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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: VI 334/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

ohne mündliche Verhandlung

in der Sitzung vom 30.04.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist die Besteuerung der Renteneinkünfte des Klägers.

Die Kläger wurde mit Bescheid vom 07.07.2006 mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer 2005 zusammenveranlagt. Der Steuerfestsetzung auf 6.136 EUR lagen u.a. die Renteneinkünfte des Klägers aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenbeginn 01.10.2001; Betrag 16.222 EUR) zugrunde, die anders als bisher nicht mehr mit dem Ertragsanteil von 23%, sondern zur Hälfte (8.111 EUR) steuerlich erfasst wurden.

Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 wandte sich der Kläger ohne nähere Begründung "gegen die derzeitige Besteuerung der Renten".

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17.10.2006 als unbegründet zurückgewiesen, weil die Rentenbesteuerung der geltenden Rechtslage entspreche.

Im Klageverfahren vertritt der Klägervertreter die Auffassung, die Besteuerung der Rente nach dem Alterseinkünftegesetz sei verfassungswidrig.

Zum einen verstoße sie gegen das Rückwirkungsverbot. Der Kläger habe zeitlebens Rentenbeiträge aus versteuertem Gehalt entrichten müssen; ein Abzug als Werbungskosten oder Sonderausgaben sei nicht möglich gewesen. Die Vorsorgepauschale sei bereits durch die Beiträge zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung ausgeschöpft gewesen. Allerdings habe er davon ausgehen können, dass die spätere Rente nur mit dem Ertragsanteil besteuert werden würde. Darauf habe der Kläger vertraut, zumal es von Politikerseite immer geheißen habe, die Renten seien sicher. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er sich bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung bereits im Ruhestand befunden habe und deshalb darauf nicht mehr habe reagieren können. Das Alterseinkünftegesetz enthalte keine Übergangsvorschriften, die die Härten für den Kläger abmildern würden. Der Wandel im Steuersystem führe zu einer jährlichen Steuermehrbelastung des Klägers und seiner Ehefrau von 3.000 EUR. Dies beeinflusse ihre finanzielle Zukunftsplanung erheblich. Z.B. hätten sie vor kurzem erst ein Bauspardarlehen aufgenommen, das mit erheblichen Monatsraten zurückzuzahlen sei.

Der Kläger sei auch gegenüber anderen Berufsgruppen unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG benachteiligt, insbesondere gegenüber Geringverdienern, die im Gegensatz zu ihm Beiträge für die Altersvorsorge steuermindernd hätten geltend machen können, und Beamten. Der Kläger sei im Vergleich zu diesen Berufsgruppen während seines Arbeitslebens überproportional belastet gewesen. Diesem Umstand schenke das Alterseinkünftegesetz keine Beachtung. Im Gegenteil, er müsse seine relativ hohen Rentenbezüge auch noch zu einem relativ hohen Steuersatz versteuern, während Geringverdiener mit niedrigeren Renten nur ein niedrigerer Steuersatz belaste.

Im Übrigen führe die Besteuerung der Rente des Klägers mit einem Ertragsanteil von 50% zu einer Doppelbesteuerung. Gemäß den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 06.03.2002 sei davon auszugehen, dass die Rentenbeiträge des Klägers vollständig aus versteuertem Einkommen geleistet worden seien. Soweit die Rentenzahlungen erneut einer Besteuerung unterworfen würden, führe dies zu einer Doppelbesteuerung. Der Kläger habe - anders als Beamte und Selbständige - auch keine andere Form der Altersvorsorge wählen können. Es verstoße gegen Art. 14 GG, den Kläger zuerst zum Aufbau einer Rentenanwartschaft aus versteuertem Einkommen zu zwingen und dann das aus der Anwartschaft generierte Einkommen nochmals erheblich zu besteuern.

Schließlich sei das Alterseinkünftegesetz auch insofern verfassungswidrig, als die Vorsorgeaufwendungen nicht in dem Umfang als Sonderausgaben abzugsfähig seien, in dem sie später zu steuerpflichtigen Einnahmen führten. Das BVerfG habe in seiner o.g. Entscheidung gefordert, dass Beiträge zur Altersvorsorge als Werbungskosten in dem Maß die Steuerpflicht während des Berufslebens zu mindern hätten, in dem später die Rente besteuert werde.

Die Renteneinkünfte des Klägers seien deshalb nach der gesetzlichen Regelung, wie sie vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes gegolten habe, zu besteuern.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 07.07.2006 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17.10.2006 dahin zu ändern, dass seine Einkünfte aus der Rente i.H.v. 16.222 EUR nur mit dem bisherigen Ertragsanteil von 23% der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Meinung, der Gesetzgeber sei mit dem Alterseinkünftegesetz den vom BVerfG gestellten Forderungen zutreffend nachgekommen.

Der Streitfall war bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2009. Das Finanzamt hat sich in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 26.11.2008 X R 15/07, BFH/NV 2009,278 und das aktuelle BMF-Schreiben zur Vorläufigen Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren vom 01.04.2009 (IV A 3 - S 0338/07/10010) für den Fall der außergerichtlichen Erledigung bereit erklärt, für 2005 einen Änderungsbescheid zu erlassen und die aktualisierten Vorläufigkeitsvermerke nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO aufzunehmen. Es hat für diesen Fall den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Klägervertreter hat erst noch Rücksprache mit seinem Mandanten nehmen wollen.

Für den Fall, dass keine Hauptsacheerledigung zustande käme, haben sich sowohl der Vertreter des Finanzamts als auch der Klägervertreter mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Mit Schriftsatz vom 22.04.2009 hat der Klägervertreter mitgeteilt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt erklärt werde.

Für den Fall einer klageabweisenden Entscheidung beantragt er die Zulassung der Revision, da zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erforderlich sei. Dieser habe mit Urteil vom 26.11.2008 über einen Fall entschieden, in dem der Rentner zuvor Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezogen habe, der Kläger habe aber Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Besteuerung der Altersrenten des Klägers ab 2005 aufgrund der Neuregelung durch das AltEinkG ist nicht zu beanstanden und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

1) Es ist unstreitig, dass das FA die Einkommensteuer des Klägers in den Jahren 2005 und 2006 entsprechend der ab 2005 geltenden Übergangsregelung zur Neuordnung der Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte festgesetzt hat.

2) Dem Gesetzgeber wurde durch das Urteil des BVerfG zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) aufgegeben, eine Neuregelung mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zu schaffen, weil das damals geltende System der unterschiedlichen Besteuerung von Renten und Pensionen die Pensionisten gegenüber den Rentnern unangemessen benachteiligt habe. Diesen Auftrag erfüllte der Gesetzgeber durch die Schaffung des AltEinkG. Das AltEinkG enthält auf der Grundlage des Konzepts der nachgelagerten Besteuerung Neuregelungen für die steuerliche Behandlung sowohl von Altersvorsorgeaufwendungen als auch von Alterseinkünften (vgl. insbesondere § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 sowie § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. a.A. EStG jeweils i.d.F. des AltEinkG --EStG n.F.--).

3) Der BFH hat mit Urteil vom 26.11.2008 X R 15/07, BFH/NV 2009, 278 zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Rentenbesteuerung entschieden, dass der Gesetzgeber mit der Umstellung der Besteuerung der Alterseinkünfte auf die sog. nachgelagerte Besteuerung die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraumes nicht überschritten habe. Er habe vielmehr eine folgerichtige und den Gleichheitssatz nicht verletzende Regelung geschaffen.

Die Entscheidung des BFH betraf einen vormals selbständig Tätigen, der zur Altersvorsorge Beiträge in die gesetzliche Rentenkasse bzw. das anwaltliche Versorgungswerk gezahlt hatte, und sich gegenüber ehemaligen Angestellten und Beamten benachteiligt fühlte. Der BFH kam zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber der Regelung des AltEinkG "realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab" zugrunde gelegt habe, nämlich den Fall eines selbständig Tätigen mit einer Altersversorgung durch ein Versorgungswerk und eines Angestellten mit einer Altersversorgung durch die gesetzliche Rentenversicherung (dort Tz. 58). Dabei hatte der BFH hinsichtlich des Angestellten keinerlei Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung.

Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des BFH an und gibt zur Besteuerung der Arbeitnehmerrenten insbesondere zu bedenken, dass die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG in voller Höhe steuerfrei waren, soweit der Arbeitgeber dazu gesetzlich verpflichtet war, also nicht aus versteuertem Einkommen des Arbeitnehmers geleistet wurden. Der vom Gesetzgeber beim Rentenbeginn 2005 vorgesehene Besteuerungsanteil von 50% führt im Falle des Klägers sicher nicht dazu, dass die aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge zu seinen Rentenversicherungen höher sind, als der zu erwartende steuerfreie Rentenbezug. Im Übrigen hat der Kläger zu einer möglichen Doppelbesteuerung nichts Substantielles vorgetragen; vgl. dazu die Anforderungen im o.g. BFH-Urteil und den zugrundeliegenden Fall des FG Schleswig-Holstein 3 K 148/05, EFG 2007, 1077.

4) Es liegt auch keine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Geringverdienern in der Auszahlungsphase vor: dass höhere Einkommen mit einem höheren Steuersatz belastet werden, ist systemimmanent und wird regelmäßig mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit begründet.

5) Eine Veranlagung wie vor der Rechtsänderung ist schon deshalb nicht möglich, weil das BVerfG die alte Regelung gerade wegen der Ungleichbehandlung von Beamtenpensionen und Arbeitnehmerrenten für verfassungswidrig gehalten hat. Eine Rückkehr zum verfassungswidrigen Zustand ist nicht möglich.

6) Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere liegt kein Fall des Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 FGO vor (dazu Ruban, in Gräber FGO Kommentar, 6. Auf., § 115 Rz. 41). Die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage ist nicht zweifelhaft. Wenn der BFH schon die Besteuerung der Renteneinkünfte ehemals Selbständiger für grundsätzlich verfassungsgemäß hält, muss dies erst recht für die Besteuerung der Renteneinkünfte ehemals Nichtselbständiger gelten.

Ende der Entscheidung

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