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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: IV 267/06
Rechtsgebiete: EStG, AO
Vorschriften:
EStG § 64 Abs. 1 | |
EStG § 64 Abs. 2 | |
AO § 37 Abs. 2 |
In dem Rechtsstreit
...
hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg
durch
aufgrund mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 25.09.2008
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Der Rückforderungsbescheid vom 15.12.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 werden aufgehoben; der Kindergeldanspruch der Beigeladenen wird insoweit als erfüllt angesehen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Am 02.02.1995 beantragte der Kläger Kindergeld für seinen und der Beigeladenen Sohn A. Mit Antrag auf Kindergeld vom 31.12.1999 teilte der Kläger der Familienkasse die Geburt seines zweiten Sohnes B am 13.12.1999 sowie eine neue Bankverbindung (Konto Nr.: ; BLZ: ) mit. Der Kläger versicherte mit seiner Unterschrift alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen. Die Beigeladene erklärte sich mit ihrer Unterschrift damit einverstanden, dass dem bisherigen Berechtigten - dem Kläger - das Kindergeld auch für das gemeinsame Kind B gezahlt wird.
Das Kindergeld wurde in der Folgezeit laufend auf das angegebene Konto gezahlt. Am 25.11.2004 erhielt die Familienkasse davon Kenntnis, dass sich der Kläger zum 01.09.2003 aus der bisherigen gemeinsamen Wohnung in der Str. 1 in 2 abgemeldet hat und in die Str. 2 nach 1 gezogen ist. Die Beigeladene und die beiden Kinder sind in der Str. 1 in 2 verblieben.
Mit Antrag vom 28.02.2005 beantragte die Beigeladene Kindergeld für die beiden Kinder. Als Konto gab sie das gleiche an, auf das zuvor das Kindergeld gezahlt worden war. Seit Februar 2005 wird daher das Kindergeld nach wie vor auf das Konto der Beigeladenen Nr.: bei der Sparkasse 1 - (BLZ: ) gezahlt.
Mit Bescheid der Familienkasse 1 vom 15.12.2005 wurde gegenüber dem Kläger die Kindergeldfestsetzung für die Kinder A (geb. 02.06.1988) und B (geb. 13.12.1999) nach § 70 Abs. 2 EStG ab September 2003 aufgehoben und das für die Zeit von September 2003 bis Januar 2005 in Höhe von 5.236 EUR ausbezahlte Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert.
Zur Begründung wurde angeführt, dass nach § 64 Abs. 1 EStG für jedes Kind nur einer Person Kindergeld gezahlt werde. Da die Mutter der Kinder diese in ihren Haushalt aufgenommen habe, habe sie den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 wies die Familienkasse darauf hin, dass sie aus Billigkeitsgründen von einer Rückforderung absehen könnte, wenn eine Erklärung des anderen Elternteils vorgelegt werde, dass das Kindergeld an diesen weitergeleitet worden sei und der andere Elternteil daher seinen Anspruch als erfüllt ansehe. Die Einspruchsentscheidung trägt einen Absendevermerk vom gleichen Tag und wurde an die bereits im Vorverfahren für den Kläger tätige Prozessbevollmächtigte gegen Empfangsbekenntnis nach § 5 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG - zugestellt. Im Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten wird ein Erhalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 am 05.04.2006 bestätigt.
Die Prozessbevollmächtigte hat für den Kläger Antrag auf Prozesskostenhilfe -PKH- unter ihrer Beiordnung gestellt und zur Begründung für die hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage einen Klageentwurf beigefügt. Der Prozesskostenhilfeantrag mit Anlagen und der Klageentwurf gingen am 05.05.2006 bei Gericht ein.
Zur Begründung wurde Folgendes vorgetragen:
Die Einspruchsentscheidung sei erst am 05.04.2006 in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten eingegangen; dies sei dem Eingangsstempel der Kanzlei zu entnehmen. Der Kläger habe sich im August 2003 von seiner Ehefrau, der Mutter der beiden gemeinsamen Kinder A und B, getrennt und sei aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen. Die Ehe sei zwischenzeitlich geschieden. Das Kindergeld sei weiterhin auf das Konto der Beigeladenen bei der Sparkasse 1 - geflossen. Er habe aber seine Verfügungsberechtigung über dieses Konto im August 2003 löschen lassen. Zum Nachweis legte er ein Schreiben der Sparkasse 1 - vom 15.04.2005 vor, nach dem die Kontovollmacht des Klägers über das Konto, auf welches das Kindergeld bezahlt wurde, zum 21.08.2003 gelöscht wurde. Die Beigeladene, die das Kindergeld von der Familienkasse 1 im Zeitraum von September 2003 bis Januar 2005 auch erhalten habe, weigere sich nun, gegenüber der beklagten Familienkasse eine Erklärung abzugeben, dass sie das Kindergeld für beide Kinder im Streitzeitraum erhalten habe und sie dadurch ihren Anspruch auf Kindergeld für diesen Zeitraum als erfüllt ansehe. Es wäre treuwidrig, wenn die Beigeladene auf diese Weise ein zweites Mal das Kindergeld ausbezahlt erhalten würde.
Die Familienkasse wies darauf hin, dass eine Klage wegen Ablaufs der Klagefrist unzulässig sei. Im Übrigen sei eine Klage auch unbegründet; insoweit werde auf die Ausführungen im Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 15.12.2005 sowie in der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 verwiesen.
Mit Beschluss vom 07.08.2006 (versendet am 14.08.2006) wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt. Am 23.08.2006 hat er verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag Klage erhoben. Er hat darauf hingewiesen, dass er bis zur Gewährung der Prozesskostenhilfe ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Klage einzureichen.
Die Beiladung erfolgte mit Beschluss vom 27.02.2008. Auch der Beigeladenen wurde mit Beschluss vom 01.08.2008 Prozesskostenhilfe gewährt.
Der Kläger hat beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 15.12.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 aufzuheben.
Die beklagte Familienkasse hat unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsentscheidung beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Nach Auskunft der Beklagten erfolgte eine Auszahlung des Kindergeldes für den Zeitraum September 2003 bis Januar 2005 an die Beigeladene nicht. Die Beigeladene hat sich dagegen bisher auch nicht gewendet.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beigeladenen klargestellt, dass diese die Weiterleitungserklärung nicht unterschreiben werde. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sich der Kläger der Beigeladenen gegenüber sehr unfair verhalten habe, u.a. sei er gewalttätig gewesen. Die Vertreterin des Klägers hat mitgeteilt, dass eine Zivilrechtsklage gegen die Beigeladene nach § 894 ZPO nicht erhoben worden sei.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg. Sie begehrt nur die Aufhebung des Rückforderungsbescheids vom 15.12.2005, nicht die des Aufhebungsbescheids vom gleichen Tag. Der Aufhebungsbescheid ist zu Recht ergangen, weil die Kinder im Haushalt der Mutter gelebt haben.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger innerhalb der Klagefrist gegen die Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 keine Klage erhoben, sondern nur einen Prozesskostenhilfeantrag mit einem Klageentwurf bei Gericht eingereicht hat. Denn ein Beteiligter, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel wirksam zu erheben, ist bis zur Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag gehindert, ein Rechtsmittel einzulegen. Nach Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch (Bewilligung oder Ablehnung) ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er diese beantragt, die angekündigte Klage tatsächlich einreicht und vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung des Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit oder Mutwilligkeit rechnen musste. Jedoch muss er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare getan haben, um das in der Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beseitigen. Das erfordert nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung - der sich der Senat anschließt - dass er innerhalb der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch zusammen mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen einreicht und sein Begehren zumindest laienhaft substantiiert (vgl. BFH-Beschlüsse vom 03.04.1987 VI B 150/85, BStBl. II 1987, 573; vom 03.02.2005, VII B 304/03, BFH/NV 2005, 1111; Gräber/Stapperfend, FGO, 6. Auflage, § 56 Rz 20 "Armut"; Söhn bei Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, § 56 Rz 114; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, § 142 Rz 33; Brandis bei Tipke/Kruse, FGO, § 142 Rz 7, 15).
Da der Kläger innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Prozesskostenhilfe-Beschlusses Klage erhoben hat, steht die Erhebung der Klage erst nach Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag deren Zulässigkeit nicht entgegen (§ 56 FGO).
b) Der Kläger hat für den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit der angekündigten Klage die nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO bestehende Klagefrist von einem Monat gewahrt. Zum Nachweis der Zustellung nach der von der Familienkasse für die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung verwendeten Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG a.F.; entspricht § 5 Abs. 4 VwZG n.F.) genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behörde zurückzusenden ist. Die Prozessbevollmächtigte hat mit Empfangsbekenntnis einen Erhalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2006 am 05.04.2006 bestätigt. Zwar ist es ungewöhnlich, dass der Prozessbevollmächtigten ein Schreiben vom 20.03.2006 erst am 05.04.2006 und damit über 2 Wochen später zugegangen ist, aber die Zustellung § 5 Abs. 2 VwZG a.F. wird erst wirksam, wenn der Zustellungsempfänger von dem Zugang des zuzustellenden Schriftstücks Kenntnis erlangt und aufgrund dieser Kenntnis den Willen bekundet, die Zustellung entgegenzunehmen. Der Zeitpunkt des Zugangs muss sich grundsätzlich aus dem Empfangsbekenntnis und dem dort niedergelegten Datum ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 14.09.1998 VII B 135/98, BFH/NV 1999, 530; Linssen in Beermann/Gosch, VwZG, § 5 Rz 35 und 37; Tipke/Kruse, VwZG, § 5 Rz 5).
2. Die Klage ist auch begründet.
a) Nach § 64 Abs. 1 EStG 2004 wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Kinder leben seit September 2003 unstreitig im Haushalt der Beigeladenen. Damit steht dem Kläger das Kindergeld für die Kinder ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu.
b) Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages, wenn eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund bezahlt oder zurückgezahlt worden ist. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist ein Dritter als tatsächlicher Empfänger einer Zahlung dann nicht Leistungsempfänger im Sinne des § 37 Abs. 2 AO, wenn die Behörde aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigten an einen Dritten zahlt. Leistungsempfänger ist danach nicht der Zahlungsempfänger, sondern der tatsächliche Rechtsinhaber (vgl. BFH-Urteil vom 29.01.2003 VIII R 64/01, BFH/NV 2003, 905).
Der kindergeldrechtliche Rückforderungsanspruch richtet sich damit grundsätzlich gegen den Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO. Nach der Rechtsprechung des BFH muss deshalb der Elternteil, der das Kindergeld beantragt hat, dieses zurückzahlen, auch wenn das Kindergeld letztlich auf ein Konto des vorrangig Berechtigten geflossen ist (vgl. BFH o.a., BFH/NV 2003, 905). Wenn die Auszahlung auf Anweisung des Antragstellers an seine Ehefrau erfolgt, so fungiert diese lediglich als Zahlstelle. In einer anderen Eigenschaft tritt sie gegenüber der Familienkasse nicht auf (BFH-Beschluss vom 28.03.2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117). Auch nach dem Urteil des BFH vom 25.03.2003 (VIII R 84/98) kann die Kindergeldkasse mit befreiender Wirkung auf das von dem Kindsvater benannte Konto zahlen. Die Kindergeldbehörde erbringt dann ihre Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber zu erfüllen. Das Finanzgericht München hat mit Urteil vom 04.06.2008 (10 K 2142/07) ebenfalls entschieden, dass, wenn die Behörde aufgrund einer Anweisung des (vermeintlich) Vergütungsberechtigten an dessen von ihm getrennt lebende Ehefrau auf deren eigenes Konto zahlt, nicht die Ehefrau als tatsächliche Empfängerin der Zahlung, sondern der Anweisende als Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO anzusehen ist. Der BFH hat mit Urteil vom 16.03.2004 (VIII R 78/03, BFH/NV 2004, 1218) in einem mit dem Streitfall vergleichbaren Fall, in dem der nachrangig Berechtigte über das Konto, auf das das Kindergeld überwiesen wurde, nicht mehr verfügungsberechtigt war, sondern seine Verfügungsberechtigung gekündigt hatte, ausgeführt, dass nicht der tatsächliche Empfänger der Zahlung Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ist, sondern der nachrangig Berechtigte.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Zahlt die Familienkasse auf ein von einem Antragsteller genanntes Konto, so wird sie von ihrer Leistung frei und es tritt Erfüllung ein, unabhängig davon, wer Rechtsinhaber dieses Kontos ist. Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ist dann auch derjenige, für den die Familienkasse bezahlen wollte, unabhängig davon, auf wessen Konto das Kindergeld geflossen ist.
c) Ein nachrangig Berechtigter kann gegenüber dem Rückforderungsanspruch der Familienkasse gem. § 37 Abs. 2 AO grundsätzlich auch nicht geltend machen, er habe das Kindergeld an die Kindesmutter als vorrangig Berechtigte weitergeleitet. Nur wenn die vorrangig Berechtigte auf dem amtlichen Vordruck bestätigt, dass sie das Kindergeld erhalten hat und ihren Anspruch als erfüllt ansieht, kann der Rückforderungsanspruch gegenüber dem nachrangig Berechtigten und der Kindergeldanspruch des vorrangig Berechtigten als erloschen behandelt werden (vgl. z.B. Urteil des BFH o.a., BFH/NV 2003, 905 m.w.N.). Denn es kann im sog. Weiterleitungsverfahren nicht Aufgabe der Familienkasse sein, Unterhaltsvereinbarungen bzw. -zahlungen unter verschiedenen Kindergeldberechtigten (Ehegatten) zu berücksichtigen, zu überprüfen und zivilrechtlich zu beurteilen. Bei Wechsel der Anspruchsberechtigung ist es vielmehr Sache der Kindergeldberechtigten, ihre privatrechtlichen Vereinbarungen der Gesetzeslage anzupassen oder bei verspäteter Anpassung mögliche Überzahlungen auf privatrechtlichem Weg auszugleichen (vgl. Urteil des BFH vom 14.05.2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425).
d) Der erkennende Senat schließt sich auch diesen Grundsätzen an. Danach ist grundsätzlich nur bei Vorliegen der unterschriebenen Weiterleitungserklärung davon auszugehen, dass der Kindergeldanspruch der vorrangig Berechtigten als erfüllt anzusehen ist. Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass dies nicht ausnahmslos gilt, sondern bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen von einer Weiterleitung auch dann auszugehen ist, wenn die vorrangig Berechtigte den amtlichen Vordruck nicht ausfüllt. Solche besonderen Voraussetzungen liegen im Streitfall aus folgenden Gründen vor:
Es ist unstreitig, dass das Kindergeld im Streitzeitraum der materiell-berechtigten Beigeladenen tatsächlich zugeflossen ist. Es wurde auf ein Konto der Beigeladenen bezahlt. Der Kläger hat durch das Schreiben der Sparkasse 1... - vom 15.04.2005 nachgewiesen, dass er ab seinem Auszug aus der gemeinsamen Familienwohnung keinen Zugriff mehr auf das Konto gehabt hat, sondern seine Verfügungsberechtigung löschen ließ. Damit tritt nach Auffassung des Senats die zweifellos gegebene Verletzung der Mitwirkungspflicht dadurch, dass er der Familienkasse seinen Auszug nicht mitgeteilt hat, in den Hintergrund. Denn er hat alles getan, dass die Beigeladene das Kindergeld auch bekommt. Außerdem hat die Beigeladene in ihrem Antrag auf Kindergeld vom 28.02.2005 auf der Rückseite unter 6. selbst angegeben, dass sie zuvor schon das Kindergeld erhalten hat. Sie hat auch -jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung- keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, ihr für den Zeitraum September 2003 bis Januar 2005 nochmals Kindergeld auszuzahlen. Ihr ganzes Verhalten deutet daher dahin, dass sie selbst bisher ihren Kindergeldanspruch als erfüllt angesehen hat.
Wenn sie bei dieser Sach- und Rechtslage die Unterschrift auf der Weiterleitungserklärung deshalb verweigert, weil sie über den Kläger -wenn auch möglicherweise zu Recht- verärgert ist, so gebieten es nach Auffassung des Senats der Rechtsgedanke des Schikaneverbots (§ 226 BGB) und der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) trotz der nicht vorliegenden Weiterleitungserklärung von einer Rückforderung gegenüber dem Kläger abzusehen und den Kindergeldanspruch der Beigeladenen als erfüllt anzusehen. Der Senat sieht insoweit eine gewisse Vergleichbarkeit mit Fällen, in denen ein Ehegatte einen Antrag auf getrennte Veranlagung stellt, obwohl sich für ihn keine steuerliche oder wirtschaftliche Auswirkung ergibt. Der Antrag ist dann wirkungslos (vgl. Schmidt/Seeger, EStG, 27. Auflage, § 26 Rz 22).
Außerdem ginge im Streitfall ein Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die Beigeladene wahrscheinlich ins Leere, da diese vermögenslos ist und zivilrechtliche Ansprüche ihr gegenüber für den Kläger deshalb nicht durchsetzbar sind. Der Senat hält es bei dieser Konstellation nicht für gerechtfertigt, den Kläger auf die Möglichkeit einer Zivilrechtsklage nach § 894 ZPO zu verweisen. Dies würde nur zu weiteren Kosten -eventuell auch für die Staatskasse- führen.
Hinzu kommt, dass ein Anspruch der Beigeladenen auf das Kindergeld für den streitigen Zeitraum September 2003 bis Januar 2005 möglicherweise -jedenfalls zum Teil- schon wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden könnte.
Nach alledem hält es der Senat für gerechtfertigt, trotz der nicht vorliegenden Weiterleitungserklärung den Kindergeldanspruch der Beigeladenen bis einschließlich Januar 2005 als erfüllt anzusehen und den Rückforderungsbescheid dem Kläger gegenüber aufzuheben. Die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme besteht in diesem Fall nicht, auch einer Überprüfung der zivilrechtlichen Ansprüche der Ehegatten gegeneinander bedarf es nicht.
Dieses Ergebnis widerspricht im Übrigen nicht der Interessenlage der Familienkasse. Andernfalls müsste sie einerseits das Kindergeld erneut an die Beigeladene auszahlen, liefe aber andererseits Gefahr, den Rückforderungsanspruch dem Kläger gegenüber wegen dessen Vermögenslosigkeit nicht oder nur schwer durchsetzen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig nach § 139 Abs. 4 FGO, da sie keine Sachanträge gestellt und das Verfahren auch nicht gefördert hat.
Die Revision wird nach § 115 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Ende der Entscheidung
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