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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 3 K 1792/03
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AO 1977 § 182
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

3 K 1792/03

Einkommensteuer 2000

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 3. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Dezember 2006

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts als Vorsitzenden ..., den Richter am Finanzgericht ..., die Richterin am Finanzgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Einkommensteuerbescheid für 2000 geändert werden konnte.

Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Als Mitglied einer Anwaltskanzlei, der Dr. Ba, Dr. Bb & Partner GbR (i.F.: GbR Dr. B.) bezieht er Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Einkünfte der GbR Dr. B werden einheitlich und gesondert festgestellt. Des Weiteren erzielt der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus Vortragstätigkeit und als Aufsichtsratsmitglied. Die Klägerin bezieht als Sekretärin bei der Anwaltskanzlei Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Kläger erzielen außerdem noch Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Kläger ist zu 1/3 beteiligt an drei verschiedenen Grundstücksgemeinschaften in E, nämlich den Eigentümergemeinschaften:

1. S-Straße 12, Dachgeschoss (Steuer-Nr.: ...)

2. S-Straße 12, Büro EG (Steuer-Nr.: ...) und

3. S-Straße 12, Büroetage 2.OG (i.F.: GbR S-Straße 12 2.OG; Steuer-Nr.: ...).

An letzterer sind neben dem Kläger Frau Dr. M.B. und Frau E.G. beteiligt. Aus den Beteiligungen zu 1. und 2. erzielt der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Büroetage S-Straße 12 2.OG ist an die GbR Dr. B. vermietet. Die Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG gehört zum Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der Beteiligung an der Anwaltskanzlei. Für die GbR S-Straße 12 2.OG wurde bis zum Feststellungszeitraum 1996 lediglich eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Vermietungseinkünfte unter einer Steuernummer durchgeführt. Ab dem Jahr 1997 wurden jeweils 3 Feststellungen von Einkünften unter den o.a. Steuernummern durchgeführt, da zwischenzeitlich die Aufteilung in Wohnungs- bzw. Teileigentum stattgefunden hatte.

In dem Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 31.07.1998 (vgl. Einkommensteuerakten Band II - EStA II -, Bl. 54) erfasste der Beklagte neben den Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 110.416 DM einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 122.721 DM. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit der Begründung Einspruch ein, die Büroetage 2.OG in der S-Straße werde von der Rechtsanwaltssozietät genutzt. Der Verlust aus dieser Beteiligung sei bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit mit 97.086 DM bereits erfasst worden. Der Verlust sei allerdings auch bei Feststellung der Vermietungseinkünfte der GbR S-Straße 12 2.OG erfasst worden (vgl. EStA II, Bl. 52). Der Beklagte korrigierte daraufhin die unzutreffende Doppelerfassung des Verlustes mit einem auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützten Änderungsbescheid vom 23.09.1998. Darin wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nunmehr mit - 25.635 DM (-122.721 DM + 97.086 DM) berücksichtigt (vgl. EStA II, Bl. 65).

In den Einkommensteuererklärungen der Folgejahre fügte der Kläger der Anlage V jeweils eine gesondert gefertigte Anlage mit folgendem Wortlaut bei (vgl. EStA II, Bl. 138):

"Herr L ist beteiligt an 3 Eigentümergemeinschaften S-Straße in Erfurt. Der Anteil an der Eigentümergemeinschaft 2.OG ist Betriebsvermögen bei Herrn L und im Rahmen der Sonderbetriebsausgaben der Kanzlei Dr. B & Partner bereits erfasst. Bei den Einkünften aus V+V sind zu erfassen: Dachgeschoss ... DM, Erdgeschoss ... DM, Summe:... DM."

Auch die am 4.12.2001 bei dem Beklagten eingegangene Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 enthält diese Anlage (vgl. EStA III, Bl. 39). Der Kläger erklärte darin einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung für das Dachgeschoss in Höhe von 6.920 DM und für das Erdgeschoss in Höhe von 5.525 DM. Die Summe der Verluste von 12.445 DM trug er in die Anlage V, Zeile 19 (Anteile an Einkünften), ein (vgl. EStA III, Bl. 61).

Bei der Durchführung der Einkommensteuerveranlagung lagen dem Beklagten folgende, vom 6.02. bzw. 18.03.2002, 27.11.2001 bzw. 28.11.2001 datierenden Mitteilungen des Finanzamts M über Einkünfte aus Beteiligungen vor (vgl. EStA III, Bl. 34 ff., 40 f.):

 1.GbR Dr. B. 
 Einkünfte aus selbständiger Arbeit149.151,- DM
 lt. Feststellungsbescheid vom 6.02.2002, geändert am 18.03.2002 
2.GbR S-Straße 12 2.OG 
 Einkünfte aus selbständiger Arbeit./.15.069,82 DM
 Einkünfte aus V+V0,- DM
 lt. Feststellungsbescheid vom 27.11.2001 
3.GbR S-Straße 12, Dachgeschoss 
 Einkünfte aus V+V./.6.920,14 DM
 lt. Feststellungsbescheid vom 28.11.2001 
4.GbR S-Straße 12, Büro EG 
 Einkünfte aus V+V./.5.524,71 DM
 lt. Feststellungsbescheid vom 28.11.2001

Der die GbR S-Straße 12 2.OG betreffende Feststellungsbescheid vom 27.11.2001 enthält bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen folgende Angaben: Einkünfte aus selbständiger Arbeit: -15.069,82 DM, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung : -31.699,00 DM. Bei der Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen sind für Frau Dr. M.B. und für Frau E.G. jeweils Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit 0 DM und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit jeweils -15.849,50 DM und für den Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit -15.069,82 DM angegeben. Der Bescheid enthält des Weiteren folgenden Text: "Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen werden den Veranlagungen der Beteiligten zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zugrunde gelegt werden" (vgl. Bl. 62 ff. Prozessakten - PA -).

Ebenso wie in den Jahren 1997 bis 1999 setzte der Beklagte bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 2000 unter Ergänzung der Anlage GSE, die auf die gesonderte Feststellung "B Rechtsanwälte, M" Bezug nimmt, den Verlustanteil aus der Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG neben dem Gewinn aus der Beteiligung an der GbR Dr. B. als negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit an (vgl. EStA III, Bl. 60 R). Im Einkommensteuerbescheid vom 15.04.2002 (vgl. EStA III, Bl. 66 f. <68>) wurden unter den Einkünften aus selbständiger Arbeit ein Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 1.760 DM, der Gewinn laut gesonderter Feststellung in Höhe von 149.151 DM, der Verlustanteil aus der Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG in Höhe von 15.070 DM als negative "Einkünfte aus Beteiligungen" sowie ein Gewinn aus anderer selbständiger Arbeit mit 30.000 DM aufgeführt. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit wurden demgemäß insgesamt mit einem Betrag von 165.841 DM angesetzt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Oktober 2002 erhielt das Finanzamt eine Mitteilung vom für die GbR Dr. B. zuständigen Betriebsstättenfinanzamt M über die Ergebnisse einer Betriebsprüfung bei der GbR S-Straße 12 2.OG (vgl. EStA III, Bl. 74 ff. sowie Hefter Bp-Berichte). Darin heißt es: In den Jahren 1997 bis 2000 seien die negativen Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG im Rahmen der Feststellungserklärung der GbR Dr. B. als Sonderbetriebsausgaben des Klägers erklärt und erklärungsgemäß erfasst worden. In den vom Teilbezirk für die GbR S-Straße 12 2.OG erstellten ESt 4 B - Mitteilungen seien die anteiligen Einkünfte des Klägers ohne Hinweis auf Sonderbetriebsvermögen zugerechnet. In den Einkommensteuerbescheiden seien diese Verluste laut diesen Mitteilungen nach § 175 AO angesetzt worden. Da es sich um Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der GbR Dr. B. handele, dürfe kein Ansatz der Verluste in den Einkommensteuerbescheiden erfolgen.

Daraufhin änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 2000 durch Bescheide vom 31.10.2002 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (für 2000 vgl. EStA III, Bl. 81). In den Erläuterungen heißt es hierzu, Verluste nach § 18 EStG seien in Höhe von 15.070 DM doppelt erfasst worden. Es werde auf die Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 1997 verwiesen. Diese Erläuterungen (vgl. EStA II, Bl. 127) enthalten den Hinweis, Verluste aus § 18 EStG seien in Höhe von 31.406 DM (St.Nr. FA M: ..., Büroetage 2.OG) doppelt erfasst worden. Eine Berücksichtigung sei einerseits im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Rechtsanwaltskanzlei (St.Nr. FA M: ...) und nochmals gesondert im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1997 erfolgt. Die einheitlich und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Büroetage 2 .OG stelle einen Grundlagenbescheid nur für die einheitlich und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Rechtsanwaltskanzlei dar, nicht aber für den Einkommensteuerbescheid (Hinweis auf BFH vom 10.06.1999 IV R 25/98). Die Mitteilungen über die Einkünfte aus der Büroetage seien versehentlich auch zum Beklagten geleitet worden.

Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 12.11.2002 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass es für die Anwendung der Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an der tatbestandlichen Voraussetzung eines Erlasses, einer Änderung oder einer Aufhebung eines Grundlagenbescheides fehle und diese Änderungsvorschrift im Streitfall nicht anwendbar sei. Daraufhin betrachtete das Finanzamt den unzutreffenden doppelten Ansatz der negativen Einkünfte aus der Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG jedoch als offenbare Unrichtigkeit. Die Änderungsbescheide wurden in nach § 129 AO berichtigte Bescheide umgedeutet (vgl. Schreiben vom 17.02.2003, EStA III Bl. 109).

Hiergegen wandten die Kläger ein, § 129 AO sei nicht anwendbar, da keine offenbare Unrichtigkeit vorliege. Bereits die Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder Denkfehlers schließe die Anwendung des § 129 AO aus. Dies liege im Streitfall vor. Bei der GbR S-Straße 12 2.OG handele es sich um eine Zebragesellschaft, eines der kompliziertesten Gebilde im Steuerrecht. Die richtige Erfassung der Beteiligungseinkünfte der Gesellschafter als Sonderbetriebseinnahmen bzw. -ausgaben sei schwierig. Da die meisten Veranlagungsbeamten nicht in der Lage sein dürften, dieses Problem auf Anhieb zu lösen, sei auch im vorliegenden Fall ein Denkfehler anzunehmen. Dies gelte um so mehr, als nicht vier Jahre hintereinander von einer bloßen Unachtsamkeit ausgegangen werden könne, wenn der Verlust aus der betreffenden Beteiligung einmal im Sonderbetriebsvermögen und einmal als Verlust aus Beteiligung berücksichtigt werde.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.04.2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung heißt es: Nach § 129 AO könne die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen seien, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne seien mechanische Versehen wie beispielsweise Ablese- oder Übertragungsfehler. Im Streitfall sei bereits durch den Einspruch wegen Einkommensteuer 1996 aktenkundig geworden, dass Einkünfte aus der Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG schon als Sonderbetriebseinkünfte der GbR Dr. B. erfasst worden seien. In den Einkommensteuererklärungen der Folgejahre sei von dem Kläger mittels einer Anlage ausdrücklich und wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Einkünfte aus der GbR S-Straße 12 2.OG bereits bei den Sonderbetriebsausgaben der GbR Dr. B. erfasst seien. Diese Tatsache habe offen zu Tage gelegen. Bei der steuerlichen Berücksichtigung dieser Tatsache hätten keine rechtlichen Schlussfolgerungen mehr gezogen werden müssen. Es sei lediglich die rechnerisch zutreffende Umsetzung zu beachten gewesen. Der Veranlagungsbeamte habe diese Tatsache aus Unachtsamkeit nicht beachtet, er habe die feststehende Tatsache schlicht übersehen.

Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend: Der Beklagte verkenne, dass schon wegen der früheren Berufung auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Anwendung des § 129 AO ausgeschlossen sei. Die Übernahme der Angaben in einem Grundlagenbescheid stelle nicht lediglich eine mechanische Tätigkeit dar. Daraus folge, dass es einer rechtlichen Wertung bedürfe. Der Grundlagenbescheid habe die Funktion, die in ihm festgestellten Besteuerungsgrundlagen in verbindlicher Weise dem Folgebescheid zuzuführen. Die Folgeänderung stehe deshalb nicht im Ermessen der dafür zuständigen Finanzbehörde. Diese sei vielmehr verpflichtet, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Bestehe die bloße Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers bei der Sachverhaltswürdigung oder der unvollständigen Sachaufklärung, liege ein mechanisches Versehen nicht vor. Der Veranlagungsbeamte habe im Streitfall nicht etwa aus Unachtsamkeit gehandelt. Er habe vielmehr bei der Umsetzung ersichtlich die falschen rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen. Der Beklagte räume ein, dass es sich bei der Zebragesellschaft um ein "schwieriges Steuerrechtsgebilde" handele. Es liege daher der Schluss nahe, dass der Bearbeiter sich rechtliche Vorstellungen gemacht habe. Nach der Rechtsprechung des BFH sei der Steuerbescheid allein nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO anzupassen, solange und soweit er ihm noch nicht entspreche. Diese Fallkonstellation liege hier aber nicht vor.

Die Kläger beantragen,

den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2000 vom 31.10.2002 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29.04.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. In der mündlichen Verhandlung führte die Vertreterin des Beklagten ergänzend aus, dass falls der Senat eine Korrektur auf der Grundlage des § 129 AO nicht für möglich halte, eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in Betracht komme.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Der Änderungsbescheid vom 31.10.2002 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29.04.2003 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat im Ergebnis zutreffend eine Änderung hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorgenommen.

1. Allerdings ist Rechtsgrundlage für die Änderung nicht die Vorschrift des § 129 AO, sondern § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Danach ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Grundlagenbescheid ist im Streitfall - bezogen auf den Kläger - allerdings nur der Gewinnfeststellungsbescheid betreffend die Einkünfte aus der Beteiligung an der GbR Dr. B. und nicht auch der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der GbR S-Straße 12 2.OG. Das von letzterer erzielte Ergebnis war zwar nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO gesondert festzustellen, da an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Zutreffend hat das Betriebsstättenfinanzamt M deshalb für diese GbR auch einen eigenständigen Feststellungsbescheid erlassen. Das Ergebnis der GbR S-Straße 12 2.OG konnte nicht ohne weiteres in die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der GbR Dr. B. einfließen, da die an den Gesellschaften Beteiligten nicht personenidentisch sind. Dieser für die GbR S-Straße 12 2.OG ergangene Grundlagenbescheid enthält die Verpflichtung des Finanzamts, aus ihm die zutreffenden Folgerungen zu ziehen. Dabei kann der Grundlagenbescheid allerdings nur für einen Folgebescheid Bedeutung erlangen, eine mehrfache Auswertung scheidet demgegenüber aus.

Die Feststellung für die GbR S-Straße 12 2.OG war aber, was den Kläger angeht - anders als in Bezug auf die nicht an der GbR Dr. B., jedoch an der GbR S-Straße 12 2.OG Beteiligten Frau Dr. M.B. und Frau E.G. -, nicht für seine Einkommensteuerveranlagung, sondern nur für die bezüglich der GbR Dr. B. durchzuführende gesonderte Feststellung bindend. Denn die Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG stellt Sonderbetriebsvermögen des Klägers im Rahmen seiner Beteiligung an der GbR Dr. B. dar und das von der GbR S-Straße 12 2.OG erzielte Ergebnis setzt sich aus Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben zusammen, die durch die Erzielung von Einkünften in der GbR Dr. B. veranlasst sind und die deshalb in die dafür vorzunehmende Gewinnermittlung eingehen müssen (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 182 AO Rz. 6).

b) Zwar enthält der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Ergebnisses der GbR S-Straße 12 2.OG im Anschluss an die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und deren Aufteilung für die an der GbR Beteiligten einen durch einen Querstrich von dem übrigen Bescheid abgesetzten Zusatz, wonach die festgestellten Besteuerungsgrundlagen den Veranlagungen der Beteiligten zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zugrunde gelegt werden. Diesem dem Feststellungsbescheid beigefügten Text kommt aber nach Auffassung des Senats keine eigenständige Bedeutung in dem Sinne zu, dass er Teil des Regelungsinhalts des Bescheides wäre mit der Folge, dass er insoweit auch an der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids teilnähme. Es handelt sich dabei vielmehr nur um einen erläuternden Hinweis, der nur dann relevant wird, wenn die festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Einzelfall auch tatsächlich bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen sind, wie dies in Bezug auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der an der GbR Beteiligten Frau Dr. M.B. und Frau E.G. der Fall ist, nicht aber auch dann, wenn es sich um Einkünfte aus einer Beteiligung handelt, die - wie im Fall des Klägers - im Betriebsvermögen gehalten wird.

c) Eine unmittelbare Bindung der Feststellung betreffend die Einkünfte aus der GbR S-Straße 12 2.OG für den den Klägern zu erteilenden Einkommensteuerbescheid ergibt sich weder aus der fehlerhafterweise dem Beklagten übermittelten behördeninternen Mitteilung des Betriebsstättenfinanzamts M, noch aus der Annahme des Bediensteten des Beklagten, dass insoweit ein für den Einkommensteuerbescheid bindender Grundlagenbescheid ergangen sei. Eine Bindungswirkung kann sich nur aus einem Bescheid ergeben, bei dem es sich tatsächlich um einen Grundlagenbescheid handelt. Weder behördeninterne Mitteilungen noch Fehlvorstellungen der für den Erlass des Folgebescheides zuständigen Bediensteten sind geeignet, eine Bindungswirkung zu begründen, die objektiv nicht vorhanden ist (vgl. BFH-Urteil vom 10.06.1999 IV R 25/98, BStBl II 1999, 545).

d) Der Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2000 steht nicht entgegen, dass ein Grundlagenbescheid nicht nach Ergehen des Folgebescheids geändert worden ist. Der Beklagte war berechtigt und verpflichtet, aus dem (geänderten) Feststellungsbescheid vom 18.03.2002 durch Änderung des Folgebescheids die zutreffenden Folgerungen zu ziehen. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO verfolgt den Zweck, die Festsetzung der zutreffenden Steuer im Folgebescheid sicherzustellen, wobei der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids der Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits früher ergangenen Folgebescheides eingeräumt wird. Aus der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides für den Folgebescheid ergibt sich, dass dieser die Aufgabe hat, dem Folgebescheid in verbindlicher Weise bestimmte Besteuerungsgrundlagen zuzuführen. Die Bindungswirkung beinhaltet deshalb auch, dass das für den Erlass eines Folgebescheides zuständige Finanzamt verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Ein Ermessen steht der Finanzbehörde insoweit nicht zu (vgl. BFH-Urteil vom 14. 04.1988 IV R 219/85, BStBl II 1988, 711). Solange die im Grundlagenbescheid gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen vom Finanzamt im Folgebescheid nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt sind, ist die dem Grundlagenbescheid zugedachte Aufgabe nicht erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1985 III R 204/81, BStBl II 1986, 245). Deshalb hat der BFH in zahlreichen Entscheidungen angenommen, dass die Verpflichtung zur Anpassung des Folgebescheides nicht dadurch beseitigt wird, dass das für den Erlass des Folgebescheides zuständige Finanzamt einen Grundlagenbescheid übersehen oder dessen Inhalt nicht oder nicht in der richtigen Weise in den Folgebescheid übernommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.1991 III R 64/89, BStBl II 1992, 52). Diese Grundsätze gelten sowohl dann, wenn aus dem zunächst nicht oder fehlerhaft ausgewerteten Grundlagenbescheid später noch die zutreffenden Folgerungen im Folgebescheid gezogen werden, als auch dann, wenn ein zunächst nicht oder fehlerhaft ausgewerteter Grundlagenbescheid später geändert wird und das Finanzamt aus dem Änderungsbescheid die entsprechenden Folgerungen ziehen möchte (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.1993 II R 15/91, BFH/NV 1994, 1). Ebenso ist ein Folgebescheid zu ändern, wenn - wie im Streitfall - aus einem Grundlagenbescheid vermeintlich mit Bindungswirkung für jenen Folgebescheid getroffene, in Wahrheit aber nicht mit solcher Wirkung versehene Feststellungen übernommen worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 10.06.1999 IV R 25/98, BStBl II 1999, 545; vgl. auch Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 9. Aufl., § 175 Rdnr. 21).

e) Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids wird auch nicht dadurch berührt, dass der Beklagte in der Einspruchsentscheidung die Vorschrift des § 129 AO als Änderungsgrundlage angegeben hat. Abgesehen davon, dass im Rahmen einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auch Fehler bei der Auswertung eines Grundlagenbescheids, die eine offenbare Unrichtigkeit darstellen, mit berichtigt werden können, ist allein maßgebend, ob die Änderung tatsächlich zu Recht erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 10.06.1999 IV R 25/98, BStBl II 1999, 545).

2. Danach war der Beklagte verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid dahin gehend zu ändern, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit - soweit sie streitig sind - nur noch im Umfang des gesondert festgestellten Gewinns angesetzt werden. Der Ansatz des Verlustanteils aus der Beteiligung an der GbR S-Straße 12 2.OG neben dem für die GbR Dr. B. festgestellten Betrag war mit dem Inhalt des Gewinnfeststellungsbescheides unvereinbar. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2000 ist schließlich auch innerhalb der noch laufenden Festsetzungsfrist (§§ 169 Abs. 2 Nr. 1, 170 Abs. 2 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO) erfolgt.

3. Nach Alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

4. Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Verkündet am: 13.12.2006



Ende der Entscheidung

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