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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 5 K 2200/05
Rechtsgebiete: EStG, BVerfGG
Vorschriften:
EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1 b) | |
BVerfGG § 13 Nr. 11 | |
BVerfGG § 31 Abs. 2 S. 1 |
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Einkommensteuer 1999
In dem Finanzrechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 5. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. April 2008
durch
die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ,
den Richter am Finanzgericht ,
die Richterin am Finanzgericht ,
den ehrenamtlichen Richter und
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Klägern die von ihrer Tochter N. erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus privaten Veräußerungsgeschäften auch im Streitjahr 1999 zuzurechnen gewesen sind.
Die Kläger wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger sind Eltern von fünf Kindern. Ihre Kinder D., V., P. und D. waren im Streitjahr 1999 minderjährig, während ihre Tochter N. - geboren am ... 1979 - bereits volljährig war. Im Streitjahr 1999 erzielten der Kläger und die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung und die im Streit befindlichen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Zudem erzielte der Kläger die ebenfalls streitigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Für die Veranlagungsjahre 1993 bis 1998 fand bei den Klägern eine Steuerfahndungsprüfung statt. Diese hatte die Einkommensteuer 1993 bis 1998, die Vermögensteuer 1993 bis 1996 sowie die Schenkungsteuer 1998 zum Gegenstand. Die Fahndungsprüfung legte offen, dass die Kläger - insbesondere der Kläger - seit Januar 1996 umfangreiche Wertpapiergeschäfte tätigte. Der Zeitraum zwischen dem Erwerb und der Veräußerung der Wertpapiere lag fast ausschließlich bei weniger als sechs Monaten. In den Jahren 1996 bis 1998 erzielte der Kläger daher gemäß § 23 EStG Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Hierzu bediente er sich der Commerzbank W., der Volksbank W. und der Deutschen Bank. Zudem wickelten die Kläger Wertpapierkäufe und -verkäufe über die Konten ihrer Kinder ab, über die sie verfügungsberechtigt waren. Die mittels der Wertpapiergeschäfte erwirtschafteten Gewinne wurden von den Konten der Kinder, egal ob diese minderjährig oder volljährig waren, durch Überweisungen oder Barabhebungen abgezogen und den Konten der Kläger gutgeschrieben. Nach den Feststellungen des Fahndungsprüfers verfügten die Kläger über die Konten der Kinder wie über eigene Konten. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, Vermögen durch Anlage in Wertpapieren zu verwalten, sondern vielmehr hätten durch den kurzfristigen Umschlag der Papiere Gewinne erwirtschaftet werden sollen. Hinsichtlich der die Jahre 1993 bis 1998 betreffenden Feststellungen des Steuerfahndungsprüfers erzielten die Beteiligten Übereinstimmung. Auf den Steuerfahndungsbericht vom 11. Mai 200 wird verwiesen (Bp-Akte, Bl.45 ff.).
Mit Schreiben vom 22. August 2002 forderte der Beklagte die Kläger auf, nunmehr ihre Einkommensteuererklärung 1999 bis zum 20. September 2002 einzureichen und wies darauf hin, dass er die Besteuerungsgrundlagen gemäß der bereits eingereichten Einkommensteuererklärung 2000 ansonsten gemäß § 162 AO schätzen werde (Einkommensteuerakte -EStA -,Bl.6).
Mit Einkommensteuerbescheid 1999 vom 5. November 2002 schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen teilweise, weil die Kläger trotz Aufforderung bisher fehlende Unterlagen nicht abgegeben hätten. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (EStA, Bl.47). Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, da der Einkommensteuerbescheid 1999 nicht ihrem tatsächlichen Einkommen gerecht werde (EStA, Bl.51). Mit Schreiben vom 17. Dezember 2002 stellte der Beklagte den Klägern anheim, die folgenden noch fehlenden Anlagen samt der zugehörigen Belege einzureichen:
Anlage KSO (Einkünfte aus Kapitalvermögen),
Anlage GSE (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) zuzüglich der zugehörigen Gewinnermittlungen
Anlagen V (für die Objekte A., B. und B.).
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften seien in Höhe von 986,- DM angesetzt worden, da der Betrag von 1.000,- DM aber nicht überstiegen worden sei, sei keine Versteuerung der Einkünfte vorgenommen worden. Insoweit könnten sie sich auch nicht auf das beim BFH anhängige Verfahren (IX R 62/99) berufen, das die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften betreffe. Es seien keine Einkünfte aus Spekulationsgeschäften versteuert worden. Eine Beschwer liege insoweit nicht vor. Einkünfte aus Spekulationsgeschäften seien in Höhe von -250.000,- DM erklärt, jedoch mangels Nachweises nicht anerkannt worden. Er stelle Ihnen anheim, den Nachweis über An- und Verkauf der Wertpapiere nachzureichen. Die Belege sollten das Anschaffungsdatum, die Anschaffungskosten, das Veräußerungsdatum und den Veräußerungspreis enthalten (EStA, Bl.54 ff.).
Mit Schreiben vom 14. Januar 2003 reichte der im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigte der Kläger für die Jahre 1999 bis 2001 noch fehlende Unterlagen der Kläger ein. Für das Jahr 1999 reichte der Kläger eine Aufstellung "Anlageverlauf nach Kapitalanlagekonto" ein (EStA, Bl.65). In dieser waren in Spalte 5 (Zins)-Einnahmen in Höhe von insgesamt 7.518,36,- EUR, in Spalte 6 der Wert der Kapitalanlagen zum 31. Dezember 1999 in Höhe von insgesamt 187.583,06 EUR und in Spalte 7 ("Gewinn/Verlust") ein Gewinn in Höhe von insgesamt 10.699,50 EUR ausgewiesen. Dass es sich in der Aufstellung um Euro-Angaben handelte, teilte der Kläger dem Beklagten erst später mit (siehe unten S. 5).
Mit Schreiben vom 18. Februar 2003 erhöhte der Beklagte die von den Klägern in der nachgereichten Anlage KSO erklärten Einnahmen in Höhe von 14.703,- DM (EStA, Bl.64) unter Verweisung auf den Steuerfahndungsbericht um die Einnahmen der Tochter N. in Höhe von 7.130,- DM (EStA, Bl. 65). Hinsichtlich der Spekulationsgewinne bzw. -verluste wies der Beklagte darauf hin, dass Nachweise über den An- und Verkauf der Wertpapiere nicht erbracht worden seien und bat diese nachzureichen. Die Belege sollten das Anschaffungsdatum, die Anschaffungskosten, das Veräußerungsdatum und den Veräußerungspreis enthalten. Ohne entsprechende Unterlagen könnten die entstandenen Verluste steuerlich nicht berücksichtigt werden. Der Spekulationsgewinn sei um 986,- DM zu erhöhen. Ferner weise er darauf hin, dass der reine Wertverlust kein Spekulationsverlust im Sinne des § 23 EStG darstelle und somit nicht berücksichtigungsfähig sei. Aus Vereinfachungsgründen werde er den erklärten Gewinn in Höhe von 6.221,- DM zuzüglich 986,- DM ansetzen. Sollten die angeforderten Nachweise nicht vorgelegt werden, könne er die Verluste nicht berücksichtigen (EStA, Bl.76).
Mit gemäß § 164 Abs. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11. März 2003 erhöhte der Beklagte die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen auf jeweils 4.817,- DM und ging beim Kläger von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 7.207,- DM aus. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen (EStA, Bl.85).
Mit Schreiben vom 14. Mai 2003 wies der Bevollmächtigte der Kläger darauf hin, dass die Einkünfte der Tochter N. aus Kapitalvermögen im Jahr 1999 4.838,28 DM betragen hätten. Diese Zinsen seien der Tochter zuzurechnen, da die Vollmacht des Klägers im Kalenderjahr 1999 widerrufen worden sei. Hinsichtlich des An- und Verkaufs von Wertpapieren verweise er auf die Anlage "Zusammenstellung Kapitaltransaktionen" (EStA, Bl. 90, 101).
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2003 teilte der Beklagte mit, dass sich nach Überprüfung der Zusammenstellung des Klägers hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ein vorläufiger Verlust in Höhe von 3.059,- DM ergebe, während sich die Einkünfte aus Kapitalvermögen um insgesamt 7.518,30 DM erhöhten. Zudem bat er hinsichtlich verschiedener Verkäufe den Anschaffungszeitpunkt und die Anschaffungskosten der entsprechenden Anteile anzugeben (EStA, Bl.112).
Mit weiterem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 30. Oktober 2003 erhöhte der Beklagte die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen auf jeweils 8.576,- DM, während er die Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäfte mit 0,- DM feststellte. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen (EStA, Bl.120).
In dem Aktenvermerk vom 11. März 2004 hielt die Mitarbeiterin des Beklagten fest, dass es sich bei den eingereichten Aufstellungen nach der telefonischen Auskunft des Klägers um Euro-Angaben handele. Dies bedeute, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften in Euro zu erfassen seien. Auf die Berücksichtigung der Kapitalanlagen der Tochter N. werde aus Vereinfachungsgründen verzichtet. Auf die Geltendmachung der übrigen Verluste gemäß § 23 EStG werde ebenfalls verzichtet, da der Aufwand, die Angaben zu erstellen, in keinem Verhältnis zu dem Steuervorteil stehe (EStA, Bl.128).
Mit Schreiben vom 24. Mai 2004 nahm der Beklagte auf das mit dem Kläger geführte Telefonat vom 11. März 2004 Bezug und hielt fest (EStA, Bl.128), dass nicht nur die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, sondern auch die umqualifizierten Einkünfte aus Kapitalvermögen entsprechend in DM umzurechnen seien. Hieraus ergaben sich für das Jahr 1999 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 36.537,- DM. Hinsichtlich der nicht abschließend geklärten An- und Verkäufe von Wertpapieren schätzte der Beklagte den Gewinn auf einen Betrag in Höhe von 6.019,81 DM (EStA, Bl.131).
Hierzu teilten die Kläger mit Schreiben vom 19. Juni 2004 mit, dass Aktien ab dem 1. Januar 1999 in Euro gehandelt würden, nicht aber die Kapitalerträge. Diese seien bis einschließlich 31. Dezember 2001 in DM gerechnet worden. Bei den Spekulationsgewinnen sei ihnen zwar die Rechnungsart des Beklagten unbekannt. Um aber unnötige Arbeit auszuschließen, könnten sie dies akzeptieren, zumal die Verluste ohnehin nicht mehr ausgeglichen werden könnten (EStA, Bl. 133). Ausweislich der vom Beklagten gefertigten Gesprächsnotiz vom 27. Juli 2004 verzichtete der Beklagte unter der Voraussetzung auf die Vorlage der die Wertpapiergeschäfte des Klägers enthaltenden Ordner, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht in der Weise nachkomme, dass er eine detaillierte Aufstellung der An- und Verkäufe, mit Anschaffungs- und Veräußerungstag, mit Stückzahl, getrennt nach den jeweiligen Wertpapiergeschäften unter Angabe der jeweiligen Währung erstelle. Eine solche Aufstellung legten die Kläger indes nicht vor.
Mit gemäß § 164 Abs. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid 1999 vom 22. April 2005 erhöhte der Beklagte die Einkünfte des Klägers und der Klägerin aus Kapitalvermögen auf jeweils 12.169,- DM. Die Einkünfte aus den privaten Veräußerungsgeschäften stellte er mit 6.019,- DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen (EStA, Bl.147).
Mit weiterem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11. Mai 2005 verrechnete der Beklagte bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 6.019,- DM Rückträge in gleicher Höhe. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte auf (EStA, Bl. 156).
Am 1. Juni 2005 legte der Kläger eine Bescheinigung der W. Bank vom 13. Mai 2005 vor, in der diese der Tochter N. bestätigte, dass sie für ihre Konten derzeit keine Kontovollmacht erteilt habe (EStA, Bl.163). Mit weiterem Schreiben vom 24. Juni 2005 bestätigte die W. Bank der Tochter N., dass in dem Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000 lediglich für ihr Depot Nr. .... eine Vollmacht für die Kläger bestanden habe (EStA, Bl.168).
Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2005 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen (EStA, Bl. 169 ff.).
Mit ihrer bei Gericht am 15. August 2005 eingegangenen Klage machen die Kläger geltend, dass zwischen ihnen und dem Beklagten streitig sei, ob die Kapitalerträge aus den auf den Namen Ihrer Tochter N. angelegten Geldern ihnen zuzurechnen seien und in welcher Höhe Einnahmen aus privaten Veräußerungsgeschäfte angefallen seien. Der Beklagte rechne Ihnen die Kapitalerträge der Tochter auch im Jahr 1999 zu, wobei er davon ausgehe, dass die Kläger für die Jahre 1993 bis 1998 unstreitig über die Konten ihrer Tochter verfügt hätten, ohne dass ihre Vermögenssphären und die ihrer Kindern getrennt gewesen seien. Hierbei beziehe sich der Beklagte auf die Steuerfahndungsprüfung, die am 25. Februar 1999 begonnen und am 11. Mai 2001 abgeschlossen worden sei. Die Prüfungsfeststellungen der Steuerfahndung seien ihnen erst im Verlauf des Kalenderjahres 2001 bekannt geworden. Konsequenzen hätten sie hieraus deshalb erst frühestens 2001 ziehen können. Nach Auffassung des Beklagten gebe es daher einen Beweis des ersten Anscheins dahingehend, dass die steuerlich zu beurteilenden Sachverhalte des Jahres 1999 denen in den Prüfungsjahren 1993 bis 1998 entsprächen. Obwohl die Kläger eine Bestätigung der Westerwaldbank vom 24. Juni 2005 vorgelegt hätten, nachdem sie für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000 keine Vollmacht für die relevanten Konten ihrer Tochter gehabt hätten, habe der Beklagte dennoch die Einspruchsentscheidung erlassen, in der die Kapitalerträge der Tochter ihnen zugerechnet worden seien. Hierfür habe der Beklagte keine Begründung gegeben.
Vorliegend fehle es bereits an einem typischen Geschehensablauf. Es gebe keinerlei tatsächliche Vermutung dafür, dass Eltern die Kapitalerträge für Vermögen, die sie ihren Kindern schenkten, für sich verwendeten. Der Beklagte müsse ihnen Steuerumgehungsabsicht nachweisen. Hierzu sei nichts vorgetragen.
Die Feststellung des Beklagten, dass in den vorangegangenen Jahren die ihnen gegenüber erfolgte Zurechnung der Kapitalerträge ihrer Tochter berechtigt gewesen sei, besage nichts für das Streitjahr. Es liege eine reine Fiktion vor, wenn der Beklagte behaupte, die Prüfungsfeststellungen seien ihnen in ihrer Gesamtheit erst im Verlauf des Kalenderjahres 2001 bekannt gegeben worden. Die Steuerfahndungsprüfung habe aber bereits am 25. Februar 1999 begonnen. In diesem Fall sei der typische Geschehensablauf der, dass ein Steuerpflichtiger spätestens mit dem Auftreten der Steuerfahndung seine Steuerangelegenheiten 100-prozentig behandele, um keinen weiteren Verdacht zu erregen und den Schaden klein zu halten.
Im Übrigen sei der Entlassungsbeweis geführt. Die Kläger hätten eine Bescheinigung der Bank der Tochter vorgelegt, aus der hervorgehe, dass sie für die relevanten Konten keine Vollmacht gehabt hätten. Zwar behaupte der Beklagte, dass diese Bestätigung seine Ansicht widerlege. Dies sei aber weder begründet noch nachvollziehbar.
Der Beklagte habe die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 6.019,- DM geschätzt, wobei er ihnen vorwerfe, dass sie die Höhe ihrer Einnahmen aus Veräußerungsgeschäften an Hand ordnungsgemäßer Unterlagen dokumentieren müssten. Da sie dies nicht getan hätten, sei er berechtigt gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Der Beklagte habe jedoch nicht dargelegt, was Schätzungsgrundlage gewesen sei und an welche Tatbestände und Sachverhalte er anknüpfe. Der Anlass einer Schätzung könne letztlich nur die mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen sein. Dabei sei Folgendes zu berücksichtigen:
(1) Zu den behaupteten Vorgängen gebe es keine Pflicht, Bücher oder Aufzeichnungen zu führen.
(2) Es handele sich um einen negativen Beweis dahingehend, dass bestimmte Veräußerungsverluste nicht existiert hätten. Dieser sei kaum zu führen.
(3) Bei der Schätzung seien alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung seien.
Alledem sei der Beklagte nicht gerecht geworden. Außerdem dürften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1999 keine Einkommensteuern auf Veräußerungsgewinne erhoben werden.
Die Kläger beantragen,
den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2005 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen um jeweils 7.351,50 DM gekürzt und die Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 0,-- DM angesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen und trägt vor, die Zurechnung von Kapitaleinkünften der Kinder für das Kalenderjahr 1999 (und 2000) sei schon mehrfach mit den Klägern diskutiert worden. In Anbetracht dessen, dass er sich sowohl im Verlauf des Einspruchsverfahrens als auch in der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2005 erneut mit derselben Frage habe auseinander setzen müssen, sei eine nochmalige Stellungnahme entbehrlich. Die Höhe der Einkommensteuer 1999, die auf die Veräußerungsgewinne entfalle, betrage unstreitig 0,-- EUR. Das diesbezügliche Vorbringen der Kläger sei deshalb nicht nachvollziehbar.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2005 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
I. Soweit im Streitjahr 1999 die Einkünfte der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften streitig sind, ist der für die Besteuerung maßgebliche § 23 Abs. 1 Nr. 1 b) EStG in der im Jahr 1999 gültigen Fassung - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht schon deshalb nichtig, weil das BVerfG mit Urteil vom 9. März 2004 die Nichtigkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 b) EStG in der in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 gültigen Fassung vom 16. April 1997 (BGBl. I, 821) festgestellt hat. Zwar hat die Entscheidung des BVerfG vom 9. März 2004 für die gültigen Fassungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 b) EStG in den Jahren 1997 und 1998 gemäß § 31 Abs. 2 S. 1 BVerfGG i.V.m. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft. Die vom BVerfG festgestellte Nichtigkeit betrifft jedoch nur die Jahre 1997 und 1998, nicht hingegen das nachfolgende Streitjahr 1999. Das BVerfG hielt nämlich ausdrücklich fest, dass sich die Nichtigerklärung nicht auf die Nachfolgeregelungen der zur Prüfung gestellten Norm erstreckt. Mithin bezog die vom BVerfG festgestellte Nichtigkeit nicht die vom Beklagten im Jahr 1999 festgestellten privaten Veräußerungsgeschäfte ein.
II. Der Senat hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung und unter Berücksichtigung der Einwendungen des im finanzgerichtlichen Verfahren Bevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung zunächst die Zurechnung der Einkünfte der Tochter N. aus Kapitalvermögen und aus den privaten Veräußerungsgeschäften überprüft und sie - ebenso wie der Beklagte - den Klägern zugerechnet. Darüber hinaus hat das Gericht auch die Höhe der den Klägern hinzugeschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus den privaten Veräußerungsgeschäften überprüft und sich dem Ansatz des Beklagten angeschlossen.
1. Der Senat folgt der Auffassung des Beklagten, dass die von der Tochter N. im Streitjahr 1999 erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus den privaten Veräußerungsgeschäften ebenso wie in den vorangegangenen Streitjahren, in denen die Kläger dies im Rahmen der abschließenden Besprechung mit der Steuerfahndung eingeräumt haben, einkommensteuerrechtlich den Klägern zuzurechnen waren. Die Kläger haben diese Einkünfte nämlich auf eigene Rechnung erzielt und das auf den Konten ihrer Tochter N. befindliche Kapital zu keiner Zeit wie fremdes, sondern stets wie eigenes Vermögen verwaltet (BFH-Urteil vom 30. März 1999 VIII R 19/98, BFH/NV 1999, 1325). Dies ergibt sich aus den Gesamtumständen des Streitfalls im Streitjahr 1999.
Nach Überzeugung des Senats haben die Kläger wie in den Vorjahren auch im Streitjahr 1999 über das Konto ihrer Tochter N. bei der W. Bank, für das sie Vollmachten hatten, stets wie über ein eigenes Konten verfügt. Dies deckt sich mit den von den Klägern eingeräumten Feststellungen der Steuerfahndung für die Vorjahre, wonach die Kläger über die Konten ihrer Tochter N. - wie auch ihrer anderen Kinder - Gelder transferierten, um einerseits Wertpapierkäufe und andererseits -verkäufe durchzuführen, und um die Gelder sodann umgehend wieder von den für die Wertpapiergeschäfte eingesetzten Konten abzuheben. Schon dies belegt, dass die Kläger, das auf das Konto ihrer Tochter N. transferierte Kapital im Streitjahr 1999 nicht wie fremdes Vermögen verwaltet haben, sondern es - wie in den Vorjahren - wie eigenes Vermögen behandelten. Dass die über das Depot ihrer Tochter N. bei der Westerwald Bank im Streitjahr 1999 abgewickelten umfangreichen Wertpapiergeschäfte den Klägern zuzurechnen waren, ergibt sich nach Überzeugung des Senats zudem daraus, dass die Bestätigung der Westerwald Bank vom 24. Juni 2005, die sich auf das Depot der Tochter (Nr. .....) bezog, festhielt, dass die Kläger im Streitjahr für dieses Vollmacht hatten. Dass der Beklagte die Einkünfte der Tochter N. im Streitjahr 1999 den Klägern zu Recht zugeschrieben hat, ergibt sich schließlich nach Überzeugung des Senats aus der von den Klägern im Verwaltungsverfahren vorgelegten Aufstellung der "Kapitalanlagekonten" vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999. Hierin führten sie neben den über das Depot bei der Westerwald Bank durchgeführten 40 Wertpapiergeschäften vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999 das weitere auf den Namen der Tochter N. geführte Konto bei der Commerzbank sowie die Konten ihrer anderen Kinder auf, die sie im Jahr 1999 ebenfalls für den An- und Verkauf von Wertpapieren einsetzten. Mit dieser von den Klägern im Rahmen des Veranlagungsverfahrens eingereichten Auflistung aller vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 1999 abgewickelten Wertpapiergeschäfte haben die Kläger der Aufforderung des Beklagten vom 18. Februar 2003 Rechnung getragen, um die von ihnen geforderten Nachweise über die An- und Verkäufe von Wertpapieren zu erbringen (EStA, Bl.90, 101). Die Auflistung aller über ihre und die Konten ihrer Kinder abgewickelten Wertpapiergeschäfte macht aber nur dann Sinn, wenn die Kläger mit den dort festgehaltenen An- und Verkäufen von Wertpapieren zum Ausdruck bringen wollten, dass sie - wie in den Vorjahren - ihnen und nicht ihren Kindern zuzurechnen waren, zumal die Kläger nicht vorgetragen haben, dass sie die in der Aufstellung angeführten Wertpapiergeschäfte auf (fremde) Rechnung ihrer Kinder durchführten und das dabei eingesetzte Kapital wie fremdes Vermögen verwalteten (EStA, Bl.90). Hätten die Kläger dies mit der Aufstellung zum Ausdruck bringen wollen, hätten sie dies auch so erklären und durch geeignete Nachweise belegen müssen, dass sie die auf die Konten ihrer Kinder eingezahlten Geldbeträge fortan wie fremdes Vermögen strikt von ihrem eigenen Vermögen trennten. Des weiteren waren nach Überzeugung des Senats die im Streit befindlichen Einkünfte der Tochter N. aus Kapitalvermögen und privaten Veräußerungsgeschäften deshalb den Klägern zuzurechnen, weil die Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren belegt haben, dass ihre Tochter im Streitjahr 1999 über entsprechendes Eigenkapital verfügt hat, um überhaupt die im Streit befindlichen Kapitaleinkünfte und Veräußerungsgewinne erzielen zu können. Dass die Kläger ihr im Wege der Schenkung Gelder in entsprechender Höhe zugewendet haben, hat ihr Bevollmächtigter im finanzgerichtlichen Verfahren zwar behauptet, aber nicht nachgewiesen. Auch die erst im Jahr 2001 abgeschlossene Steuerfahndungsprüfung hat - bis auf eine Schenkung der Schwester des Klägers am 28. Mai 1997 an die Tochter N. in Höhe von 20.000,- DM (Bp-Akte, Bl.52) - keine Erkenntnisse darüber gewonnen, dass die Kläger die auf die Konten ihrer Tochter N. (und ihrer anderen vier Kinder) überwiesenen oder bar eingezahlten Gelder ihr (ihnen) geschenkt hatten. Den im Steuerfahndungsbericht vom 11. Mai 2001 getroffenen Feststellungen ist vielmehr das Gegenteil zu entnehmen. Bei diesen tatsächlichen Umständen hat der Beklagte die von der Tochter N. erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus den privaten Veräußerungsgeschäften allein schon deshalb zutreffend den Klägern zugerechnet, weil die Kläger das auf den Konten ihrer Tochter N. eingesetzte Kapital auch im Streitjahr 1999 nicht wie fremdes Vermögen verwalteten, sondern - wie in den Vorjahren - stets wie eigenes Vermögen behandelten.
2. Der Beklagte hat schließlich auch die Höhe der den Klägern insoweit zugerechneten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus privaten Veräußerungsgeschäften zutreffend geschätzt.
a) Zwar geht nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) die Unerweislichkeit steuerbegründender Tatsachen grundsätzlich zu Lasten des Beklagten. Hiernach würde die Hinzuschätzung der im Streit befindlichen Einkünfte der Kläger allein daran scheitern, dass es die von den Klägern zu den Kapitaleinkünften und den privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr eingereichten Unterlagen (vgl. EStA, Bl.65 und 101) nicht zugelassen haben, die exakte Höhe der Kapitaleinkünfte und der privaten Veräußerungsgeschäfte zu ermitteln. Jedoch finden die Beweislastregeln dann keine uneingeschränkte Anwendung, wenn die mangelhafte Sachaufklärung darauf beruht, dass der Steuerpflichtige abgabenrechtliche Mitwirkungspflichten verletzt, die ihm gerade deshalb auferlegt sind, um derartige Mängel zu vermeiden. In einem solchen Fall muss die Entscheidung die konkrete Verfahrenssituation berücksichtigen und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung über tatsächliche Umstände gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 FGO eine Mitverantwortung für die Folgen entspricht, die eintreten, wenn das Ziel vollständiger Sachverhaltsermittlung nicht erreicht wird. In der Regelung des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO kommt die Mitverantwortung des Steuerpflichtigen besonders deutlich zum Ausdruck. Sie erlaubt es den Behörden und Gerichten, sich mit einem geringeren Grad an Überzeugung zu begnügen, als dies nach § 88 AO bzw. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO grundsätzlich geboten ist. Das bedeutet, dass das Beweismaß reduziert ist. Die grundsätzliche Ermittlungspflicht der Finanzbehörde oder des Finanzgerichts mindert sich hiernach, wenn ein Steuerpflichtiger die ihm auferlegten Mitwirkungs-, Informations- und Nachweispflichten verletzt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 - X R 16/86, BStBl II 1989, 462).
b) Unter Zugrundelegung dieser durch die Rechtsprechung in Schätzungsfällen entwickelten Maßstäbe hat der Beklagte nach Überzeugung des Senats die den Klägern zugerechneten Zinseinkünfte sowie Veräußerungsgewinne der Tochter N. auch in zutreffender Höhe geschätzt.
Vorliegend haben die Kläger im Streitjahr 1999 nach der von ihnen vorgelegten Aufstellung ihrer "Kapitalanlagetransaktionen" insgesamt rund 200 Wertpapierkäufe bzw. -verkäufe getätigt, von denen rund 60 Wertpapiergeschäfte über die beiden Konten ihrer Tochter N. bei der W. Bank und Commerzbank abgewickelt worden sind. Aus der Aufstellung hat aber weder der Beklagte noch das Gericht detailliert entnehmen können, ob und in welcher Höhe diese An- und Verkäufe zum Bezug von Dividenden berechtigten und die Kläger mithin verpflichteten, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erklären. Überdies ging aus der Aufstellung auch nicht hervor, welche der dort aufgeführten An- und Verkäufe von Aktien innerhalb der Spekulationsfrist von sechs Monaten abgewickelt und damit steuerverhaftet waren, bzw. welche An- und Verkäufe außerhalb der im Streitjahr 1999 geltenden Spekulationsfrist erfolgten. Im Übrigen war den Aufstellungen der Kläger zu den von ihnen getätigten Wertpapiergeschäften zunächst nicht zu entnehmen, ob die dort angeführten Werte in DM-Beträgen oder in Euro-Beträgen anzusetzen waren (vgl. EStA, Bl. 128, 133). Bei dieser - trotz wiederholter Aufforderungen des Beklagten - infolge der unzureichenden Mitwirkung der Kläger von Anfang an im Streitjahr 1999 bezüglich der Einkünfte aus Kapitalvermögen und der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bestehenden Ungewissheit in tatsächlicher Hinsicht, die zu fünf auf diese beiden Einkunftsarten bezogenen Einkommensteueränderungsbescheiden 1999 geführt hat, ist das Beweismaß für die steuerbegründenden Tatsachen zugunsten des Beklagten derart reduziert gewesen, dass er zur Schätzung dieser Einkünfte berechtigt gewesen ist.
Der Beklagte hat die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen nach Überprüfung und nach Überzeugung des Senats im zuletzt gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11. Mai 2005 auch in zutreffender Höhe mit jeweils 12.169,- DM beim Kläger und bei der Klägerin und die Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften zutreffend mit 6.019,- DM, die überdies mit Verlustrückträgen aus dem Jahr 2000 (vgl. § 23 Abs. 3 S. 9 EStG 2000) verrechnet worden sind, angesetzt. Nachdem dem im finanzgerichtlichen Verfahren Bevollmächtigten der Kläger Akteneinsicht in die Verwaltungsakten gewährt wurde, hat dieser im Übrigen insbesondere hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften eingeräumt, dass die vom Beklagten vorgenommene Schätzung nicht zu beanstanden sei. Nach Überzeugung des Senats hat der Beklagte mit dem letzten Änderungsbescheid die annähernd von den Klägern tatsächlich erzielten Einkünften aus Kapitalvermögen und die vom Kläger erzielten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr 1999 festgestellt.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 AO abzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).
Verkündet am: 29.4.2008
Ende der Entscheidung
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