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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: VI 263/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

VI 263/04

Einkommensteuer 1998

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch ...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 01.02.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Begrenzung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 3 EStG verfassungswidrig ist.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Seine Ehefrau ist als Angestellte in der Steuerkanzlei des Ehemanns tätig. In der Einkommensteuererklärung 1998 machten die Kläger bei den beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben Aufwendungen i.H.v. insgesamt 39.296 DM geltend. Darüber hinaus beantragten sie noch die Berücksichtigung von Kosten der Mindestdaseinsvorsorge i.H.v. 15.131 DM. In einer Anlage war dazu ausgeführt:

"Die bei einem Doppelverdienerehepaar gleicher Einkommensverhältnisse notwendig werdenden Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung sind ein Maßstab dafür, in welcher Höhe unsere Vorsorgeaufwendungen als Mindestdaseinsvorsorge anzusehen sind. In dem Umfang, in dem die Aufwendungen des Doppelverdienerarbeitnehmerehepaares steuerfrei bleiben, sind auch unsere Vorsorgeaufwendungen steuerfrei zu belassen."

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1998, die zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte, wurden die erklärten beschränkt abziehbaren Sonderausgaben i.H.v. 13.620 DM steuerlich berücksichtigt. Mit Änderungsbescheid vom 23.05.2000 wurde die Einkommensteuer 1998 auf 154.882 DM festgesetzt. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben wurden weiterhin nur i.H.v. 13.620 DM steuerlich berücksichtigt.

Mit ihrer Sprungklage haben die Kläger zunächst beantragt, den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 23.05.2000 dahin zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um den Gewinn aus der Pkw-Veräußerung i.H.v. 18.103 DM und um zusätzlich zu berücksichtigende Kosten der Mindestdaseinsvorsorge i.H.v. 25.627 DM, also insgesamt um 43.729 DM zu mindern ist.

Berechnung der zusätzlich zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Mindestdaseinsvorsorge:

 Eigenanteil der Kläger an der Daseinsvorsorge39.296 DM
Arbeitgeberanteile8.229 DM
Zwischensumme47.525 DM
steuerlich berücksichtigt wurden bisher13.620 DM
Arbeitgeberanteile8.229 DM
zusätzlich zu berücksichtigende Kosten der Mindestdaseinsvorsorge25.627 DM

Zur Begründung tragen die Kläger vor, die Entwicklung der abzugsfähigen Höchstbeträge sei deutlich hinter der Entwicklung der notwendigen Aufwendungen zur Sicherung der Alterseinkünfte zurückgeblieben.

Die Vorsorgeaufwendungen zur Risikoabdeckung des Krankheitsfalles und zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter sowie die Zeiten der Erwerbslosigkeit dienten der Existenzsicherung. Sie seien existenzieller Art und deshalb Bestandteil des Existenzminimums. Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 GG verbieten die Besteuerung des Existenzminimums.

Darüber hinaus seien die Kläger gegenüber einem Arbeitnehmerehepaar gleicher Einkommensverhältnisse benachteiligt. Während ein Doppelverdienerarbeitnehmerehepaar bei vergleichbaren Einkommensverhältnissen durch das Zusammenwirken von § 3 Ziffer 62 EStG und § 10 Abs. 3 EStG eine Steuerfreistellung seiner notwendigen Vorsorgeaufwendungen i.H.v. ca. 60,5% erreiche, würden von den vergleichbaren Aufwendungen der Kläger nur 46,1% steuerfrei belassen.

Im Klageverfahren tragen die Kläger vor, dass die Klage nicht mehr aufrecht erhalten wird, soweit die Gewinnbesteuerung aus der Pkw-Veräußerung betroffen sei.

Die Kläger beantragen nunmehr,

den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 23.05.2000 dahin zu ändern, dass Aufwendungen für die Mindestdaseinsvorsorge in Höhe von 25.627 DM steuermindernd berücksichtigt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor, die Einkommensteuerfestsetzung 1998 entspreche dem Gesetz. Die der Besteuerung zugrunde liegenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes seien verfassungsgemäß.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zusätzlich vorgetragen, er fühle sich bei den beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben gegenüber den Angehörigen des öffentlichen Dienstes benachteiligt. In der Änderung der Rentenbesteuerung ab dem Jahr 2005 sehe er zudem sein Recht auf Eigentum verletzt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Steuerfestsetzung im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 23.05.2000 steht im Einklang mit dem geltenden Recht. Die Begrenzung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 3 EStG ist nicht verfassungswidrig.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschlüssen vom 20.08.1997 1 BvR 1003/89, HFR 1997, 937 und in HFR 1998, 397 die ständige Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 27.06.1996 IV R 4/84, BFH/NV 1999, 163) bestätigt, dass Vorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG abziehbar sind. Es hat u.a. ausgeführt: Die Frage in welchem Umfang Vorsorgeaufwendungen zur gesetzlichen Sozialversicherung zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zuzulassen sind,

"betrifft den Regelungsbereich, der vom Auftrag des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber zur Neuordnung der Besteuerung von Alterseinkünften umfasst wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26.03.1980 1 BvR 121, 122/76 (BVerfGE 54, 11) den Gesetzgeber angewiesen, eine Neuregelung der Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten zu schaffen; dies schließt auch die Neuregelung der steuerlichen Behandlung von Vorsorgeaufwendungen -soweit sie der Alterssicherung dienen- als einen wesentlichen Bestandteil des Rentenbesteuerungsrechts ein."

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl. II 2002, 618 den Gesetzgeber zum Tätigwerden bis zum 01.01.2005 verpflichtet. Diese Entscheidung spricht in ihrem 3. Leitsatz von der "gebotenen Neuregelung der Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung" und ihrer Abstimmung auf die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen. Unter D II. der Entscheidungsgründe schließt es das Bundesverfassungsgericht aus, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, "die Rechtslage rückwirkend, bezogen auf das Veranlagungsjahr 1996, zu bereinigen". Ein rückwirkender Abbau der Vergünstigungen bei der Besteuerung von Sozialversicherungsrenten komme aus Verfassungsgründen von vornherein nicht in Betracht.

Hieraus ist zu folgern, dass der Gesetzgeber für Veranlagungszeiträume vor 2005 zu einer "Nachbesserung" des die Altersvorsorge betreffenden Sonderausgabenabzugs nicht verpflichtet ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 21.07.2004 X R 72/01, BFH/NV 2005, 513 und BFH-Urteil vom 08.11.2006 X R 45/02, Juris).

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 135 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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