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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Gerichtsbescheid verkündet am 25.02.2008
Aktenzeichen: 1 K 2037/04
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 90 Abs. 2
AO § 162
EStG § 4 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

1 K 2037/04

Umsatzsteuer 1996 und 1997

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Dr. Schmidt-Liebig als Vorsitzender und die Richterinnen am Finanzgericht Hörndler und Eggers-von Wittenburg,

am 25. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung der Bescheide vom 29. Oktober 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2004 wird die Umsatzsteuer 1996 auf -196,70 DM und die Umsatzsteuer 1997 auf 2.543,40 DM festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Umsatzsteuererhöhung aus einer Umsatzzuschätzung 1996 und 1997 durch die Betriebsprüfung geführt.

Der Kläger lebte mit seiner dreiköpfigen Familie in Hausgemeinschaft mit der Großmutter. Die Großmutter bezog eine Rente von ca. 3.000 DM monatlich (Bl. 35 Bp).

Der Kläger übte neben seiner selbständigen Tätigkeit einen Handel mit Fenstern und Türen aus. Den Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 3 EStG. Für den Zeitraum 1995 bis 1997 fand eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer erstellte eine Geldverkehrsrechnung, welche zu Umsatzzuschätzungen für 1996 i.H.v. 18.500 DM brutto (USt 2.413 DM) und 1997 zu Umsatzschätzungen i.H.v. 11.700 DM brutto (USt 1.526 DM) führte.

Die Umsatz und Gewinnzuschätzung wurde wie folgt begründet (Bl. 34 Bp):

"nach einer vom Prüfer erstellten Gesamtgeldverkehrsrechnung verbleiben dem Steuerpflichtigen und seiner Familie im Prüfungszeitraum keine ausreichenden Mittel zur privaten Lebensführung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führen nicht aufgeklärte Verwendungsüberhänge zu Umsatz- und Gewinnzuschätzungen. Die Schätzung ergibt sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach aus der Geldverkehrsrechnung"

Der Betriebsprüfer begründete die Umsatzzuschätzungen in 1996 und 1997 mit geschätzten Lebenshaltungskosten i.H.v. 28.000 DM pro Jahr (Bl. 35 Bp) :

"nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes standen einer vierköpfigen Arbeitnehmerfamilie (Alleinverdiener) mit mittlerem Einkommen im Jahre 1996 ausgabefähige Einnahmen von 5626 DM monatlich zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung (Bl. 28 Bp). Nach Herausrechnung der statistischen ausgewiesenen Miete, sowie der Veränderung der Vermögens- und Finanzkonten, verbleiben einer vierköpfigen Familie 3.870 DM monatlich. Linear auf einen drei Personenhaushalt umgerechnet ergibt sich statistisch ein Jahreswert von rund 35.000 DM, der Ausgangspunkt der Schätzung ist. Im Jahr 1995 standen dem Steuerpflichtigen nach der Geldverkehrsrechnung des Prüfers 28.500 DM zur Lebensführung zur Verfügung. Unter Beachtung der jährlich etwa gleich bleibenden Zuwendungen der Großmutter zum Lebensunterhalt des Steuerpflichtigen, erscheint dieser Betrag realistisch den privaten Verbrauch der Familie des Steuerpflichtigen darzustellen. Die auf der Geldverkehrsrechnung basierende Zuschätzung geht daher von Lebenshaltungskosten von 28.000 DM pro Jahr aus."

Die Geldverkehrsrechnung und Umsatzzuschätzung ergeben sich aus Anlage 2a und 2b des Prüfungsberichtes (Bl. 43-45 Bp) vom 20. August 1999. Zu den ungebundenen Lebenshaltungskosten i.H.v. 28.000 gehören nach der Prüferzusammenstellung (Bl. 43, 44 Bp "sonst. Ausgaben") keine Miete, VSE (Stromkosten), Kfz und Kfz-Steuern, Eurocardabrechnung und Urlaub. Das Ergebnis der Geldverkehrsrechnung des Prüfers ergab, dass dem Kläger in 1996 noch 9.411 DM und 1997 16.203 DM als Lebenshaltungskosten verblieben.

Die jährlichen Zuwendungen der Großmutter zum laufenden Lebensunterhalt wurden mit 7.000 DM geschätzt (Bl.19).

Der Prüfer erstellte eine Geldflussrechnung (Bl. 46 Bp). Als Einnahmen wurden nur die Aushilfslöhne der Ehefrau erfasst. Diese Geldflussrechnung wurde im Rahmen des Klageverfahrens in geänderter Form vorgelegt (Bl. 20). Hierin sind einige Bareinzahlungen und -abhebungen erfasst. Beide Rechnungen erhalten Mittelfehlbeträge.

Nach Einwänden des Klägers wurde eine korrigierte Bargeldflussrechnung ohne Mittelfehlbeträge erstellt (Bl. 37). Diese Korrektur führt auch zu einer Erhöhung der Mittel für die Lebenshaltungskosten in der Geldverkehrsrechnung auf 11.961 DM in 1996 und 19.703 DM in 1997 (Bl. 28, 29).

Der Kläger unterhielt diverse Bankkonten mit Guthaben (Bl. 45 Bp). Die Kontobewegungen sind in der Geldverkehrsrechnung erfasst (Bl. 43 Bp), in der Geldflussrechnung sind Kontoabhebungen dieser Bankverbindungen nicht erfasst.

Die übrigen Feststellungen der Betriebsprüfung sind nicht Streitgegenstand. Mängel in den vorgelegten Aufzeichnungen wurden nicht festgestellt.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2004, eingegangen am 23. Januar 2004, erhob der Kläger am 23. Februar 2004 Klage. Er beantragt sinngemäß, (Bl. 2):

unter Änderung der Bescheide vom 29. Oktober 1999 , in Form der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2004, die Umsatzsteuer 1996 auf -196,00 DM und die Umsatzsteuer 1997 auf 2.543,00 DM festzusetzen.

Die Voraussetzungen einer Schätzung seien nicht gegeben, da die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen des Einzelunternehmens nicht von dem Finanzamt widerlegt worden sei.

Die Erhebungen des statistischen Bundesamtes können keinen Beweis für die notwendigen Lebenshaltungskosten darstellen. Der dortige durchschnittliche Ansatz von 5.626 DM pro Monat netto würde einen Bruttoverdienst von 8.600 DM erfordern (Bl. 3, 13). Dies sei als Mindestlebenshaltungskosten unrealistisch. Der Kläger habe seinen Lebensstandard aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation eingeschränkt (Bl. 41). Zudem fehle in der Geldverkehrsrechnung das Bankkonto der Ehefrau (Bl. 28).

Das Ergebnis sowohl der Geldverkehrsrechnung, als auch der Bargeldflussrechnung seien nicht die gesamten Lebenshaltungskosten, sondern die üblichen und notwendigen aus Barmitteln zu bestreitenden Lebenshaltungskosten. Diese seien mit 12.271 (Bargeldflussrechnung) bzw. 11.961 DM laut (Geldverkehrsrechnung) für 1996 und 17.720 DM (Bargeldflussrechnung) bzw. 19.703 DM (Geldverkehrsrechnung) ausreichend bemessen. Zumal hierzu jährlich - vom Beklagten zugestanden - 7.000 DM seitens der Großmutter hinzugekommen seien (Bl. 28).

Der Beklagte beantragt (Bl. 16),

die Klage abzuweisen.

Die festgestellten Verwendungsüberhänge der Geldverkehrsrechnung würden die Beweiskraft der ordnungsmäßigen Buchhaltung widerlegen. Die Geldverkehrsrechnung sei eine Schätzungsmethode, die die Höhe der errechneten Fehlbeträge als nicht verbuchte Betriebseinnahmen nachweisen könne. Der Kläger trage die objektive Beweislast, ob die Fehlbeträge aus anderen steuerpflichtigen oder steuerfreien Quellen stammen könnten.

Die Gelder der Großmutter seien zu Gunsten des Klägers bei der Geldverkehrsrechnung berücksichtigt worden. Die Großmutter habe laut Kläger in allen drei Jahren etwa in gleichem Umfang zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen. In 1997 seien Zuwendungen der Großmutter i.H.v. 10.000 DM als verfügbaren Mitteln angesetzt worden, obwohl dem Betriebsprüfer keine Unterlagen hierüber vorgelegt worden seien (Bl. 7).

Der Aushilfslohn der Ehefrau sei geschätzt worden, Unterlagen hierüber seien nicht vorgelegt worden. Nach der Bargeldflussrechnung hätten der Familie in 13 von 24 Monaten als verfügbare Barmittel lediglich 500 - 610 DM zur Verfügung gestanden (Bl. 36).

Die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten anhand Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte, die nach Jahr, Haushaltstyp und Anzahl der Haushaltsmitglieder unterschieden würden, seien auch bei den hier vorgetragenen Einschränkungen zu Grunde zu legen.

Die wirtschaftliche Notsituation habe auch während des gesamten Jahres 1995 bestanden. In diesem Jahr hätten die nichtgebundenen Lebenshaltungskosten jedoch 28.500 DM betragen. Es sei nicht zwingend, dass wirtschaftliche Notsituationen eine drastische Senkung der Lebenshaltungskosten nach sich zögen (Bl. 19).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angefochtenen Bescheide, mit denen der Beklagte Hinzuschätzungen auf Umsätze in beiden Streitjahren vorgenommen hat, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlage für eine Schätzung des Finanzamtes ergibt sich aus § 162 AO.

Schätzungsbefugnis

Die Finanzbehörde kann die Besteuerungsgrundlagen schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1). Die §§ 88 ff. AO gehen grundsätzlich von der Pflicht des Finanzamtes und des Steuerpflichtigen zur exakten Ermittlung aus. Wenn dieses ist nicht möglich ist, ist zu schätzen.

§ 162 Abs. 2 S. 1 AO zählt beispielhaft vier Fälle der Schätzungsbefugnis des Finanzamtes auf:

1. der Steuerpflichtige gibt über seine Angaben keine ausreichende Erklärung

2. er verweigert weitere Auskünfte

3. er verweigert eine Versicherung an Eides statt

4. er verletzt seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO

Daneben ergibt sich eine Schätzungsbefugnis aus § 162 Abs. 2 S. 2 AO, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnung der Besteuerung nicht nach § 158 AO zu Grunde gelegt werden kann.

Eine sachlich richtige Buchführung schließt, selbst wenn sie formelle Fehler aufweist, eine Schätzung aus (BFH vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373).

Die formelle Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen kann jedoch eine Schätzung nicht abwenden, wenn sich ihre sachliche Unrichtigkeit aufgrund anderer Umstände, z.B. einer Nachkalkulation, erkennen lässt. Das gleiche gilt, wenn keine Aufzeichnungspflicht bestand, die freiwilligen Angaben aber kein Vertrauen verdienen (§ 146 Abs. 6 AO; BFH vom 15. April 1999 IV R 68/98, BStBl. 1999, 481). Fehlbeträge geben regelmäßig einen ausreichenden Anhalt für die Schätzung der Höhe nach (BFH vom 20. September 1989 X R 39/87, BStBl 1990, 109).

Die Rechtsprechung stellt bei ungeklärten Vermögenszuwächsen, Vermögensminderungen oder Fehlbeträgen unterschiedliche Anforderungen an die Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 AO, je nachdem, ob ein privates oder betriebliches Konto betroffen ist (BFH vom 4. Dezember 2001 III B 76/01, BFH/NV 2002 S. 476). Der Steuerpflichtige ist hiernach nicht verpflichtet, einen geschlossenen Nachweis über die Herkunft und Verwendung seines Privatvermögens zu führen.

Um eine sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen zu rechtfertigen, kann eine Geldverkehrsrechnung (auch Einnahme - Ausgaben Deckungsrechnung genannt) durchgeführt werden. Die Geldverkehrsrechnung beruht auf der Tatsache, dass in einem bestimmten Zeitraum nicht mehr Mittel verausgabt werden können, als vorhanden sind. Die Einnahmen einschließlich etwa vorhandener Bestände müssen die Ausgaben decken. Übersteigen die Ausgaben die zur Verfügung stehenden Mittel oder liegt ein ungeklärter Vermögenszuwachs oder, so rechtfertigt dies grundsätzlich die Annahme, dass die Fehlbeträge aus unversteuerten, jedoch steuerpflichtigen Einnahmen stammen. Soll die Geldverkehrsrechnung die Schätzungsbefugnis des Finanzamts bejahen, muss sie strengen Anforderungen genügen (BFH vom 24. November 1988 IV R 150/86, BFH NV 1989, 416).

Erst dann ergibt sich eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH vom 2. Juli 1999 V B 83/99, BFH/NV 1999, 1450). Dann sind ein eigenständiger Schätzungsgrund und damit eine Hinzuschätzung nach den allgemeinen Schätzungsregelungen, also gegebenenfalls auch einschließlich angemessener Unsicherheitszuschläge zu Lasten des Steuerpflichtigen, zulässig und geboten ( BFH vom 7. November 1990 III B 449/90, BFH/NV 1991, 724)

Eine sachliche Unrichtigkeit kann auch durch eine Geldflussrechnung dokumentiert werden. Hierbei darf es bei Abgleich des Bargeldflusses nicht zu Fehlbeträgen kommen und daneben muss der tägliche Bedarf an Bargeldverfügungen abgedeckt sein.

Der Nachweis allerdings, dass derartige Fehlbeträge überhaupt vorliegen, kann nur geführt werden, wenn die in einer Geldfluss- oder Geldverkehrsrechnung zulasten des Steuerpflichtigen verarbeiteten Positionen ihrerseits nachweislich zutreffen. Wenn bestimmte Positionen nicht mehr vermittelbar sind, jedoch in einem gewissen Maße denknotwendig angefallen sein müssen, können diese Positionen zwar geschätzt werden. Auf dieser Stufe der Schätzung sind aber Unsicherheitszuschläge oder sonstige unbewiesene Annahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen indes nicht ohne weiteres zulässig. Die Schätzung darf über Mindestbeträge nicht hinausgehen (FG Sachsen Anhalt vom 20. Februar 2006 1 K 537/03, [...] m.w.N.).

Schätzung der Höhe nach (Durchführung der Schätzung)

Erst wenn die Feststellung gelingt, dass die Voraussetzungen des § 162 AO vorliegen, findet auf die damit eröffnete Schätzung der Höhe nach das reduzierte Beweismaß der Schätzung im üblichen Sinne Anwendung. Gelingt diese Feststellung nicht, so geht das zulasten des Finanzamts, das die objektive Feststellungslast für die Umstände trägt, aus denen es die Schätzungsbefugnis herleitet.

2. Anwendung auf den Entscheidungsfall

Eine Schätzungsbefugnis der Besteuerungsgrundlagen des Einzelunternehmens des Klägers ergibt sich aus § 162 AO nicht.

(1) Mängel in den Aufzeichnungen

Der Kläger ermittelt den Gewinn des Einzelunternehmens als Kleinunternehmer zu Recht - wie unter den Beteiligten unstreitig ist - nach § 4 Abs. 3 EStG. Damit ist er nicht buchführungspflichtig gem. § 141 ff AO. Mängel der ohne Buchführungsverpflichtung vorgelegten Unterlagen wurden von der Betriebsprüfung nicht vorgetragen.

(2) Sachliche Unrichtigkeit der vorgelegten Aufzeichnungen

Die sachliche Unrichtigkeit der vorgelegten Aufzeichnungen kann sich jedoch aus einer Nachkalkulation der Betriebsprüfung ergeben. Hier hat der Betriebsprüfer eine Geldverkehrsrechnung und eine Geldflussrechnung erstellt.

Geldflussrechnung:

Nach der Geldflussrechnung kam es anfänglich zu Bargeldfehlbeträgen, welche an sich auf eine sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen hindeuten könnte. Hier war die Geldflussrechnung jedoch mit erheblichen Mängeln behaftet, sodass sie nicht geeignet war, eine sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen und damit eine Schätzungsbefugnis herzuleiten. Zum einen fehlten diverse vom Kläger vorgetragene Einnahmen, welche letztendlich zu einer Bargeldflussrechnung ohne Fehlbeträge führten (Bl. 25 ff, 35 ff). Da die Beweislast insofern beim Beklagten liegt (s.o.) und die Einnahmen nicht widerlegt wurden, ist auch von deren Richtigkeit auszugehen. Zum anderen ist auch die Argumentation des Beklagten nicht zwingend, dass eine Familie nicht mit Bargeldbeträgen zwischen 500-610 DM pro Monat auskommt (Bl. 36), zumal auch eventuell vorgenommene Abhebungen oder Einzahlungen von diversen Bankkonten (Bl. 45 Bp) sowie vom Konto der Ehefrau (Bl. 28) in der Bargeldflussrechnung nicht berücksichtigt wurden.

Geldverkehrsrechnung:

Da die Geldverkehrsrechnung den Privatbereich erfasst, wird sie auch Privat-Geldverkehrsrechnung genannt. Bei einer solchen Privat-Geldverkehrsrechnung ist zu beachten, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, einen geschlossenen Nachweis über die Herkunft und Verwendung seines Vermögens zu führen (s.o.). Die von der Betriebsprüfung durchgeführte Geldverkehrsrechnung weist den Mangel auf, dass das Konto der Ehefrau nicht erfasst ist. Dieser Mangel kann jedoch wegen der folgenden Ausführungen dahingestellt bleiben. Auch wenn eine Geldverkehrsrechnung grundsätzlich geeignet wäre, die Schätzungsbefugnis zu begründen, ergäben sich aus der vorliegenden Geldverkehrsrechnung aber keine die Schätzungsbefugnis begründenden ungeklärten Vermögenszuwächse oder ungeklärten Fehlbeträge.

Der Beklagte schließt zu Unrecht aus den zur Verfügung stehenden ungebundenen Mitteln von 11.961 DM (laut korrigierter Geldverkehrsrechnung) für 1996 und 19.703 DM (laut korrigierter Geldverkehrsrechnung) für 1997, dass diese unter Hinzurechnung der geschätzten Zuwendungen der Großmutter zum allgemeinen Lebensunterhalt von 7.000 DM jährlich zu gering seien und damit eine Zuschätzung rechtfertigen würden.

Auf der Ebene der Schätzungsbefugnis darf die Schätzung nicht über Mindestbeträge hinausgehen (so auch FG Sachsen Anhalt vom 20 Februar 2007 a.a.O.). Eine Schätzung der notwendigen Lebenshaltungskosten anhand der Mittelwerte eines Dreipersonenhaushaltes unter Zugrundelegung der statistischen Erhebungen auf 28.000 DM (35.000 DM abzgl. der Zuwendungen der Großmutter) ist im Rahmen der Ebene der Schätzungsbefugnis nicht zulässig. Statistische Mittelwerte besagen gerade, dass die Hälfte der Bevölkerung auch mit weniger ungebundenen Mitteln auskommen muss. Der Beklagte hat den Vortrag des Klägers einer sparsamen Lebensweise nicht widerlegt.

Die Geldverkehrsrechnung könnte jedoch dann die Schätzungsbefugnis eröffnen, wenn - unter Beachtung aller Zuwendungen der Großmutter - die ungebundenen Mittel unterhalb des Regelsatzes für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz liegen würden. Diese Regelsätze werden als notwendig erachtet und sind daher eine geeignete Mindestgröße. Aus den beigefügten Anlagen ergibt sich, dass dem Kläger nach den Regelsätzen zum Lebensunterhalt in 1996 14.664 DM und in 1997 14.880 DM zustehen würde (ohne Wohn- und Nebenkosten).

Dem Kläger standen 18.961 DM (11.961 DM laut korrigierter Geldverkehrsrechnung zuzüglich 7.000 DM als Zuwendung der Großmutter) für 1996 und 26.703 DM (19.703 DM laut korrigierter Geldverkehrsrechnung zuzüglich 7.000 DM als Zuwendung der Großmutter) für 1997 zum Lebensunterhalt zur Verfügung. Diese Beträge liegen über den Regelsätzen für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz, so dass auch hieraus keine Schätzungsbefugnis resultiert.

Die Klage war nach alledem begründet.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - auferlegt.

Der Senat hielt den Erlass eines kostengünstigeren Gerichtsbescheides für angemessen (§ 90a FGO).

Ende der Entscheidung

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