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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: VI 246/2006
Rechtsgebiete: AO, EStG, KiStG Bayern


Vorschriften:

AO § 90 Abs. 1
AO § 163
AO § 164 Abs. 1 S. 2
AO § 164 Abs. 2 S. 1
AO § 164 Abs. 2 S. 2
AO § 227
EStG § 37 Abs. 3
EStG § 51a Abs. 1
EStG § 51a Abs. 4 S. 1
KiStG Bayern Art. 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

VI 246/2006

Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO bezüglich Einkommensteuer 1997 und 1998

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22.11.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Kirchensteuernachzahlungen, die sich im Jahr der Zahlung steuerlich nicht auswirken, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte 0 DM beträgt, aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 2 AO im Wege des Rücktrags in den Jahren, für die sie gezahlt wurden, als Sonderausgaben berücksichtigt werden können.

Die Kläger wurden in den Streitjahren 1997 und 1998 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Haupteinkünfte sind die gewerblichen Einkünfte des Klägers als Mitunternehmer der A GmbH & Co. KG , die gesondert festgestellt werden. Die Feststellungserklärungen werden von der B. Gesellschaft erstellt.

Die Einkommensteuererklärung 1997 ging nach wiederholt gewährten Fristverlängerungen erst am 31.03.1999 beim Finanzamt ein. Im Mantelbogen war bei den Sonderausgaben in Zeile 76 "Kirchensteuer" angegeben: "1997 gezahlt: 45.663 [DM]; 1997 erstattet: 10.840 [DM]".

Mit Bescheid vom 07.05.1999 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 1997 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 3.325.429 DM fest. Die gewerblichen Einkünfte des Klägers wurden dabei mit 10.316.839 DM berücksichtigt. Die Abschlusszahlung betrug 2.357.310 DM.

Aufgrund der hohen Abschlusszahlung für 1997 wurde der Klägervertreter mit Schreiben vom 30.04.1999 aufgefordert, die Einkommensteuererklärung 1998 bis spätestens 31.12.1999 abzugeben.

Da im Jahr 1998 Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das laufende Jahr lediglich i.H.v. 221.709 DM erbracht worden waren, leisteten die Kläger aufgrund der hohen Abschlusszahlung im Einkommensteuerbescheid 1997 am 10.06.1999 weitere nachträgliche Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1998 i.H.v. 2.767.800 DM.

Die Einkommensteuererklärung 1998 wurde erst am 02.06.2000 eingereicht. Im Mantelbogen war bei den Sonderausgaben in Zeile 76 "Kirchensteuer" angegeben: "1998 gezahlt: 13.987 [DM]; 1998 erstattet: 36.356 [DM]".

Mit Bescheid vom 27.06.2000 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 1998 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 4.477.247 DM fest. Die gewerblichen Einkünfte des Klägers wurden dabei mit 15.249.131 DM berücksichtigt. Die Abschlusszahlung betrug 205.046 DM.

Im Mantelbogen der am 02.08.2001 eingereichten Einkommensteuererklärung 1999 war bei den Sonderausgaben in Zeile 76 "Kirchensteuer" angegeben: "1999 gezahlt: 473.422 [DM]".

Mit Bescheid vom 14.01.2002 wurde die Einkommensteuer 1999 - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - auf 0 EUR/DM festgesetzt. Die gewerblichen Einkünfte des Klägers wurden dabei mit 18.313 DM berücksichtigt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug 0 DM, das zu versteuernde Einkommen ./. 413.510 DM.

Die in der Folgezeit ergangenen Änderungsbescheide für Einkommensteuer 1997 und 1998 sind aufgrund von Einsprüchen noch nicht bestandskräftig.

Am 30.12.2005 beantragte der Klägervertreter, im Wege abweichender Steuerfestsetzung gemäß § 163 Satz 2 AO, die im Jahr 1999 geleisteten Kirchensteuernachzahlungen im Wege des Rücktrags in den Steuerveranlagungen der Jahre, für die sie geleistet worden sind, als Sonderausgaben zu berücksichtigen, d.h. bei den Veranlagungen 1997 und 1998, weil sich die im Jahr 1999 geleisteten Kirchensteuernachzahlungen steuerlich nicht auswirken konnten.

Das Finanzamt lehnte diesen Antrag zunächst mit Bescheid vom 16.01.2006 ab. Zur Begründung war ausgeführt, nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG seien Ausgaben - auch Sonderausgaben - nur im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen. Ein Rücktrag sei gesetzlich nicht vorgesehen. Billigkeitsgründe für eine abweichende Steuerfestsetzung seien nicht vorgetragen und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.

Im Einspruchsverfahren rügte der Klägervertreter die fehlende Ermessensausübung. Dass ein Rücktrag von Sonderausgaben gesetzlich nicht vorgesehen sei, wisse er selbst. Deshalb habe er ja eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen beantragt. Im übrigen verstoße die Steuerveranlagung der Kläger in den Streitjahren gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und das Übermaßverbot. Im Streitfall sei das Ermessen des Finanzamts bei der Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgesichtspunkten auf Null reduziert.

Im Schreiben vom 06.03.2006 legte das Finanzamt nunmehr ausführlich dar, warum es vorliegend nicht von einer sachlichen Unbilligkeit ausgeht und die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO nicht vorliegen.

Mit Bescheid vom 28.03.2006 erklärte das Finanzamt den Ablehnungsbescheid vom 16.01.2006 (letztlich wegen unzutreffender Bezeichnung der Inhaltsadressaten) für nichtig und lehnte mit Entscheidung vom gleichen Tag den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO erneut ab. Zur Begründung verwies es auf seine Ausführungen in den Schreiben vom 16.01.2006 und vom 06.03.2006.

Der erneute Einspruch hatte keinen Erfolg.

In der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2006 führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem vom Klägervertreter beantragten Rücktrag nach § 163 Satz 2 AO um eine Verlagerung des Steueranspruchs auf spätere Veranlagungszeiträume und damit letztlich um eine Steuerstundung handele. Im Streitfall würde sich jedoch eine Steuerminderung nur im Rücktragsjahr ergeben, weil die Steuer im Entstehungsjahr unverändert mit Null festzusetzen wäre. Der Antrag der Kläger sei deshalb als Antrag nach § 163 Satz 1 AO zu werten. Danach könne die Steuer aus Billigkeitsgründen insgesamt niedriger festgesetzt werden.

Ungeachtet dessen liege aber bereits keine sachliche Unbilligkeit vor, was Voraussetzung für eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO wäre, weil die Besteuerung der Kläger den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwiderlaufe.

Die im Jahr 1999 gezahlten Kirchensteuernachzahlungen könnten nach § 11 Abs. 2 EStG nur in dem Kalenderjahr, in dem sie geleistet worden sind, als Sonderausgaben Berücksichtigung finden. Die Regelung in § 11 Abs. 2 EStG betreffe grundsätzlich den Abzug aller Ausgaben (während nach der Auffassung des BFH § 11 Abs. 1 EStG nicht auf die Erstattung von Sonderausgaben anwendbar sei, vgl. Urteil vom 07.07.2004, BStBl II 2004, 1058). Sonderausgaben könnten steuerlich den Gesamtbetrag der Einkünfte allenfalls aufzehren, ihn aber nicht negativ werden lassen. Ein Verlustabzug entsprechend der Regelung in § 10d EStG sei für Sonderausgaben nicht vorgesehen. Härten, die sich in diesen Fällen aus der Abschnittsbesteuerung ergäben, habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Dies stelle keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar, da typische Auswirkungen und Begleitumstände gesetzlicher Regelungen durch allgemeine Billigkeitsmaßnahmen nicht korrigierbar seien.

Im Klageverfahren trägt der Klägervertreter sinngemäß vor, es sei sachlich unbillig, wenn sich zusammengeballte Kirchensteuernachzahlungen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse ("Verlustjahr") nicht steuermindernd auswirken würden. Im Übrigen nimmt er auf sein Vorbringen im Einspruchsverfahren Bezug.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28.03.2006 und der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2006 nach § 163 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen dahin zu ändern, dass die das Streitjahr 1997 betreffende Kirchensteuernachzahlung in Höhe von 229.724,90 DM und die das Streitjahr 1998 betreffende Kirchensteuernachzahlung in Höhe von 151.290,30 DM nicht im Zeitpunkt der Zahlung (1999) sondern in dem Jahr, für das die Zahlung erfolgte, als Sonderausgabe steuermindernd berücksichtigt wird.

Hilfsweise beantragen sie,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28.03.2006 und der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2006 das Finanzamt zu verpflichten, über den Erlassantrag nach § 163 AO unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beide Beteiligten beantragen für den Fall des Unterliegens

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt nimmt zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug.

In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter auf die Frage des Vorsitzenden, warum in den Jahren 1997 und 1998 die Vorauszahlungen zur Einkommen-steuer und zur Kirchensteuer nicht zeitnah an die sich abzeichnende Gewinnentwicklung angepasst worden seien, wodurch die erhebliche Kirchensteuernachzahlung im Jahr 1999 vermieden worden wäre, ergänzend vorgetragen, die Verluste ab dem Jahr 1999 seien nicht vorhersehbar gewesen. Der Markt für Xxx sei damals überraschend zusammengebrochen. Die Kläger seien davon ausgegangen, jedes Jahr - so wie in der Vergangenheit und auch heute wieder - gute Gewinne zu erzielen und damit laufend Einkommensteuer zahlen zu müssen, darum sei der Zusammenballung von Kirchensteuernachzahlungen keine Beachtung beigemessen worden. Die Vorauszahlungen der Jahre 1997 und 1998 hätten sich - entsprechend der Gesetzeslage - an den Steuerfestsetzungen der vorhergehenden Jahre orientiert. Dass die Gewinne in den Jahren 1997 und 1998 derart steigen würden, sei ebenfalls nicht vorherzusehen gewesen.

Aus den Akten ergibt sich noch Folgendes:

1. Laut einer Bestätigung des Xxx Kirchensteueramtes Xxx vom 12.01.2006 hat der Kläger im Jahr 1999 Nachzahlungen in Höhe von 229.724,90 DM für 1997 und in Höhe von 151.290,30 DM für 1998 geleistet.

2. Im Einkommensteuerbescheid 1995 vom 12.03.1997 wurden die Einkommen-steuer-Vorauszahlungen II-IV/1997 und I-IV/1998 auf jeweils 221.709 DM festgesetzt. Aufgrund hoher Verluste aus Vermietung und Verpachtung im Jahr 1996 wurden im Einkommensteuerbescheid 1996 vom 15.05.1998 die Einkommensteuer-Vorauszahlungen II-IV/1998 automatisch, d.h. bedingt durch die Systematik des EDV-Progamms der Steuerverwaltung, auf 0 DM herabgesetzt.

3. Mit Schreiben vom 20.04.2000 teilte der Prozessbevollmächtigte der Kläger dem Finanzamt mit, dass die B. Gesellschaft ein vorläufiges steuerliches Ergebnis 1999 für die A GmbH & Co. KG ermittelt habe. Es ergebe sich ein Steuerbilanzverlust. Er bitte um Anpassung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1999.

4. Mit Schreiben vom 03.05.2000 bat er nochmals dringlich um eine Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 1999 auf Null und Erhöhung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 2000 aufgrund der sich abzeichnenden Höhe der Einkommensteuer.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Für eine Berücksichtigung der im Jahr 1999 gezahlten Kirchensteuernachzahlungen für 1997 und 1998, die sich als Sonderausgaben bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 nicht steuermindernd auswirken, in Form eines Rücktrags nach § 163 Satz 2 AO als Sonderausgaben in den Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1997 und 1998, für die sie geleistet worden sind, fehlt es am Vorliegen einer sachlicher Unbilligkeit.

1. Über die Gewährung der von den Klägern begehrten Billigkeitsmaßnahme hatte das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden. Eine Entscheidung kann von den Steuergerichten nur darauf überprüft werden, ob das Finanzamt die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihm eingeräumten Ermessen in zweckwidriger Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 FGO). Eine Verpflichtung zum Erlass kann daher nur dann ausgesprochen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre (vgl. BFH-Urteil vom 26.02.1991 XI R 95/88, BStBl. II 1991, 572 m.w.N.).

2. Es kann im Streitfall letztlich dahingestellt bleiben, ob als Anspruchsnorm für den beantragten Erlass § 163 Satz 1 AO -wie das Finanzamt meint- oder § 163 Satz 2 AO -wie der Klägervertreter meint- in Betracht kommt, denn gemeinsame Voraussetzung aller in § 163 AO zusammengefasster Tatbestände einer abweichenden Steuerfestsetzung ist eine (sachliche) Unbilligkeit, um überhaupt das "Ob" (Entschließungsermessen) für einen Erlass bejahen zu können (einhellige Auffassung, vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, § 163 AO Rz. 111). Erst danach kann im Rahmen der weiteren Ermessensentscheidung über das "Wie" und die "Höhe" des Erlasses entschieden werden.

3. Ein Fall sachlicher Unbilligkeit liegt vor, wenn die Festsetzung der Steuer zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwider läuft, dass die Festsetzung der Steuer unbillig erscheint, wenn also nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 17.12.2003 XI R 63/00, BFH/NV 2004, 940, unter II. 3.).

a) Demnach können Umstände, die dem Besteuerungszweck entsprechen oder die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in Kauf aufgenommen hat, einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nicht rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 24.09.1987 V R 76/78, BStBl. II 1988, 561). Eine Billigkeitsmaßnahme würde dann die Wertentscheidung des Gesetzgebers im Einzelfall nicht durchführen, sondern gerade verändern.

Sonderausgaben sind vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, bis ein Betrag von Null DM/EUR erreicht ist. Darüber hinausgehende Sonderausgaben werden nach der gesetzlichen Regelung weder in diesem, noch in einem früheren Veranlagungszeitraum berücksichtigt. Sie verfallen endgültig. Eine Übertragung (Rücktrag oder Vortrag) von Sonderausgaben ist dem deutschen Einkommensteuerrecht seit jeher fremd (RFH Urteil vom 19.11.1936 VI A 475/36, RStBl 1937, 426; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff Einkommensteuergesetz Kommentar § 10 B 188).

Auch die Milderung der Progression bei Zusammenballung von Einnahmen mehrerer Jahre in einem Besteuerungszeitraum ist nur im Rahmen des § 34 EStG, nicht über diese Regelung hinaus, möglich (ebenso BFH-Beschluss vom 09.02.1987 IV B 53/86, BFH/NV 1987, 488 für die begrenzt abzugsfähigen Beträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 EStG).

b) Eine Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 AO kann allerdings erforderlich sein, wenn die Aufrechterhaltung der Belastung des Steuerpflichtigen gegen Treu und Glauben verstieße. Hierher gehören in erster Linie die Fälle, in denen die Entstehung der Steuer bzw. das Nichtentstehen einer Steuervergünstigung ursächlich auf das Verhalten einer Behörde zurückzuführen ist und es daher gegen Treu und Glauben verstieße, wenn die durch die Behörde verursachte Belastung nicht beseitigt würde.

c) Eine Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 AO kann auch dazu dienen, die steuerliche Belastung im Einzelfall mit der verfassungsmäßigen Ordnung in Einklang zu bringen.

4. Im Streitfall ist die Ermessensentscheidung des Finanzamts nicht zu beanstanden. Es hat sich in den Gründen der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2006 ausführlich mit der Frage befasst, ob ein Fall sachlicher Unbilligkeit vorliegt und ist zu dem vertretbaren Schluss gekommen, dass die Berücksichtigung gezahlter Kirchensteuer (nur) im Jahr der Zahlung Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht und auch nicht gegen die Wertungen des Gesetzgebers verstößt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Teil II der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2006 (Seite 5), die der erkennende Senat auch seiner Entscheidung zugrunde legt, Bezug genommen, § 105 Abs. 5 FGO.

5. Eine sachliche Unbilligkeit ist auch nicht in der Zusammenballung von im Jahr 1999 geleisteten Kirchensteuernachzahlungen zu erkennen, die sich bei der Veranlagung 1999 im Rahmen des Sonderausgabenabzugs aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse ("Verlustjahr"), nicht steuermindernd auswirken.

Die Zusammenballung der Kirchensteuernachzahlungen im Jahr 1999 war vermeidbar. Die Kläger hätten diese Zusammenballung der Kirchensteuernachzahlungen durch eine zeitnahe Anpassung ihrer Einkommensteuer- und Kirchensteuer-Vorauszahlungen für 1997 und 1998 leicht verhindern können.

a) Nach § 51a Abs. 1 EStG sind auf die Festsetzung und Erhebung von Steuern, die nach der Einkommensteuer bemessen werden (Zuschlagsteuern), die Vorschriften des EStG entsprechend anzuwenden. Die Kirchensteuer ist eine solche Zuschlagsteuer, vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 und Art. 8 KiStG Bayern. Gem. Art. 12 KiStG Bayern haben die Kirchensteuerpflichtigen Vorauszahlungen auf die Kirchensteuer nach Maßgabe der Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu entrichten, die dann auf die Jahressteuerschuld angerechnet werden. Nach § 51a Abs. 4 Satz 1 EStG sind Vorauszahlungen auf die Zuschlagsteuern gleichzeitig mit den festgesetzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu entrichten. Werden die Einkommensteuer-Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG i.V.m. § 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO höher als bisher festgesetzt, erhöhen sich auch die Kirchensteuer-Vorauszahlungen.

b) Nach § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG bemessen sich die Einkommensteuer-Vorauszahlungen und damit zwangsläufig auch die Kirchensteuer-Vorauszahlungen grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach der letzten Veranlagung ergeben hat. Die Regelung in § 37 EStG dient der Sicherung eines stetigen Steueraufkommens. Zudem soll mit der Regelung in § 37 EStG eine Gleichstellung mit den Steuerpflichtigen erreicht werden, die ihre Steuer durch Steuerabzug (LSt, KapESt) vorauszahlen.

c) Stellt der Steuerpflichtige fest, dass sich für den maßgeblichen Veranlagungszeitraum voraussichtlich eine niedrigere Einkommensteuer ergeben dürfte, so wird er alsbald einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen stellen. Für den umgekehrten Fall sieht das Gesetz keine speziellen Regelungen vor. Damit gilt der allgemeine Grundsatz über die Mitwirkung gemäß § 90 Abs. 1 AO. Danach kommen die Beteiligten der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen legen. Nach herrschender Meinung gilt diese Regelung nicht nur für das Besteuerungsverfahren im engeren Sinne, sondern für jedes Verwaltungsverfahren (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 90 AO Rz. 3). Damit besteht eine Mitwirkungspflicht auch bei der Festsetzung und Anpassung von Vorauszahlungen.

d) Auch wenn in der Literatur - allerdings ohne Begründung - überwiegend die Auffassung vertreten wird, die Steuerpflichtigen seien nicht verpflichtet, eine Erhöhung der Vorauszahlungen zu beantragen, wenn sie erkennen können, dass die Einkommensteuerschuld voraussichtlich höher als die Summe der Vorauszahlungen sein wird, kann dies nicht absolut für alle Fälle, sondern nur grundsätzlich gelten.

e) In gesondert gelagerten Einzelfällen besteht auch in diesen Fällen eine Verpflichtung der Steuerpflichtigen zur Anpassung der Vorauszahlungen aufgrund der allgemeinen Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO, insbesondere, wenn extreme Abweichungen vorliegen. Eine andere Auslegung würde in Widerspruch zum Gesetzeszweck des § 37 EStG stehen, der der Sicherung eines stetigen Steueraufkommens dient. Zudem soll mit der Regelung in § 37 EStG eine Gleichstellung mit den Steuerpflichtigen erreicht werden, die ihre Steuer durch Steuerabzug (LSt, KapESt) vorauszahlen. Dies beinhaltet auch als Nebeneffekt, eine Zusammenballung von Nach- bzw. Abschlusszahlungen in späteren Veranlagungszeiträumen zu vermeiden.

f) Da der Klägervertreter, der nicht zugleich der steuerliche Berater der A GmbH & Co. KG ist, bereits im April 2000 Kenntnis von deren Verlusten aus dem 1999 hatte und bereits im Mai 2000 Gewinnerhöhungen für das laufende Kalenderjahr vorhersehen und damit die Anpassung der laufenden Einkommensteuer-Vorauszahlungen erreichen konnte, ist der erkennende Senat bei einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts der Überzeugung, dass die in der mündlichen Verhandlung vom Klägervertreter behauptete Nichtvorhersehbarkeit der Gewinnsituation in den Jahren 1997-1999 (unerwartet hohe Gewinne in den Jahren 1997 und 1998 sowie unerwartete Verluste im Jahr 1999) reine Schutzbehauptungen darstellen. Zumindest der steuerlichen Vertreterin der A GmbH & Co. KG hätte die Gewinnsituation der Jahre 1997 und 1998 aktuell bekannt sein müssen. Informationsdefizite auf der Klägerseite können keine sachliche Unbilligkeit begründen.

g) Es wäre den Klägern leicht möglich gewesen, wenn nicht bereits im Jahr 1997, so doch spätestens im Laufe des Jahres 1998 eine Anpassung (Erhöhung) der Einkommensteuer-Vorauszahlungen 1997 und 1998 zu beantragen. Entsprechend hätten sich auch die Kirchensteuer-Vorauszahlungen für 1997 und 1998 erhöht. Statt dessen haben sie lediglich die auf der wesentlich niedrigeren Basis der Vorjahre festgesetzten Vorauszahlungen geleistet und in der Zwischenzeit den nicht unerheblichen Zinsvorteil genossen, bzw. das Geld anderweitig verbraucht. Die Einkommensteuererklärung 1997 haben sie nach mehrfacher Fristverlängerung erst am 31.03.1999 abgegeben.

6. Es wäre letztlich unbillig und würde der gesetzgeberischen Intention von Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO zuwiderlaufen, das Verhalten der Kläger, mit dem sie durch bewusstes Unterlassen einer zeitgerechten Anpassung von Vorauszahlungen für 1997 und 1998 ernorme Zins- und Liquiditätsvorteile erzielt haben, noch durch zusätzliche Billigkeitsmaßnahmen zu prämieren, weil die Zusammenballung von zwangläufig - aus vorangegangenem Tun - zu leistenden Nach- bzw. Abschlusszahlungen in einem Verlustjahr aufgrund der gesetzlichen Regelung dazu führt, dass sich die nur als Sonderausgaben zu berücksichtigenden Kirchensteuernachzahlungen nicht steuermindernd auswirken.

7. Die Revision war nicht zuzulassen. Es liegt keiner der Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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