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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: 1 K 1355/02
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 17
AO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Anerkennung eines Verlustes des Klägers aus der Veräußerung einer Beteiligung an der I Immobilien AG nach § 17 EStG, den der Kläger mit 23.062.698.- DM beziffert.

Der Kläger und die Klägerin sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom 10.06.1992 (Bl. 50 ESt-Akte) gründete der Kläger die I GmbH mit Sitz in T. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Vertrages die Planung von Bauobjekten aller Art verbunden mit der Beratungstätigkeit in allen Baufragen sowie die Baubetreuung, Projektentwicklung und Projektmanagement. Die Gesellschaft kann alle Geschäfte betreiben, die zur Förderung des Gesellschaftszweckes notwendig sind oder nützlich erscheinen. Sie darf andere Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art übernehmen, sich an ihnen beteiligen und ihre Geschäfte führen. Das Stammkapital von 100.000.- DM übernahm der Kläger als Gesellschafter alleine. Er war auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Im Streitjahr war der Kläger u.a. auch an der R GmbH in T als alleiniger Gesellschafter beteiligt, auch hier war er Geschäftsführer.

In der Zeit vom 11.09.1992 bis 30.04.1993 erwarb der Kläger in Gestalt von 120.401 Inhaberaktien eine Beteiligung von 50,16% an der I Immobilien AG (im folgenden AG) für insgesamt 20.580.824,76 DM. Am 02.11.1993 übernahm der Kläger gegenüber der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 5 Mio. DM für die AG (Bl. 123 ESt-Akte). Mit Urteil des LG D vom 14.10.1994 wurde die AG infolge eines gegen sie gerichteten Klageverfahrens zur Zahlung von nahezu 9 Mio. DM verurteilt. Hiergegen legte sie am 25.11.1994 Berufung ein.

Mit privatschriftlichem Kaufvertrag zwischen dem Kläger als Verkäufer und der I GmbH, vertreten durch den Kläger als alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer, als Käuferin vom 21.12.1994 verkaufte und übertrug der Kläger dieser die im Depot Konto Nr. 8001 42457 bei der Sparkasse T verwahrten 120.401 Aktien der AG mit Wirkung zum Stichtag 31.12.1994 einschließlich aller Nebenrechte, insbesondere Dividendenbezugsrechte. Die Übergabe sollte dadurch erwirkt werden, dass der Kläger der dies annehmenden I GmbH seinen Herausgabeanspruch gegenüber der depotführenden Bank abtritt. Übereignung und Abtretung des Herausgabeanspruchs sollten unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung gemäß § 2 des Vertrages stehen. Besitz, Nutzen und Lasten sollten mit Wirkung zum Stichtag übergehen. Der Verkäufer bevollmächtigte schon jetzt die Käuferin, alle seine Aktionärsrechte, insbesondere seine Stimmrechte aus den übereigneten Aktien in Hauptversammlungen auszuüben. Nach § 2 des Vertrages betrug der Kaufpreis vorläufig 2 Mio. DM. Er sollte sich aus einem nachzureichenden Bewertungsgutachten der von den Parteien gemeinsam festgelegten Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfergesellschaft ergeben. Der Kaufpreis sollte zum 31.12.1994 fällig sein, wurde der Käuferin jedoch für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.05.1995 verzinslich mit einem Zinssatz von 9,5% gestundet. Den Vertragsparteien blieb der Nachweis vorbehalten, dass sich der Wert des Kaufgegenstandes zum 31.05.1995 um mehr als 10% nach oben oder unten verändert hat; dieser Nachweis war durch ein bis zum 31.07.1995 zu erstellendes Wertgutachten des vorgenannten Wirtschaftsprüfers als Schiedsgutachten iSv § 317 BGB zu führen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vertragliche Vereinbarung Bezug genommen (Bl. 60-62 ESt-Akte).

Mit ihrer am 31.01.1995 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 hatten die Kläger u.a. Einnahmen des Klägers aus Kapitalvermögen i.H.v. 23 Mio. DM erklärt, die aus Gewinnausschüttungen der R GmbH gemäß den Beschlüssen der Gesellschafterversammlungen vom 08. und vom 12.12.1994 resultierten. Gleichzeitig machten sie einen Verlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG im Zusammenhang mit der Veräußerung der AG-Aktien iHv 18.580.824.- DM geltend, der sich nach ihren Berechnungen aus der Gegenüberstellung der o.g. Anschaffungskosten und eines Veräußerungspreises von 2 Mio. DM ergab.

Nachdem Vergleichsverhandlungen der AG mit den den Zivilprozess betreibenden Klägerinnen und Banken gescheitert waren und das OLG D einen Antrag der AG auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung am 13.02.1995 abgelehnt hatte, stellte der Kläger als alleiniger Vorstand der AG für diese am 14.02.1995 bei dem Amtsgericht D einen Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses (Bl. 18 Rb-Akte). Er unterbereitete dabei den Vorschlag, den Gläubigern der AG eine Vergleichsquote von 35% innerhalb eines Jahres zu gewähren und den übersteigenden Teil der Forderungen zu erlassen.

In seinem umfangreichen Bericht vom 05.04.1995, auf den im Einzelnen Bezug genommen wird, kam der vorläufige Vergleichsverwalter zu dem Ergebnis, dass das Vermögen der AG nicht ausreiche, um ein Vergleichsverfahren auf der Grundlage der Mindestquote durchzuführen: Aktionäre oder Interessenten an Aktien der AG seien nicht bereit, Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, um die Deckungslücke zu schließen und die Liquidität zu schaffen, die den Fortbestand der AG sichern würde. Es bestünden Zweifel an der persönlichen und wirtschaftlichen Würdigkeit der AG. Der vorläufige Vergleichsverwalter regte daher an, umgehend das Anschlusskonkursverfahren über das Vermögen der AG zu eröffnen (Bl. 22-152 Rb-Akte).

Dementsprechend hat das Amtsgericht D mit Beschluss vom 06.04.1995 die Eröffnung des Vergleichsverfahrens abgelehnt und das Anschlusskonkursverfahren eröffnet (Bl. 82 ESt-Akte). Nach einer vom Kläger in Auftrag gegebenen Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W GmbH vom 16.05.1995 sind die Aktien der AG nach Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens wertlos (Bl. 81 ESt-Akte).

Mit Schreiben vom 21.04.1995 nahm die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank den Kläger aus der übernommenen Bürgschaft in Anspruch (Bl. 122 ESt-Akte) und erwirkte am 27.06.1995 einen Mahnbescheid gegen den Kläger (Bl. 119 ESt-Akte).

Im Zuge der Veranlagungsarbeiten übersandte der Beklagte dem Kläger am 15.05.1995 ein Schreiben folgenden Wortlautes: "Hiermit wird bestätigt, dass Sie in Ihrer Einkommensteuererklärung 1994 einen Verlust im Sinne des § 17 EStG aus dem Verkauf der I-AG-Aktien in Höhe von 18.580.824.- DM geltend machen. Der Verlust ist dem Grunde nach anzuerkennen und führt zu den entsprechenden steuerlichen Auswirkungen". Das Schreiben war von dem für die Veranlagungsstelle der Kläger zuständigen Sachgebietsleiter T unterzeichnet (Bl. 77 ESt-Akte).

In dem sodann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27. Juni 1995 berücksichtigte der Beklagte antragsgemäß und unter Berücksichtigung einer sich aus der Wertveränderung der Aktien ergebenden Anpassung des Kaufpreises einen Verlust nach § 17 EStG iHv 20.580.824.- DM (Bl. 92 ESt-Akte).

Unter Hinweis auf den wegen der vom Kläger übernommenen Bürgschaft gegen ihn erlassenen Mahnbescheid beantragte der Steuerberater des Klägers mit Schreiben vom 07.11.1995, den Verlust aus der Veräußerung der AG-Aktien um weitere 5.008.952,50 DM zu erhöhen (Bl. 117 ESt-Akte).

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem und unverändert unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenem Bescheid vom 17. Januar 1996 folgte der Beklagte diesem Antrag und ging von einem Verlust i.S.d. § 17 EStG iHv 25.589.776.- DM aus (Bl. 156 ESt-Akte).

Nach einem bei dem Beklagten am 08.10.1996 eingegangenen Schreiben der Sparkasse T vom 06.02.1995 betrug der Wert der Aktien des Klägers zum 21.12.1994 14.448.120.- DM (Bl. 178 Rb-Akte; Bl. 173 R ESt-Akte).

Nachdem in der Zeit vom 17.11.1998 bis 01.07.1999 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger für die Jahre 1992 bis 1996 stattgefunden hatte, ließ der Beklagte in dem Bescheid vom 18. Januar 2000 den streitigen Verlust nur noch in einer Höhe von 8.614.579.- DM zu. Diesen Wert ermittelte er, indem er von dem bisher angesetzten Verlust einen unstreitigen Forderungsverzicht der Bank iHv 2.608.952.- DM abzog, unstreitige Rechts- und Beratungskosten i.H.v. 81.875.- DM hinzurechnete und den Kurswert der Aktien wie in dem Schreiben der Sparkasse T vom 06.02.1995 mitgeteilt mit 14.448.120.- DM (120.- DM/Aktie) ansetzte (Bl. 194-196 ESt-Akte).

Auf den hiergegen erhobenen Einspruch und gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gewährte der Beklagte mit Verfügung vom 03.03.2000 die Aussetzung (Bl. 20 AdV-Akte).

Nach verschiedenen Besprechungsterminen und der Erstattung eines Rechtsgutachtens durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger (Bl. 203-241 Rb-Akte) teilte der Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf § 367 AO mit Schreiben vom 14.02.2001 mit, dass er beabsichtige, im Rahmen des Einspruchsverfahrens den bisher berücksichtigten Veräußerungsverlust im Streitjahr nicht anzuerkennen (Bl. 193 Rb-Akte).

Mit Einspruchsentscheidung vom 04. Februar 2002 (Bl. 275 Rb-Akte) änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid entsprechend seiner Ankündigung dahingehend, dass er nunmehr den streitigen Veräußerungsverlust nicht mehr ansetzte und die Einkünfte des Klägers dementsprechend um den im Bescheid vom 18.01.2000 noch berücksichtigten Verlust iHv 8.614.579.- DM erhöhte. Gleichzeitig hob er die den Klägern bisher gewährte Aussetzung der Vollziehung auf.

Zur Begründung wies er darauf hin, dass der Veräußerungsvorgang nicht im Streitjahr 1994 zu erfassen sei; insoweit fehle es sowohl am Übergang des zivilrechtlichen als auch des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien auf die I GmbH.

Zivilrechtlich hätte es zur Übertragung von Inhaberaktien einer Einigung und Übergabe bzw. einer die Übergabe ersetzenden Vereinbarung bedurft. Im Streitfall sei daher das Eigentum an den im Depot des Klägers bei der Sparkasse befindlichen Aktien infolge der für die Übereignung und Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die depotführende Bank geltenden aufschiebenden Bedingung der vollständigen Begleichung des Kaufpreises frühestens mit dessen endgültiger Feststellung nach dem 31.05.1995 erfolgt.

Wirtschaftliches Eigentum sei nicht übergegangen, weil die I GmbH zwar eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb der Anteile gerichtete Position erworben habe, jedoch das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung nicht auf die GmbH als Käuferin übergegangen sei. Denn nach § 2 Tz 4.0 des Kaufvertrages vom 21.12.1994 sei nicht der vereinbarte Kaufpreis von 2 Mio. DM maßgebend, wenn der Wert der Aktien zum 31.05.1995 um mehr als 10% nach oben oder unten abweiche und ein entsprechender Nachweis dafür erbracht sei. Damit trage das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung der Kläger als Verkäufer. So sei auch verfahren worden, denn nachdem die Aktien wertlos gewesen seien, sei der Kaufpreis auf 0.- DM korrigiert worden. Dem Kläger als alleinigem Vorstand der AG sei aus dem bereits im Oktober 1994 verlorenen Zivilprozess bekannt gewesen, dass Zahlungen iHv 8,9 Mio. DM an die dortigen Kläger zu leisten gewesen seien und die Aktien wertlos würden. Als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der I GmbH habe der Kläger somit bereits bei Vertragsschluss Kenntnis davon gehabt, dass letztlich der Kaufpreis von 2 Mio. DM nicht gezahlt werden müsse. Mit dem Erwerb der Aktien sei für die I GmbH somit kein Risiko verbunden gewesen.

Zwar sei das Gewinnbezugsrecht formal übergegangen, wirtschaftlich gesehen sei jedoch dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen, dass mit einer Ausschüttung der AG nicht mehr gerechnet werden könne.

Der Besitz an den Aktien sei entgegen § 1 Tz 4.0 des Kaufvertrages nicht zum 31.12.1994 übergegangen, da sich diese auch im Februar 1995 noch im Wertpapierdepot des Klägers 800 142 457 bei der Sparkasse befunden hätten. Daher seien auch Nutzen und Lasten nicht zum 31.12.1994 auf die I GmbH übergegangen, sie habe über die Aktien nicht bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung verfügen können.

Diese Beurteilung werde letztlich auch dadurch bestätigt, dass die Kläger in ihrer mehr als ein Jahr nach dem Konkurs der AG bei dem Beklagten eingereichten Vermögensteuererklärung auf den 01.01.1995 die Aktien der AG als sonstiges Vermögen bei der Sparkasse "800 142 457" mit einem Wert von 14.448.120.- DM angegeben hätten. Dabei handele es sich um das Depotkonto mit den Aktien der AG.

Er sei auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben zur Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes im Streitjahr 1994 verpflichtet gewesen. Unabhängig davon, dass alle für das Streitjahr ergangenen Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden hätten, habe eine tatsächliche Verständigung mit bindender Wirkung nicht stattgefunden. An einer Änderung nach § 164 Abs. 2 AO sei er nicht gehindert gewesen, da er weder durch eine Zusage oder rechtsverbindliche Auskunft noch eine bestimmte Sachbehandlung aufgrund einer vorausgegangenen Betriebsprüfung einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, der es verbieten würde, bei einer späteren Berichtigungsveranlagung einen abweichenden Rechtsstandpunkt einzunehmen. Vielmehr habe er durch Anbringung des Vorbehaltes nach § 164 Abs. 1 AO klargestellt, dass er von seinem gesetzlich eingeräumten Recht zur erst späteren abschließenden Prüfung des Steuerfalles Gebrauch mache; die Kläger hätten danach nicht darauf vertrauen dürfen, dass es bei dem Ergebnis der unter Vorbehalt der Nachprüfung erfolgten Veranlagung bleibe.

Letztlich sei der Kaufvertrag unter dem Gesichtspunkt des Missbrauches von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO nicht anzuerkennen. Denn dieser wäre zwischen fremden Dritten nicht, auch nicht zur zumindest teilweisen Zusammenführung der unternehmerischen Interessen über die I GmbH als Holdinggesellschaft, zustande gekommen. Einerseits sei dem Kläger in seiner Eigenschaft als alleiniger Vorstand der AG deren finanzielle Lage hinreichend ebenso bekannt gewesen wie der Umstand, dass die Sparkasse deren Aktien im dortigen Depot mit einem Kurswert von 120.-DM/Stück am 21.12.1994 ausgewiesen habe. Andererseits sei ihm auch bekannt gewesen, dass die AG im Oktober 1994, also zwei Monate vor dem Kaufvertrag, zur Zahlung von 8,9 Mio. DM verurteilt und aus diesem Urteil die Zwangsvollstreckung betrieben worden sei. Für einen Erwerber der Aktien sei das Risiko, dass diese in kurzer Zeit wertlos würden, sehr groß gewesen. Auch das Gutachten des Prozessbevollmächtigen führe aus, dass die aus damaliger Sicht im Falle der Sicherungszwangsvollstreckung drohende Insolvenz nicht hätte abgewendet werden können und dass diese in Betracht zu ziehende Entwicklung zwangsläufig zum Verlust des gesamten Engagements für den Erwerber hätte führen müssen. So sei es dann auch zur Abweisung des Vergleichsantrages und Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens gekommen. Der Vergleichsverwalter sei zu diesem Zeitpunkt von einer Unterdeckung iHv 34 Mio. DM ausgegangen. Es erscheine mehr als zweifelhaft, dass ein fremder Dritter mit dem bei der Erwerberin, der I GmbH, vorhandenen Wissen und der dort eingeschränkten Liquidität die Anteile überhaupt gekauft und einen vorläufigen Kaufpreis von 2 Mio. DM vereinbart hätte. Der Kaufvertrag sei daher nur deshalb abgeschlossen worden, um dem Kläger bereits in 1994 die Geltendmachung des Veräußerungsverlustes zu ermöglichen. Dass der Kläger bei dessen Abschluss die binnen kurzer Zeit eintretende Wertlosigkeit der Aktien nicht hätte erkennen können, widerspreche seinen Angaben im Vergleichsantrag vom 14.02.1995, in dem er ausgeführt habe, dass bereits am 23.11.1994 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W ein Überschuldungsstatus erstellt worden sei. Nach den Angaben im Gutachten des Prozessbevollmächtigten sei darin für den Zeitraum bis 27.01.1995 bereits eine Liquiditätslücke von 6,6 Mio. DM prognostiziert worden. Angesichts dessen sei eine Beteiligung an der AG auch nicht geeignet gewesen, Holdingstrukturen zu schaffen.

Der Kläger hätte entgegen seinem Vortrag auch nicht einen Konkursantrag einige Wochen früher stellen und so die Auflösung der AG herbeiführen können mit dem Ergebnis, dass ein Veräußerungsverlust nach § 17 EStG bereits in 1994 zu berücksichtigen gewesen wäre. Denn ein solcher Auflösungsverlust entstehe, sobald feststehe, dass mit Zuteilungen oder Rückzahlungen nach § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu rechnen sei und in welcher Höhe dem Anteilseigner nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige zu berücksichtigende Aufwendungen entstanden seien. Ein solcher Verlust entstehe frühestens mit Insolvenzeröffnung und spätestens mit Beendigung der Liquidation. Eine ausnahmsweise Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes schon vor dem Abschluss des Liquidationsverfahrens komme dann in Betracht, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht damit zu rechnen sei, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden decken werde und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen sei. Im Streitfall sei ein Zwangsvergleich gerade nicht ausgeschlossen gewesen, wie die erste vorläufige Stellungnahme des vorläufigen Vergleichsverwalters vom 31.01.1995 zeige, indem dieser nämlich gegenüber dem Amtsgericht noch von einer Vergleichsfähigkeit ausgegangen sei. Außerdem hätten bei einer Konkursantragstellung in 1994 wegen der erst später erfolgten Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft die Anschaffungskosten in 1994 noch nicht festgestanden. Darüber hinaus stehe es nicht im Ermessen des Vorstandes einer AG, ob und wann ein Konkurseröffnungsantrag gestellt werde; vielmehr bestehe nach § 92 Abs. 2 AktG bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eine Pflicht zur Antragstellung.

Hiergegen haben die Kläger am 01.03.2002 die vorliegende Klage erhoben.

Dem Kläger sei in 1994 ein steuerlich zu berücksichtigender Verlust nach § 17 Abs. 1 EStG entstanden. Der Kaufvertrag vom 21.12.1994 habe zu einer Veräußerung in diesem Jahr geführt, das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien sei aufgrund eines entgeltlichen Verpflichtungsgeschäftes vom Kläger auf die I GmbH übergegangen, denn die Parteien hätten nach ihren beiderseitigen Wertvorstellungen Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen.

Wenn auch das zivilrechtliche Eigentum nicht schon in 1994 übergegangen sei, sei das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf die I GmbH am 31.12.1994 übergegangen. Bei Gesellschaftsanteilen sei wirtschaftliches Eigentum anzunehmen, wenn Besitz, Stimmrecht, Nutzungen und Lasten sowie die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und Kurschancen dauerhaft auf den Erwerber übergegangen seien. Dabei sei auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen, sodass nicht jede einzelne Voraussetzung stets im vollen Umfang gegeben sein müsse. Maßgeblich seien der Wortlaut und der Sinn und Zweck der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung und deren tatsächlicher Vollzug. Nach dem Kaufvertrag seien Stimmrecht, Nutzungen und Lasten an den AG-Aktien zum 31.12.1994 auf die I GmbH übergegangen, wie sich dies schon aus der im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und der I GmbH wirksamen zivilrechtlichen Vereinbarung ergebe. Dass sich die Aktien am 31.12.1994 noch im Depot des Klägers bei der Sparkasse T befunden hätten, sei hierfür ebenso irrelevant wie der Umstand, ob mit Ausschüttungen der AG noch zu rechnen gewesen sei. Der Besitz an den Aktien sei schon am 31.12.1994 auf die I GmbH übergegangen. Denn dafür genüge die Einräumung mittelbaren, auch mehrstufigen, Besitzes, der sich regelmäßig aus der Vereinbarung eines Besitzkonstitutes i.S.v. § 868 BGB ergebe. Das notwendige Besitzmittlungsverhältnis müsse nicht ausdrücklich vereinbart werden, es genüge, wenn es sich nach Treu und Glauben aus den Umständen ergebe. Dementsprechend habe im Streitfall zunächst ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen der Sparkasse T als unmittelbarem Besitzer der Aktien und dem Kläger als Depotinhaber bestanden. Sodann hätten sich der Kläger und die I GmbH im Kaufvertrag vom 21.12.1994 darauf geeinigt, dass der Kläger der I GmbH zum 31.12.1994 wiederum selbst Besitz an den Aktien verschaffen sollte. Außerdem sollten zu diesem Zeitpunkt auch Nutzungen und Lasten auf die I GmbH übergehen. Damit seien die Parteien ersichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger seinen mittelbaren Besitz vom 31.12.1994 an für die I GmbH ausüben sollte. Insoweit sei aus den Umständen auf die Vereinbarung eines auftragsähnlichen Verwaltungsverhältnisses zu schließen. Dem Kläger habe als Depotinhaber zwar unverändert die Abwicklung des Geschäftsverkehrs mit der Sparkasse oblegen, ab dem 31.12.1994 bis zur endgültigen Eigentumsübertragung jedoch im Interesse der I GmbH. Die I GmbH habe also am 31.12.1994 über den Kläger mehrstufigen mittelbaren Besitz an den Aktien erlangt.

Kursrisiken und -chancen seien zum 31.12.1994 auf die I GmbH übergegangen. Die im Kaufvertrag vorgesehene Kaufpreisanpassungsklausel hindere den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zum 31.12.1994 nicht. Nach der gebotenen Gesamtschau könne eine solche Klausel für sich genommen nicht ins Gewicht fallen; demgegenüber aber erhebe der Beklagte das nur typischerweise anzutreffende Kriterium des vollen Übergangs von Kurschancen und -risiken zum echten Tatbestandsmerkmal.

Der Kaufvertrag sei zu Gunsten der I GmbH als Erwerberin auch wie vorgesehen zum Stichtag 31.12.1994 tatsächlich vollzogen worden. So habe der Kläger zur Dokumentation der Position der I GmbH als wirtschaftlich Berechtigte mit Schreiben vom 05.01.1995 die Sparkasse angewiesen, sein Depot mit den AG-Aktien auf die I GmbH umzuschreiben. Die Parteien hätten sich schon am 10.01.1995 förmlich darauf geeinigt, einen Prüfer der KPMG mit der Erstellung des im Vertrag vorgesehenen Wertgutachtens zwecks endgültiger Kaufpreisbestimmung zu beauftragen. Dem Bundesamt für den Wertpapierhandel sei im März 1995 zweimal der Anteilswechsel mitgeteilt worden.

Die Anpassungsklausel habe zudem nicht dazu gedient, den Kläger als Veräußerer über den 31.12.1994 hinaus an Kursveränderungen partizipieren zu lassen. Diese seien dort nicht erwähnt. Zu einer Kaufpreisanpassung habe es nur bei einer sich nach objektiven, wissenschaftlich anerkannten Bewertungsmethoden ergebenden Wertveränderung kommen sollen, die Entwicklung des Börsenkurses der Aktien habe folglich auf die Kaufpreisbildung keinen Einfluss mehr haben sollen.

Die Anpassungsklausel stelle letztlich in Anbetracht der Umstände nur eine modifizierte Form von Gewährleistung bzw. Garantieleistung dar, denn die Parteien hätten am 21.12.1994 mangels Wertgutachten den wirklichen bzw. inneren Wert der Aktien nicht gekannt. Es habe erhebliche Unsicherheit über die Chancen einer Fortführung des Geschäftsbetriebes der AG und deren weitere Ertragsentwicklung bestanden. Für den Gewährleistungscharakter der Klausel spreche auch die Beschränkung auf erhebliche Wertveränderungen entsprechend dem Vorbild des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB. Komme es infolge von Gewährleistungsklauseln zu einer nachträglichen Anpassung eines Kaufpreises, hindere dies den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums jedoch nicht.

Wie der Kläger die Aktien in seiner Vermögensteuererklärung zum 01.01.1995 behandelt habe, sei als unreflektierte Einschätzung in einer routinemäßig abgegebenen Steuererklärung ohne Belang. Er habe insoweit irrtümlich auf das zivilrechtliche Eigentum abgestellt.

Bei der Ermittlung des somit in 1994 eingetretenen Veräußerungsverlustes sei von dem letztlich erzielten Kaufpreis von 1.- DM auszugehen. Ein potentieller fremder Erwerber hätte, da es sich bei der Beteiligung von ca. 51% um eine strategische unternehmerische Beteiligung gehandelt habe, nicht den gegenwärtigen Börsenwert der Aktien von nahezu 15 Mio. DM gezahlt, sondern im Hinblick auf die zukünftigen Ertragschancen des Unternehmens und die Kurschancen der Aktien die bedrohliche Entwicklung berücksichtigt, die durch die Verurteilung der AG zur Zahlung von 8,9 Mio. DM eingetreten gewesen sei. Völlig offen sei im Dezember 1994 auch gewesen, ob die Sicherungszwangsvollstreckung aus diesem Urteil abzuwenden sein werde. Diese Unsicherheiten, das hohe Risiko einer ungünstigen Entwicklung und die ohnehin angespannte Liquiditätslage der AG ließen den vereinbarten vorläufigen Kaufpreis jedenfalls nicht als überhöht erscheinen. Im übrigen sei der Kaufpreis bei einer festgestellten Abweichung von mehr als 10% anzupassen gewesen.

Zum Ansatz des Börsenwertes komme es bei der Gewinnermittlung nach § 17 EStG nach dessen Abs. 2 Satz 2 nur im Falle einer verdeckten Einlage. Eine solche könne aber nur bei Unentgeltlichkeit oder Teilentgeltlichkeit des Übertragungsvorganges angenommen werden. Bei entgeltlichem Veräußerungsgeschäft sei der vereinbarte Preis zugrunde zu legen. Da der streitige Kaufvertrag klar als entgeltliches Veräußerungsgeschäft zu qualifizieren sei, sei es gerade nicht zu einer verdeckten Einlage in die I GmbH gekommen.

Da nachträglichen Kaufpreisänderungen im Rahmen von § 17 EStG als rückwirkendem Ereignis steuerliche Bedeutung zukomme, sei bei der Veranlagung zu berücksichtigen, dass die Parteien des Kaufvertrages den Kaufpreis nach der Veräußerung entsprechend der vertraglichen Vereinbarung auf Grund der Stellungnahme der W GmbH einvernehmlich auf 1.- DM reduziert hätten.

Dem Kaufvertrag könne nicht unter dem Gesichtspunkt des Missbrauches von Gestaltungsmöglichkeiten die steuerliche Anerkennung versagt werden. Es sei nicht von einer Veräußerung aus rein steuerlichen Gründen auszugehen, vielmehr habe der Kläger mit der Veräußerung des Aktienpaketes an die I GmbH ein nachvollziehbares wirtschaftliches Ziel verfolgt, nämlich die zumindest teilweise Bündelung seiner unternehmerischen Interessen über diese Gesellschaft als Holding. Dies ergebe sich daraus, dass er schon vor dem Erwerb der Anteile an der AG überlegt habe, seine unternehmerischen Aktivitäten zusammenzufassen. Diese Erwägungen seien durch das Gutachten der W GmbH vom Juni 1993 dokumentiert, fänden ihren Niederschlag auch in seinem Schreiben vom 03.06.1993 an die Sparkasse, in dem er sogar ausdrücklich eine Veräußerung innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe erwogen habe und auch in dem Geschäftsbericht 1992/1993 der AG. Die Verurteilung der AG zur Zahlung von 8,9 Mio. DM habe nicht zu einer Beschleunigung der ursprünglich für den Herbst 1994 angesetzten Veräußerungspläne, sondern zu deren Verzögerung geführt.

Die I GmbH sei im übrigen von vornherein als Holdinggesellschaft bzw. als Mischholding gedacht gewesen, denn sie sei nach ihrer Satzung u.a. darauf angelegt gewesen, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen und deren Geschäfte zu führen. Dafür spreche auch, dass innerhalb eines Jahres nach Übertragung der AG-Aktien ihr Stammkapital von 100.000.- DM auf 1.000.000.- DM erhöht und weitere Tochtergesellschaften gegründet worden seien. Die Übertragung der AG-Aktien sei also ein erster Schritt in die Holdingstruktur gewesen. Nunmehr betrage das Stammkapital sogar 10 Mio. DM.

Der Kläger sei bei Vertragsschluss am 21.12.1994 nicht von der Wertlosigkeit der AG-Aktien ausgegangen. Zwar habe zu diesem Zeitpunkt das erkennbare Risiko eines Wertverfalles bestanden, dem jedoch die reale Möglichkeit einer günstigen Entwicklung, insbesondere ein erfolgreicher Abschluss der Vergleichsverhandlungen mit den Klägerinnen oder die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegenüber gestanden habe. Es sei nicht abzusehen gewesen, dass die Kreditgeber der AG nicht zu weiteren Liquiditätsnachschüssen bereit sein würden.

Im übrigen hätten selbst nach Eintritt der Illiquidität und dem Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens außenstehende Dritte die Aktien der AG noch als werthaltig angesehen. Der Kläger habe noch im März 1995 dem vorläufigen Vergleichsverwalter verschiedene Kaufinteressenten benennen können, die ihr Interesse an einem Erwerb des Aktienpakets sogar schriftlich bestätigt hätten. Wertlos seien die Aktien erst aufgrund der Ablehnung des Vergleichsantrages und der Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens durch Beschluss vom 06.04.1995 geworden. Diese letztlich durch haltlose Behauptungen über steuerliche Risiken der AG provozierte Entwicklung sei vom Kläger aber Ende 1994 nicht sicher vorhersehbar gewesen.

Der Kläger habe sich unter mehreren gleichermaßen der wirtschaftlichen Zielsetzung dienlichen Gestaltungsmöglichkeiten anstelle der ebenfalls denkbaren Einlage der Beteiligung an der AG in das Gesellschaftsvermögen der I GmbH in zulässiger Weise für die steuerlich interessantere Anteilsveräußerung entschieden. Obwohl es auf die Wahrscheinlichkeit eines Erwerbs durch fremde Dritte daher nicht ankomme, hätte jedoch ein solcher im Hinblick auf die bloß vorläufige Vereinbarung des Kaufpreises einen Anteilskauf erwogen.

Darüber hinaus sei der Beklagte auch wegen der am 15.05.1995 erteilten schriftlichen Auskunft gehindert gewesen, die Rechtslage anders zu beurteilen. Diese Auskunft sei als verbindliche Zusage zu qualifizieren, den Veräußerungsverlust in 1994 in voller Höhe zu berücksichtigen. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger bzw. sein steuerlicher Berater vor dem Hintergrund von Finanzierungs- und Umschuldungsalternativen in der Besprechung bei dem Beklagten am 28.04.1995 konkludent gestellt. Die erforderlichen Angaben für die Erteilung einer Zusage seien gemacht worden, der Sachverhalt namentlich Herrn T als zuständigem Sachgebietsleiter in allen wesentlichen Punkten bekannt gewesen. Die Antwort des Beklagten sei einschränkungslos gewesen und habe vom Kläger nach Treu und Glauben so verstanden werden dürfen, dass der Beklagte eine endgültige Äußerung mit Bindungswillen abgegeben habe. Es sei dabei ohne Belang, dass die spätere Anerkennung des Verlustes im Bescheid vom 27.06.1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden habe. Denn darauf sei im Schreiben vom 15.05.1995 nicht hingewiesen worden. Dass die Zusage einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt betroffen habe, hindere die Bindungswirkung nicht, denn weil die Zusage als Verwaltungsakt zu charakterisieren sei, entfalle eine Beschränkung auf zukünftige Sachverhalte. Selbst wenn man die Bindungswirkung nur aus Treu und Glauben herleite, sei eine Beschränkung auf noch nicht verwirklichte Sachverhalte nicht gerechtfertigt. Maßgeblich sei die Dispositionsrelevanz der erteilten Auskünfte; so sei die gesamte Finanzplanung des Klägers von der Auskunft des Beklagten abhängig gewesen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 18. Januar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. Februar 2002 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb der Verlust aus der Veräußerung der Beteiligung an der I Immobilien AG in Höhe von 23.062.698.- DM berücksichtigt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest und verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Ergänzend trägt er vor, es sei weder rechtliches noch wirtschaftliches Eigentum an den Aktien auf die I GmbH übertragen worden. Im Kaufvertrag sei vereinbart gewesen, dass die Übergabe der Aktien dadurch bewirkt werde, dass der Kläger an die dies annehmende Käuferin seinen Herausgabeanspruch gegen die depotführende Bank abtrete. Die Übereignung und Abtretung des Herausgabeanspruchs hätten unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung gestanden. Wegen der Vereinbarung über den Kaufpreis sei der früheste Zeitpunkt, an dem zivilrechtliches Eigentum habe übergehen können, der Zeitpunkt der endgültigen Kaufpreisfestlegung, also nach dem 31.05.1995, gewesen.

Für einen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums fehle es daran, dass das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf die I GmbH übergegangen seien. Beides habe bis zum 31.05.1995 der Kläger getragen. Er habe über den 31.12.1994 hinaus alle Rechte aus den Aktien weiterhin ausgeübt und sich auch weiterhin als Eigentümer dargestellt. Der Kläger sei trotz Abschlusses eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes als rechtlicher Eigentümer nicht gehindert gewesen, über die Aktien weiterhin zu verfügen, sie z.B. an Dritte zu übereignen, auch wenn dies im Verhältnis zur I GmbH pflichtwidrig und schadensersatzauslösend gewesen wäre. Die Rechtswirksamkeit solcher Verfügungen hätte dies aber nicht berührt. Damit sei die I GmbH nicht in der Lage gewesen, den Kläger für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes von der Einwirkung auf dieses wirtschaftlich auszuschließen.

Der Kaufvertrag habe für den Kläger nur der vorgezogenen steuerlichen Verlustberücksichtigung gedient. Der angegebene Grund, der Kläger habe beabsichtigt, seine unternehmerischen Interessen ganz oder teilweise über die I GmbH als Holdinggesellschaft zusammen zu führen, erscheine angesichts der schwierigen finanziellen Lage der AG wirtschaftlich nicht als sinnvoll. Die Gestaltung erscheine nur im Zusammenhang mit den Ausschüttungen der rule GmbH sinnvoll. Der vorgelegte "Fahrplan" zur Einbringung der R GmbH in die AG widerspreche dieser Auffassung für die zu beurteilende Veräußerung des Aktienpakets vom Kläger an die I GmbH nicht.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Der Kläger kann den von ihm begehrten Veräußerungsverlust nach § 17 EStG jedenfalls im Streitjahr 1994 nicht steuerlich geltend machen. Insoweit fehlt es in diesem Jahr an dem für die Annahme einer Veräußerung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG erforderlichen Übergang des zivilrechtlichen und des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien der AG vom Kläger auf die I GmbH.

Der Gewinn - oder wie im Streitfall der Verlust - aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entsteht bei wesentlicher Beteiligung wie der im Streitfall in dem Zeitpunkt, in dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht.

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn wirtschaftliches und rechtliches Eigentum auseinanderfallen. Im Streitfall fehlt es für die Annahme eines Überganges des zivilrechtlichen Eigentums auf die I GmbH wegen der aufschiebend bedingten Einigung über den Eigentumsübergang und dem Umstand, dass diese Bedingung in 1994 noch nicht eingetreten war, ersichtlich an einer wirksamen dinglichen Einigung. Hiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.

Wirtschaftlicher Eigentümer eines Wirtschaftsgutes im Sinne der genannten Vorschrift ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer im Regelfall auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Wirtschaftliches Eigentum bei dem Verkauf einer Sache wird regelmäßig dadurch übertragen, dass der Verkäufer dem Käufer die Sache zu Eigenbesitz überlässt und Gefahr, Lasten und Nutzen der Sache auf den Käufer übergehen. Bei sinngemäßer Übertragung dieser Voraussetzungen auf den Geschäftsanteil an einer Kapitalgesellschaft ist danach für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums vor dem dinglichen Vollzug durch eine formwirksame Abtretung regelmäßig zu fordern, dass der Erwerber alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann; dazu gehört vor allem, dass das Gewinnbezugsrecht übergegangen ist. Im Hinblick auf den Übergang des Stimmrechtes hat die Rechtsprechung es ausreichen lassen, dass der Veräußerer aufgrund der getroffenen Vereinbarungen im Innenverhältnis zum Erwerber bei der Stimmabgabe dessen Interessen wahrzunehmen hat (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2004, Az.: VIII R 26/01, BStBl II 2004, 651 m.w.N.; Az.: VIII R 28/02, BStBl II 2005, 46, beide zum Übergang von GmbH-Anteilen). Anteile an einer Kapitalgesellschaft können dann dem wirtschaftlichen und nicht dem bürgerlich-rechtlichen Rechtsinhaber zuzurechnen sein, wenn aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäftes der Käufer eines Anteils bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechtes gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und auch die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (BFH-Urteil vom 10. März 1988, Az.: IV R 226/85, BStBl II 1988, 832 m.w.N.). Der Erwerber von Aktien erlangt wirtschaftliches Eigentum also ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragsparteien über die Wertpapiere verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten, insbesondere die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen, auf den Erwerber übergegangen sind (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999, Az.: I R 29/97, BStBl II 2000, 527). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen (BFH-Urteil vom 14. Februar 2001, Az. X R 82/97, BStBl II 2001, 440).

Unter Anwendung dieser Grundsätze und unter Würdigung der einzelnen Umstände des Streitfalles kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das wirtschaftliche Eigentum in 1994 nicht auf die I GmbH übergegangen ist.

Dazu fehlt es insbesondere daran, dass bei den hier interessierenden Wirtschaftsgütern, nämlich Aktien, die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und Kurschancen auf die I GmbH übergegangen sind. Der Senat misst diesem Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtverhältnisse wegen der Eigenart des zu beurteilenden Wirtschaftsgutes eine besondere Bedeutung zu.

Nach der vertraglichen Regelung in § 2 Rn 1.0 beträgt der Kaufpreis vorläufig 2 Mio. DM. Den Parteien bleibt jedoch nach § 2 Rn 4.0 der Nachweis vorbehalten, dass sich der Wert der Aktien zum 31.05.1995 um mehr als 10% nach oben oder nach unten verändert hat; dieser Nachweis ist durch ein bis zum 31.07.1995 zu erstellendes Wertgutachten zu führen. Liegt diese Voraussetzung vor, entspricht der Kaufpreis nach § 2 Rn 1.0 dem sodann festgestellten Wert. Durch diese Klausel wird der Kaufpreis nicht eindeutig zum Stichtag festgelegt, er wird vielmehr von der künftigen, bis zum 31.05.1995 eingetretenen Entwicklung abhängig gemacht. Das Risiko einer Wertminderung und auch die Chance einer Wertsteigerung über die genannte Abweichung von 10% hinaus trägt erkennbar ausschließlich der Kläger als Verkäufer. Sollte sich der Wert der Aktien als dem Kaufgegenstand, und dieser ist untrennbar mit dem wirtschaftlichen Schicksal der AG verbunden, erhöhen, profitiert alleine der Kläger davon, indem er einen höheren Kaufpreis verlangen kann. Zwar spricht die Anpassungsklausel, wie der Kläger vorträgt, nicht von Kursveränderungen. Selbstverständlich haben solche aber maßgeblichen Einfluss auf den Wert des Kaufgegenstandes Aktien. Der Kläger, und nach der vertraglichen Vereinbarung nur er, hätte daher an Kursveränderungen nach dem 31.12.1994 partizipiert. Sollte sich der Wert der Aktien aufgrund entsprechender wirtschaftlicher Entwicklung der AG mindern, so trägt aus denselben Gründen alleine der Kläger das Risiko eines bis zum genannten Termin sich vermindernden Kaufpreises.

Soweit der Kläger unter Hinweis auf eine Entscheidung des BFH vom 18. November 1970, Az.: I 133/64, BStBl II 1971, 133 einer Kaufpreisanpassungsklausel für die Frage des Überganges des wirtschaftlichen Eigentums keine Bedeutung zumessen will, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die zitierte Entscheidung unter dem Grundsatz, dass das Gesamtbild des jeweiligen Vertragsverhältnisses zu prüfen und zu würdigen ist, mit dem Einfluss von Veränderungen des Baukostenindexes auf die vorzunehmende Würdigung eines Miet- oder Kaufverhältnisses befasst. Unabhängig davon, dass dies eine auf den Streitfall nicht zu übertragende besondere Frage berührt, war dort ein Übernahmepreis im Vertrag nicht bloß vorläufig - wie im Streitfall - vereinbart mit der Möglichkeit seiner Anpassung bei wesentlichen Änderungen des zugrunde gelegten Baukostenindexes. Dies ist auf den Streitfall nicht übertragbar.

Die Anpassungsklausel stellt auch nicht eine nur modifizierte Form von Gewährleistung bzw. Garantieleistung dar. Unabhängig davon, dass der Kläger keine Garantiezusage gegeben hat (so aber in dem vom Kläger zitierten Urteil des Finanzgerichtes Münster vom 18. November 1999, Az.: 1 K 4685/96 E, EF­G 2000, 374, bei dem zudem in diesem Sachverhaltsabschnitt die Frage des wirtschaftlichen Eigentums nicht problematisch war), ist Gegenstand der Klausel nicht die Behandlung oder Berücksichtigung von möglichen Mängeln des Kaufgegenstandes, sondern die Kaufpreisbildung anhand noch zu bestimmender wertbildender Faktoren selbst.

Das Gewinnbezugsrecht (Dividendenbezugsrecht) ist zwar nach § 1 Rn 1.0 des Vertrages vom 21.12.1994 formal mit Wirkung zum 31.12.1994 auf die I GmbH übergegangen. Angesichts dessen, dass bei der finanziellen Lage der AG Ende 1994, die dem Kläger als auf beiden Seiten der Vertragsparteien alleine aktiv Handelndem und gleichzeitigem alleinigen Vorstand der AG vor dem Hintergrund des zivilgerichtlichen Urteils genau bekannt war und die eine Gewinnerwartung für 1994, nach einem Verlust bereits in 1993 iHv 4,4 Mio. DM nach Steuern (vgl. die Angaben des Klägers im Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens vom 14.02.1995, Seite 4 und auch GuV-Rechnung im Geschäftsbericht 1992/1993 der AG, S. 14), einfach nicht zuließ, kommt diesem Gesichtspunkt keine im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse ins Gewicht fallende wirtschaftliche Bedeutung zu. Dies ließ sich im Zeitpunkt der Übertragung des Gewinnbezugsrechtes auch bereits mit hinreichender Sicherheit in diesem Sinne beurteilen (insofern anders als in der BFH-Entscheidung vom 17. Februar 2004, Az.: VIII R 28/02, a.a.O., unter II. 1. b. aa.).

Ähnlich verhält es sich mit der Befugnis zur Ausübung der Aktionärsrechte, insbesondere des Stimmrechtes, zu der die I GmbH am 21.12.1994 formal bevollmächtigt wurde. Unabhängig davon, dass die vertragliche Vereinbarung nicht von einer sofortigen (vollständigen) Übertragung des Stimmrechtes spricht, sondern davon, dass die I GmbH vom Kläger zu dessen Ausübung lediglich bevollmächtigt wurde und daher das Recht als solches beim Kläger noch verblieben ist, kommt diesem Recht keine wirtschaftliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr in Ansehung der wenigen verbliebenen Tage im Jahr 1994 nach Abschluss des Kaufvertrages.

Soweit der Kläger darauf verweist, der Besitz an den Aktien sei am 31.12.1994 auf die I GmbH im Wege der Einräumung mittelbaren mehrstufigen Besitzes durch Vereinbarung eines Besitzkonstitutes i.S.v. § 868 BGB übergegangen, vermag der Senat nicht zu erkennen, in welcher Weise der Kläger und die I GmbH sich im Kaufvertrag darauf geeinigt haben, dass der Kläger der I GmbH zum 31.12.1994 wiederum selbst den ihm von der Sparkasse verschafften Besitz an den Aktien verschaffen sollte. Hierfür ist dem Vertragstext nichts zu entnehmen, die Parteien haben diesbezüglich nichts geregelt. Der Senat kann angesichts der zugrunde liegenden Sachverhaltsgestaltung auch nicht erkennen, dass insoweit aus den Umständen auf die Vereinbarung eines auftragsähnlichen Verwaltungsverhältnisses geschlossen werden könne, wie der Kläger meint. Ein derartig konkludent vereinbartes Auftragsverhältnis, so es denn zivilrechtlich vereinbart wäre, kann insbesondere in der im Streitfall vorgefundenen Konstellation nicht einen für steuerliche Zwecke erforderlichen Besitzübergang darstellen. Der Senat hält angesichts des Umstandes, dass auf allen Ebenen der Vertragsparteien - und auch der AG, deren Aktien hier gehandelt wurden - ausschließlich der alleine handelnde Kläger beteiligt war, bloß konkludente Vereinbarungen für unzureichend und ist der Auffassung, dass sich Vereinbarungen in auch nach außen in gewissem Maße erkennbarer Weise manifestieren müssen.

Dass diese Überlegung auch zivilrechtlich nicht gänzlich unbeachtet bleiben darf, zeigt sich an einem gedachten zwangsweisen Zugriff eines Gläubigers, entweder eines persönlichen des Klägers oder eines Gläubigers der I GmbH, auf das Aktienpaket. Auch aus Sicht eines solchen Gläubigers können bloß konkludente Vereinbarungen in dieser personellen Konstellation nicht hingenommen werden. Bei der der I GmbH eingeräumten Position ist unklar, ob sie - oder der Kläger - Pfändungszugriffen und auch Konkursverfall ausgesetzt wäre (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999, Az.: I R 29/97, a.a.O.).

Gegen eine derartige konkludente Vereinbarung mit dem Ergebnis der Zurechnung der Aktien auf die I GmbH zum 31.12.1994 spricht letztlich auch, dass die Parteien unter § 1 Rn 3.0 des Vertrages die Abtretung des Anspruchs des Klägers auf Herausgabe der Aktien gegen die depotführende Bank - sofern man hierin eine Besitzverschaffung sieht - unter die aufschiebende Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises nach § 2 des Vertrages gestellt haben, die unstreitig aber jedenfalls in 1994 nicht eingetreten ist.

Sofern der Kläger darauf verweist, dass er zur Dokumentation der Position der I GmbH als jedenfalls wirtschaftlich aus den Aktien Berechtigte die Sparkasse angewiesen habe, sein Depot mit den AG-Aktien auf die I GmbH umzuschreiben und auch dem Bundesamt für den Wertpapierhandel zweimal der Anteilswechsel mitgeteilt wurde, hält der Senat dies angesichts der Daten (Schreiben Sparkasse am 05.01.1995, Schreiben an Bundesamt im März 1995) für ein weiteres Indiz dafür, dass in 1994 ein Übergang wirtschaftlichen Eigentums auf die I GmbH gerade noch nicht stattgefunden hat.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Streitfalles überwiegen daher die gegen einen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den AG-Aktien in 1994 sprechenden Merkmale gegenüber den dafür sprechenden.

Eine andere Beurteilung der Verhältnisse des Streitfalles ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des BFH in dessen Entscheidung vom 17. Februar 2004, Az.: VIII R 26/01, a.a.O. Zwar sind danach die zum wirtschaftlichen Eigentum an Grundstücken bei Formunwirksamkeit des Kaufvertrages entwickelten Grundsätze auch auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einem Kapitalgesellschafts- Geschäftsanteil im Rahmen des § 17 EStG sinngemäß zu übertragen. Dies bedeutet, dass bei einem formunwirksamen Kaufvertrag zwischen Fremden über einen Geschäftsanteil an einer Kapitalgesellschaft das wirtschaftliche Eigentum übergeht, wenn in dem Vertrag das Gewinnbezugsrecht übertragen, das Stimmrecht eingeräumt oder eine Stimmrechtsbindung an die Interessen des Erwerbers vereinbart worden ist und wenn die getroffenen Vereinbarungen und die formwirksame Abtretung in der Folgezeit tatsächlich vollzogen werden.

Ungeachtet dessen, dass es im Streitfall jedenfalls in 1994 an einem tatsächlichen formwirksamen Vollzug fehlt, handelt es sich hier nach Auffassung des Senats - insoweit von dem der BFH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt entscheidungserheblich abweichend - nicht um eine Vertragsgestaltung zwischen Fremden. Zwar sind Beteiligte einerseits der Kläger selbst, andererseits die I GmbH und damit formell unterschiedliche Rechtspersonen. Angesichts dessen, dass auf beiden Seiten der Vertragsbeteiligten jedoch ausschließlich der Kläger handelt, vermag der Senat dies einem Vertrag zwischen einander Fremden nicht gleichzusetzen. Hinzu kommt, dass, wie ausgeführt, im Streitfall zwar das Gewinnbezugsrecht formal auf die Erwerberin I GmbH übergegangen ist, diesem aber im Rahmen der an dieser Stelle maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (BFH-Urteil vom 17. Februar 2004, Az.: VIII R 26/01, a.a.O. unter II. 4.c. bb.) angesichts der dem Kläger bekannten finanziellen Situation der AG keine wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Entsprechend verhält es sich mit dem auch formal übertragenen Stimmrecht.

Selbst wenn man dieser Auffassung des Senats nicht folgt, steht einer Anerkennung der vertraglichen Gestaltung für das Streitjahr die Vorschrift des § 42 Abs. 1 AO entgegen.

Nach dieser Vorschrift kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuerrecht nicht umgangen werden. Ein solcher ist anzunehmen, wenn eine Gestaltung gewählt worden ist, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 06. Mai 1998, Az.: IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146). Eine rechtliche Gestaltung ist in diesem Sinne dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zur Erreichung eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach Wertung des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Die Vorschrift erfasst Gestaltungen, die der Steuerminderung dienen und die nicht auf vernünftigen, den angestrebten wirtschaftlichen Zielen angemessenen Erwägungen beruhen, d.h. nicht auch durch sachgerechte erwerbswirtschaftliche oder andere beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt sind (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1994, Az.: IX R 97, 98/90, BStBl II 1994, 738; vom 16. Januar 1996, Az.: IX R 13/92, BStBl II 1996, 214). Zwar ist der Steuerpflichtige bei der rechtlichen Gestaltung wirtschaftlicher Vorgänge im Rahmen der Gesetze grundsätzlich frei. Das Motiv, dadurch Steuern zu sparen, macht eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Sie ist jedoch dann unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhaltes und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1991, Az.: IV R 132/85, BStBl II 1991, 607). Bei der Beurteilung dieser Frage sind immer die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

Die im Streitfall nach diesen Grundsätzen zu beurteilende Gestaltung steht zur Überzeugung des Senats in untrennbarem Zusammenhang mit den vom Kläger maßgeblich beeinflussten Gewinnausschüttungen der R GmbH vom 08. und vom 12.12.1994 in einer Gesamthöhe von 23 Mio. DM. Nur in der Zusammenschau mit diesen Einnahmen erklärt sich das Interesse des Klägers, die steuerliche Wirkung des Verlustes nach § 17 EStG im Streitjahr spürbar werden zu lassen. Ein Verlust nach § 17 EStG wäre vom Grundsatz her in 1995, beispielsweise bei Konkurseröffnung, auch entstanden, freilich nur mit den sich dann aus § 10 d Abs. 1 EStG ergebenden Einschränkungen (Begrenzung des Verlustrücktrages auf 10 Mio. DM). Bei der so motivierten Wahl des Zeitpunktes des streitigen Vorganges kann weiter nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich um einen Veräußerungsvorgang handelt, bei dem auf der einen Seite der Kläger als natürliche Person und auf der anderen Seite eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, deren alleiniger Gesellschafter und auch Geschäftsführer wiederum der Kläger ist.

Soweit der Kläger darauf hinweist, mit der Veräußerung der Aktien an die I GmbH ein nachvollziehbares wirtschaftliches Ziel, nämlich die zumindest teilweise Bündelung seiner unternehmerischen Interessen über diese Gesellschaft als Holding, verfolgt zu haben, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen zur Bildung einer solchen Holding Anteile einer zu diesem Zeitpunkt zumindest drohend wertlosen Gesellschaft verwendet wurden. Der Kläger bestreitet zwar, bei Vertragsschluss von der Wertlosigkeit der AG-Aktien ausgegangen zu sein, räumt aber selbst ein, dass zu diesem Zeitpunkt das erkennbare Risiko eines Wertverfalls bestanden hat. Angesichts dessen erscheint die behauptete Bildung einer Holdingstruktur in der vom Kläger vorgenommenen konkreten Ausgestaltung nicht als vernünftiger wirtschaftlicher Schritt zur Erreichung einer - grundsätzlich - sinnvollen wirtschaftlichen Zielsetzung.

Dass diese Variante jedenfalls nicht seit längerem vom Kläger beabsichtigt war, zeigt der von der WP-Gesellschaft W erstellte "Fahrplan zur Einbringung R in I" (Bl. 156 ff Rb-Akte) und die diese Beratungsleistung abrechnende Rechnung der WP-Gesellschaft vom 20.01.1994 (Bl. 162 Rb-Akte).

Der Hinweis des Klägers, die I GmbH sei nach ihrer Satzung darauf angelegt gewesen, sich an anderen Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art zu beteiligen, sie sei "von vornherein als Holdinggesellschaft bzw. Mischholding gedacht", überzeugt angesichts dessen, dass diese Formulierung in nahezu jedem GmbH-Vertrag zu finden ist und somit nahezu jede in Deutschland gegründete GmbH als Holding konzipiert wäre, nicht. Im übrigen war satzungsmäßiger Zweck (Gegenstand des Unternehmens) der I in erster Linie die Planung von Bauobjekten aller Art, verbunden mit der Beratungstätigkeit in allen Baufragen sowie die Baubetreuung, Projektentwicklung und Projektmanagement (Bl. 51 ESt-Akte).

Insgesamt vermag der Senat keine wirtschaftlichen oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe für die konkret gewählte Gestaltung zu dem konkreten Zeitpunkt zu erkennen.

Der Beklagte war auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, die vom Kläger begehrte Anerkennung des Verlustes im Streitjahr zu versagen. Dem steht insbesondere nicht das vom Kläger als verbindliche Zusage qualifizierte Schreiben des Beklagten vom 15.05.1995 entgegen.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass die Finanzbehörde auch außerhalb einer Außenprüfung (§§ 204 bis 207 AO) unter bestimmten Voraussetzungen eine Zusage abgeben kann, deren Verbindlichkeit aus Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989, Az.: X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274). Eine solche Zusage hat der Beklagte im Streitfall jedoch nicht erteilt. Vielmehr handelt es sich dabei um eine unverbindliche Auskunft. Für den Senat ist bereits ein dieser Auskunft vorangegangenes Begehren der Kläger nicht erkennbar, das auf Erteilung einer verbindlichen Zusage gerichtet gewesen wäre. Die behauptete konkludente Antragstellung in einer Besprechung vom 28.04.1995 kann dafür angesichts der weitreichenden Bindungswirkung einer verbindlichen Zusage jedenfalls nicht ausreichen. Die Kläger haben dadurch den entscheidungserheblichen Sachverhalt dem Beklagten nicht in allen wesentlichen Punkten vollständig und richtig unterbreitet. Die Forderung nach der Darlegung des vollständigen und richtigen Sachverhaltes ergibt sich letztlich aus Beweislastgesichtspunkten. Die Bindung des Finanzamtes an eine Zusage muss regelmäßig erst ab dem Zeitpunkt beurteilt werden, ab welchem der Steuerpflichtige sich - wie hier - abweichend von der materiellen Rechtslage auf die Verbindlichkeit der Zusage beruft. Bestehen aber zu dem späteren Zeitpunkt auch nur Zweifel daran, wie der früher vorgetragene Sachverhalt zu verstehen war bzw. vom Finanzamt verstanden wurde, so gehen diese Zweifel zu Lasten dessen, der sich auf die Verbindlichkeit der Zusage beruft. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen komplexen Sachverhalt handelt. Ein solcher bedarf nach Auffassung des Senats einer schriftlichen Fixierung, die keine späteren Differenzen über den Sachverhalt zulässt. Im Streitfall ist der Beklagte vielmehr - wenn auch unvollkommen formuliert - nur einer Bitte der Kläger um Sachstandsmitteilung bezüglich der Veranlagung des Streitjahres im Hinblick auf dessen Verhandlungen mit der Sparkasse T nachgekommen, die aus seiner Sicht nicht Veranlassung geben konnte, eine verbindliche Zusage zu erteilen. Im übrigen betraf das Schreiben vom 15.05.1995 einen zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen und von den Klägern in eigener Verantwortung verwirklichten Sachverhalt. Die verbindliche Zusage jedoch ist dadurch gekennzeichnet, dass damit ein noch zu verwirklichender Sachverhalt künftig in einem bestimmten Sinne beurteilt wird (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998, Az.: X R 191/96, BFH/NV 1999, 608), um nicht zuletzt Gestaltungsalternativen überdenken zu können.

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass eine auf Treu und Glauben beruhende Bindungswirkung dieser Auskunft auch daran scheitert, dass außer dem streitgegenständlichen Bescheid alle Einkommensteuerbescheide für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Kann aber bei einem solchen Vorbehalt nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist, kann sich hieraus keine vertrauenserweckende Bindungswirkung ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die Entscheidung betrifft eine Einzelfallwürdigung anhand und im Einklang mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH VIII R 8/06)

Ende der Entscheidung

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