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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 6 K 1108/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4 Buchst. a S. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

6 K 1108/07

Umsatzsteuer 2001

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. April 2008

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts als Vorsitzenden,

den Richter am Finanzgericht

die Richterin am Finanzgericht

den ehrenamtlichen Richter

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Strittig ist der Steuersatz für die Abgabe von verzehrfertigen Lebensmitteln.

Der Kläger betreibt eine Metzgerei mit einem Ladengeschäft in S. An Markttagen stellt der Kläger auf dem Markt in B und auf dem M...er Wochenmarkt regelmäßig einen Verkaufswagen auf.

In Juni 2005 fand beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt (Bericht vom 13. Oktober 2005, Blatt 4 ff der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte). Dabei stellte die Umsatzsteuer-Sonderprüferin fest, dass beim Verkauf auf den Märkten vom Verkaufswagen ein Verkauf von Wurstwaren zum Verkehr an Ort und Stelle erfolgt war. Da auf den Märkten vor dem Verkaufswagen Stehtische aufgestellt waren, die teilweise mit einem großen Marktschirm vor Regen und Sonne geschützt waren und an denen die Speisen und Getränke verzehrt wurden, war die Prüferin der Auffassung, dass die Umsätze zum sofortigen Verzehr an Ort und Stelle mit dem Regelsteuersatz zu versteuern seien. Wegen des Fehlens getrennter Aufzeichnungen und der Kassenbons für den Verkauf an den Markttagen schätzte die Prüferin die Umsätze für die Abgabe von Fleischwurst, Wurstsuppe und Getränke zum sofortigen Verzehr an Ort und Stelle (Blatt 6, 7 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte).

In Auswertung des Prüfungsberichts änderte der Beklagte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2001 bis 2004 mit Bescheiden vom 31. Oktober 2005, da der Kläger keine entsprechenden Umsätze zum Regelsteuersatz erklärt hatte, und hob dem Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.

Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte die Umsatzsteuerbescheide 2002, 2003 und 2004 hinsichtlich der unentgeltlichen Wertabgaben und des Vorsteuerabzugs mit Bescheiden vom 9. Oktober 2006. Diese Änderungen sind nicht streitbefangen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2007 änderte der Beklagte nochmals die Umsatzsteuerfestsetzung 2001, da bei der Umrechnung von DM in EUR ein fehlerhafter Umrechnungskurs angewandt worden war und korrigierte die darauf beruhenden Rechenfehler. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen.

Der Kläger trägt vor, er habe es zwar versäumt, durch geeignete Aufzeichnungen die tatsächliche Höhe der Restaurationsumsätze zu dokumentieren, die von der Betriebsprüfung vorgenommen Schätzungen seien allerdings deutlich überhöht. Der Markt in B würde erst seit April 2003 angefahren und in den Jahren 2001 und 2002 seien nur jeweils 140 statt der angenommenen 188 Markttage besucht worden. Im Jahr 2003 seien es nur 176 Tage gewesen. Die Schätzung würde auf eine Besichtigung des Marktes in M im Juli des Jahres 2005 abstellen, die bei ausgesprochen angenehmer sommerlicher Witterung in der Sommerzeit erfolgt sei. Der im Prüfungsbericht dargelegte Kundenandrang des Marktstandes wäre unter diesen Umständen zwar nicht zu beanstanden. Soweit die nachfolgenden Schätzungen jedoch auf dieser Wahrnehmung aufbauen würden, ginge dies an den tatsächlichen Gegebenheiten völlig vorbei. In den übrigen Tagesstunden, insbesondere in den frühen Morgenstunden bei Marktbeginn und am späten Nachmittag sowie bei schlechter Witterung sei der Kundenandrang spürbar geringer. Auch bei heißem Wetter würde deutlich weniger warme Fleischwurst und heiße Wurstsuppe verkauft. Anhand von Aufzeichnungen in der Zeit von Januar bis März 2007 sei vielmehr festzustellen, dass der prozentuale Anteil der Restaurationsumsätze an den Gesamtumsätzen auf den Märkten zwischen ca. 1,9% und 4,6% schwanken würde, und nicht wie bei der Schätzung des Beklagten ca. 12% betrage. Auch aufgrund der weiteren Besichtigungstermine durch den Beklagten am 4. und 5. Mai 2007 seien die Schätzungen des Beklagten nicht zu rechtfertigen. Die Beobachtungszeit durch den Beklagten betrage lediglich ca. 0,15% der gesamten Marktzeit, so dass daraus nicht auf den gesamten Jahresumsatz hochgerechnet werden könne. Anhand der an den folgenden Markttagen aufgezeichneten Umsatzerlöse würde sich vielmehr ergeben, dass die Umsatzannahme des Beklagten zu 90% über den tatsächlichen Umsätzen liegen würde. Dies resultiere daraus, dass der Beklagte die umsatzstärkste Mittagszeit für seine Berechnung herangezogen hätte und Umsatzeinbußen wegen schlechterer Witterung unbeachtet gelassen hätte. Auf Grund der notwendigen Erwärmung in einem Wurstkocher könnten stündlich höchstens ca. 100 Portionen warme Fleischwurst verkauft werden. Nach den Berechnungen des Beklagten würde der Kläger ca. 54 kg Fleischwurst jeden Markttag verkaufen. Tatsächlich würde er seinen Verkaufswagen an einem Freitag mit rund 70 kg, an einem Samstag mit rund 100 kg und einen Dienstag mit rund 50 kg bevorraten, wovon regelmäßig ca. zwei Drittel der Menge im Straßenverkauf verkauft würden. Nur ein Drittel der bevorrateten Menge würde als warme Fleischwurst vertrieben, jedoch würde diese nicht vollständig an Ort und Stelle verzehrt werden. Anhand des Wareneingangs seiner Getränkeeinkäufe, die er ausschließlich über den Fleischer-Einkauf M oder über die Firma G bezogen hätte, würde sich ergeben, dass die Umsatzerlöse nur rund 2.000 EUR jährlich betragen hätten, die Schätzung des Beklagten jedoch um mehr als 759% über dem höchst möglichen Wertansatz und damit außerhalb eines insgesamt noch vertretbaren Schätzungsrahmens liegen würde (Blatt 73 bis 75 der Prozessakte).

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2007 den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 31. Oktober 2005 dahin zu ändern, dass die Umsätze des Jahres 2001 aus dem Verkauf von Speisen und Gertränken, die dem Regelsteuersatz unterliegen, mit 21.797 EUR festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, unter der Bezeichnung "M...er Marktfrühstück" würde die Stadt M für das Einnehmen einer typischen M...er Mahlzeit, bestehend aus "Weck, Worscht un' Woi" auf dem M...er Wochenmarkt als Attraktion in der Region werben. Daher würde der M...er Wochenmarkt von vielen Besuchern gezielt zur Einnahme eines solchen Frühstücks aufgesucht. Auf dem Markt seien mehrere Verkaufsstände verschiedener Metzger nebeneinander aufgestellt, an denen verschiedene Wurstwaren zum Verkauf angeboten würden. In dieser "Metzger-Reihe" würde der Kläger auch warme Fleischwurst und Wurstsuppe verkaufen, die die Kunden an vor dem Verkaufswagen aufgestellten Stehtischen oder der Verzehrtheke des Verkaufswagens zu sich nehmen könnten. Die Tische seien in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zum Verkaufswagen aufgestellt und es handele sich um speziell für den Verzehr an Ort und Stelle aufgestellte Vorrichtungen. Die Reinigung der Tische würde durch das Personal des Klägers regelmäßig besorgt. Neben den Tischen würden Abfallbehälter bereitstehen, in die die Kunden die verbleibenden Speisereste, Verpackungen, Servietten und Einweggeschirr entsorgen würden. Die Stehtische seien teilweise von einem Marktschirm vor Witterungseinflüssen geschützt (vgl. Fotografien Bl. 14, 49, 50 der Prozessakte). Bei der heißen Fleischwurst würde dem Kunden ein Stück erhitzte Fleischwurst auf einem kleinen Pappteller mit einem beigelegten Brötchen und einer kleinen Portionspäckchen Senf verkauft. Die Mahlzeit könne nicht im Gehen verzehrt werden, sondern man benötige zum Verzehr eine Ablage. Der Kläger stelle seinen Kunden daher als organisatorische Funktionseinheit die überdachten Stehtische zur Einnahme der Mahlzeit zur Verfügung. Daher handele es sich bei den Umsätzen zum direkten Verzehr an Ort und Stelle um sog. Restaurationsumsätze, die mit dem Regelsteuersatz zu besteuern seien. Da der Kläger die Umsätze nicht getrennt aufgezeichnet hätte und auch keine Kassenaufzeichnungen vorliegen würden, seien die Umsätze zu schätzen gewesen. Seine Schätzung der Umsätze würde sich sachgerecht an den Verhältnissen orientieren, die bei mehreren Besichtigungen zu verschiedenen Marktzeiten vorgenommen worden wären. Dabei sei zwar festgestellt worden, dass in den früheren Morgenstunden der Kundenandrang nur gering gewesen sei. Auf Grund des überaus großen Kundenandrangs in den Mittagsstunden seien die von ihm vorgenommenen Schätzungen der verkauften Portionen an warmer Fleischwurst insgesamt aber gerechtfertigt. Nach seinen Beobachtungen hätte sich zu den besuchsstarken Zeiten vor der Ausgabe für die warme Fleischwurst regelmäßig eine lange Schlange gebildet, während der Verkauf von sonstigen Wurstwaren zum Mitnehmen eher spärlich frequentiert gewesen wäre. So seien bei einer erneuten Besichtigung auf dem Markt in M am 5. Mai 2007 in der Mittagszeit von 11 bis 14 Uhr vom Kläger ca. 300 Portionen Fleischwurst verkauft worden. Dabei sei zu beachten, dass seine Schätzung nach den tatsächlichen Umständen wohl nur ca. 50% der Umsätze erfassen würde, zumal in seiner Schätzung weder der Getränkeumsatz, der Verkauf von Wurstsuppe noch die Umsätze auf dem Markt in B enthalten wären. Soweit das Verkaufspersonal des Klägers nach den Streitjahren eine Strichliste für den Verkauf warmer Fleischwurst geführt hätte und ihm die Einsichtnahme in diese Strichliste von außen möglich gewesen wäre, würde die geführte Strichliste seine Beobachtungen zum erheblichen Umfang der verkauften warmen Fleischwurst bestätigen. Die durch den Kläger vorgenommene Berechnung für das Erwärmen der Fleischwurst sei wirklichkeitsfremd, da nach einem erstmaligen Erhitzen des Wassers in dem Wurstkocher nur noch eine kurze Erwärmungszeit für die Fleischwurst erforderlich sei und wegen der beiden Kammern des Wurstkochers ein kontinuierlicher Verkauf gewährleistet wäre. Zudem hätte er bei seiner Schätzung bereits einen hohen Sicherheitsabschlag und einen Abschlag wegen schlechter Witterungsverhältnisse berücksichtigt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Nach § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz -Lieferungen und sonstige Leistungen gem. § 3 UStG- 16 v.H. der Bemessungsgrundlage. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Lieferung der in der Anlage bezeichneten Gegenstände, zu denen u.a. Fleisch, Zubereitungen von Fleisch, Backwaren und verschiedene Lebensmittelzubereitungen gehören. Nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG ist die Abgabe von Speisen und Getränken -auch soweit diese der Anlage zu § 12 UStG unterfallen- zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung. Nach den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes kommt es daher für den anzuwendenden Steuersatz auf die Umsätze des Klägers mit den auf den Märkten abgegebenen Speisen, welche zu den beispielhaft aufgezählten Gegenständen der Anlage zu § 12 UStG gehören (Fleischwaren und Wurstsuppe, teilweise mit Brötchen), darauf an, ob diese zum Verzehr an Ort und Stelle i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG abgegeben worden sind. Speisen und Getränke werden gem. § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereit gehalten werden.

Zur Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen nach den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Art. 5 und 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -Richtlinie 77/388/EWG- hat der EuGH hinsichtlich der Abgabe von Speisen und Getränken ausgeführt, dass es sich nach dem Wesen der Umsätze im Rahmen einer Gesamtbetrachtung richtet, ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind. Da die Abgabe von Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen ist, bei der dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt wird, welche sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen als auch das Mobiliar und das Geschirr, gegebenenfalls Auflegen des Gedecks durch einen Kellner, die Beratung des Gastes und das Erläutern der angebotenen Speisen sowie das Auftragen der Speisen und das Abräumen der Tische nach dem Verzehr, umfasst, ist nach der Rechtsprechung des EuGH der als Dienstleistung anzusehende sog. Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Hingegen gilt etwas anderes, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen. Zur Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstandes gehört, können somit nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung des Gegenstands verbunden sind, da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie die Darbietung der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw. verbunden ist. Bei der Abgabe von Speisen und Getränken im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit sind daher das Zurverfügungstellen einer Infrastruktur, die einen möblierten Speisesaal mit Nebenräumen wie Garderobe und Toiletten umfasst, die Information und Beratung der Kunden hinsichtlich der servierten Speisen und Getränke, die Darbietung der Speisen und Getränke in geeignetem Geschirr, die Bedienung und das Abdecken der Tische sowie die Reinigung nach dem Verzehr als Dienstleistungen anzusehen, die nicht notwendig mit der Vermarktung der Waren verbunden sind (vgl. EuGH-Urteile vom 2. Mai 1996 - Rs. C-231/94 --Faaborg-Gelting Linien A/S--, Slg. 1996, I-2395 und vom 10. März 2005 - Rs. C-491/03 --Herrmann--, Slg. 2005, I-2025).

Der Rechtsprechung des EuGH hat sich der BFH angeschlossen, so dass nach diesen Grundsätzen auch im Streitfall für jeden besteuerten Umsatz zu entscheiden ist, ob eine -dem ermäßigten Steuersatz unterliegende- Lieferung von Speisen oder eine -dem Regelsteuersatz unterliegende- Dienstleistung vorliegt. Es kommt dabei nicht auf ein quantitatives Überwiegen des Dienstleistungselements der Bewirtung gegenüber der Speisenlieferung an, sondern darauf, ob das Dienstleistungselement qualitativ überwiegt. Das Vorhandensein von "Verzehrvorrichtungen" ist in diesem Zusammenhang ein Indiz dafür, dass der Unternehmer eine "Infrastruktur" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH bereit hält, wobei allerdings der EuGH davon ausgeht, dass gemeinschaftsrechtlich nicht jede Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle eine Dienstleistung ist und daher der Wortlaut des § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG nicht in vollem Umfang richtlinienkonform ist. Allein die verzehrfertige Zubereitung von Lebensmitteln ist dabei im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen, da notwendige Vorstufe zur Vermarktung einer zubereiteten Speise deren Zubereitung ist. In gleicher Weise ist die Abgabe "zum Mitnehmen" in Papierservietten oder in Einweggeschirr und mit Einwegbesteck sowie die Zugabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise o.ä. nicht geeignet, die Abgabe als die Dienstleistung zu qualifizieren. Dies gilt auch für die Bereitstellung von Abfalleimern, da die Rücknahme von Verkaufsverpackungen notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln verbunden ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 - V R 58, 59/04, BStBl. II 2007, 487).

In richtlinienkonformer Auslegung des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG kommt der Senat bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Umstände zu dem Ergebnis, dass im Streitfall eine Abgabe zu Verzehr an Ort und Stelle vorliegt, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen ist.

a) Nach den vom BFH bereits vorgegebenen Abgrenzungsmerkmalen spielt für die Beurteilung der Gesamtumstände die Abgabe der Speisen mit Zugabe von Senf u.Ä. und in Einweggeschirr sowie mit Einwegbesteck keine Rolle. Auch die aufgestellten Abfalleimer sind in diesem Zusammenhang für eine Abgrenzung unbeachtlich.

b) An Hand der vom Beklagten vorgelegten Fotografien des Verkaufswagens des Klägers kann das Gericht nicht feststellen, dass das an dem Verkaufswagen angebrachte Ablagebrett als "Verzehrvorrichtung" in diesem Sinne angesehen werden kann. Auf den Fotografien wird dieses offensichtlich nicht zur Ablage bei der Einnahme von Speisen genutzt, sondern dient wohl eher der Ablage von Einkaufstaschen u.Ä. bei der Waren- und Geldübergabe im Rahmen des Bezahlungsvorgangs. Ein solches Ablagebrett unterhalb einer Verkaufstheke ist nach den vorgenannten Grundsätzen vielmehr den mit der Vermarktung einer Ware notwendig zusammenhängenden Einrichtungen zuzurechnen.

c) Im Streitfall erfolgt an den Stehtischen keine Bedienung, sondern hier ist eine Selbstbedienung der Kunden gegeben. Im Rahmen dieser Selbstbedienung der Kunden ist bei der Bestellung an der Theke des Verkaufswagens aber durchaus eine Information über die angebotenen Speisen und eine Beratung zur Auswahl der Speisen durch den Kunden möglich und findet wohl nach der Lebenserfahrung auch statt.

d) Entscheidend für die Beurteilung der Gesamtumstände ist das Aufstellen der Stehtische, an denen nach den vorgelegten Fotografien die angebotenen Speisen eingenommen werden, sowie der teilweise Schutz dieser Stehtische vor Witterungseinflüssen durch den Marktschirm. In diesem Zusammenhang spielt auch der Umstand eine Rolle, dass nach den vorgelegten Fotografien die Stehtische offensichtlich regelmäßig gereinigt werden. Insoweit schaffen die Stehtische und teilweise der Marktschirm eine -den Verhältnissen eines Wochenmarktes angepasste- Essatmosphäre, die den Kunden eine Infrastruktur i.S.d. Rechtsprechung des EuGH bereitstellt und den Raum zur Einnahme der angebotenen Speisen und Getränke ähnlich einer sozialen Tabuzone vom öffentlichen Verkehrsraum abgrenzt. Insoweit findet für die Besucher des Marktes sichtlich eine Widmung der Stehtische zum Verzehr der vom Kläger angebotenen Speisen und Getränke statt und diese wird nach der Lebenserfahrung entsprechend den gesellschaftlichen Gepflogenheiten von der überwiegenden Mehrzahl der Marktbesucher so wohl auch respektiert. Diese Essatmosphäre geht über die mit der Vermarktung der angebotenen Speisen notwendig verbundenen Dienstleistungen hinaus. Die Stehtische und die dadurch geschaffene, von dem übrigen Marktbetrieb zur Einnahme der Speisen abgegrenzte Zone stellen darüber hinausgehend einen entscheidenden Anreiz zum Verzehr an Ort und Stelle dar und sind nach Ansicht des Senats ausschlaggebend für die Motivation der Marktbesucher, die zum Verzehr an Ort und Stelle vom Kläger angebotenen Speisen zu erwerben und in diesem Bereich zu verzehren. Nach den vom BFH als ausschlaggebend erachteten Beurteilungskriterien kommt daher dem Dienstleistungselement eine qualitative Bedeutung zu, die hinsichtlich des Verzehrs an Ort und Stelle die bloße Lieferung des Warenangebots überwiegt.

2. Die vom Beklagten vorgenommene Schätzung der Höhe der Restaurationsumsätze des Klägers zum Regelsteuersatz ist nicht zu beanstanden.

Die Besteuerungsgrundlagen sind gem. § 162 Abs. 2 AO dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann bzw. soweit Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit der Buchführung oder der Aufzeichnungen zu beanstanden. Der Kläger war sowohl für die Umsatzsteuer als auch für die Einkommensteuer verpflichtet, die Betriebseinnahmen einzeln aufzuzeichnen. Da solche Aufzeichnungen für die streitbefangenen Umsätze auf den Märkten fehlen, war der Beklagte zur Schätzung dieser Umsätze berechtigt.

Der Umfang der Schätzung lässt sich dabei regelmäßig dem Sachverhalt entnehmen, aus dem die Verkürzung dem Grunde nach hergeleitet wird. Dieser Sachverhalt gibt im allgemeinen ausreichend zahlenmäßige Anhaltspunkte für das Ausmaß nicht erklärter Betriebseinnahmen. Sollten solche Anhaltspunkte ausnahmsweise nicht erkennbar sein, ist auch eine griffweise Schätzung zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BStBl. II 1990, 109). Naturgemäß besteht allerdings bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen eine Bandbreite möglicher Wertansätze (sog. Schätzungsrahmen). Soweit sich die Schätzung innerhalb dieses Rahmens bewegt, ist sie nicht zu beanstanden. Die Schätzungsungewissheit darf nicht dazu führen, nur den Betrag anzunehmen, der auch im ungünstigsten Falle als sicher vereinnahmt angesehen werden kann. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung muss es ein Steuerpflichtiger, der Veranlassung zur Schätzung gibt, vielmehr hinnehmen, dass die im Wesen jeder Schätzung liegende Unsicherheit oder Fehlertoleranz gegen ihn ausschlägt und das Finanzamt im Rahmen seines Schätzungsspielraums je nach Einzelfall bei steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen an der oberen Grenze bleibt. Es liegt im Wesen der Schätzung, dass die durch sie ermittelten Größen von den tatsächlichen Verhältnissen mehr oder minder abweichen. Allerdings müssen die hierbei vom Steuerpflichtigen hinzunehmenden Sicherheitszuschläge als wahrscheinlich gerechtfertigt sein, so dass sie den jeder Schätzung anhaftenden Unschärfen Rechnung tragen (Seer in Tipke/Kruse, Rz 44 zu § 162 AO m.w.N.). Bestehen große Manipulationsmöglichkeiten, wie dies gerade bei Bargeschäften des täglichen Lebens der Fall ist, und hat der Steuerpflichtige fehlende Überprüfungsmöglichkeiten zu vertreten, weil er keine Aufzeichnungen führt, ist lediglich eine grobe Schätzung geboten (vgl. BFH-Urteil vom 12. April 1988 VIII R 154/84, BFH/NV 1989, 636).

Die Schätzung des Beklagten ist nach den Umständen des Falles in gerechtfertigter Höhe erfolgt und nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sachgerecht die Zahl der im Laufe eines Markttages auf Grund tatsächlicher Beobachtungen schätzungsweise verzehrten Fleischwurstportionen auf die Anzahl der besuchten Markttage hochgerechnet. Dies stellt keine exakte Berechnung dar, sondern ist mit Schätzungsunschärfen verbunden, die allerdings hinzunehmen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schätzung durch den Beklagten keine genaue Berechnung der Umsätze des Klägers im Nachhinein darstellen kann, sondern der Kläger hier die Folgen trägt, dass er die Umsätze nicht aufgezeichnet hat. Den hier gebotenen Schätzungsrahmen hat der Beklagte mit der Zuschätzung unter dem Gesichtspunkt eines Sicherheitszuschlags nach den vorgenannten Grundsätzen nicht überschritten. Die Berechnungen durch den Kläger hingegen beruhen auf Annahmen, die weder nachgewiesen noch wahrscheinlicher als die Annahmen des Beklagten sind. Diese Berechnungen sind jedenfalls nicht geeignet, die Schätzung durch den Beklagten derart zu erschüttern, als dass ein Verlassen des Schätzungsrahmens durch den Beklagten anzunehmen wäre.

Denn in Fällen, in denen keine Aufzeichnungen geführt wurden, sind eigene, erst lange nach den streitigen Zeiträumen gefertigte Kalkulationen des Steuerpflichtigen ungeeignet, auch grobe Schätzungen der Finanzbehörden zu entkräften. Denn es handelt sich bei den vom Steuerpflichtigen gefertigten Kalkulationen ebenfalls lediglich um Schätzungen (vgl. Finanzgericht Münster, Urteil vom 31. Oktober 2000 5 K 6660/98 E, EFG 2001, 401 und Finanzgericht Bremen, Urteil vom 17. Januar 2007 - 2 K 229/04 (5), EFG 2008, 8).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Verkündet am: 1. April 2008



Ende der Entscheidung

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