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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 1 K 1276/03
Rechtsgebiete: UStG, BGB


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
UStG § 3 Abs. 1
UStG § 3 Abs. 3
BGB § 1228 Abs. 2 S. 1
Finanzgericht Saarland
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 K 1276/03

Umsatzsteuer 1999

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken unter Mitwirkung

des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Axel Schmidt-Liebig als Vorsitzender,

den Richter am Finanzgericht Dr. Peter Bilsdorfer,

die Richterin am Finanzgericht Dr. Anke Morsch sowie

die ehrenamtlichen Richter Dr. Max Lindemann (Chefarzt i.R.) und Heribert Schmitt (Geschäftsführer der Arbeitskammer)

am 14. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin streitet mit dem Beklagten um die Annahme eines so genannten Doppel- (bzw. Dreifach-) Umsatzes im Rahmen einer Sicherungsübereignung.

Die Klägerin hatte mit der Firma A am 13. August 1997 verschiedene Kreditabsprachen getroffen (Bp, Bl. 14 ff.). Zum einen gewährte die Klägerin der A ein "Allzweck-Darlehen" im Nennbetrag von 1,1 Mio. DM (Bp, Bl. 14). Hinzu kam ein Kontokorrentkredit, der ursprünglich auf einen Höchstbetrag von 300.000 DM lautete (Bp, Bl. 15). Dieser Kontokorrentkredit war hinsichtlich eines Teilbetrages von 150.000 DM befristet bis zum 15. November 1997. Danach betrug der Kontokorrentkredit 150.000 DM (Bp, Bl. 15). Als Sicherheit für beide Kredite diente u.a. die Übereignung des Warenlagers der A in Bliesen. Hierfür wurde zusätzlich eine "Raumsicherungsübertragung Waren mit Abtretung der Verkaufsforderungen" vereinbart (Bp, Bl. 16). In diesem Vertrag war u.a. (Tz. 4.2.) die Klausel enthalten, dass die Klägerin der A gestatte, "die in ihrem Eigentum stehenden Waren in eigenem Namen, jedoch im Interesse der Sparkasse zu verkaufen" (Bp, Bl. 17). Die A verpflichtete sich, "den beim Verkauf erzielten Erlös, soweit er dem bei der Übertragung zugrunde gelegten Sicherungswert der entnommenen Waren entspricht, an die Sparkasse abzuführen" (Tz. 4.2., Bl. 17). Die A konnte jedoch "statt der Abführung des Verkaufserlöses andere Waren ... in den Sicherungsraum einbringen" (Tz. 4.2., Bl. 17).

In Tz. 9 der Vereinbarung, die unter der Überschrift "Verwertungsrecht der Sparkasse" steht, heißt es wörtlich:

9.1. Die Sparkasse ist berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen gegenüber der Sparkasse in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, ihre Rechte geltend zu machen. Das gleiche gilt, wenn der Sicherungsgeber seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag nicht nachkommt.

Mit dem Eintritt der Berechtigung erlischt zugleich die Berechtigung des Sicherungsgebers gegenüber der Sparkasse, die Waren länger zu besitzen. Der Sicherungsgeber bleibt jedoch zur Verwahrung solange verpflichtet, bis die Sparkasse die Waren in ihren unmittelbaren Besitz genommen hat. In diesem Fall hat der Sicherungsgeber alle Maßnahmen zu treffen, die die Sparkasse zur Durchsetzung ihrer Rechte für erforderlich hält.

9.2. Zur Verwertung ist die Sparkasse erst nach vorheriger Androhung mit angemessener Nachfrist, soweit dies nicht untunlich ist, berechtigt. Diese Frist wird so bemessen sein, dass sie dem Sicherungsgeber sowohl das Vorbringen von Einwendungen als auch das Bemühen um Zahlung der geschuldeten Beträge zur Abwendung der Verwertung ermöglicht. Sie wird in der Regel vier Wochen betragen. Eine Fristsetzung ist nicht erforderlich, wenn der Sicherungsgeber seine Zahlungen eingestellt hat oder die Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt worden ist.

9.3. Unter mehreren Sicherheiten hat die Sparkasse das Wahlrecht...

Die Sparkasse kann ferner vom Sicherungsgeber verlangen, dass dieser das Sicherungsgut verwertet oder bei der Verwertung mitwirkt. Der Sicherungsgeber hat alles, was er bei der Verwertung des Sicherungsgutes erlangt, unverzüglich an die Sparkasse herauszugeben....

Für den Fall der Verwertung erklärt sich der Sicherungsgeber damit einverstanden, dass über die in der Verwertung liegende Leistung durch Gutschrift des Erstehers abgerechnet wird (§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 UStG)."

Ein Vermerk der Klägerin vom 19. Oktober 1998 (Bp, Bl. 19) hält bezüglich der A fest:

- "unbefriedigende Ertragslage - der Kapitaldienst ist nicht darstellbar

- das Engagement ist weiterhin latent ausfallgefährdet

- Kontoführung trotzdem ohne größere Probleme

- dem Ausfallrisiko wurde durch eine EWB-Bildung von TDM 634,6 Rechnung getragen (97)."

Am 6. Juli 1999 übermittelte der Gesellschafter-Geschäftsführer der A der Klägerin seine "Analyse der wirtschaftlichen Situation" der A sowie des verbundenen Unternehmens, der "B GMBH" (Bp, Bl. 20). Der Geschäftsführer der A beschreibt die wirtschaftliche Situation als "völlig unzureichend". Die Lösung sieht er in einer Reduzierung des Warenbestandes, die jedoch nicht sukzessive, sondern durch einen Ausverkauf im Monat November erfolgen solle. Nach dem Ausverkauf solle der Teppichhandel über die Firma "B GmbH" und danach über die Firma "C GmbH" weiter geführt werden. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1999 stimmte die Klägerin dem Ausverkauf der übereigneten Waren zu (Bp, Bl. 25). Die Verkaufserlöse sollten bei der Klägerin "zur Rückführung der ... bestehenden Verbindlichkeiten" einbezahlt werden. Daraufhin führte die A den Ausverkauf im Herbst 1999, und zwar vom 30. Oktober bis 29. November 1999, durch. Hierbei wurde auch Kommissionsware anderer Unternehmen veräußert.

Ein Aktenvermerk der Klägerin vom 26. November 1999 (Bp, Bl. 26 f.) hält fest, dass sich die A "in Liquidation" befinde. Der Mitarbeiter der Klägerin, Herr Mathieu, äußerte die Sorge, dass das gesteckte Ziel des Ausverkaufs nicht erreicht werden könne. In einer Stellungnahme des Mitarbeiters der Klägerin M vom 6. Januar 2000 heißt es, dass nach dem "Ausverkauf des Unternehmens" A noch ein sicherungsübereigneter Warenbestand von 474.000 DM bestehe, der jedoch offenkundig nicht mehr veräußert werden könne. Es wird vorgeschlagen, insoweit eine Anpassung der Einzelwertberichtigung des Darlehens vorzunehmen (Bp, Bl. 30, 38).

Die A erklärte mit Schreiben vom 13. Januar 2000, aufgrund einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 7. Januar 2000 nicht mehr in der Lage zu sein, ihren Kredit- und Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nachzukommen (Bp, Bl. 113). Am 13. Januar 2000 drohte die Klägerin der A die Kündigung des Kontokorrent-Darlehens (Konto Nr. 74 013) mit einem Schuldenstand von rd. 72.000 DM an. In einem weiteren Schreiben vom 27. Januar 2000 an die A konstatiert die Klägerin eine "wesentliche Verschlechterung" von deren Vermögenslage. Sie kündigt gleichzeitig die beiden der A eingeräumten Darlehen, die zu dieser Zeit einen Schuldenstand von insgesamt 471.566 DM aufwiesen (Bp, Bl. 115).

Am 3. Februar 2000 beantragte der Geschäftsführer der A beim Amtsgericht Saarbrücken die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Ins, Bl. 1). Am selben Tag wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestimmt (Bp, Bl. 117). Dieser hatte in seinem Bericht vom 15. Februar 2000 (Ins, Bl. 63 ff.) darüber informiert, dass "nach der Schilderung des Geschäftsführers der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin bereits im vergangenen Jahr im wesentlichen eingestellt" worden sei. Im November 1999 habe "ein Totalausverkauf der vorhandenen Ware stattgefunden, deren Erlöse der X-Bank zur Rückführung der gewährten Kredite zugeflossen seien". Das Warenlager "sei bis auf geringe Restbestände bereits im vergangenen Jahr durch einen Räumungsverkauf verwertet worden". Es seien "lediglich einige Restbestände geblieben, die keinen Kaufliebhaber gefunden" hätten. Die Situation sei so, "dass überhaupt nichts mehr existiert, was auch nur entfernt einem Betrieb ähnelt, über dessen Fortführung gesprochen werden könnte".

Am 29. Februar 2000 wies das Amtsgericht Saarbrücken den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A mangels Masse ab (Ins, Bl. 75).

Bei der Klägerin fand im Jahre 2000 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass der mit Zustimmung der Klägerin erfolgte Ausverkauf der A wegen des Vorliegens der Verwertungsreife zu Doppelumsätzen (Lieferungen der A an Klägerin, Lieferungen der Klägerin an Kunden) geführt habe. Auf den Bericht vom 7. Januar 2002 (Bp, Bl. 171 ff.) wird Bezug genommen.

Das beklagte Finanzamt folgte der Annahme des Außenprüfers und erließ am 30. Januar 2002 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid 1999 (USt, Bl. 27).

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 1. März 2002 Einspruch ein (Bp, Bl. 184), mit dem sie geltend machte, die für die Annahme eines Doppelumsatzes erforderliche Verwertungsreife habe nicht vorgelegen. Zeitgleich reichte sie eine geänderte Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 1999 ein /Bp, Bl. 191). Beigefügt war ein Schreiben der Klägerin an die A (Bp, Bl. 192). Darin erteilt die Klägerin der A Gutschrift für die Übernahme des Sicherungsgutes.

Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2003 (Bl. 21) wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2003 erhob die Klägerin Klage (Bl. 1).

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid vom 30. Januar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2003 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer ohne Ansatz der Entgelte aus der Sicherheitenverwertung festgesetzt wird.

Die Klägerin macht geltend, es habe nicht die für die Annahme eines Doppelumsatzes erforderliche Verwertungsreife vorgelegen (Bl. 2). In der Veräußerung des Warenbestandes liege trotz der seitens der Klägerin erteilten Zustimmung keine Verwertung. Entscheidend sei, dass im Zeitpunkt der Veräußerung die Hauptschuld mangels Kündigung nicht fällig gewesen sei. Der Räumungsverkauf sei ohne Veranlassung der Klägerin durchgeführt worden. Er sei nicht auf Befriedigung der Klägerin ausgerichtet gewesen, sondern habe allein der Änderung des Geschäftsfeldes gedient. In der Branche sei es üblich, Räumungsverkäufe durchzuführen, ohne anschließend die Tätigkeit des Unternehmens einzustellen (Bl. 34).

Der Beklagte beantragt (Bl. 20),

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, der Verkauf der sicherungsübereigneten Ware sei im Rahmen eines Totalausverkaufs erfolgt und damit nicht im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebes. So sei auch verständlich, dass die A zuvor das Einverständnis der Klägerin eingeholt habe. Im Zeitpunkt der Veräußerung sei die finanzielle Lage der A äußerst angespannt gewesen. Die monatlichen Tilgungsraten für das Darlehen Nr. 6263305 über insgesamt 1.100.000 DM hätten nur noch durch Aufstockung des ursprünglich auf 150.000 DM begrenzten Kontokorrentkredites geleistet werden können. Am 15. Oktober 1999 habe sich dieser Kontokorrentkredit bereits auf 267.361 DM belaufen (Bl. 32). Im Übrigen sei der Veräußerungserlös ungeschmälert der Klägerin zugute gekommen.

Mit Gerichtsbescheid des Senats vom 26. Oktober 2006, der Klägerin zugestellt am 2. November 2006, wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 29. November 2006, beim Finanzgericht am selben Tag eingegangen, hat die Klägerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten, die des Insolvenzgerichts (Gz.: 59 IN 30/00 betr. die A) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass die Durchführung des Ausverkaufs durch die A zu Umsätzen der Klägerin geführt hat. Demzufolge ist der Umsatzsteuerbescheid 1999 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

1. Rechtsgrundlagen

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Herrschaft über Substanz, Wert und Ertrag durch Verschaffung der Verfügungsmacht).

Bei der Sicherungsübereignung, wie sie im Streitfall vorliegt, erlangt der Sicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem er von seinem Verwertungsrecht Gebrauch macht, auch die Verfügungsmacht über das Sicherungsgut. Inhalt der Verwertungsbefugnis ist regelmäßig das Veräußerungsrecht. Es entsteht mit dem Eintritt der Verwertungsreife, die den Sicherungsnehmer befugt, Substanz, Wert und Ertrag des Sicherungsgutes zu erhalten. Dabei handelt er aufgrund eigener Verfügungsberechtigung. Es liegt allein in seiner Entscheidungsbefugnis, nach Eintritt der Verwertungsreife das Sicherungsgut in diesem Sinne an sich zu ziehen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 V R 134/75, BStBl. II 1980, 673, 674 zu 1a, m.w.N.).

Der BFH hat hinsichtlich der Verwertung von Sicherungsgut in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es erst mit der Veräußerung des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten zu zwei Lieferungen kommt (BFH, Beschluss vom 20. April 2004 V B 107/03, BFH/NV 2004, 1302 m.w.N.). Falls es der Sicherungsgeber übernimmt, das Sicherungsgut im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers zu verkaufen, führt er an den Käufer eine entgeltliche Lieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus. Zudem greift § 3 Abs. 3 UStG ein. Zwischen dem Sicherungsnehmer (Kommittent) und dem Sicherungsgeber (Kommissionär) liegt eine Lieferung vor, bei der der Sicherungsgeber (Verkäufer, Kommissionär) als Abnehmer gilt. Gleichzeitig erstarkt die Sicherungsübereignung zu einer Lieferung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Demzufolge liegt ein Dreifachumsatz vor (BFH, Urteil vom 6. Oktober 2005 V R 20/04, BStBl. II 2006, 931).

Der Eintritt des Sicherungsfalles ist ebenso wenig wie etwa die Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1993 V R 108/91, BStBl. II 1994, 483 ) als Lieferung zu diesen Zeitpunkten anzusehen. Der Sicherungsnehmer verfügt wirtschaftlich erst über den ihm zur Sicherheit übereigneten Gegenstand, wenn er ihn verwertet. Bis dahin kann der Sicherungsgeber die Verwertung grundsätzlich durch Befriedigung des Sicherungsnehmer vereiteln und ihm dadurch die Voraussetzungen für die Erlangung der Verfügungsmacht entziehen (FG Niedersachsen, Urteil vom 18. Februar 1999 V 277/95, EFG 1999, 1054 ). Der Sicherungsfall ist begrifflich der Verwertungsreife gleichzusetzen (BGH, Beschluss vom 6. März 1997, IX ZR 74/95, NJW 1997, 1570).

Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender und wer als Leistungsempfänger anzusehen ist. Lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände kommt eine von den "vertraglichen Vereinbarungen" abweichende Bestimmung des Leistenden in Betracht, so z.B. wenn nach den Umständen des Falles erkennbar ein Eigengeschäft des Handelnden und nicht des angeblichen "Vertragspartners" vorliegt, der die Leistung auch nicht als eigene Leistung der Umsatzsteuer unterwirft, und bei denen der Leistungsempfänger typischerweise mit der Nichtbesteuerung durch den "Rechnungsaussteller" rechnet oder rechnen muss (BFH-Urteil vom 4. September 2003 V R 9, 10/02, HYPERLINK "http://www.juris.de/jportal/portal/t/coc/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=77&fromdoctodoc=yes&doc.id=STRE200310330&doc.part=K&doc.price=0.0" \l "focuspoint" BStBl. II 2004, 627 m.w.N.; vgl. BFH-Beschluss vom 5. Februar 2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988 ). Allein der Umstand, dass jemand im eigenen Namen, aber letztlich für Rechnung eines Dritten Leistungen erbringt oder bezieht, rechtfertigt dagegen keine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Zurechnung von Leistungen oder Leistungsbezügen, wie sich aus den Regelungen zum Kommissionsgeschäft ergibt (vgl. Art. 5 Abs. 4 Buchst. c und Art. 6 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - -Richtlinie 77/388/EWG --, sowie zu § 3 Abs. 3 und Abs. 11 UStG 1993 BFH-Urteil vom 29. August 2002 V R 8/02, BStBl. II 2004, 320, sowie BFH-Beschluss vom 16. Mai 2002 V B 89/01, BFH/NV 2002, 1113 ; nunmehr ausdrücklich die Neufassung des § 3 Abs. 11 UStG , mit Wirkung vom 1. Januar 2004).

2. Anwendung im Streitfall

Die Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze führt im Streitfall zur Annahme entsprechender Doppel- bzw. Dreifachumsätze im Zuge des Räumungsverkaufs durch die A. Die A hat im Einvernehmen mit der Klägerin einen Räumungsverkauf durchgeführt, als sich die A in Liquidation befand und Verwertungsreife eingetreten war.

Insoweit sind die zwischen der Klägerin und der A getroffenen Vereinbarungen, hier insbesondere die "Raumsicherungsübertragung Waren mit Abtretung der Verkaufsforderungen" (Bl. 28) von entscheidender Bedeutung. Danach durfte die A trotz der Übertragung des Eigentums auf die Klägerin ihre Waren an Dritte veräußern, allerdings nur, um ihren "Betrieb im bisherigen Rahmen ordnungsgemäß weiterführen" zu können (Tz. 4.2. der Sicherungsabrede, Bl. 29). Hieraus lässt sich zum einen ableiten, dass die A ohne weitere Zustimmung der Klägerin einzelne Verkaufsgeschäfte tätigen konnte. Zum andern brauchte sie ein ihr hierfür gezahltes Entgelt nicht zwangsläufig an die Klägerin abzuführen, sondern konnte hierfür entsprechend der Regelung in Tz. 4.2. der "Raumsicherungsübertragung Waren mit Abtretung der Verkaufsforderungen" (Bl. 28) andere Waren erwerben, an denen sich das Sicherungseigentum der Klägerin fortsetzte.

Bei dem hier in Frage stehenden Räumungsverkauf jedoch handelte es sich nicht nur um eine Summe üblicher Verkäufe, sondern um eine konzertierte Aktion, um die Tätigkeit der A zu beenden. Dies zeigt bereits die Einschaltung eines Auktionators. Dessen Einschaltung hatte die A der Klägerin am 6. Juli 1999 angezeigt, wobei es hieß, der "Ausverkauf" solle unter Zuhilfenahme des "Besten der Auflösungsbranche" (USt, Bl. 20) durchgeführt werden, um so eine notwendig gewordene Umstrukturierung durchzuführen und auch die Kredite komplett zurück zu führen. Insoweit erfolgte auch nicht, wie bei einem üblichen Verkauf die Reinvestition in neue Ware (entsprechend Tz. 4.2. Abs. 3 der Sicherungsabrede). Vielmehr wurde der gesamte Veräußerungserlöses an die Klägerin überwiesen (Bp, Bl. 192), wie es die Klägerin in ihrem Schreiben vom 22. Oktober 1999 an die A verlangt hatte (Bp, Bl. 25). In diesem Schreiben erteilte die Klägerin ihre Zustimmung zum Ausverkauf. Es hätte weder der Einschaltung eines Auktionators noch einer Nachfrage seitens der A bei der Klägerin noch deren Zustimmung bedurft, hätte es sich bei dem Ausverkauf um ein übliches Verkaufsgeschäft gehandelt.

Insoweit ist es auch bedeutsam, dass sich nach dem Aktenvermerk der Klägerin vom 26. November 1999 (USt, Bl. 26 f.) die A zum Zeitpunkt des Ausverkaufs bereits in Liquidation befand. Es handelte sich also nicht, wie von der Klägerin vorgetragen, um einen gesetzeswidrigen üblichen Ausverkauf, sondern um eine der letzten Aktivitäten der A, für die bereits kurze Zeit später die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist. Letzteres mag zwar nicht unbedingt zu erwarten gewesen sein. Ziel des Ausverkaufs war indessen jedenfalls nach der Darstellung des Geschäftsführers der A in seiner "Analyse" vom 6. Juli 1999 (Bp, Bl. 20 f) die Beendigung der A. Nach dem Ausverkauf sollte nämlich "der Teppichhandel über die Fa B danach C weitergeführt" werden. Dies wurde u.a. dadurch vollzogen, dass der Warenrestbestand nach dem Ausverkauf auf diese Unternehmen übertragen wurde.

Die prekäre finanzielle Situation der A wird im Übrigen auch daran deutlich, dass sie ihren Kreditverpflichtungen nicht mehr nachkam. Lediglich durch Aufstockung des auf 150.000 DM begrenzten Kontokorrentkredits und damit faktisch einer bloßen Umbuchung ließen sich die Tilgungsraten für das Darlehen über 1,1 Mio. DM aufbringen. Mithin war die Klägerin berechtigt, "ihre Rechte geltend zu machen", wie es in Tz. 9.1. der Sicherungsabrede heißt (Bl. 30).

Zwar ist zivilrechtlich anerkannt, dass grundsätzlich der Sicherungsfall analog zu § 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB im Zeitpunkt der Fälligkeit der gesicherten Forderung eintritt (vgl. Öchsler, Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., Anhang zu § 229 ff, Rz. 48; Beckmann, in: juris PraxisKommentar, § 930 BGB, Anm. 74). Die Vorschrift ist aber dispositiv. Es kommt in erster Linie auf die entsprechenden Abreden an. Daraus lässt sich ableiten, dass -soweit dies nicht ausdrücklich anders vereinbart ist- die Kündigung des Darlehens nicht unabdingbare Voraussetzung für die Annahme des Sicherungsfalles ist. Hierauf zielt offenkundig auch die Sicherungsabrede hin, die die Klägerin mit der A getroffen hatte. Danach nämlich berechtigt das "Vorliegen eines wichtigen Grundes", insbesondere der Fall, dass "der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen gegenüber der Sparkasse in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt", die Klägerin dazu, "ihre Rechte geltend zu machen" (Bl. 30). Die Geltendmachung dieser Rechte, wie etwa der Verwertung des Sicherungsgutes, war demzufolge nicht zwingend von einer Pflichtverletzung der A und damit einer Kündigung des Kredites abhängig, wie sie die Klägerin schließlich im Januar 2000 ausgesprochen hat. Es genügte das Vorliegen eines "wichtigen Grundes". Ein solcher ist darin zu sehen, dass die A ihre Aktivitäten einstellen bzw. auf andere Unternehmen verlagern wollte.

Insoweit sind sowohl die A als auch die Klägerin einvernehmlich davon ausgegangen, dass der Ausverkauf die Aktivität der A beenden sollte. Mithin bedurfte es auch nicht der in Tz. 9.2. der Sicherungsabrede vorgesehenen Androhung der Verwertung. Denn die Verwertung erfolgte -wie gesagt- einvernehmlich. Bei Eintreffen der Erwartungen, die an den Ausverkauf geknüpft wurden, sollten die Kredite der A fast vollständig zurückgeführt werden (Bp, Bl. 21).

3. Demzufolge geht der Senat mit dem Beklagten vom Vorliegen eines Doppel- bzw. Dreifachumsatzes aus. Dies führt zur Abweisung der Klage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Frage, ob Verwertungsreife vor Fälligkeit der zugrunde liegenden (Darlehns-) Forderung vorliegen kann, grundsätzliche Bedeutung besitzt.

Ende der Entscheidung

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