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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: VI 436/05
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 351 Abs. 1
AO § 355 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

VI 436/05

Einkommensteuer 2003

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27.09.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Einspruchsentscheidung vom 18.11.2005 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, inwieweit ein innerhalb der Einspruchsfrist bekannt gegebener Abhilfebescheid, mit dem einem Antrag auf schlichte Änderung in vollem Umfang stattgegeben wurde, aufgrund eines Einspruchs geändert werden kann.

Der ledige Kläger erzielte im Streitjahr 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung (Grundstücksbeteiligungen). Mit Bescheid vom 26.11.2004 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2003 auf 10.470 EUR fest, wobei die Einnahmen aus Kapitalvermögen abweichend von der Steuererklärung mit 2.886 EUR statt zutreffend mit 2.785 EUR (2.715 EUR + 1/2 von 141 EUR) angesetzt wurden.

Dem telefonischen Antrag der Steuerberaterin des Klägers vom 08.12.2004, die Einkünfte aus Kapitalvermögen in der zutreffenden Höhe zu berücksichtigen, wurde durch Erlass des Abhilfebescheids vom 20.12.2004 - also noch innerhalb der Einspruchsfrist - entsprochen. Dabei wurde die Einkommensteuer 2003 auf 10.426 EUR herabgesetzt. Dem Bescheid war folgende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt:

"Die Festsetzung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags kann mit dem Einspruch angefochten werden. (...) Der Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert, gegen den ein zulässiger Einspruch (...) anhängig ist. (...) Die Frist für den Einspruch beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen dieser Bescheid bekannt gegeben worden ist. (...)"

Am 24.01.2005 legte die steuerliche Vertreterin des Klägers gegen den Abhilfebescheid vom 20.12.2004 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.11.2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt führte im Wesentlichen aus, der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 26.11.2004 sei durch den Abhilfebescheid vom 20.12.2004 im Wege der "schlichten Änderung" geändert worden. Der Antrag auf schlichte Änderung hindere aber nicht den Eintritt der Bestandskraft im Übrigen. Da die Einspruchsfrist für den Erstbescheid vom 26.11.2004 bereits am 29.12.2004 abgelaufen gewesen sei, sei analog § 351 Abs. 1 AO eine Anfechtung des Abhilfebescheids mit Einspruch vom 24.01.2005 nur noch eingeschränkt möglich, d.h. soweit die Änderung reiche. Im konkreten Fall könne im Einspruchsverfahren eine weitere Herabsetzung der Einkommensteuer nicht erreicht werden.

Im Klageverfahren begehrt der Kläger erstmals die Berücksichtigung von Beiträgen zu einer Lebensversicherung i.H.v. 4.647,53 EUR als Vorsorgeaufwendungen und beantragt insofern das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 274/03. Außerdem begehrt er den Abzug von Beiträgen zur Rentenversicherung in ungenannter Höhe als vorweggenommene Werbungskosten und beantragt auch insofern das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2299/04.

In einem Telefonat mit der Berichterstatterin hat die Klägervertreterin erklärt, sie begehre letztlich die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18.11.2005, weil das Finanzamt im Einspruchsverfahren offensichtlich keine Sachprüfung vorgenommen habe und es ihr letztlich um eine Aktualisierung der Vorbehaltsvermerke gehe.

Der Kläger beantragt demzufolge,

die Einspruchsentscheidung vom 18.11.2005 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für den Fall des Unterliegens beantragt es

die Zulassung der Revision.

Zur Begründung führt es an, eine Änderung des Abhilfebescheids vom 20.12.2004 sei wegen des Rechtsgedankens der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO nicht möglich. Der Steuerberater sei an die einmal getroffene Wahl gebunden, wenn sie nicht bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gegen den Erstbescheid geändert werde.

Ein Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO verhindere nicht den Eintritt der Unanfechtbarkeit. Er sei kein Rechtsbehelf. Da innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des Erstbescheides kein Einspruch eingelegt worden sei, sei die Steuerfestsetzung 2003 am 29.12.2003 bestandskräftig geworden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Das Finanzamt hat den fristgerechten Einspruch des Klägers vom 24.01.2005 gegen den Abhilfebescheid vom 20.12.2004, mit dem der noch nicht bestandskräftige Erstbescheid vom 26.11.2004 antragsgemäß geändert wurde, zu Unrecht in analoger Anwendung der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO ohne sachliche Prüfung zurückgewiesen.

Der Änderungsbescheid vom 20.12.2004 ist in vollem Umfang überprüfbar. Die Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO greift nicht, weil der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom 26.11.2004 bei Erlass des Änderungsbescheides noch nicht bestandskräftig war. Das wäre er erst mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 AO am 29.12.2004 geworden.

Eine analoge Anwendung des § 351 Abs. 1 AO auf Fälle, in denen noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide geändert werden, kommt nicht in Betracht.

1. Die Einspruchsentscheidung vom 18.11.2005 ist isoliert aufzuheben, weil das Finanzamt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Regelung in § 351 Abs. 1 AO (analog) in eine sachliche Prüfung des Einspruchs nicht eingetreten ist. Damit ist der Steuerpflichtige so gestellt, als hätte das Finanzamt den Einspruch als unzulässig abgewiesen. Bei der vom Finanzamt im Streitfall vertretenen Rechtsansicht zu § 351 Abs. 1 AO hätte der Einspruch konsequenterweise als unzulässig verworfen werden müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 07.10.2003 - X B 53/03, BFH/NV 2004, 156). Würde das Gericht nun in eine Begründetheitsprüfung eintreten, wäre der Rechtsschutz des Klägers verkürzt, weil die Filterfunktion des Einspruchsverfahrens entfiele (vgl. Tipke , in Tipke/Kruse Kommentar zur AO/FGO, 16. Aufl., § 44 AO Rz. 17). Zudem hat die Prozessbevollmächtigte die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung ausdrücklich beantragt.

2. Gemäß § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.

a) Nach seinem Wortlaut betrifft § 351 Abs. 1 AO nur Fälle, in denen ein bereits unanfechtbarer Verwaltungsakt geändert wurde.

aa) Unanfechtbar (formell bestandskräftig) wird ein Verwaltungsakt durch Ablauf der Einspruchsfrist ( § 355 AO), Einspruchsverzicht ( § 354 AO), Einspruchs- oder Klagerücknahme nach Ablauf der Einspruchs- bzw. Klagefrist ( § 362 AO; § 72 FGO), oder wenn über einen Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden worden ist.

bb) Für die Frage, ob ein Bescheid bereits unanfechtbar ist, kommt es auf den Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides an und nicht auf den Zeitpunkt, in dem der Änderungsbescheid angefochten wird (so schon BFH-Urteil vom 10.07.1980 IV R 11/78, BStBl II 1981, 5; vgl. auch Tipke , in Tipke/Kruse, AO § 351 Rn. 12; Dumke , in Schwarz, AO, § 351 Rn. 10, m.w.N.; Szymczak , in Koch/Scholz, AO, § 351 Rn. 3 und Pahlke , in Pahlke/Koenig, AO, § 351 Rn. 12).

b) Wird ein noch nicht bestandskräftiger Bescheid geändert, so können alle gegen den vorhergehenden (Erst-)Bescheid möglichen Einwendungen im Verfahren gegen den Änderungsbescheid vorgebracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.1980 IV R 11/78, BStBl II 1981, 5, unter Ziffer 2. m.w.N.).

aa) Diese Wirkung tritt unabhängig davon ein, ob mit dem Änderungsbescheid einem Antrag des Steuerpflichtigen auf schlichte Änderung ( § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO) voll oder teilweise entsprochen worden ist oder ob der Änderungsbescheid ohne Zutun (Antrag) des Steuerpflichtigen von Amts wegen ergangen ist. Entscheidend ist allein die Änderung des vorhergehenden (Erst-)Bescheids vor Eintritt der Bestandskraft.

bb) Diese Rechtsfolge ist konsequent und dient der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Nimmt das Finanzamt dem Steuerpflichtigen durch Bekanntgabe eines Änderungsbescheids noch innerhalb der gegen den vorhergehenden (Erst-)Bescheid laufenden Einspruchsfrist das gesetzlich garantierte Recht, die volle Monatsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO gegen den vorhergehenden (Erst-)Bescheid auszuschöpfen, was unstreitig beinhaltet, dass der Steuerpflichtige bis Fristablauf entscheiden und ggf. wiederholt ändern kann, ob er Einspruch einlegen ( § 357 Abs. 1 AO) oder ob und in welchem Umfang er Antrag auf schlichte Änderung ( § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO) stellen will, so steht dem Steuerpflichtigen das Recht zu, gegen den Abhilfebescheid uneingeschränkt Einspruch einzulegen oder Antrag auf schlichte Änderung zu stellen, selbst wenn mit dem Abhilfebescheid einem Antrag des Steuerpflichtigen voll entsprochen worden ist.

cc) Faktisch verlängert sich durch die Änderung des vorhergehenden (Erst-) Bescheids vor Eintritt der Bestandskraft für den Steuerpflichtigen die Einspruchsfrist um die für den Änderungsbescheid geltende Einspruchsfrist (so auch Schwarz, AO § 351 Rn 10).

Dieses Ergebnis ist letztlich vom geltenden Verfahrensrecht gewollt und angesichts der Komplexität des Steuerrechts zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen. Es entspricht auch dem aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten Gebot zur rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften.

In die gleiche Richtung weist auch das BFH-Urteil vom 18.04.2007 XI R 47/05 (BFH/NV 2007, 1554) zur Zulässigkeit des Einspruchs gegen einen Vollabhilfebescheid, der ein Einspruchsverfahren beendet. In diesem Urteil hat der BFH zutreffend und unter Abhandlung aller rechtlichen Gesichtspunkte der von der Steuerverwaltung angestrebten Beschränkung des effektiven Rechtsschutzes unter Berufung auf den eindeutigen Wortlaut der AO eine klare Absage erteilt.

dd) Der Ansicht der Steuerverwaltung, die grundsätzlich uneingeschränkte Anfechtungsmöglichkeit des Änderungsbescheids bei Änderung eines noch nicht bestandskräftigen vorhergehenden Bescheids bedürfe einer Einschränkung durch analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO, wenn im Rahmen eines Antrags auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO vor Bestandskraft des ursprünglichen (Erst-)Bescheids ein Vollabhilfebescheid erlassenen werde, weil der Steuerpflichtige in diesen Fällen nicht schutzwürdig sei, kann nicht gefolgt werden.

Die von der Steuerverwaltung vertretene Meinung ist weder mit dem Wortlaut noch dem grammatikalischen Sinn des Satzteils "Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern", zu vereinbaren.

Dieser besagt klar und eindeutig, dass die Anfechtungsbeschränkung nur greifen soll, wenn der geänderte Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Änderung bereits unanfechtbar war, nicht aber, wenn er dies später einmal werden könnte/würde. Hätte der Gesetzgeber etwas anderes ausdrücken wollen, hätte er etwas anderes schreiben müssen.

Die Meinung von Birkenfeld , in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 351 AO Rn. 55 ff., wonach bei Änderung eines Steuerbescheides innerhalb der Einspruchsfrist maßgebend sein soll, wann und gegen welchen Verwaltungsakt Einspruch eingelegt worden ist, ist deshalb abzulehnen.

Es kann zulässigerweise nur gegen einen Verwaltungsakt Einspruch eingelegt werden, nämlich den aktuell wirksamen. Das ist der Änderungsbescheid. Der Änderungsbescheid wird mit seiner Bekanntgabe mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam, § 124 Abs. 1 AO. Solange der Änderungsbescheid wirksam ist, tritt er an die Stelle des Erstbescheides. Nur durch ihn kann der Steuerpflichtige beschwert sein.

Abzulehnen ist die Auffassung Birkenfelds allerdings auch insoweit, als er im Erlass eines Änderungsbescheides während der noch laufenden Einspruchsfrist des vorhergehenden (Erst-)Bescheides einen Verfahrensfehler sieht. Soweit eine rechtliche Änderungsmöglichkeit besteht, darf das Finanzamt einen noch nicht formell bestandskräftigen Steuerbescheid ebenso ändern wie einen bereits formell bestandskräftigen. Es darf nur nicht - und darin ist Birkenfeld zuzustimmen - dem Steuerpflichtigen die Einspruchsfrist beschneiden. Nur: anders als Birkenfeld meint, kann es sich hier nicht um die Einspruchsfrist gegen den vorhergehenden (Erst-) Bescheid handeln, der ja durch den wirksamen Änderungsbescheid "verdeckt" ist, sondern um die Einspruchsfrist gegen den Änderungsbescheid. Nimmt das Finanzamt dem Steuerpflichtigen durch Erlass eines Änderungsbescheides innerhalb der Einspruchsfrist des Erstbescheides die Möglichkeit, einen Monat lang zu überlegen, ob er gegen diesen Erstbescheid Einspruch einlegen will, so muss es ihm die volle Monatsfrist - und nicht nur den Rest der Monatsfrist bzgl. des Erstbescheides - hinsichtlich des Änderungsbescheides zubilligen. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, sich sofort nach Erhalt des Änderungsbescheides über dessen Inhalt, insbesondere Grund, Art und Ausmaß möglicher Änderungen zu vergewissern. Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, der den Steuerpflichtigen beschwert, § 355 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 350 AO, nicht einen Monat nach Bekanntgabe des irgendwann einmal erlassenen vorhergehenden Bescheides.

Wollte man jedoch der Meinung Birkenfelds folgen, für den die Regelung des § 351 AO die Zulässigkeit des Einspruchs betrifft (a.a.O. Rn. 23), so wäre dem Kläger konsequenterweise Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gegen den vorhergehenden (Erst-)Bescheid zu gewähren, weil das Finanzamt in der Rechtsbehelfsbelehrung des Änderungsbescheides nicht auf die "verkürzte Einspruchsfrist" hingewiesen hat (Birkenfeld , a.a.O. Rn. 61).

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum ein Steuerpflichtiger, der einen Antrag auf schlichte Änderung stellt, verfahrensmäßig schlechter gestellt werden soll, als ein Steuerpflichtiger, der einen Einspruch einlegt, wenn in beiden Fällen dem Antrag/Einspruch vor Ablauf der Einspruchsfrist mit Abhilfebescheid entsprochen worden ist und sich damit der Antrag/Einspruch erledigt hat. In beiden Fällen muss der Steuerpflichtige das Recht der uneingeschränkten Anfechtungsmöglichkeit haben.

dd) Das Finanzamt kann sich bei seinen Ausführungen auch nicht auf das Institut der Analogie stützen.

Analogie ist Ausdehnung der dem Gesetz zu entnehmenden Prinzipien auf Fälle, die von den im Gesetz entschiedenen Fällen nur unwesentlich abweichen. Voraussetzung ist eine unplanmäßige Lücke im Gesetz, die durch die analoge Anwendung des Gesetzes auf den ähnlichen, aber vom Wortlaut nicht umfassten Fall, geschlossen werden soll.

Im Streitfall liegt aber keine planwidrige Lücke vor. Der Gesetzgeber wollte der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO bewusst nur solche Fälle unterwerfen, in denen der geänderte Verwaltungsakt im Zeitpunkt seiner Änderung bereits bestandskräftig war. Dabei ist ohne Belang, ob der ändernde Verwaltungsakt ein normaler Änderungsbescheid oder ein Vollabhilfebescheid ist. Eine Analogiebildung "contra legem" ist unzulässig.

1. Das Finanzamt hätte- wenn es dies aufgrund besonderer Umstände des Streitfalles für erforderlich gehalten hätte- die Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO ganz einfach dadurch herbeiführen können, dass es dem Antrag auf schlichte Änderung erst nach Eintritt der Bestandskraft des ursprünglichen (Erst-) Bescheides abgeholfen hätte.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Wird ein Verwaltungsakt zulässigerweise nicht vom Gericht abgeändert, sondern ersatzlos aufgehoben ( § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), ist die Verwaltung in diesem Verfahren endgültig unterlegen, und zwar unabhängig davon, ob sie später einen neuen Verwaltungsakt erlässt, der den Steuerpflichtigen erneut beschwert (vgl. Ruban, in Gräber, FGO, § 135 Rn. 1 am Ende).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO weder ersichtlich sind, noch geltend gemacht wurden.

Ende der Entscheidung

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