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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 6 K 1611/07
Rechtsgebiete: GG, AO, EStG


Vorschriften:

GG Art. 3
AO § 2
EStG § 50d Abs. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

6 K 1611/07

Einkommensteuer 2005

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Oktober 2007

durch

die Richterin am Finanzgericht als Vorsitzende,

den Richter am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht

die ehrenamtliche Richterin die ehrenamtliche Richterin

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die vom Kläger für eine in Spanien ausgeübte Tätigkeit erzielten Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger erzielt als Maschinenschlosser Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bei der in F ansässigen Firma K AG. Die Klägerin ist Hausfrau. Beide erzielen außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Der Bruttoarbeitslohn des Klägers im Streitjahr 2005 betrug insgesamt 78.586,- EUR. Laut Arbeitgeberbescheinigung sind darin Einkünfte für in Spanien durchgeführte Montagearbeiten in Höhe von 62.896,- EUR enthalten. Der Kläger hielt sich laut Feststellungen des Beklagten 2005 mehr als 183 Tage in Spanien auf.

In seiner Einkommensteuererklärung beantragte er, den auf Spanien entfallenden Arbeitslohn entsprechend dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfrei zu belassen und nur den Differenzbetrag der Einkommensteuer zu unterwerfen.

Da der Kläger trotz Auforderung seitens des Finanzamtes keinen Nachweis über die Steuerfreiheit oder Steuerentrichtung für den auf die Tätigkeit in Spanien entfallenden Arbeitslohn vorlegte, behandelte der Beklagte den gesamten im Jahr 2005 erzielten Bruttoarbeitslohn unter Hinweis auf § 50 d Abs. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) als steuerpflichtig.

Gegen den am 18.10.2006 ergangenen Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger Einspruch, mit dem er sich gegen die Anwendung des § 50 d Abs. 8 EStG wandte. Zur Begründung führte er aus, aus dem Schreiben des BFMF vom 21.07.2005 IV B 1 - S2411 - 2/05 gehe hervor, dass die Vorschrift nicht für Einkünfte gelte, auf die der Auslandstätigkeitserlass (ATE) anzuwenden sei. In seinem Fall würden die Voraussetzungen des ATE vorliegen.

Mit Entscheidung vom 21.03.2007 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Nach Abschnitt V Nr. 2 des ATE seien die Regelungen des ATE nicht anzuwenden, wenn die Tätigkeit in einem Staat ausgeübt werde, mit dem ein DBA bestehe, in das Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit einbezogen seien. Mit Spanien bestehe ein entsprechendes DBA, so dass die Anwendung des ATE nicht in Betracht komme und § 50 d Abs. 8 EStG Anwendung finde.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, die Anwendung des § 50 d Abs. 8 EStG verstoße gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Gleichheitsgrundsatz. Die Vorschrift mache die Steuerfreiheit vom Nachweis der Besteuerung bzw. des Steuerverzichts des ausländischen Staates abhängig. Das DBA sehe ein solches Bescheinigungsverfahren jedoch nicht vor. Insoweit stelle sich die Frage, ob die einseitig durch die BRD eingeführte Nachweispflicht nicht der völkerrechtlichen Vereinbarung widerspreche und das DBA aufgrund des § 2 Abgabenordnung (AO) ohnehin Vorrang habe. Bis zum Jahr 2003 seien die im Ausland erzielten Einkünfte ohne Nachweispflicht freigestellt gewesen.

Der Auslandstätigkeitserlass kenne keine Nachweispflicht, die der angegriffenen Vorschrift entspreche. Dies bedeute, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die in einem Staat ohne DBA erzielt werden, in der BRD im Rahmen der Veranlagung freigestellt würden, während bei gleicher Tätigkeit dieselben Einkünfte, wenn sie in einem Staat mit DBA erzielt werden, ohne Nachweis in voller Höhe einbezogen würden. Hierin liege eine Verletzung des Art. 3 GG. Erst der Nachweis behandle die Einkünfte gleich, wobei der Nachweis im ATE nicht gefordert werde und im DBA, wie oben ausgeführt, auch nicht vorgesehen sei.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 18.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.03.2007 dahin gehend zu ändern, dass der auf die Tätigkeit in Spanien entfallende Arbeitslohn i.H.v. 62.896,- EUR steuerfrei belassen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entgegen der Auffassung der Kläger diene die Vorschrift des § 50 d Abs. 8 EStG gerade einer Gleichbehandlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die in einem Land mit dem ein DBA bestehe, erzielt würden. Denn die Vorschrift solle grundsätzlich die einmalige Besteuerung dieser Einkünfte sicherstellen und sei eine Reaktion auf die ansonsten unsichere Rechtslage, ob, in welchem DBA und in welchem Umfang die Inlandsbesteuerung davon abhängig sei, ob der ausländische Staat tatsächlich von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch mache. Werde der erforderliche Nachweis erst nach Bestandskraft des Bescheides erbracht, sei die Veranlagung gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Eine Doppelbesteuerung werde so in jedem Fall vermieden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht in Anwendung des § 50 d Abs. 8 EStG die für die Tätigkeit des Klägers in Spanien erzielten Einkünfte der Einkommensteuer unterworfen.

Nach dem mit dem Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.12.2003 neu eingeführten Abs. 8 des § 50 d EStG werden ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der deutschen Besteuerung freigestellt, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass diese Einkünfte im ausländischen Tätigkeitsstaat tatsächlich besteuert worden sind bzw. der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht.

Entgegen der Ansicht des Klägers stellt die in § 50 d Abs. 8 EStG getroffenen Reglung weder einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) dar, noch steht ihr § 2 AO entgegen.

1. Widerspruch zu § 2 AO

Bei den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, die erst durch Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates in Form eines Gesetzes (ZustimmungsG) rechtverbindlich werden. Art. 25 S. 2 GG und Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG zeigen, dass der Verfassungsgesetzgeber ausschließlich den allgemeinen Regeln des Völkerrechts Priorität gegenüber dem innerstaatlichen Recht einräumen wollte. Völkervertragsrecht hat nur den Rang des Zustimmungsgesetzes, d.h. eines einfachen Bundesgesetzes. Die allgemeine Regel des Völkerrechts "pacta sunt servanda" bezieht sich nur auf das völkerrechtliche Außenverhältnis, begründet aber keine Vorrangstellung nach innen. Weder der Grundsatz der Vertragstreue noch der völkerrechtliche Vertrag selbst oder § 2 AO begründen demzufolge einen allgemeinen Vorrang völkerrechtlicher Verträge (Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 2 Tz. 5 m.w.N.). Trotz des Rangs eines einfachen Bundesgesetzes ist ein völkerrechtlicher Vertrag von Gerichten "im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004, 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 316 f, [...] Rz. 32). Das gilt auch für DBA, weswegen ein Vertragsbruch nur bei hinreichend klarem Gesetzesbefehl anzunehmen ist (Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 2 a.a.O.).

Auch der Bundesfinanzhof hat die Abweichung von in DBA festgelegten Besteuerungsregeln für rechtmäßig erachtet (BFH-Urteil vom 13.07.1994, I R 120/93, [...], zu § 50 d Abs. 1 S. 1 EStG und Art. 16 Abs. 2 DBA Polen). Zur Begründung führt er aus, das DBA werde nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar in der Form des Zustimmungsgesetzes angewendet. Das Zustimmungsgesetz ist, so der BFH, ein einseitiger Akt des deutschen Gesetzgebers, der mit Vorbehalten versehen, aufgehoben oder geändert werden kann. Ob durch einen Vorbehalt bzw. die Aufhebung oder Änderung Völkerrecht verletzt werde, ist eine andere Frage, die die Wirksamkeit des Vorbehalts bzw. der Aufhebung oder Änderung nicht berührt. Aus § 2 AO ergibt sich nicht anderes, wenn die Vorschrift den Fall betrifft, dass der Gesetzgeber ausdrücklich eine vom Zustimmungsgesetz abweichende Regelung trifft. Das ist vorliegend geschehen. Denn Gemäß § 50 d Abs. 8 EStG wird die Freistellung von der Besteuerung "ungeachtet des Abkommens" nur gewährt, wenn die in der Vorschrift festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Daraus ergibt sich eindeutig der Wille des Gesetzgebers, sich über den Inhalt der mit anderen Staaten abgeschlossenen DBA hinwegzusetzen. Ob die Regelung damit im Widerspruch zu § 2 AO steht und einen Verstoß gegen Völkerrecht darstellt, bedarf indes nicht der Entscheidung. Denn wir bereits oben dargelegt ändert dies - so der BFH und auch die h.M. in der Literatur (s. Drüen a.a.O.) nichts an der innerstaatlichen Wirksamkeit der Vorschrift.

Art. 25 GG ist nicht berührt, da das DBA-Spanien nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehört (BFH-Urteil vom 13.07.1994, a.a.O., zu DBA-Polen).

Dem Einwand des Klägers, § 50 d Abs. 8 EStG sei rechtswidrig, da das DBA Spanien eine entsprechende Nachweispflicht nicht vorsehe, kann der erkennende Senat somit nicht folgen.

2. Art. 3 GG

Die Vorschrift verstößt auch nicht deshalb gegen Art. 3 GG weil sie nur Arbeitnehmer erfasst, die unter das DBA fallen, während der ATE keine Nachweispflicht vorsehe. Art. 3 GG gebietet Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei gleich gelagertem Sachverhalt bedingt Art. 3 GG, dass eine ungleiche Behandlung nur bei Vorliegen sachlicher Gründe gerechtfertigt ist.

Nach dem Auslandstätigkeitserlass vom 31.10.1983 verzichtet die Bundesrepublik bei Arbeitnehmern eines inländischen Arbeitgebers, die zur Verrichtung bestimmter Tätigkeiten im Ausland weilen, auf eine Besteuerung der für diese Tätigkeit gezahlten Bezüge. Der auf der Ermächtigung in § 34 c Abs. 5 EStG beruhende Erlass dient der Exportförderung. Er stellt eine Begünstigung für die Arbeitnehmer dar, die eine der in dem Erlass genannten Tätigkeiten in einem ausländischen Staat ausüben. Es steht dem Gesetzgeber jedoch frei, die - im Übrigen lediglich in Form einer Verwaltungsvorschrift ergangene Begünstigung bestimmter Berufsgruppen - jederzeit aufzuheben bzw. einzuschränken. Eine derartige Einschränkung hat der Gesetzgeber letztlich vorgenommen, in dem er die Nachweispflicht für Arbeitnehmer, die einem DBA unterfallen, festgelegt hat. Ein Vertrauensschutz dahingehend, dass die zuvor (d.h. vor Erlass des StÄndG) gewährte Vergünstigung der Steuerfreistellung dauerhaft und in der bisher gewährten Form bzw. unter den bisher gewährten Voraussetzungen erhalten bleibt, besteht nicht. Vielmehr muss der Bürger - entsprechend der Gewährung von Subventionen - stets mit einer Änderung bzw. Aufhebung oder Einschränkung der Begünstigung rechnen.

3. Erlass vom 21.07.2005

Soweit sich der Kläger auf die Anwendung des Erlasses vom 21.07.2005 beruft, der festlege, dass § 50 d abs. 8 EStG nicht anzuwenden sei, wenn - wie im Fall des Klägers - die Voraussetzungen des ATE vorliegen würden, kann die Klage ebenfalls nicht zum Erfolg führen. Denn § 50 d Abs. 8 EStG regelt ausdrücklich den Fall, dass die Einkünfte des Steuerpflichtigen nach einem DBA steuerfrei bleiben. Diese Voraussetzung ist vorliegend unstreitig erfüllt.

Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da das Urteil nicht von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Verkündet am 11.10.2007

Ende der Entscheidung

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