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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 6 K 1517/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

6 K 1517/06

Umsatzsteuer 2002 - 2005

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. April 2008 durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht

den Richter am Finanzgericht

den ehrenamtlichen Richter

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Abgabe von Speisen im ...-Stadion anlässlich von Fußball-Spielen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.

Die Klägerin, eine GbR, betreibt aufgrund Mietvertrags vom 03.05.1999 im ...-Stadion in der Gastronomie-Mall in der Nordtribüne einen Verkaufsstand, in dem sie anlässlich von Heimspielen des FC ... Pizza-Teile und Getränke verkauft. In der Gastronomie-Mall stehen Stehtische und Bierzeltgarnituren zur Verfügung, die vom Vermieter bereitgestellt werden.

Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das 3. Quartal 2002 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass ein Verzehr an Ort und Stelle vorliege und die Umsätze der Klägerin daher mit dem Regelsteuersatz zu versteuern seien.

Der Beklagte setzte daraufhin mit Umsatzsteuerbescheid vom 06.08.2004 die Umsatzsteuer für 2002 unter Zugrundelegung des Regelsteuersatzes für die Umsätze der Klägerin fest; der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2003 folgte die Klägerin den Prüfungsfeststellungen und erklärte ihre Umsätze mit 16%. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.

In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das I. bis IV. Quartal 2004, sowie das I. und II. Quartal 2005 erklärte die Klägerin ihre Umsätze ebenfalls mit 16%.

Am 07.09.2005 beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2002 und 2003, sowie das I. bis IV. Quartal 2004 und das I. und II. Quartal 2005 dahin gehend, dass die Umsätze aus dem Pizza-Verkauf dem ermäßigten Steuersatz von 7% zu unterwerfen seien.

Mit Schreiben vom 06.10.2005 (2002 und 2003), bzw. vom 12.10.2005 (I. bis IV. Quartal 2004 und I. und II. Quartal 2005) lehnte der Beklagte die Änderungen ab. Die dagegen gerichteten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 04.04.2006 als unbegründet zurückgewiesen.

Für das Jahr 2004 wurde am 14.07.2006 ein erstmaliger und am 04.09.2006 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid erlassen. Am 10.10.2007 wurde ein Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 erlassen.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie selbst unterhalte keine Stehtische. Die Stehtische würden durch eine von anderer Seite beauftragte Gebäudereinigungsfirma gereinigt. Bierzeltgarnituren befänden sich nicht in der Nähe ihres Verkaufsstandes.

Der BFH habe ausgeführt: "Bei Umsätzen eines Imbisswagens ist die mit der Lieferung der Speisen zusammen hängende Dienstleistung nur als sonstige Leistung anzusehen, wenn diese die Gesamtleistung maßgeblich prägt und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereit gehalten werden." Fehle es an einer "Gesamtheit von Speisesaal, Mobiliar und Geschirr", dann stehe die Nahrungsmittellieferung im Vordergrund. Im entschiedenen Fall hätten Bierzeltgarnituren des benachbarten Getränkeausschanks zur Verfügung gestanden. Der BFH habe dieses Vorrichtungen für unwesentlich gehalten, weil es an Absprachen mit den Mitanbietern gefehlt habe. Im Streitfall stünden keine Bierzeltgarnituren zur Verfügung.

Entscheidend sei, dass der BFH eine prägende Gesamtleistung verlange, die über den Verkauf hinaus gehe und das Leistungsangebot erweitere.

Daran fehle es im Streitfall. Ob die Stehtische von den Kunden benutzt würden, sei unwesentlich; diese seien nicht prägend für ein umfassendes Leistungsangebot der Klägerin. Entgegen der Darstellung des Beklagten würden die Stehtische auch nicht von der Klägerin gereinigt.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Aufhebung der Bescheide vom 6. Oktober 2005 und der Einspruchsentscheidungen vom 4. April 2006 den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 dahin zu ändern, dass für das Jahr 2002 Umsätze in Höhe von 40.142 EUR und für das Jahr 2003 in Höhe von 22.701 EUR dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden,

2. den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 4. September 2006 und den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 10. Oktober 2007 dahin zu ändern, dass die Umsätze des Jahres 2004 in Höhe von 25.984 EUR und des Jahres 2005 in Höhe von 15.408 EUR dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf seine Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen und führt ergänzend aus, die Klägerin reinige nach eigener Darstellung die Stehtische. Damit überwiege das Dienstleistungselement.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7% für die Lieferung der in der Anlage bezeichneten Gegenstände.

Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers u.a. Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG).

Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke werden gemäß § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden.

Liegt nach diesen Grundsätzen keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung vor, so kommt folglich auch der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, der eine Lieferung voraussetzt, nicht zum Tragen.

Gemäß Urteilen des BFH vom 10.08.2006 - V R 38/05 und V R 55/04 (BStBl II 2007, 482 und BStBl II 2007, 480) und vom 26.10.2006 - V R 58, 59/04 (BStBl II 2007, 487) ist § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform.

Nach Art. 5 Abs. 1 der 6. EGRL gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als Lieferung eines Gegenstandes; als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes ist (Art. 6 Abs. 1 der 6. EGRL).

Zur Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen i. S. der Art. 5 und 6 der 6. EG-Richtlinie hat der EuGH im Urteil Faaborg-Gelting Linien A/S in Slg. 1996, I-2395 wörtlich ausgeführt:

"12

Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln.

13

Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Dabei wird dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderoben u.a.) als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst. Gegebenenfalls werden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen.

14

Somit ist der Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Er ist daher als Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zu betrachten. Etwas anderes gilt hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel 'zum Mitnehmen bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen."

Hieran anschließend hat er im Urteil vom 10. März 2005 Rs. C-491/03, Hermann (Internationales Steuerrecht --IStR-- 2005, 235, BFH/NV 2005, Beilage 3, 210) zur Frage, ob die Frankfurter Getränkesteuersatzung (GetrStS) verbrauchsteuerpflichtige Waren (i.S. von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren --Richtlinie 92/12/EWG--) oder eher die Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren erbracht werden, Folgendes ausgeführt:

"22

Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw., verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind.

23

Auch wenn die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer an den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle und damit an ein dienstleistungsbezogenes Element anknüpft, das sich von den Vorgängen unterscheidet, die notwendig mit der Vermarktung alkoholhaltiger Getränke verbunden sind, so lässt sich doch nicht allgemein sagen, dass bei allen in den Anwendungsbereich dieser Steuer fallenden Vorgängen das Dienstleistungselement immer überwiegen wird.

24

Demnach ist für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, welches das überwiegende Element ist."

Für die Abgabe von Getränken im Rahmen eines Bewirtschaftungsbetriebes wurde nach diesen Grundsätzen die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit als durch ein Bündel von Elementen und Handlungen gekennzeichnet angesehen, von denen die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei denen die Dienstleistungen überwiegen.

Nach diesen Grundsätzen ist auch im Rahmen der Beurteilung, ob die Abgabe von Speisen und Getränken dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, zu entscheiden, ob eine --dem ermäßigten Steuersatz unterliegende-- Lieferung von Speisen oder eine --dem Regelsteuersatz unterliegende-- Abgabe von Speisen und Getränken im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit und damit eine Dienstleistung vorliegt. Wenn es sich insgesamt um eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG handelt (die dem Regelsteuersatz unterliegt), kommt es auf die Frage, ob eine Lieferung von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1993 vorliegt, nicht an (BFH Urteil vom 10.08.2006 - V R 38/05 a.a.O.).

Es kommt nicht auf ein quantitatives Überwiegen des Dienstleistungselements der Bewirtung gegenüber der Speisenlieferung an, sondern darauf, ob das Dienstleistungselement qualitativ überwiegt (BFH-Urteile vom 10.08.2006 - V R 38/05, unter II.3. und vom 26.10.2006 - V R 58, 59/04)).

Für die Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen hat der BFH mit Urteil vom 26.10.2006 (a.a.O.) entschieden, dass diese als Dienstleistung dem Regelsteuersatz unterliegt, wenn aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers das Dienstleistungselement der Speisenabgabe überwiegt; dagegen ist die bloße Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen "zum Mitnehmen" eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt zu besteuernde Lieferung. Bei der Beurteilung, ob das Dienstleistungselement der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen überwiegt, sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Solche zusätzlichen Dienstleistungen sind dann anzunehmen, wenn dem Kunden eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, die über die reine Vermarktung der Speisen hinausgeht. Der BFH sieht dies auch dann als gegeben an, wenn ein Dritter im Interesse des leistenden Unternehmers Tische zur Verfügung stellt, an denen die Speisen verzehrt werden können.

Der Senat lässt ebenso wie der BFH offen, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG hier vorliegen. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, ergäbe sich hieraus nicht im Umkehrschluss, dass die Klägerin Lieferungen ausgeführt hätte; denn sie hat Dienstleistungen i. S. des Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG erbracht.

Dass das Dienstleistungselement im Streitfall qualitativ überwiegt folgt daraus, dass den Kunden in der Gastronomie-Mall Bierzeltgarnituren und Stehtische zur Verfügung stehen, an denen sie dies Speisen verzehren können. Unerheblich ist, dass die Klägerin die Tische und Bänke nicht selbst aufgestellt hat und nach dem Pachtvertrag auch nicht zur Reinigung verpflichtet war, denn der Verpächter wurde insoweit klar und eindeutig im Interesse der Mieter der einzelnen Kioske tätig. Die Gastronomie-Mall ist so angelegt, dass die Stadionbesucher vor und nach dem Spiel und in der Pause die auf einander abgestimmten Angebote der einzelnen Kiosk-Pächter in Anspruch nehmen können. Um die angebotenen Speisen und Getränke sofort verzehren zu können, wurden in der überdachten Halle Stehtische und Bierzeltgarnituren aufgestellt, für deren Reinigung der Verpächter verantwortlich ist. Dieses Konzept liegt sowohl im Interesse des Verpächters, als auch der einzelnen Kiosk-Pächter. Somit ist ein dem mit BFH-Urteil vom 26.10.2006 entschiedenen Fall vergleichbarer Sachverhalt gegeben.

Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers gab die Klägerin somit nicht nur zubereitete Speisen ab, sondern sie stellte auch in unmittelbarer Nähe des Kiosks Tische bereit, an denen die gekauften Speisen verzehrt werden konnten. Auf welcher Rechtsgrundlage und von wem die Tische aufgestellt wurden, in wessen Eigentum sie standen und wer sie anschließend reinigte, ist unter Umständen wie denen des Streitfalls aus der Sicht eines Kunden unerheblich (BFH Urteil vom 26.10.2006 a.a.O.).

Soweit die Klägerin lediglich Speisen "zum Mitnehmen" abgegeben haben sollte, unterliegen diese Umsätze als Lieferungen dem ermäßigten Steuersatz (BFH Urteil vom 26.10.2006 a.a.O.). Angesichts der Gesamtumstände des Falles ist allerdings nicht davon auszugehen, dass ein solcher Anteil zu schätzen ist, denn üblicherweise werden während eines Fußballspiels keine Speisen zum Mitnehmen erworben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

...

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

...

Verkündet am 01.04.2008



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