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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: IV 331/2006
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 7g Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

IV 331/2006

Einkommensteuer 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 24.04.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Änderungsbescheides nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war von 1990 bis 1995 an der A Ingenieurgesellschaft GmbH mit zuletzt 46 v.H. beteiligt. Am 01.03.1995 eröffnete der Kläger ein Planungsbüro und erzielt seit dieser Zeit als Selbständiger Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit "Planungsbüro und Ingenieur". Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie mit dem Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Die Gewinnermittlung für die als "Planungsbüro und Ingenieur" benannte freiberufliche Tätigkeit des Klägers erfolgt gemäß § 4 Abs. 3 EStG. In der vom damaligen Steuerberater erstellten Gewinnermittlung für das Jahr 2000 war der Gewinn wegen der Bildung einer Ansparabschreibung um 30.000 DM niedriger ausgewiesen. In den Erläuterungen zur Gewinnermittlung 2000 war ausgeführt, dass eine Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 7 EStG (Ansparabschreibung für Existenzgründer) für die geplante Anschaffung einer Computeranlage (20.000 DM) und eines Kraftfahrzeugs (40.000 DM) in Höhe von 50% der geplanten Aufwendungen, also eines Betrages von 30.000 DM beantragt werde (Aufl. 2005).

Der erklärte Gewinn wurde vom Finanzamt unverändert übernommen.

Im Jahr 2001 und im Streitjahr 2002 wurde die Rücklage unverändert fortgeführt. In den Erläuterungen zur Gewinnermittlung für 2002 wurde vermerkt: "Ansparabschreibung § 7 g Abs. 7 EStG aus Kalenderjahr 2000 (Aufl. 2005)."

Für das Streitjahr 2002 erklärten der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 45.597 EUR. Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 16.04.2004 wurden die Kläger dementsprechend veranlagt.

In der Einnahme- und Überschussrechnung für das Jahr 2003 löste der Kläger die Rücklage in Höhe eines Betrages von 1.672,93 EUR auf. Sie wurde hierbei als Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG bezeichnet.

Mit daraufhin nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 16.11.2004 erhöhte das Finanzamt die festgesetzten Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 17.179 EUR (Auflösung der 7g-Rückstellung: 15.339 EUR; Verzinsung von 2 x 6%: 1.840 EUR) auf 62.776 EUR. In den Erläuterungen zur Festsetzung ist ausgeführt, dass der Kläger kein Existenzgründer i.S. des § 7 g Abs. 7 EStG sei.

Mit der Klage beantragt der Klägervertreter,

den Einkommensteueränderungsbescheid vom 16.11.2004 und die Einspruchsentscheidung dazu vom 12.10.2006 aufzuheben.

Für den Fall des Unterliegens beantragt er

die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Er verweist wegen der Begründung der grundsätzlichen Bedeutung auf die Ausführungen in der Klageschrift auf Seite 8.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Finanzamt seien keine Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt geworden, die zu einer höheren Steuer führen würden. Die Beteiligung des Klägers an der A Ingenieurgesellschaft GmbH sei dem Finanzamt bereits vor Aufstellung der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG für das Jahr 2000, in der die Rücklage nach 7g Abs. 7 EStG gebildet wurde, bekannt gewesen. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1995 habe der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 17 EStG erklärt und dabei darauf hingewiesen, dass er seine Gesellschaftsanteile an der GmbH mit notarieller Urkunde des Notars B vom 10.03.1995 veräußert habe. Bei einer Behörde gelte das als bekannt, was sich aus dem Inhalt der von ihr geführten Akten ergebe, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankomme (vgl. BFH-Urteil vom 05.12.2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588). Eine Tatsache müsse der Finanzbehörde nur einmal bekannt gewesen sein und müsse nicht in jedem Veranlagungsjahr erneut bekannt gemacht werden.

Die Finanzbehörde hätte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht bereits bei der Veranlagung 2000, spätestens aber bei der Veranlagung 2002, etwaigen Unklarheiten und Zweifelsfragen nachgehen müssen, die sich bei der Prüfung der Steuererklärung sowie der dazu eingereichten Unterlagen aufdrängten. Die Kläger seien ihren Erklärungspflichten hingegen stets nachgekommen, sie hätten sich lediglich hinsichtlich der Voraussetzungen für die Bildung und Auflösung der Existenzgründerrücklage geirrt. In den Gewinnermittlungen der Jahre 2000 bis 2002 sei stets auf die Rücklage nach 7g Abs. 7 EStG aufmerksam gemacht worden. Zudem habe der Kläger die Existenzgründerrücklage in den Jahren 2003 und 2004 gewinnerhöhend aufgelöst und im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung versteuert.

Schließlich sei das Vertrauen der Kläger als steuerliche Laien in die Gewährung der Rücklage für Existenzgründer nach § 7 g Abs. 7 EStG im Hinblick auf ihre steuerlichen Dispositionen so schutzwürdig, dass die klar und eindeutig bei der Gewinnermittlung für das Jahr 2000 gegenüber dem Finanzamt als Existenzgründerrücklage dokumentierte Rücklage im Jahr 2002 nicht aufzulösen sei und der Bescheid nicht nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden könne. Die Änderung eines Bescheides nach dieser Norm sei nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Das Finanzamt verletze seine Ermittlungspflicht, wenn es wie im Streitfall ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei der Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgehe.

Das Finanzamt beantragt

Klageabweisung.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Tatsache, dass der Kläger kein Existenzgründer ist, der Behörde erst nachträglich, nämlich bei der Veranlagung für das Jahr 2003, bekannt geworden sei. In den Erläuterungen zur Gewinnermittlung für das Jahr 2003 sei die steuerfreie Rücklage bei ihrer teilweisen Auflösung als eine Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG bezeichnet worden. Da eine Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG aus dem Jahr 2000 spätestens im Jahr 2002 aufzulösen gewesen sei, habe das Finanzamt weitere Ermittlungen angestellt und dabei festgestellt, dass der Kläger wegen seiner Beteiligung an der GmbH bis 1995 kein Existenzgründer i.S. des § 7 g Abs. 7 EStG sei.

Zwar hätte das Finanzamt die fehlende Existenzgründereigenschaft des Klägers aus dem Akteninhalt bei genauester Prüfung eventuell ersehen können. Im Streitfall habe der Kläger bzw. sein steuerlicher Vertreter seine Mitwirkungspflicht jedoch nicht erfüllt, da er über die Existenzgründereigenschaft falsche Angaben gemacht habe. Die Ermittlungspflicht der Behörde werde durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt. Bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe werde die Kenntnis und sachgemäße Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften erwartet. Das Finanzamt sei nicht verpflichtet, den Sachverhalt auf alle möglichen Fallgestaltungen zu erforschen. Es dürfe regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Steuererklärungen ausgehen. Auch im Streitfall habe die Behörde keinen Grund gehabt, an der Richtigkeit der gemachten Angaben zu zweifeln, denn in den Vorjahren seien keine Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Nr.1 bis 3 EStG erklärt worden. Letztmals seien im Jahr 1995 Einnahmen aus Kapitalvermögen als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft erklärt worden und dies liege bereits 7 Jahre vor dem Streitjahr 2002. Erst im Jahr 2003 habe für das Finanzamt eine Ermittlungspflicht bestanden, der es nachgekommen sei. Selbst wenn dem Finanzamt eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht vorzuwerfen sei, sei entscheidend, dass der Kläger durch falsche Angaben hinsichtlich der Existenzgründereigenschaft seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Eine Änderung nach der Vorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 AO sei jedoch nur dann nicht möglich, wenn der Verstoß des Finanzamts deutlich überwiege.

Ein Nebeneinander von Rücklagen nach § 7 g Abs. 7 und § 7 g Abs. 3 EStG sei gesetzessystematisch ausgeschlossen. Es bestehe auch kein Wahlrecht zwischen diesen Rücklagen. Da im Streitfall die Voraussetzung einer Rücklage nach § 7 g Abs. 7 mangels Existenzgründereigenschaft nicht vorliege, sei die Rücklage als eine nach 7 g Abs. 3 EStG zu behandeln (vgl. Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 25.01.2005 1 K 1489/04, EFG 2005, 941). Deshalb sei auch ein Gewinnzuschlag nach § 7 g Abs. 5 EStG festzusetzen.

Dem Gericht liegen die vom Finanzamt überlassenen zwei Bände Einkommensteuerakten der Kläger für 1993 bis 2001 und für das Streitjahr sowie die Bilanzakten des Klägers für die Jahre 2000 bis 2003 vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Finanzamt war berechtigt, den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 16.11.2004 zu erlassen.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 sind Steuerbescheide unter anderem dann aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

1. Für das Finanzamt war es bei Erlass des Änderungsbescheides vom 16.11.2004 eine neue Tatsache, dass der Kläger kein Existenzgründer im Sinne des § 7 g Abs. 7 EStG ist.

a) Eine Tatsache ist "neu", wenn sie das Finanzamt bei Erlass des ursprünglichen Steuerbescheides (genauer: bei abschließender Zeichnung des entsprechenden Eingabewertbogens (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.1998 I R 82/97, BStBl II 1998, 552; Klein/Rüsken AO § 173 Rz. 53) noch nicht kannte. Eine Tatsache gilt allerdings dann nicht als "neu", wenn sie dem Finanzamt bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht (vgl. § 88 AO 1977) nicht verborgen geblieben wäre, sofern der Steuerpflichtige seinerseits seiner Mitwirkungspflicht voll genügt hat (vgl. BFH-Urteile vom 11.02.1998 a.a.O. in BStBl II 1998, 552; und vom 13.11.1985 II R 208/82, BStBl II 1986, 241; Frotscher in Schwarz AO, § 173 Rz. 55). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (vgl. BFH-Urteile vom 11.02.1998 I R 82/97, BStBl. II 1998, 552; und vom 05.12.2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588; Loose bei Tipke/Kruse AO/FGO, § 173 AO Rz. 34 und 37; Klein/Rüsken AO § 173 Rz. 62). Hierbei kommt es auf den Wissensstand und damit den Aktenbestand der zur Bearbeitung des Steuerfalles berufenen Dienststelle an (vgl. BFH-Urteil vom 02.07.2003 XI R 8/03, BStBl 2003, 803; Loose bei Tipke/Kruse AO/FGO, § 173 AO Rz. 33 f; Klein/Rüsken AO § 173 Rz. 61). Nicht ohne weiteres als bekannt gilt der Inhalt älterer, bereits im Keller oder in vergleichbaren Räumen abgelegter Akten. Deren Inhalt muss die zuständige Dienststelle nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen, wenn zur Hinzuziehung dieser Vorgänge nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, dass das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich zöge (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.1998 a.a.O. in BStBl. II 1998, 552). Der Steuerpflichtige seinerseits muss seiner Mitwirkungspflicht voll genügen, also die Steuererklärung vollständig, richtig und eindeutig abgeben. Das Finanzamt darf regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Steuererklärungen sowie der eingereichten Unterlagen ausgehen und braucht diesen nicht mit Misstrauen zu begegnen (vgl. Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 82). Dies gilt insbesondere für Steuerklärungen, die von Angehörigen der steuerberatenden Berufe abgegeben werden. Ändert das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977, so trägt es grundsätzlich die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die für die Änderung des Bescheides erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere dafür, dass die entsprechende Tatsache "neu" ist. Die Beweislast trifft jedoch den Steuerpflichtigen, wenn dieser eine Verletzung der Ermittlungspflichten durch das Amt rügt (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1998 I R 140/97, BStBl II 1998, 599).

b) Im Streitfall muss sich die beklagte Behörde zwar die in den ihr vorliegenden Akten enthaltene Tatsache, dass der Kläger bis 1995 an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war und deshalb kein Existenzgründer i.S. des § 7 g Abs. 7 EStG ist, als bekannt entgegenhalten lassen. Jedoch haben die Kläger in ihrer Steuererklärung nachweislich unrichtige und unvollständige Angaben gemacht, sodass sie ihren Mitwirkungspflichten nicht genügt haben und eine Änderung daher möglich ist. Die Gesellschaftsbeteiligung stellt für das Finanzamt somit eine "neue Tatsache" im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dar.

Aus den Einkommensteuerakten für das Jahr 1995 war zu entnehmen, dass der Kläger an der A Ingenieurgesellschaft GmbH mit zuletzt 46 v.H. beteiligt war. Da die Unterlagen zur Einkommensteuer für das Jahr 1995 im Band der Einkommensteuerakten der Kläger für 1993 bis 2001 eingeordnet sind und dieser Band einen mit Büroklammer angebrachten Zettel mit der Aufschrift "nach Vlg. 04 in Reg." aufweist, geht der Senat davon aus, dass es sich bei diesem Band im Rahmen der Veranlagung 2002 um Präsenzakten und nicht um Kellerakten handelt. Eine Verbringung dieser Akten in den Keller war nach der Aufschrift erst mit Abschluss der Veranlagung für das Jahr 2004 vorgesehen. Dem hat der Vertreter des Finanzamts in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen. Jedoch haben die Kläger bei der Gewinnermittlung für das Jahr 2000 eine Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 7 EStG (Ansparabschreibung für Existenzgründer) beantragt (Aufl. 2005) und 2001 und 2002 fortgeführt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, denn der Kläger war kein Existenzgründer im Sinne des § 7 g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG. Sie haben die Steuererklärungen damit nicht vollständig und richtig erstellt und somit ihrer Mitwirkungspflicht nicht genügt. Die Kläger mögen sich -wie der Prozessbevollmächtigte vorträgt- hinsichtlich der Voraussetzungen für die Bildung und Auflösung der Existenzgründerrücklage geirrt haben, jedoch haben sie ihre Mitwirkungspflicht nach der Überzeugung des Senats dadurch verletzt, dass sie ohne Schilderung des Sachverhalts der GmbH-Beteiligung Begriffe gewählt haben, die geeignet sind, beim Finanzamt falsche Vorstellungen über den steuerpflichtigen Sachverhalt hervorzurufen (vgl. Frotscher in Schwarz AO, § 173 Rz. 60 a). Dies gilt um so mehr, als die Kläger von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten wurden; denn das Finanzamt darf, insbesondere bei Steuerklärungen, die von Angehörigen der steuerberatenden Berufe abgegeben werden, regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Steuererklärungen sowie der eingereichten Unterlagen ausgehen und braucht diesen nicht mit Misstrauen zu begegnen (vgl. Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 82). Das Verhalten des früheren Steuerberaters müssen sich die Kläger zurechnen lassen. In Anlehnung an das Urteil des BFH vom 13.07.1990 (VI R 109/86, BStBl 1990, 1046; Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 62) ist der Senat der Auffassung, dass der Veranlagungsbeamte die Pflicht hat, die eingereichte Steuererklärung auch anhand der Steuerunterlagen des Vorjahres und des Vorvorjahres auf Plausibilität zu überprüfen. Jedoch ist er nicht verpflichtet, für diese Plausibilitätsüberprüfung Steuerunterlagen für bereits fünf oder sieben Jahre zurückliegende Veranlagungszeiträume heranzuziehen, wenn keine Gründe für eine besondere Überwachungsbedürftigkeit der Tatsache oder Anhaltspunkte für eine Heranziehung älterer Akten bestehen. Eine das Finanzamt treffende besondere Überwachungsbedürftigkeit der bis zum Jahr 1995 bestehenden Gesellschaftsbeteiligung des Klägers etwa durch Aufnahme in die Dauertatbestände oder besondere Überwachungsblätter bei der Veranlagung des Jahres 1995 kann der Senat nicht erkennen, da die Ansparabschreibung für Existenzgründer nach § 7 g Abs. 7 EStG erst zum Veranlagungsjahr 1997 in das Gesetz eingefügt wurde und zudem nicht davon auszugehen ist, dass eine Gesellschaftsbeteiligung für die steuerliche Behandlung von Folgejahren von Bedeutung ist. Es ergaben sich weder aus den Steuerunterlagen der Jahre 2000 und 2001 noch der Jahre 1998 und 1999 Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war. Der Senat kann es hierbei dahingestellt bleiben lassen, ob für die Ermittlungspflicht auf das Jahr 2000 oder das Streitjahr abzustellen ist. Damit gilt die Tatsache der Gesellschaftsbeteiligung für die Behörde trotz Verletzung der Ermittlungspflicht nicht als bekannt, da die Kläger die ihnen primär obliegende Steuererklärungspflicht verletzt haben (vgl. BFH-Urteile vom 11.02.1998 a.a.O. in BStBl II 1998, 552; und vom 13.11.1985 II R 208/82, BStBl II 1986, 241; Frotscher in Schwarz AO, § 173 Rz. 55).

2. Das Finanzamt war auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben am Erlass eines Änderungsbescheides gehindert.

a) Das Finanzamt ist dann daran gehindert, wenn der Sachverhalt ihm bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 24.03.2004 X B 110/03, BFH/NV 2004, 1070; Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 80). Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamt kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob der steuerlich relevante Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich dem Amt zur Prüfung unterbreitet worden ist. Da das Finanzamt regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Steuererklärungen sowie der eingereichten Unterlagen ausgehen darf (vgl. Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 82), müssen sich aus der Steuererklärung und den eingereichten Unterlagen konkrete Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen ergeben, etwa weil sie erkennbar unvollständig oder in sich widersprüchlich sind oder dass sich der Finanzbehörde aus anderweitig bekannten Umständen Zweifel an ihrer Richtigkeit aufdrängen müssen. Der Steuerpflichtige muss dann aber seinerseits seine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 1 AO erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 24.01.2002 XI R 2/01, BStBl 2004, 444; vom 15.10.1998 IV R 18/98, BStBl II 1999, 286; BFH-Beschluss vom 24.03.2004 X B 110/03, BFH/NV 2004, 1070; vom 10.04.1997 IV R 47/96, BFH/NV 1997, 757; Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 86; Loose bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 72). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Pflichtverletzung der Finanzbehörde die Verletzung der Mitwirkungspflicht seitens des Steuerpflichtigen deutlich überwiegt. Die Beweislast für eine Verletzung der Ermittlungspflicht trifft den Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1998 I R 140/97, BStBl II 1998, 599; BFH-Beschluss vom 24.03.2004 X B 110/03, BFH/NV 2004, 1070; Loose bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 53; Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 86).

b) Ein die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausschließender Verstoß gegen die Ermittlungspflicht liegt jedoch nach Auffassung des Senats im Streitfall nicht vor. Zwar hat das Finanzamt vor der Veranlagung des Streitjahres nicht Einblick in die Steuerunterlagen des Jahres 1995 genommen und nicht beim Kläger nachgefragt, ob dieser im Jahr 2000 tatsächlich die Voraussetzungen eines Existenzgründers erfüllte. Jedoch haben die Kläger in ihrer Steuererklärung nachweislich unrichtige und unvollständige Angaben gemacht. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2004 a.a.O. in BStBl 2004, 444). Bei der vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Pflichtverstöße überwiegt der Pflichtverstoß der Behörde nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht den der Kläger. Die Klägerseite konnte einen überwiegenden Verstoß der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt nicht nachweisen. Damit konnte eine Änderung vorgenommen werden.

3. Da im Streitfall die Voraussetzung einer Rücklage nach § 7 g Abs. 7 mangels Existenzgründereigenschaft nicht vorliegen, hat das Finanzamt die Rücklage zu Recht als eine Rücklage nach 7 g Abs. 3 EStG behandelt. Ein Nebeneinander von Rücklagen nach § 7 g Abs. 7 und § 7 g Abs. 3 EStG ist gesetzessystematisch ausgeschlossen. Jede im Gründungszeitraum gebildete Rücklage fällt zwingend unter Absatz 7, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, oder unter Absatz 3, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 7 nicht vorliegen (vgl. Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 25.01.2005 1 K 1489/04, EFG 2005, 941). Deshalb hat das Finanzamt für die Auflösung der Rücklage zutreffend einen Gewinnzuschlag nach § 7 g Abs. 5 EStG festgesetzt. Die Festsetzung des Gewinnzuschlags wurde im Übrigen durch die Klage nicht gesondert angegriffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143, 135 Abs. 1 FGO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Streitsache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage des Vorliegens einer neuen Tatsache und des Zusammentreffens der Verletzung einer Ermittlungspflicht durch das Finanzamt mit der Nichterfüllung seiner Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen.



Ende der Entscheidung

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