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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 6 K 1685/05 Z
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 47 | |
FGO § 56 |
Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Verbindliche Zolltarifauskunft
In dem Finanzrechtsstreit
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Juni 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Strittig ist die Einreihung von Werkzeugkoffern.
Die Klägerin ist eine GmbH, die einen Großhandel mit Werkzeugen betreibt. Im Rahmen ihres Unternehmens führt die Klägerin verschiedene Werkzeugkoffer aus Hongkong und Indien ein.
In den Jahren 1996 bis 1999 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung durch das Hauptzollamt K statt. Dabei war der Betriebsprüfer der Auffassung, dass die Klägerin Werkzeugkoffer, die diese von der Fa. G Corporation Ltd., Hongkong erworben hatte, unzutreffend unter der Unterpos. 4202 9219 KN zur Überführung in den freien Verkehr angemeldet hätte. Unter Bezug auf den Erlass des BMF vom 13. Dezember 1996 - III B 5 - ZT 0270 - VIII - 6/96 und eine verbindliche Zolltarifauskunft -vZTA- der OFD Nürnberg - ZPLA München war der Prüfer der Auffassung, dass die Werkzeugkoffer in die Unterposition 4421 9091 KN einzureihen seien (Prüfungsbericht vom 17. Mai 1999, Blatt 4 ff der Verwaltungsakte; Blatt 42 ff der Prozessakte).
Mit Anträgen vom 13., 14. und 15. Januar 2004 beantragte die Klägerin bei der ZPLA Frankfurt am Main die Erteilung von vZTA'en für vier als "Werkzeugkoffer" bezeichnete Waren. Hierbei handelt es sich um Koffer, die aus einem Unterteil und einem Deckel bestehen, welche mit zwei Scharnieren an der Längsseite verbunden sind und an der gegenüberliegenden Längsseite mit zwei abschließbaren Bügelschlössern aus unedlem Metall verschlossen werden können. Die Koffer bestehen aus einer Unterkonstruktion aus zugeschnittenen Holzfaserplatten, die an den Außenseiten mit einer geprägten Kunststofffolie, welche an der Unterseite mit einer Unterlage aus Spinnstoffen versehen ist, kaschiert sind. Die Koffer sind an der Längsseite, an der sich die Bügelschlösser befinden, mit einem Tragegriff aus Kunststoff und an der Unterseite mit vier Stellfüßen aus Kunststoff versehen; teilweise befinden sich an der Schmalseite Ösen zur Aufnahme von Schulterriemen. Die Kanten der Koffer sind mit Aluminiumprofilen und die Ecken mit Stahlblechen verstärkt. Die Koffer sind innen mit Schaumkunststoff ausgekleidet, der teilweise eine noppenartige Oberfläche aufweist. In den Unterteilen befinden sich 5 bzw. 7 verstellbare und herausnehmbare Trennstege zur Fächereinteilung, die ebenfalls mit Schaumkunststoff überzogen sind. Im Kofferdeckel befinden sich herausnehmbare bzw. lose eingelegte Platten mit aufgenähten Schlaufen, elastischen Bändern oder Einsteckfächern in unterschiedlichen Größen. Die Größe der Koffer beträgt ca. 45 bzw. 46 x 15 x 33 cm (vgl. Abbildungen Blatt 2, 3 und 20 der Verwaltungsakte; Fotografien mit Warenmustern der Kunststofffolie vgl. Blatt 10Rs, 26Rs, 40Rs und 53Rs der Verwaltungsakte).
Der Beklagte reihte die Werkzeugkoffer in den vZTA'en vom 8. September 2004 in die Unterposition 4202 1219 KN ein. Die hiergegen eingelegten und nicht weiter begründeten Einsprüche der Klägerin wurden mit Einspruchsentscheidung vom 29. März 2005 zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 1. April 2005 zugestellt (Blatt 68 der Verwaltungsakte).
Die hiergegen gerichtete Klage ging per Einschreiben am 3. Mai 2005 bei Gericht ein. Der Poststempel des Einschreibens trägt das Datum 28. April 2005 (Blatt 63 der Prozessakte).
Die Klägerin trägt mit Schriftsatz vom 15. Juni 2005, bei Gericht eingegangen am 16. Juni 2005, vor, sie hätte aus der Klageerwiderung vom 2. Juni 2005, übersandt mit Verfügung des Gerichts vom 10. Juni 2005, erfahren, dass die Klage das Gericht erst am 3. Mai 2005 erreicht hätte. Dies sei für sie unverständlich, da die Klage am 28. April 2005 als Einschreiben bei der Post aufgegeben worden sei und nach ihrer Erfahrung und allgemeiner Erwartung diese eingeschriebene Briefsendung das Gericht spätestens am 2. Mai 2005 hätte erreichen müssen. Daher beantrage sie hinsichtlich der versäumten Klagefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Werkzeugkoffer seien seit Mitte der achtziger Jahre in unverändertem Konstruktionsaufbau von ihr importiert worden und seien vom deutschen als auch vom europäischen Werkzeugmarkt als Behältnisse für unbestimmte Werkzeuge nicht mehr wegzudenken. Seitdem hätte sich bei den Koffern lediglich die Gestaltung der Oberfläche geändert und die maßgeblichen Vorschriften für die Einreihung seien in dieser Zeit gleich geblieben. Daher sei unverständlich, dass die Koffer vom Beklagten wiederholt unterschiedlich eingereiht würden. Nach ihren Erkundigungen bei verschiedenen Importeuren sei es vom Zufall abhängig, unter welche Warennummer die Zollstellen die entsprechenden Werkzeugkoffer einreihen würden. Ausschlaggebend sei für die Einreihung aber, dass charakterbestimmend für die Koffer die Verwendung des Werkstoffes Holz sei, welcher den Koffern die entsprechende Form geben und die notwendige Festigkeit verleihen würde. Dies hätte der BMF-Erlass aus dem Jahr 1996 zutreffend erkannt, so dass nicht nachzuvollziehen sei, weshalb das BMF mit Erlass aus dem Jahr 2004 nunmehr eine abweichende Auffassung vertreten würde.
Die Klägerin beantragt,
die verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 8. September 2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 29. März 2005 aufzuheben und die Werkzeugkoffer in die Unterpos. 4421 9091 KN einzureihen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Klage sei bereits verfristet. Im Übrigen sei der BMF-Erlass vom 13. Dezember 1996 vor Erteilung der streitgegenständlichen vZTA'en aufgehoben worden und könne somit als Argument für oder gegen eine bestimmte Einreihung nicht mehr herangezogen werden. Im Rahmen der neuerlichen Überprüfung der Einreihung sei diese in den angefochtenen vZTA'en zutreffend erfolgt. Aus einer dabei erfolgten verwaltungsinternen Abstimmung könne die Klägerin ebenfalls nichts herleiten. Unerheblich sei für die Einreihung, dass zur Formgebung und Stabilität Holzfaserplatten dienen würden, da hinsichtlich des verwendeten Materials Waren der Pos. 42.02 KN keinen Beschränkungen unterliegen würden. Für die Einreihung in die Unterpos. 4202 1219 KN sei allein die stoffliche Beschaffenheit der Außenseite der Behältnisse maßgebend, die durch die zusätzliche Anm. 1 zu Kap. 42 geregelt würde. Für die Einreihung seien Aufmachung bzw. Bezeichnung im Handel unerheblich. Die Werkzeugkoffer würden sich auf Grund ihrer äußeren Erscheinungsform als Handkoffern ähnliche Behältnisse darstellen. Bei den streitgegenständlichen Werkzeugkoffern würde es sich um universelle Werkzeugkoffer handeln, die nicht zur Aufnahme bestimmter Werkzeuge besonders geformt oder hergerichtet wären. Auch wenn diese aufgrund der Inneneinteilung besonders zur Aufnahme von Werkzeugen geeignet seien, wäre jedoch eine allgemeine Verwendung zur Aufbewahrung von beispielsweise Fotoausrüstungen oder Büroartikeln ebenso möglich. Es sei daher nicht zu erkennen, dass die Werkzeugkoffer ausschließlich oder zumindest hauptsächlich für die Aufbewahrung von Werkzeugen bestimmt wären.
Zur Illustration der vom erkennenden Senat vertretenen Meinungen sind in der mündlichen Verhandlung Abbildungen von Werkzeugkästen aus Holz, Werkzeugkästen bzw. -Koffern aus unedlem Metall und Werkzeugkästen bzw. -Koffern aus Kunststoffen bzw. aus Leder an die Beteiligten ausgehändigt worden. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Wegen der Versäumung der Klagefrist ist der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer zu Recht in die Unterpos. 4202 1219 KN eingereiht.
1. Der Klägerin ist wegen der Versäumung der Klagefrist gem. § 47 FGO nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Grundsätzlich steht es einem Rechtsmittelberechtigten frei, eine Frist bis zum letzten Tag auszuschöpfen. Allerdings trifft ihn dann eine erhöhte Sorgfaltspflicht, um sicherzustellen, dass bei normalem Beförderungsverlauf nach der gewählten Beförderungsart mit dem fristgerechten Eingang des Rechtsmittels beim Empfänger gerechnet werden kann. Das gilt auch, wenn ein Rechtsmittelführer etwa aus Gründen besonderer Vorsicht sein Rechtsmittel lieber als eingeschriebenen Brief einlegen möchte. Wählt er diese Versendungsart, so muss er das hiermit verbundene Risiko tragen, dass nach allgemeiner Erfahrung bei Einschreibesendungen mit postalischen Verzögerungen in der Zustellung gerechnet werden muss (BFH - Beschluss vom 17. November 1970 - II R 121/70, BStBl. II 1971, 143). Denn es ist allgemein bekannt, dass gerade Einschreibesendungen einer zeitraubenden und die Zustellung verzögernden Behandlung durch die Post unterliegen (BFH - Beschluss vom 12. März 1970 - IV R 126/69, BStBl. II 1970, 64).
Die Anforderungen an diese Sorgfaltspflicht dürfen allerdings nicht überspannt werden (Kuczynski in Beermann/Gosch, AO-FGO, Rz 1 zu § 56 FGO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbieten es die verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien der Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG, den Bürgern Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Bundespost, die sie nicht zu vertreten haben, als ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Verschulden zuzurechnen (BVerfG-Beschluss vom 14. Dezember 1976 - 2 BvR 99/76, BVerfGE 43, 151). Daher hat ein Verfahrensbeteiligter, der eine Frist zulässigerweise bis zum letzten möglichen Zeitpunkt ausnutzt, Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post nicht zu vertreten, wenn er seinerseits alles Erforderliche getan und das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig zur Post gegeben hat, dass es bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1996 - VI R 4/94, BFH/NV 1997, 33).
Ausweislich des Poststempels hat die Klägerin die Klageschrift am 28. April 2005 zur Post gegeben. Dieser Tag war ein Donnerstag. Die Klägerin musste daher nicht damit rechnen, dass die Klageschrift erst am 3. Mai 2005, einem Dienstag bei Gericht eingeht. Vielmehr konnte bei regelmäßigen Verlauf der Beförderung durch die Post auch bei einer Einschreibesendung davon ausgegangen werden, dass ein Eingang bei Gericht gem. § 193 BGB spätestens noch an fristwahrend am 2. Mai 2005, einem Montag, erfolgt. Daher hat die Klägerin das Fristversäumnis nicht zu verschulden und ihr ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2. Die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer sind Waren der Unterpos. 4202 1219 KN.
Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. Allgemeine Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der KN). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen. Auf den sich aus den objektiven Merkmalen und Eigenschaften ergebenden Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 - VII R 49/04, BFH/NV 2005, 2067, m.w.N.).
a) Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sind die Werkzeugkoffer in die Unterpos. 4202 1219 KN einzureihen. In diese Unterposition gehören ähnliche Behältnisse wie Reisekoffer, Handkoffer und Kosmetikkoffer mit Außenseiten aus Kunststofffolien; andere als Aktenkoffer, Aktentaschen, Schultaschen und ähnliche Behältnisse.
aa) Entsprechend der zusätzlichen Anmerkung zu Kapitel 42 bezeichnet der Begriff "Außenseite" im Sinne der Unterposition der Pos. 42.02 KN den mit bloßem Auge wahrnehmbaren Stoff an der Oberfläche des Behältnisses, selbst wenn es sich bei diesem Stoff um die äußere Lage eines Verbundstoffes handelt, der das Außenmaterial des Behältnisses bildet. Ausweislich der Warenbeschreibung und der Warenmuster der mit Spinnstoff als Unterlage versehenen Kunststofffolie ist bei den Koffern der Kunststoff nach außen sichtbar. Weiterhin sind nach der Warenbeschreibung an der Außenseite der Koffer die Kantenverstärkungen aus Aluminiumprofilen und die Verstärkung der Ecken aus Stahlblech sichtbar. In entsprechender Anwendung der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der kombinierten Nomenklatur -AV- 2b gilt die Anführung des Stoffes Kunststoff in der zusätzlichen Anmerkung zu Kapitel 42 jedoch auch für diesen Stoff in Verbindung mit unedlem Metallen. In entsprechender Anwendung der AV 3b gilt hier die Außenseite der Werkzeugkoffer als aus Kunststoff bestehend, da Kunststoff anhand der Größe der sichtbaren Fläche als charakterbestimmender Bestandteil anzusehen ist. Nach dem optischen Eindruck sind die Werkzeugkoffer als Koffer aus Kunststoff anzusprechen, da die Kantenverstärkungen aus unedlen Metallen den Waren insoweit nicht den Charakter von Metallkoffern verleihen.
bb) Bei den streitgegenständlichen Werkzeugkoffern handelt es sich auch um Reisekoffern, Handkoffern und Kosmetikkoffern ähnliche Behältnisse, da diese zur Aufbewahrung und insbesondere zum Transport von Werkzeugen oder anderem Inhalt dienen und daher einen ähnlichen Verwendungszweck wie die in der Pos. 42.02 KN ausdrücklich genannten Waren aufweisen. Insoweit ist auch durchaus auf den Verwendungszweck "Transport und Aufbewahrung" abzustellen, da dieser dem Begriff Koffer bereits innewohnt. Auch nach dem Sprachgebrauch und dem allgemeinen Erscheinungsbild sind die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer den in der Position ausdrücklich genannten Waren ähnlich anzusehen. Allein durch den Blick auf das Äußere des streitgegenständlichen Werkzeugkoffers lässt sich dieser zwar als Koffer identifizieren, es ist aber nicht zu unterscheiden, ob es sich um einen Koffer für Kleidung, Fotoausrüstung, Büromaterial, Kosmetika oder sonstiges handelt. Auch die Inneneinrichtung des Koffers lässt die Verwendung für anderen Inhalt als Werkzeuge zu.
cc) Die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer sind auch nicht wegen des Bestandteils Kunststoff in Anwendung der AV 2b als Waren des Kap. 39 KN anzusehen, da nach der Anm. 2m zu Kap. 39 KN Koffer oder ähnliche Behältnisse der Pos. 42.02 KN nicht in das Kapitel 39 gehören.
dd) In gleicher Weise sind die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer auch nicht wegen des Bestandteils Holz als Waren des Kap. 44 KN anzusehen, da nach der Anm. 1e zu Kap. 44 KN Waren der Pos. 42.02 KN nicht in das Kapitel 44 gehören.
b) Auch aus den Erläuterungen zum HS ergibt sich keine andere Einreihung der streitgegenständlichen Werkzeugkoffer.
aa) Zwar ist in Buchst. f der Erläuterungen zum HS zu Pos. 42.02 KN bestimmt, dass Werkzeugkästen oder -koffer, nicht zur Aufnahme bestimmter Werkzeuge, mit oder ohne Zubehör, besonders geformt oder im Inneren hergerichtet, nicht zu Pos. 42.02 KN gehören, sondern im Allgemeinen in die Pos. 39.26 oder 73.26 KN einzureihen sind (Rz. 12.6 der Erläuterungen zum HS zu Pos. 42.02 KN). Entsprechend ist in der Nr. 10 der Erläuterungen zum HS zu Pos. 39.26 KN unter Bezug auf die Erläuterungen zu Pos. 42.02 KN ausgeführt, dass insbesondere Werkzeugkästen oder -koffer aus Kunststoff, nicht zur Aufnahme bestimmter Werkzeuge, mit oder ohne Zubehör, besonders geformt oder im Inneren hergerichtet, zu Pos. 39.26 KN gehören (Rz. 13.1 der Erläuterungen zum HS zu Pos. 39.26 KN). Ebenfalls entsprechend ist in Nr. 3 der Erläuterungen zum HS zu Pos. 73.26 KN unter Bezug auf die Erläuterungen zu Pos. 42.02 KN bestimmt, dass gewisse Kästen und Etuis, z. B. Werkzeugkästen oder -koffer, nicht zur Aufnahme bestimmter Werkzeuge, mit oder ohne Zubehör, besonders geformt oder im Inneren hergerichtet, zur Pos. 73.26 KN gehören (Rz. 05.2 der Erläuterungen zum HS zu Pos. 73.26 KN). In den Rz 4.0 und 5.0 der Avise zu Unterposition 4202 99 HS sind allerdings als Ausnahme tragbare Werkzeugkästen (bzw. -koffer) zum Aufbewahren und Befördern eines bestimmten Werkzeugs aus geformtem Kunststoff aufgeführt, welche der Unterposition 4202 99 KN zuzuweisen sind.
Der Beklagte hat hieraus den Schluss gezogen, dass eine Unterscheidung bei der Einreihung für kofferartige Behältnisse danach zu treffen ist, ob diese für bestimmte Werkzeuge (dann Pos. 42.02 KN), für unbestimmte Werkzeuge (dann Pos. 39.26 oder 73.26 KN), bestimmt sind, oder ob diese sich auch zur Aufbewahrung von anderem Inhalt als Werkzeugen eignen (dann wieder Pos. 42.02 KN). Als Klammerzusatz zu den Rz 4.0 und 5.0 der Avise zu Unterposition 4202 99 HS findet sich aber die Anmerkung des BMF, dass die Ware als Behältnis, ähnlich einem Etui anzusehen sei. Offensichtlich folgert dies das BMF aus der passgenauen Ausformung der aufgeführten Werkzeugkoffer wegen für die bestimmten Werkzeuge. Nach Ansicht des Gerichts lässt sich daher der Schluss des Beklagten nicht als allgemeingültig ansehen.
bb) Beim Verständnis dieser Erläuterungen für die Einreihung ist vielmehr zunächst zu berücksichtigen, dass gem. der Nr. III der Erläuterungen zum HS zu AV 1 für die Einreihung in erster Linie der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln maßgebend sind und dann, wo erforderlich, die Bestimmungen der allgemeinen Vorschriften der AV 2, 3, 4 und 5, soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist (Rz 03.0, 04.0, und 05.0 der Erläuterung zum HS zu AV 1). Die Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise) zum HS und die Erläuterungen zur KN stellen dann zwar ein wichtiges, aber nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen dar (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 - VII R 49/04, a.a.O).
Entsprechend den obigen Darlegungen sind auf Grund des Wortlauts der Positionen und der Anmerkungen zu den Positionen die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer daher der Position 42.02 KN zuzuweisen. Unter Berücksichtigung dieses Vorrangs des Wortlauts der Positionen und der Anmerkung zu den Positionen sind dann die Erläuterungen ergänzend zu verstehen.
cc) Insoweit scheidet auch nach den Erläuterungen bereits eine Zuweisung zur Pos. 44.21 KN aus, da sich in den Erläuterungen keine entsprechende Zuweisung zu Pos. 44.21 KN und auch keine entsprechende Ausweisung aus Position 42.02 KN findet. Auch nach den Erläuterungen kommt eine Zuweisung der streitgegenständlichen Werkzeugkoffer in die Pos. 73.26 KN nicht in Betracht, da oben bereits dargelegt wurde, dass in entsprechender Anwendung der AV 3b die Verstärkungen der Kanten und Ecken der Koffer aus unedlem Metall nicht charakterbestimmend sind.
Folglich bleibt auch nach den Erläuterungen für die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer nur eine Konkurrenz zwischen Pos. 39.26 KN und Pos. 42.02 KN. Diese Konkurrenz ist in entsprechender Anwendung der AV 3a aufzulösen. Nach AV 3a geht die Position mit der genaueren Warenbezeichnung der Position mit der allgemeinen Warenbezeichnung vor, wenn für die Einreihung zwei oder mehr Positionen in Betracht kommen. Dabei ergibt sich die Bestätigung der Einreihung der streitgegenständlichen Werkzeugkoffer in die Pos. 42.02 KN anhand dem Wortlaut der Position und der Anmerkungen zu den Positionen.
dd) Nach Kenntnis des Gerichts befinden sich auf dem Markt im Wesentlichen vier Typen von Werkzeugkoffern bzw. Werkzeugkästen (vgl. die Abbildungen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung).
aaa) Als hochwertige Ausführung, die sich insbesondere bei Elektrikern großer Beliebtheit erfreut, können die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer angesehen werden. Auf dem Markt befinden sich ähnliche Werkzeugkoffer, die im Wesentlichen aus formgebenden Hartfaser- oder Holzplatten in einem Rahmen aus Aluminiumprofilen sowie gegebenenfalls mit Kantenverstärkungen aus Metall bestehen, bei denen die Sichtseite der Holzfaser- bzw. Holzplatten allerdings mit Leder bezogen ist. Üblicherweise werden die Koffer mit einem Deckel aus versteiftem Leder, der sowohl über eine Schmal- als auch über eine Längsseite reicht, verschlossen. Diese Werkzeugkoffer sind ebenfalls als hochwertig in der Ausführung und mit einer vielseitigen Verwendungsmöglichkeit anzusehen.
bbb) Insbesondere bei Schreinern und Zimmerleuten finden häufig einfache Werkzeugkästen aus Holz Anwendung, die aus einem nach oben offenen Holzkasten bestehen, dessen schmälere, gegenüberliegende Seitenwände höher als der eigentliche Kasten ausgeführt sind, sich nach oben verjüngen und die quer über den Kasten mit einer Holzstange als Griff verbunden sind.
ccc) Bei Automechanikern und Schlossern finden häufig Werkzeugkästen aus Stahlblech Anwendung, die aus einem größeren länglichen Kasten sowie darüber liegenden kleineren länglichen Kästen, welche die Hälfte der Breite des unteren Kastens aufweisen und in Längsrichtung paarweise angeordnet sind, bestehen. Die Kästen sind an der schmalen Seite durch ein Scherensystem mit einem in Längsrichtung über dem Werkzeugkasten liegenden Metallgriff derart verbunden, dass sich bei einem Niederdrücken des Metallgriffs sich die oberen kleineren Werkzeugkästen auseinander schieben, so dass der Zugriff zu dem unteren Kasten freigegeben wird. In aller Regel sind die zuoberst liegenden kleineren Kästen mit einem Deckel versehen. Entsprechende Werkzeugkästen werden auch von der Klägerin vertrieben (vgl. Blatt 40, 41 der Prozessakte und Blatt 80, 81 der Verwaltungsakte).
ddd) Schließlich befinden sich im Handel noch Werkzeugkästen aus Kunststoff, die aus einem rechteckigen unteren Kasten sowie einem an der Längsseite über Scharniere verbundenen und mit Kunststoffbeschlägen schließbaren Deckel bestehen. In dem Deckel ist ein, ebenfalls regelmäßig aus Kunststoff bestehender, Griff angebracht. Gegebenenfalls können sich im Deckel noch herausnehmbare Fächer befinden. Im Inneren des Werkzeugkastens befindet sich ein ebenfalls mit einem Griff versehender kastenförmiger Kunststoffeinsatz mit Fächereinteilung. Teilweise befinden sich außen im Deckel weitere, gegebenenfalls herausnehmbare kleinere Kästen mit einer Einteilung durch verschiedene Fächer.
Diese verschiedenen Typ können von Werkzeugkoffern bzw. Werkzeugkästen lassen sich unter Berücksichtigung ihrer stofflichen Beschaffenheit und ihrer Ausführung in entsprechender Anwendung der AV 3a wegen der genaueren Warenbezeichnung sinnvollerweise wie folgt einreihen:
die Werkzeugkoffer der erstgenannten Art gehören in die Pos. 42.02 KN, was sich aus der hochwertigen Ausfertigung, der Verwendung verschiedener Werkstoffe, der Eignung zum Transport und zur Aufbewahrung verschiedenen Inhalts und dem von üblicherweise als "Reisekoffer, Handkoffer, Kosmetikkoffer und Aktentaschen" nicht zu unterscheidenden Äußeren ergibt,
die einfachen Werkzeugkästen aus Holz gehören in die Pos. 44.21 KN, diese haben mit üblichen Koffern wenig gemein und sind eher als mit einem Tragegriff versehener offener Kasten anzusehen,
die Werkzeugkästen aus unedlem Metall gehören in die Pos. 73.26 KN, da diese Waren keine besondere Inneneinrichtung aufweisen und nur aus einem Werkstoff (unedles Metall, im wesentlichen Stahlblech) bestehen, wobei dieser Werkstoff bei der Aufzählung der Werkstoffe in Pos. 42.02 nicht genannt ist,
die letztgenannten Werkzeugkästen aus Kunststoff gehören schließlich in die Pos. 39.26 KN, da sich diese von den in Pos. 42.02 genannten Koffern vom Aussehen deutlich unterscheiden, mit Ausnahme von vernachlässigbaren Metallstiften nur aus Kunststoff bestehen und daher als Kunststoffware anzusprechen sind sowie eine Verwendung für andere Waren als Werkzeug ausgesprochen unüblich ist.
Anhand dieses Verständnisses der Erläuterungen unter entsprechender Anwendung der AV 3a und ausgehend von dem Vorrang des Wortlauts der Positionen und der Anmerkungen zu den Positionen sind die streitgegenständlichen Werkzeugkoffer auch nach den Erläuterungen und unter Berücksichtigung der Avise zum HS in die Pos. 42.02 KN einzureihen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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