 10.12.2003 (Az.: IX R 12/01, BStBl. II 2004, 643) und vom 17.12.2003 (Az.: IX R 8/98, BFH/NV 2004, 939 ) war die dauernde Last als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung vereinbart. Im Streitfall fand der Eigentumsübergang aber bereits im Jahr 1969 und damit 16 Jahre vor Begründung des Mietverhältnisses und der dauernden Last statt. Bei den, den weiteren BFH-Urteilenvom 17.12.2003 (IX R 60/98, BStBl. II 2004, 646; IX R 60/01, BFH/NV 2004, 1276) zugrundeliegenden Sachverhalten wurde im Gegensatz zum Streitfall zwar ein Mietverhältnis, nicht aber eine dauernde Last begründet. Die Übertragenden hatten also im Ergebnis eine Zahlung zu leisten. Damit fehlt es bei diesen vom BFH entschiedenen Gestaltungen gerade daran, dass nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen es nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt.

5. Entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten hatten die Eltern der Klägerin im Jahr 1969 auch ein unentgeltliches Wohnrecht erhalten. Hieran ändert auch der Betrag von 10.000 DM, den der Vater nach Ziffer XI 9 des notariellen Vertrages vom 11.06.1969 an die Klägerin zu zahlen hatte, nichts. Zum einen hatte die Mutter der Klägerin, die ja zuvor Alleineigentümerin der Fl.Nr. /4 war, für die Einräumung des Wohnrechts im Jahr 1969 keine Zahlung zu leisten. Zum anderen hat der Vater der Klägerin die Zahlung der 10.000 DM nach dem eindeutigen Wortlaut des notariellen Vertrages für den Ausbau der geplanten Wohnung gezahlt. Die Zahlung erfolgte für die 1970 vorgenommene Erweiterung und Aufstockung des Wohnhauses. Damit haben beide Elternteile 1969 ein unentgeltliches Wohnrecht erhalten.

6. Die Kläger können den Abzug der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten auch nicht deshalb beanspruchen, weil das Finanzamt in den Vorjahren entsprechende Aufwendungen als Werbungskosten behandelt hat. Das Finanzamt ist grundsätzlich berechtigt, den noch offenen Veranlagungen die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde zu legen. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muss das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut prüfen, rechtlich würdigen und eine als falsch erkannte Rechtauffassung zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, selbst wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (vgl. BFH-Beschluss vom 04.05.2005 XI B 224/03, BFH/NV 2005, 1483). Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt für sich genommen die Bildung eines Vertrauenstatbestandes aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht. Das gilt nur dann nicht, wenn sich das Finanzamt für die Folgejahre durch Zusagen oder Zusicherungen gebunden hat (vgl. Blümich/Stuhrmann, EStG § 2, Rz. 104; Schwarz in Frotscher, EStG § 2, Rz. 57). Entsprechende Zusagen oder die Erteilung einer verbindlichen Auskunft sind weder von Klägerseite vorgetragen, noch sonst aus den Akten ersichtlich.

7. Liegt danach ein Missbrauch i.S. von § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vor, so entsteht der Steueranspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Das bedeutet im Streitfall: Wird die Vermietung durch ein gegenläufiges Rechtsgeschäft aufgehoben und --wie hier-- der Nutzende wirtschaftlich so gestellt, wie wenn er nach wie vor unentgeltlich nutzte, so muss dies auch steuerrechtlich gelten. Deshalb entsteht der Steueranspruch der Kläger so, wie er bei unentgeltlicher Nutzung der Wohnung durch die Eltern entsteht. Damit haben die Kläger keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Die Voraussetzungen der sogenannten großen Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 EStG 1998 liegen somit nicht mehr vor.

8. Der Senat kann es bei der von ihm vertretenen Rechtsauffassung dahingestellt sein lassen, ob der vom Prozessbevollmächtigten angesetzte Mietwert der eigengenutzten Wohnung hinsichtlich der Angemessenheit der Höhe des Mietwertes je qm und der fehlenden Berücksichtigung der Dachgeschosswohnung (75 qm) zutreffend wäre.

9. Wegen der ebenfalls mit Klage angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 1996 und 1997 vom 17.12.1999 haben die Kläger keinen Klageantrag gestellt. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Finanzamt in diesen Bescheiden zu ihren Lasten die Steuer zu hoch festgesetzt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143, 135 Abs. 1 FGO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Streitsache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage des Gestaltungsmissbrauchs bei Aufgabe eines unentgeltlichen Wohnrechts gegen Gewährung einer dauernden Last bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Mietverhältnisses.



Ende der Entscheidung

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