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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.02.2008
Aktenzeichen: 3 K 2422/05
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 26 Abs. 1 S. 1 |
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Einkommensteuer 2002
In dem Finanzrechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 3. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Februar 2008
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts als Vorsitzenden,
den Richter am Finanzgericht
den Richter am Verwaltungsgericht
den ehrenamtlichen Richter
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 vom 21. Oktober 2004 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. September 2005 verpflichtet, den Kläger für das Kalenderjahr 2002 entsprechend seiner Einkommensteuererklärung vom 20. Oktober 2003 getrennt zu veranlagen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben der Beklagte und die Beigeladenen je zu 1/2 zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger seine Zustimmungserklärung zur gemeinsamen Veranlagung, die er aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung aus einem zivilgerichtlich protokollierten Vergleich abgegeben hat, wirksam widerrufen hat.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2002 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Elektroinstallateur. Seit August bzw. November 2002 lebte er von seiner (damaligen) Ehefrau, der Beigeladenen, dauernd getrennt. Aus der Ehe ging die im Jahre 1993 geborene Tochter J hervor. Die Ehe wurde zwischenzeitlich geschieden.
Seiner Einkommensteuererklärung vom 20. Oktober 2003 entsprechend wurde er für das Streitjahr durch Einkommensteuerbescheid vom 12. November 2003 zunächst nach § 26a EStG getrennt veranlagt. Dies führte zu einer Einkommensteuer-Rückerstattung in Höhe von 1.360,83 EUR.
Die Beigeladene beantragte in ihrer im Juli 2004 eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die Zusammenveranlagung mit dem Kläger; auf dem von ihr eingereichten Mantelbogen hatte auch der Kläger unterschrieben. Für sie führte das beklagte Finanzamt jedoch ebenfalls eine getrennte Veranlagung durch. Nach dem Einkommensteuerbescheid vom 1. September 2004 hatte sie aufgrund ihrer Einkünfte aus nicht-selbständiger Tätigkeit als Altenpflegerin noch einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.185,23 EUR zu zahlen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beigeladene Einspruch und verwies zur Begründung auf einen Vergleich. Diesen hatte sie als Klägerin jenes Verfahrens mit dem Kläger als Beklagtem in einem zivilgerichtlichen Rechtsstreit am 8. Juli 2004 vor dem Amtsgericht W geschlossen (AZ.: 1 C 81/04). Der Vergleich trifft u.a. folgende Regelungen:
"1.) Der Beklagte verpflichtet sich, für das Jahr 2002 die Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Parteien gegenüber dem zuständigen Finanzamt W zu erteilen.
Die Klägerin verpflichtet sich im Gegenzug dazu, den Beklagten von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen, die ihm aus dieser Zustimmung erwachsen, freizustellen.
2.) ......"
Mit Bescheid vom 30. September 2004 hob das Finanzamt den gegenüber dem Kläger ergangenen Einzelbescheid vom 12. November 2003 auf, da er gemeinsam mit der Beigeladenen die Zusammenveranlagung beantragt habe. Der Kläger wurde zur Rückzahlung der ihm erstatteten Einkommensteuer in Höhe von 1.360,83 EUR aufgefordert. Zudem wurde eine Zusammenveranlagung angekündigt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21. Oktober 2004 wurden der Kläger und die Beigeladene zusammen veranlagt und die Einkommensteuer auf 1.578 EUR festgesetzt. Nach Verrechnung insbesondere mit den Lohnsteuerabzugsbeträgen in Höhe von insgesamt 1.648 EUR (Kläger: 1.297 EUR, Beigeladene: 351 EUR) und weiteren Beträgen (u.a. einbehaltenem Solidaritätszuschlag) ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 146,33 EUR.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. November 2004 Einspruch ein, den er damit begründete, dass die Beigeladene ihrer Verpflichtung aus dem zivilgerichtlichen Vergleich, ihn von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen freizustellen, nicht nachgekommen sei und er deshalb seine "Unterschrift für die gemeinsame Steuererklärung für das Jahr 2002" aufhebe.
Auf Nachfrage des Beklagten erklärte die Beigeladene zunächst, dass sie den vom Kläger aufgrund der Zusammenveranlagung zurückzuzahlenden Betrag in Höhe von 1.360,83 EUR begleichen werde; hinsichtlich dieses Betrages beantragte sie Ratenzahlung.
Nachfolgend teilte sie dem Finanzamt hingegen mit, dass sie gegen den Freistellungsanspruch des Klägers mit einem eigenen Anspruch aufgrund rückständigen Unterhalts aufgerechnet habe. Zum Nachweis legte sie ein an den Kläger gerichtetes Aufrechnungsschreiben vor, nach welchem der Kläger seit der Trennung keinerlei Kindesunterhalt gezahlt habe, wodurch erhebliche Rückstände - nach ihrer Berechnung 5.934 EUR - aufgelaufen seien. Aufgrund dieser Forderung erkläre sie die Aufrechnung mit der Gegenforderung des Klägers.
Der Kläger widersprach dieser Darstellung. Ein aufrechenbarer Gegenanspruch seitens der Beigeladenen bestehe nicht. Die Aufrechnung mit rückständigem Kindesunterhalt sei rechtlich unzulässig. Bei dem geltend gemachten Unterhaltsanspruch handele es sich nämlich um einen Anspruch des Kindes und nicht um einen solchen der Beigeladenen. Da eine Aufrechnung ausscheide, sei seinem Einspruch gegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid stattzugeben.
Die zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Beigeladene erklärte nunmehr, dass die vom Kläger vorgetragenen Bedenken an der Wirksamkeit der Aufrechung nicht bestünden. Sie habe zwischenzeitlich in einem weiteren Schreiben gegenüber dem Kläger klargestellt, dass sie selbstverständlich nicht mit einem Anspruch ihrer Tochter, sondern mit einem eigenen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch aufrechne. Dieser stehe ihr aufgrund der Tatsache zu, dass sie allein für den Kindesunterhalt des gemeinsamen ehelichen Kindes aufgekommen sei. Sie habe durch ihre Unterhaltsleistungen eine im Innenverhältnis dem Kläger obliegende Verpflichtung erfüllt. Die Unterhaltsleistungen an ihre Tochter seien von ihr in der Absicht erbracht worden, von dem Kläger Ersatz zu verlangen. Demnach sei die dem Kläger zustehende Forderung sehr wohl durch Aufrechnung erloschen. Da sie ihre Verpflichtung aus dem zivilgerichtlichen Vergleich erfüllt habe, bestehe keine Veranlassung, die Zusammenveranlagung aufzuheben.
Mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 2005 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Ehegatten würden grundsätzlich nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Voraussetzung sei u.a., dass beide Ehegatten diese Veranlagungsart wählten. Beantrage hingegen ein Ehegatte die getrennte Veranlagung und sei dieser Antrag nicht unwirksam, würden die Ehegatten getrennt veranlagt. Ein einseitiger Antrag eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung sei nur dann unwirksam, wenn dieser Ehegatte keine eigenen Einkünfte beziehe oder wenn diese so gering seien, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen noch zur Einkommensteuerveranlagung geführt hätten. Beantrage ein Ehegatte die Zusammenveranlagung und stimme der andere Ehegatte nicht zu, sondern beantrage seinerseits - wirksam - die getrennte Veranlagung, sei das Finanzamt nicht berechtigt, eine Zusammenveranlagung durchzuführen. In diesem Falle seien die Ehegatten getrennt zu veranlagen. Der die Zusammenveranlagung beantragende Ehegatte habe jedoch die Möglichkeit, die Zustimmung zur Zusammenveranlagung vor einem Zivilgericht nach § 894 ZPO zu erwirken. Diese Vorschrift beinhalte eine Fiktion, nach der eine Willenserklärung im Zeitpunkt der Rechtskraft eines entsprechenden Urteils als abgegeben gelte. Dabei träten die Folgen ein, die eingetreten wären, wenn der Verurteilte die Erklärung formgerecht und wirksam abgegeben hätte. Daraus folge, dass in den Fällen, in denen ein Ehegatte die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nach § 894 ZPO erzwungen habe, nach Vorlage des rechtskräftigen Urteils eine Zusammenveranlagung auch dann durchzuführen sei, wenn der andere Ehegatte weiterhin die getrennte Veranlagung beantrage. Ein gerichtlich protokollierter Vergleich wirke ebenso wie ein solches Urteil. Im vorliegenden Falle hätten die Beteiligten vor dem Amtsgericht W einen Vergleich geschlossen, in welchem sich der Kläger verpflichtet habe, für das Jahr 2002 seine Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung mit der Beigeladenen zu erteilen. Dieser Teil des Vergleichs sei steuerrechtlich hinsichtlich der Frage, ob eine Zusammenveranlagung oder eine getrennte Veranlagung durchgeführt werden solle, relevant und für das Finanzamt bindend, solange er nicht durch ein Gericht aufgehoben oder geändert werde. Es bedürfe hier keiner förmlichen Zustimmung mehr, sie werde durch den Vergleich ersetzt. Die im Gegenzug getroffene Vereinbarung, dass die Beigeladene den Kläger von steuerrechtlichen Nachteilen freistelle, sei nicht als Bedingung anzusehen. Die Durchsetzung dieser "Verpflichtung im Gegenzug" und/oder die Klärung der Frage, ob hier eine Aufrechnung möglich sei, müsse ggf. unabhängig von dem steuerrechtlichen Verfahren zivilrechtlich geklärt werden. Die Einspruchsentscheidung wurde am 2. September 2005 mit einfachem Brief zur Post gegeben.
Der Kläger hat am 5. Oktober 2005 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und trägt zur Begründung insbesondere noch vor: Die in der Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsauffassung sei unzutreffend. Der zivilgerichtliche Vergleich enthalte eindeutig zwei Vereinbarungen, die nicht losgelöst voneinander betrachtet werden könnten. Da die Beigeladene die von ihr übernommene Verpflichtung, ihn von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen freizustellen, nicht erfüllt habe, könne er nicht er an seiner Verpflichtung festgehalten werden. Es sei auch nicht verständlich, weshalb der Widerruf hinsichtlich seiner Erklärung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung rechtsmissbräuchlich sein sollte. Vielmehr bestehe er lediglich auf der Einhaltung der Vereinbarung, die die Parteien vor dem Amtsgericht W getroffen hätten. Die Freistellung von steuerlichen Nachteilen könne doch nur bedeuten, dass er von der Beigeladenen so gestellt werde, wie er bei einer getrennten Veranlagung stünde. Die Konsequenzen aus dem Vergleich seien der Beigeladenen aufgrund des Prozessganges auch unmissverständlich klar gewesen: Einerseits sollte sie selbst von steuerlichen Nachteilen aus der getrennten Veranlagung befreit werden, andererseits aber im Gegenzug den ihm drohenden Nachteil, dass er den Erstattungsbetrag in Höhe von 1.360,83 EUR zurückzuzahlen hätte, tragen. Nach alledem habe sich allein die Beigeladene nicht an die vergleichsweise Einigung gehalten. Aus diesem Grunde sei er berechtigt gewesen, seine Zustimmung zu widerrufen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 vom 21. Oktober 2004 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. September 2005 zu verpflichten, ihn für das Kalenderjahr 2002 entsprechend seiner Einkommensteuererklärung vom 20. Oktober 2003 getrennt zu veranlagen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich darauf, dass mit der im Vergleich abgegebenen Erklärung die Zustimmung nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG als abgegeben gelte. Die Verpflichtung der Beigeladenen, den Kläger von sämtlichen Nachteilen, die ihm aus dieser Zustimmung erwachsen, freizustellen, könne der Kläger im Zivilrechtswege durchsetzen. Ein Bedingungszusammenhang - wie vom Kläger angenommen - liege nicht vor. Im Übrigen sei die Bedingung durch die Beigeladene erfüllt worden.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung gibt sie an, dass der Familienunterhalt bis zur Trennung im Jahre 2002 von ihren Einkünften bestritten worden sei. Der Kläger selbst habe nur geringe Einkünfte erzielt, die noch nicht einmal ausgereicht hätten, um die Kreditraten für das ehegemeinschaftlich angeschaffte Haus zu zahlen. Sie habe daher einen Anspruch gegen den Kläger auf Zusammenveranlagung für das Jahr 2002 gehabt, den sie aufgrund der Weigerung des Klägers klageweise habe geltend machen müssen. Das Verfahren sei durch den vor dem Amtsgericht W geschlossenen Vergleich beendet worden. Diesem habe sie nur deshalb zugestimmt, weil der Kläger erklärt habe, andernfalls die hälftige Eigenheimzulage zu behalten; auch an diese Zusage habe er sich jedoch nicht gehalten. Nachdem sich der Kläger in dem zivilgerichtlichen Vergleich verpflichtet habe, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, stelle der Widerruf der Zustimmung rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Der Kläger sei keineswegs frei in seiner Entscheidung, die einmal erteilte Zustimmung zur Zusammenveranlagung zu widerrufen. Unzutreffend sei die Annahme, sie habe ihre Verpflichtung zum Ausgleich der steuerlichen Nachteile des Klägers nicht erfüllt. Denn sie habe rechtswirksam die Aufrechnung mit einem eigenen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch erklärt. Da der Freistellungsanspruch des Klägers durch Aufrechnung erloschen sei, sei Erfüllung eingetreten. Der Kläger habe die Erklärung zur Zusammenveranlagung daher nicht mehr widerrufen können. Im Übrigen habe er die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 - entsprechend seiner Verpflichtung - tatsächlich unterzeichnet. Somit erübrige sich eine Zwangsvollstreckung.
In der mündlichen Verhandlung des Gerichts haben die Bevollmächtigten des Klägers und der Beigeladenen auf Nachfrage übereinstimmend erklärt, dass im Zeitpunkt des zivilgerichtlichen Vergleichsschlusses weitere finanzielle Aspekte zwischen den damaligen Vergleichsparteien streitig gewesen seien. Umstrittene Unterhaltsfragen seien nicht in den Vergleich miteinbezogen worden, um dessen Zustandekommen nicht zu gefährden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Statthafte Klageart ist vorliegend die Verpflichtungsklage. Dem Rechtsschutzbegehren des Klägers ist allein mit der Aufhebung des angefochtenen Zusammenveranlagungsbescheides nicht genüge getan. Denn der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom 12. November 2003, dem bereits - wie vom Kläger gewünscht - eine getrennte Veranlagung zugrunde liegt, lebt hierdurch nicht wieder auf. Dem steht der Bescheid des Beklagten vom 30. September 2004 entgegen, mit welchem der Einzelbescheid vom 12. November 2003 aufgehoben wurde. Der Aufhebungsbescheid selbst wurde nämlich nicht mit einem Einspruch angegriffen.
Die Klage hat auch Erfolg.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 vom 21. Oktober 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. September 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Er hat einen Anspruch auf getrennte Veranlagung.
Der Beklagte hat den Kläger zu Unrecht an seiner ursprünglich erklärten Zustimmung zur Zusammenveranlagung festgehalten und dem Widerruf dieser Erklärung als dem Begehren nach einer getrennten Veranlagung die steuerrechtliche Wirksamkeit abgesprochen.
Liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, so können die Eheleute grundsätzlich zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung frei wählen. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelung in §§ 26a und 26b EStG eingeschränkt. Seine Ausübung ist an keine Frist gebunden, Die Eheleute sind an eine einmal getroffene Wahl nicht gebunden. Auch kann ein Ehegatte die gewählte Veranlagungsart grundsätzlich mehrfach ändern. Die Rechtsprechung hat das Wahlrecht allerdings insoweit eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen, sondern der Antrag als willkürlich erscheint. Diese Einschränkung wird aus dem auch im Steuerrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet. Der Antrag nur eines Ehegatten auf getrennte Veranlagung ist rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam, wenn letzterer keine eigenen Einkünfte hat oder wenn diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können. Im Übrigen ist die Zustimmung zur Zusammenveranlagung frei widerrufbar. Auf die Gründe, die ursprünglich zur Zusammenveranlagung geführt haben, kommt es steuerrechtlich nicht an. Steuerrechtlich besteht keine Verpflichtung, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen. Umgekehrt hat ein etwa bestehender zivilrechtlicher Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung, ausgenommen in den Fällen eines missbräuchlichen Antrags auf getrennte Veranlagung, keinen Einfluss auf das Besteuerungsverfahren (BFH, Urteil vom 7. Februar 2005 III B 101/04, BFH/NV 2005, 1083).
In Anwendung dieser Grundsätze ist das Begehren des Klägers nach getrennter Veranlagung nicht als willkürlich im vorstehenden Sinne zu werten.
Für sein Verhalten liegt ein sachlicher Grund vor, da eine Zusammenveranlagung für ihn wirtschaftlich nachteilig ist. Nachdem seine Einkünfte dem Lohnsteuerabzug unterlegen hatten, führte die getrennte Veranlagung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bei ihm zu einer Erstattung in Höhe von 1.360,83 EUR. Demgegenüber ergab sich aufgrund der Zusammenveranlagung des Klägers und der Beigeladenen in dem angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2004 eine Einkommensteuer in Höhe von 1.578 EUR, für die sie gemäß § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner einzustehen haben. Der Kläger kann zwar gegenüber dem Finanzamt - im Erhebungsverfahren durch Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) sowie in der Vollstreckung durch Aufteilungsbescheid (§ 279 AO) - eine Beschränkung auf den sich für ihn bei getrennter Veranlagung ergebenden Steuerbetrag (§ 270 AO) erreichen, mit der Folge, dass er auf die festgesetzte Steuer nicht zu leisten braucht. Er verliert aber den bisher ihm zustehenden Erstattungsbetrag in Höhe von 1.360,83 EUR mit Ausnahme des Anteils, der von dem im angefochtenen Bescheid ausgewiesenen Gesamterstattungsbetrag in Höhe von 146,33 EUR auf ihn entfällt (vgl. BFH, Beschluss vom 11. Juni 2007 VII B 348/06, BFH/NV 2007,1825). Diesen Nachteil kann er durch die nachträgliche Ausübung seines Wahlrechts auf getrennte Veranlagung vermeiden.
Die steuerrechtliche Wahl der getrennten Veranlagung stellt sich auch unter Berücksichtigung des vor dem Amtsgericht W geschlossenen Vergleichs vom 8. Juli 2004 nicht als unzulässige Rechtsausübung dar.
Rechtsmissbrauch ist der Gebrauch eines Rechts zu Zwecken, die zu schützten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1987 VII ZR 58/86, NJW 1987, 1946). Vorliegend erfolgte die erneute Ausübung des steuerlichen Veranlagungswahlrechts durch den Kläger angesichts des von ihm verfolgten billigenswerten Zieles nicht rechtsmissbräuchlich.
Der Kläger will erreichen, dass seine Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung nur dann gelten und eine der Beigeladenen günstige, ihm aber nachteilige Zusammenveranlagung erfolgen soll, wenn sie ihn von sämtlichen daraus resultierenden steuerrechtlichen Nachteilen freistellt. Dieses Ziel begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn ein Ehegatte braucht der einkommensteuerrechtlichen Zusammenveranlagung nur Zug um Zug gegen eine bindende Zusage des anderen Teils zuzustimmen, seine gegenüber einer Getrenntveranlagung entstehenden steuerlichen Nachteile auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 IX ZR 8/06, NJW 2007, 2556). Eine entsprechende Vereinbarung wurde in den zivilgerichtlichen Prozessvergleich vom 8. Juli 2004 aufgenommen.
Insbesondere kommt die vom Kläger geforderte wechselseitige Abhängigkeit der übernommenen Verpflichtungen in der im Vergleich enthaltenen Formulierung "im Gegenzug" deutlich zum Ausdruck. Sie beinhaltet eine Bestimmung zur Leistung Zug um Zug.
Die weitere Verfolgung des vorstehend beschriebenen Ziels durch den Kläger ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsmissbräuchlich wäre sein Verhalten dann, wenn offensichtlich wäre und damit auch für den Kläger auf der Hand läge, dass die Beigeladene die im Prozessvergleich bestimmte Gegenleistung erbracht oder seine Forderung auf Freistellung wirksam durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht hat. Denn unter solchen Umständen stünde der Ausgang eines möglichen zivilgerichtlichen Vollstreckungsverfahrens zur Abgabe der Zustimmung des Klägers zur Zusammenveranlagung mit hinreichender Sicherheit fest und könnte im steuerrechtlichen Verfahren vorweggenommen werden. Bestünden umgekehrt im Zivilrecht gründende Zweifel an der Erfüllung der Gegenleistung durch die Beigeladene oder an der Wirksamkeit der Aufrechnung, dann könnte es dem Kläger in einer solchen Situation rechtlicher Unsicherheit nicht als missbilligtes Verhalten angelastet werden und wäre es ihm auch nicht verwehrt, einstweilen - bis zu einer klärenden Entscheidung der hierfür berufenen Zivilgerichte - zur Wahrung seiner steuerlichen Interessen bzw. zur Vermeidung von steuerlichen Nachteilen von seinem Veranlagungswahlrecht Gebrauch zu machen. Von letzterem Falle ist auszugehen.
Die Beigeladene hat die ihr obliegende Verpflichtung aus dem Prozessvergleich, den Kläger von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen freizustellen, die ihm aus einer Zusammenveranlagung erwachsen, nicht erfüllt. Denn von der Forderung des Finanzamts auf Rückzahlung des Erstattungsbetrages hat sie den Kläger nicht befreit.
Die vom Kläger begehrte Leistung, die Beigeladene möge anstatt seiner die Zahlung des vom Beklagten zurückgeforderten Erstattungsbetrages vornehmen, findet in dem Vergleich eine Grundlage. Der weit gefasste Wortlaut legt es nahe, unter "Freistellung von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen" die tatsächliche Übernahme aller finanziellen Belastungen durch die Beigeladene zu verstehen, die sich für den Kläger im Zusammenhang mit der Zusammenveranlagung im Außenverhältnis gegenüber dem Finanzamt ergeben. Hierzu kann nicht nur die Belastung aufgrund einer erhöhten Einkommensteuer gehören, sondern auch - wie oben dargelegt - der Nachteil, der in der Rückzahlung eines infolge der Getrenntveranlagung vereinnahmten höheren Erstattungsbetrages an das Finanzamt besteht. In diesem Sinne hat auch die Beigeladene selbst ihre Verpflichtung verstanden. Dies belegt ihr Verhalten gegenüber dem Beklagten. So hatte sie zunächst noch erklärt, dass sie den vom Kläger aufgrund der Zusammenveranlagung zu leistenden Betrag in Höhe von 1.360,83 EUR erstatten werde.
Es steht auch nicht mit der für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Gewissheit fest, dass die Forderung des Klägers auf Freistellung von sämtlichen steuerrechtlichen Nachteilen durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung der Beigeladenen erloschen ist.
Es spricht viel dafür, dass in dem Prozessvergleich vom 8. Juli 2004 eine Aufrechnung gegen die Forderung des Klägers auf Freistellung stillschweigend ausgeschlossen wurde, da sie mit der Eigenart des konkreten Vergleichs nicht vereinbar gewesen wäre.
So wurden weitere finanzielle Streitpunkte im Rahmen der Vergleichsverhandlungen bewusst von den Beteiligten ausgeklammert. Dies haben die in der mündlichen Verhandlung anwesend gewesenen Bevollmächtigten des Klägers und der Beigeladenen, die selbst an dem Abschluss des zivilgerichtlichen Vergleichs mitgewirkt hatten, bestätigt. So wurden u.a. streitige Unterhaltsfragen im Rahmen des Vergleichs nicht geregelt, um dessen Abschluss nicht zu gefährden. Danach sollte sich der Vergleich nach dem Willen der Beteiligten allein auf die Regelung der steuerrechtlichen Folgen beschränken und insoweit - ohne die Möglichkeit der Einbeziehung anderer streitiger Forderungen - abschließend sein. Der Beigeladenen musste daher bewusst sein, dass der Kläger einer Vereinbarung mit der Möglichkeit einer Aufrechung nicht zugestimmt hätte. Denn ihm ging es darum, dass der Vergleich, so wie vereinbart, auch tatsächlich durchgeführt wird. Der Kläger hat entsprechend erklärt, bereits bei Abschluss sei der Beigeladenen die logische Konsequenz aus dem Vergleich unmissverständlich klar gewesen: Einerseits sollte sie selbst von steuerlichen Nachteilen aus der getrennten Veranlagung befreit werden, andererseits aber im Gegenzug den ihm drohenden Nachteil, dass er den aus der Getrenntveranlagung resultierenden Erstattungsbetrag zurückzuzahlen hätte, tragen.
Vor diesem Hintergrund kann die steuerrechtliche Wahl der getrennten Veranlagung durch den Kläger nicht als rechtsmissbräuchlich gewertet werden. Die noch offenen zivilrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Prozessvergleich vom 8. Juli 2004 sind ggf. durch die Zivilgerichte verbindlich zu beantworten. In Anbetracht dessen bedurfte es keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung durch das erkennende Gericht.
Der Kläger hat auch - entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen - nicht bereits in dem Vergleich selbst eine ihn bindende Zustimmungserklärung zur Zusammenveranlagung abgegeben, die im Besteuerungsverfahren zugrunde zu legen wäre. Gegen ein solches Verständnis spricht der eindeutige Wortlaut des Prozessvergleichs vom 8. Juli 2004, in welchem der Kläger sich lediglich "verpflichtet" hat, außergerichtlich eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt abzugeben. Eine vergleichsweise Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung ersetzt jedoch kein Urteil (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 65. Aufl., 2007, § 794, Rdnr. 7).
Vielmehr muss eine Willenserklärung, zu deren Abgabe sich der Schuldner in einem Prozessvergleich verpflichtet hat, ggf. mit Hilfe des Vollstreckungsrechts vollstreckt werden, sei es durch ein Vorgehen nach §§ 887/888 ZPO oder durch eine auf Abgabe der Erklärung gerichtete Leistungsklage (Stöber in Zöller, Kommentar zur ZPO, 26. Aufl., 2007, § 794 Rdnr. 14 und § 894 Rdnr. 3).
Der Einwand der Beigeladenen, einer Vollstreckung bedürfe es nicht mehr, nachdem der Kläger die Zustimmung durch seine Unterschrift auf der gemeinsamen Steuererklärung erteilt habe, greift ebenfalls nicht durch. Denn nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen durfte der Kläger grundsätzlich von seiner ihm steuerrechtlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen, die gewählte Veranlagungsart erneut zu ändern. Mit der (erneuten) Ausübung seines Wahlrechts war seine ursprüngliche Zustimmungserklärung überholt. Insoweit wird der Unterschied zwischen der hier gegebenen Verpflichtung zur Abgabe einer außergerichtlichen Willenserklärung in einem Prozessvergleich und einem rechtskräftigen Urteil, durch welches die Erklärung selbst als abgegeben gilt, deutlich.
Nur in letzterem Falle bleibt die Zustimmungserklärung, verkörpert durch den Ausspruch im Urteil, wirksam.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, 3 sowie § 139 Abs. 4 FGO. Der Beigeladenen waren - neben dem Beklagten - die Kosten des Verfahrens zur Hälfte aufzuerlegen, da sie einen eigenen Klageabweisungsantrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Verkündet am: 26.02.2008
Ende der Entscheidung
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