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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 6 K 2615/05 Z
Rechtsgebiete: VO Nr. 1782/2003/EG, VO Nr. 1788/2003/EG, MilchPrämV


Vorschriften:

VO Nr. 1782/2003/EG Art. 62
VO Nr. 1782/2003/EG Art. 95
VO Nr. 1788/2003/EG § 11 Abs. 2
MilchPrämV § 6 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

6 K 2615/05 Z

Milchreferenzmengenbescheinigung

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6 Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8. November 2007

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts als Vorsitzenden,

den Richter am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht

die ehrenamtliche Richterin den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Referenzmengen-Bescheinigung vom 3. Juni 2005 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2005 dahin geändert, dass der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2004 bis 28. Februar 2005 eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 553.678 kg und für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis 31. März 2005 eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 603.678 kg zur Verfügung steht.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Strittig ist die Höhe einer Anlieferungs-Referenzmenge.

Die Klägerin ist Milcherzeuger in Rechtsform einer GbR und liefert ihre Milch an die Molkerei E eG in T -Käuferin-.

Zu Beginn des Zwölfmonatszeitraums 2004/2005 stand der Klägerin eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 553.678 kg zur Verfügung. Einen Teil ihrer Anlieferungs-Referenzmenge hatte die Klägerin in Höhe von 50.000 kg seit dem Jahr 2000 an einen anderen Milcherzeuger verpachtet. Im Februar 2005 lösten der andere Milcherzeuger und die Klägerin den Pachtvertrag einvernehmlich auf. Die Klägerin beantragte bei dem Amt für den ländlichen Raum beim Landrat des V-Kreises eine Bescheinigung über die Rückgewähr der Referenzmenge. Die Bescheinigung wurde der Klägerin mit Bescheid vom 16. Februar 2005 erteilt (Blatt 16, 17 der Prozessakte). Darin ist bescheinigt, dass mit Wirkung vom 1. März 2005 im Wege der Rückgewähr der Pachtsache eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 50.000 kg auf die Klägerin übergegangen ist. In dem Bescheid ist ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin von der übergegangenen Anlieferungs-Referenzmenge im laufenden Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 nur noch den nicht ausgeschöpften Teil ausnutzen kann und diese Berechnung durch die Molkerei erfolgt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Mitteilung für den Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 vom 14. März 2005 führte die Käuferin eine Neuberechnung der Anlieferungs-Referenzmenge der Klägerin mit Wirkung vom 1. März 2005 durch. Danach betrug die neue Anlieferungs-Referenzmenge zum 1. März 2005 553.678 kg und die neue Anlieferungs-Referenzmenge ab dem 1. April 2005 betrug 603.678 kg, da von der rückgewährten Anlieferungs-Referenzmenge von 50.000 kg diese durch den Pächter in dieser Höhe bereits ausgenutzt worden war (Blatt 8 der Verwaltungsakte). Mit Mitteilung für den Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 vom 14. März 2005 führte die Käuferin ebenfalls eine Neuberechnung der Anlieferungs-Referenzmenge des anderen Milcherzeugers, der die Anlieferungs-Referenzmenge von der Klägerin gepachtet hatte, mit Wirkung vom 1. März 2005 durch und ging entsprechend davon aus, dass dem anderen Milcherzeuger die 50.000 kg Anlieferungs-Referenzmenge mit Wirkung zum 1. März 2005 noch zuzurechnen waren (Blatt 9 der Verwaltungsakte).

Mit Referenzmengen-Bescheinigung vom 3. Juni 2005 bescheinigte die Käuferin, dass der Klägerin am 31. März 2005 für den Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 553.678 kg zur Verfügung steht und auf diese Referenzmenge in dem Zwölfmonatszeitraum 570.647 kg angeliefert worden waren (Blatt 15 der Prozessakte).

Gegen die Referenzmengen-Bescheinigung vom 3. Juni 2005 legte die Klägerin Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2005 zurückgewiesen wurde, da nach § 8 Abs. 3 MilchAbgV bei einer Übertragung zu einem anderen Termin als dem 1. April eines Jahres nur noch der unbelieferte Teil einer Anlieferungs-Referenzmenge übertragbar sei.

Die Klägerin trägt vor, nach der Überschrift sei § 8 MilchAbgV nur auf die regulierte entgeltliche Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen anwendbar. Ausdrücklich sei dort die Veräußerung durch Verkaufsstellen geregelt, was bei der Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem anderen Milcherzeuger als Pächter der Anlieferungs-Referenzmenge nicht vorgelegen hätte. Der Pächter sei nicht als "Anbieter" im Sinne der Vorschrift zu sehen. Hier sei die Rückgewähr einer Referenzmenge auf Grund der Beendigung eines Pachtvertrages erfolgt und die zuständige Behörde hätte den Übergang der Referenzmenge zum 1. März 2005 mit Bescheid vom 16. Februar 2005 rechtskräftig bescheinigt. Diese Bescheinigung sei auch für den Beklagten verbindlich. Der Bescheid vom 16. Februar 2005 sei auch an die Käuferin übersandt worden, so dass diese gegen den Bescheid hätte Einspruch einlegen können. Da der Bescheid jedoch rechtskräftig geworden sei, könne sich die Käuferin über den Bescheid nicht hinwegsetzen. In dem Bescheid über die Festsetzung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Betriebsprämienregelung vom 28. Februar 2006 würde auch das Amt für den ländlichen Raum davon ausgehen, dass der Klägerin eine einzelbetriebliche Milchreferenzmenge von 603.678 kg am 31. März 2005 zustehen würde (Blatt 34 der Prozessakte).

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2005 zu verpflichten, eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 603.678 kg zum 1. März 2005 zu bescheinigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, zwar sei die Bescheinigung vom 16. Februar 2005 bestandskräftig, aber der Bescheid über die Festsetzung der Zahlungsansprüche vom 28. Februar 2006 sei wegen der fehlerhaften Bescheinigung der rückübertragenen Referenzmenge durch das Amt für den ländlichen Raum geändert und die Zahlungsansprüche mit Bescheid vom 15. August 2006 neu festgesetzt worden (vgl. Schreiben des Amtes für den ländlichen Raum vom 5. November 2007, Anlage zum Protokoll). Die Bescheinigung des Amtes für den ländlichen Raum vom 16. Februar 2005 sei fehlerhaft, da die Frage, was übertragbar sei, wegen der Belieferung nur durch die Molkerei beantwortet werden könne. Die Bescheinigung könne nicht bewirken, dass eine auf Grund der dort bescheinigten Menge berechenbare Milchprämie einem Nichtberechtigten zukommen würde. Die Käuferin hätte die streitige Referenzmengen-Bescheinigung unter Berücksichtigung der Regeln über die Gewährung einer Milchprämie und einer Ergänzungszahlung zur Milchprämie bzw. Betriebsprämie erstellt. Sie sei dabei von den tatsächlichen Verhältnissen an den maßgebenden Stichtagen ausgegangen. Insbesondere aus Art. 5 Buchst. k der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor vom 29. September 2003 würde sich ergeben, dass als "verfügbare Referenzmenge" die am 31. März des jeweiligen Zwölfmonatszeitraums noch zur Verfügung stehende Menge definiert sei. Da die streitigen 50.000 kg Milch zum 1. März 2005 vom Pächter bereits voll beliefert gewesen wären, hätte die Klägerin über diese Menge nicht mehr verfügen können. Das Tatbestandsmerkmal "zur Verfügung stehen" sei für die Milchprämienregelung und die Milchquotenregelung in gleicher Weise auszulegen, wie auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bestätigt hätte (vgl. Schreiben vom 7. November 2007, Anlage zum Protokoll). Soweit diese Auffassung vom Gericht nicht geteilt würde, sollte die Revision zugelassen werden, da es sich auch für das Bundesministerium um eine grundlegende Frage handeln würde (vgl. Schreiben vom 7. November 2007, Anlage zum Protokoll). Aus der amtlichen Begründung für die Milchprämienverordnung würde sich ergeben, dass einem Milcherzeuger Referenzmengen dann zur Verfügung stehen würden, wenn diese ihm am 31. März des jeweiligen Beihilfejahres für die Abrechnung der Zusatzabgabe im Sinne der Zusatzabgabenregelung zur Verfügung stünden (Bundestags-Drucksache 459/04, Anlage zum Protokoll). In der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung vom 7. März 2007 sei die Regelung in § 8 nunmehr deutlicher gefasst. Insbesondere aus § 8 Abs. 4 Milchabgabenverordnung würde sich ergeben, dass eine bereits belieferte Referenzmenge im laufenden Zwölfmonatszeitraum nicht übertragbar sei. Aus der amtlichen Begründung würde sich wiederum ergeben, dass die Regelung in § 8 Abs. 4 Milchabgabenverordnung auf dem Grundsatz aufbaue, dass eine bereits zur Vermarktung genutzte Referenzmenge nicht übertragen werden dürfe und diese Regelung die bisherige Praxis wiedergebe, was auch für die Regelung in § 8 Abs. 5 Milchabgabenverordnung gelten würde (Bundestags-Drucksache 935/06, Anlage zum Protokoll).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

1. Nach Art. 62 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regelungen für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe sowie zur Änderung diverser -hier nicht im Einzelnen aufgeführter- Verordnungen können die Mitgliedstaaten Beträge für Milchprämien und Ergänzungszahlungen gem. den Artikeln 95 und 96 der Verordnung ganz oder teilweise in die Betriebsprämienregelung einbeziehen. Der Referenzbetrag für diese Zahlungen entspricht den gem. den Art. 95 und 96 der Verordnung zu gewährenden Beträgen, die auf der Grundlage der einzelbetrieblichen Referenzmenge für Milch berechnet werden, die dem Betrieb am 31. März des Jahres, in dem diese Zahlungen ganz oder teilweise in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden, zur Verfügung steht. Einzelbetriebliche Referenzmengen, die bis zum 31. März des jeweiligen Kalenderjahres Gegenstand einer zeitweiligen Übertragung waren, gelten nach Art. 95 Abs. 3 der Verordnung als Mengen, die in diesem Kalenderjahr im Betrieb des Empfängers verfügbar sind.

Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie vom 26. Juli 2004 ist die Summe der Beträge der Milchprämie nach Art. 95 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Ergänzungszahlung nach Art. 96 dieser Verordnung der Betriebsprämie hinzuzurechnen. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 vom 3. Dezember 2004 ist die Regelung des § 6 der MilchPrämV entsprechend für die Zahlung der Betriebsprämie anzuwenden.

2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Durchführung der Milchprämie und der Ergänzungszahlung zur Milchprämie vom 18. Februar 2004 (Milchprämienverordnung) -MilchPrämV- werden die für die Gewährung der Milchprämie und der Ergänzungszahlung zur Milchprämie maßgeblichen Referenzmengen, die dem Milcherzeuger am 31. März des Antragsjahres zur Verfügung stehen, im Falle von Anlieferungs-Referenzmengen durch eine Bescheinigung des für den jeweiligen Käufer des Milcherzeugers zuständigen Hauptzollamts festgestellt. Diese Referenzmengen-Bescheinigung wird gem. § 6 Abs. 4 der Verordnung im Falle von Anlieferungs-Referenzmengen durch den Käufer im Auftrag des Hauptzollamts jedem Milcherzeuger ausgestellt.

Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung (Milchabgabenverordnung -MilchAbgV-) vom 9. August 2004 hat der Milcherzeuger dem Käufer in den Fällen des Übergangs von Anlieferungs-Referenzmengen durch eine von der zuständigen Landesstelle ausgestellte, mit Gründen versehene Bescheinigung nachzuweisen, welche Anlieferungs-Referenzmengen, zu welchem Zeitpunkt, von welchen Milcherzeuger, mit welchem Referenzfettgehalt auf ihn übergegangen sind.

3. In der angefochtenen Referenzmengen-Bescheinigung für die Milchprämie war der Klägerin die rückübertragene Referenzmenge mit Wirkung der Rückübertragung bis zum Ende des Zwölfmonatszeitraums als ihr zur Verfügung stehend zu bescheinigen, da der Beklagte an die Bescheinigung des Amts für den ländlichen Raum beim Landrat des Vogelsbergkreises vom 16. Februar 2005 gebunden war und diese Bescheinigung der zuständigen Landesstelle Bestandskraft erlangt hatte.

Die Vorlage der Bescheinigung ist materiell-rechtliche Voraussetzung für eine entsprechende Referenzmengen-Feststellung und ein Verwaltungsakt der zuständigen Landesstelle. Zwar ist die Referenzmengenfeststellung und die Abgabenfestsetzung nach der Milchgarantiemengenregelung allein den Bundesfinanzbehörden vorbehalten. Bei der Ausstellung der vorgenannten Bescheinigung spielen aber eigentliche abgabenrechtliche Fragen keine Rolle. Die zuständigen Landesstellen haben lediglich neben Rechtsfragen der Garantiemengenregelung landwirtschaftliche Sachverhalte, örtliche Verhältnisse und Landwirtschaftsrecht zu beurteilen, wozu sie sachlich-fachlich eher kompetent sind als die Hauptzollämter. Die Bescheinigungen der Landesstellen dienen also allein der Vorbereitung der Abgabenerhebung und sind als Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 AO anzusehen. Die Bescheinigung ist somit für den Beklagten bindend (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1986 - VII R 41/86, ZfZ 1987, 52; vgl. a. BFH-Beschluss vom 24. Januar 2000 - VII B 136/99, BFH/NV 2000, 1000 und BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 - V R 40/04, BStBl. II 2006, 938).

Da das Amt für den ländlichen Raum mit Bescheid vom 16. Februar 2005 der Klägerin den Übergang einer Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 50.000 kg Milch mit Wirkung vom 1. März 2005 bescheinigt hat, war der Beklagte daran bei der Ausstellung der Referenzmengen-Bescheinigung für die Milchprämie gebunden.

Für den Übergang der Referenzmenge von 50.000 kg im Wege der Rückgewähr der Pachtsache mit Wirkung vom 1. März 2005 kommt es insoweit auch nicht auf die Belieferung an, wie sich aus dem Hinweis auf der zweiten Seite des Bescheides vom 16. Februar 2005 ergibt. Danach kann die Klägerin im laufenden Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 von der übergegangenen Anlieferungs-Referenzmenge nur den noch nicht ausgeschöpften Teil ausnutzen, wobei die Berechnung dieser Menge durch die Käuferin erfolgt. Der Käuferin ist hierzu eine Ausfertigung der Bescheinigung bekannt gegeben worden, wie sich aus dem Verteiler des Bescheides ergibt. Dies bedeutet, dass es für die abgabefreie Anlieferung durch die Klägerin für den Rest des laufenden Zwölfmonatszeitraums zwar darauf ankommt, wieweit die übertragene Referenzmenge vom Pächter bereits beliefert wurde. Die auf die Klägerin im Wege der Rückübertragung übergegangene Anlieferungs-Referenzmenge zum 1. März 2005 wurde aber in Höhe von 50.000 kg bescheinigt und stand der Klägerin in dieser Höhe "zur Verfügung" im Sinne der Milchprämienverordnung. Hierbei handelt es sich um eine Besteuerungsgrundlage, die in dem Bescheid vom 16. Februar 2005 bestandskräftig festgestellt wurde.

Würde man hingegen als Besteuerungsgrundlage mit dem Beklagten die noch nicht belieferte Referenzmenge ansehen, so hätte diese durch das Amt für den ländlichen Raum überhaupt nicht festgestellt werden können, der Bescheid vom 16. Februar 2005 wäre seines Regelungsgehaltes beraubt und würde sich in der Wiederholung der Rechtslage nach der Ansicht des Beklagten erschöpfen. Der Beklagte legt das Tatbestandsmerkmal des § 6 Absatz 1 Nr. 2 der MilchPrämV "zur Verfügung stehen" unter Zuhilfenahme des Art. 5 Buchst. k der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor dahingehend aus, dass dies die Referenzmenge bezeichnet, die der Erzeuger bis zum Ende des Zwölfmonatszeitraums abgabenfrei selbst beliefern darf. Eine Bescheinigung einer "zur Verfügung stehenden, aber noch nicht belieferten" Referenzmenge, ist in der Bescheinigung aber weder erfolgt, noch war die Abgabe einer solchen Bescheinigung dem Amt für den ländlichen Raum überhaupt möglich. Dies ergibt sich gerade durch den Hinweis auf der zweiten Seite des Bescheides, da das Amt für den ländlichen Raum die bereits vom Pächter an die Käuferin gelieferte Milchmenge nicht kannte und daher die Berechnung einer "zur Verfügung stehenden, aber noch nicht belieferten" Referenzmenge nur durch die Käuferin möglich ist. Aus dem Bescheid geht aber auch hervor, dass die Kenntnis der angelieferten Menge für die Feststellung der Besteuerungsgrundlage "zur Verfügung stehenden" Referenzmenge nicht erforderlich ist, sondern eben der Übergang der Referenzmenge von 50.000 kg unabhängig von der angelieferten Milchmenge festgestellt wurde.

Auch dem Gericht obliegt keine Beurteilung der Bescheinigung des Amts für den ländlichen Raum vom 16. Februar 2005 in dem Verfahren, in dem es um die Referenzmengen-Bescheinigung für die Milchprämie geht. Hierfür ist vielmehr der Verwaltungsrechtsweg gegeben (BVerwG-Urteil vom 24. März 1988 - 3 C 25/87, AgrarR 1988, 255).

4. Dass der Beklagte daher den Bescheid des Amtes für den ländlichen Raum vom 16. Februar 2005 für materiell-rechtlich falsch hält, ist für den Streitfall ohne Belang, da der Beklagte aus den vorgenannten formalen Gründen an diesen Bescheid als Grundlagenbescheid gebunden ist.

Unabhängig davon ist fraglich, ob die Auffassung des Beklagten, der Bescheid vom 16. Februar 2005 sei materiell-rechtlich falsch, tatsächlich zutrifft.

a) Denn die Auslegung durch den Beklagten steht im Widerspruch zu Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003. Nach Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 werden für den Rest des laufenden Zwölfmonatszeitraums die für die Erzeuger verfügbaren einzelbetrieblichen Referenzmengen, abzüglich der bereits gelieferten Mengen unter Berücksichtigung von deren Fettgehalt, in Rechnung gestellt, wenn ein Abnehmer ganz oder teilweise an die Stelle eines oder mehrerer Abnehmer tritt. Aus dieser Bestimmung geht aber hervor, dass als "verfügbare" Referenzmenge die Anlieferungs-Referenzmenge zu verstehen ist, die im Laufe eines Zwölfmonatszeitraums ohne Abgabenerhebung beliefert werden darf. Auf die tatsächlich erfolgte Anlieferung kommt es beim Tatbestandsmerkmal "zur Verfügung stehen" i.S.d. § 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 nicht an. In Rechnung gestellt wird nach dieser Vorschrift die verfügbare Referenzmenge abzüglich der bereits gelieferten Menge. Daher zeigt sich, dass die tatsächlich angelieferte Menge und die zur Verfügung stehende Milchmenge zu unterscheiden sind. Die Begriffsbestimmungen in der Milchabgabenverordnung und in der Milchprämienverordnung sind aber auch nach Ansicht des Beklagten in gleicher Weise und basierend auf den gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmungen auszulegen.

b) Gegen die Auslegung durch den Beklagten spricht ebenfalls die Begründung für die Milchprämienverordnung in der Bundestags-Drucksache 459/04. Danach soll als Zielsetzung die Milchprämie im Kalenderjahr 2005 als Beihilfe von der Produktion entkoppelt und als betriebsgebundene Prämie im Rahmen der ab dem Kalenderjahr 2005 geltenden Betriebsprämienregelung ausgezahlt werden. Maßgebliches Kriterium für die Gewährung der Milchprämie als Beihilfe soll neben der Milcherzeugereigenschaft nicht die Produktion einer bestimmten Menge von Marktordnungswaren, sondern die Höhe der zur Verfügung stehenden Referenzmenge im Rahmen der Zusatzabgabenregelung sein. Aus dieser Begründung ergibt sich daher, dass es für die Gewährung der Milchprämie eben nicht auf die Produktion und somit die Belieferung ankommen soll. Daher ist auch nicht ersichtlich, weshalb es nach Sinn und Zweck der Regelungen ausgeschlossen sein soll, dass abgabefreie Anlieferung und Erhalt der Milchprämie unterschiedlichen Personen gewährt werden, wie dies als Folge der Vereinbarungen der Klägerin und des Pächters der Milchmenge bei der Rückgewähr der Pachtsache beabsichtigt war.

c) Auch die Neufassung der Regelung in § 8 der Milchabgabenverordnung vom 7. März 2007 spricht nicht uneingeschränkt für die Auffassung des Beklagten. Denn in § 8 Abs. 5 der Milchabgabenverordnung vom 7. März 2007 ist bestimmt, dass im Falle einer vereinbarten Rückübertragung einer Referenzmenge schriftlich vereinbart werden kann, dass eine zum Zeitpunkt der Rückübertragung noch nicht für die Vermarktung von Milch genutzte Referenzmenge ganz oder teilweise bis zum Ende des Zwölfmonatszeitraums der Rückübertragung beim Rückübertragenden verbleiben kann. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass durchaus Abweichungen zwischen rückübertragener und unbelieferter Referenzmenge bestehen können. Nach § 8 Abs. 6 der Milchabgabenverordnung vom 7. März 2007 bedarf die Übertragung einer amtlichen Bescheinigung, ohne die der Übernehmer einer Referenzmenge das "Innehaben" der Referenzmenge nicht geltend machen kann. Dies wiederum spricht für die von der Klägerin vertretene Auslegung, dass das Tatbestandsmerkmal "zur Verfügung stehen" in § 6 Abs. 1 Nr. 2 MilchPrämV wie das Tatbestandsmerkmal "Innehaben" in § 11 Abs. 6 der Milchabgabenverordnung vom 7. März 2007 auszulegen ist und es dabei auf eine tatsächliche Belieferung nicht ankommt.

Da es wegen der Bestandskraft der Bescheinigung des Amtes für den ländlichen Raum vom 16. Februar 2005 auf deren materiell-rechtliche Richtigkeit aber nicht ankommt, kann es dahinstehen, ob die Auffassung des Beklagten oder der Klägerin zutrifft.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsfrage, wie das Tatbestandsmerkmal "zur Verfügung stehen" in § 6 Absatz 1 Nr. 2 der MilchPrämV auszulegen ist und ob es bei der Referenzmengen-Bescheinigung für die Milchprämie auf die tatsächliche Anlieferung nicht ankommt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden worden.

Verkündet am 8. November 2007

Ende der Entscheidung

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