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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 21.06.2006
Aktenzeichen: 1 K 394/02
Rechtsgebiete: EStG 1999, EStG 1999, DBA FRA, EGV


Vorschriften:

EGV Art. 12
EGV Art. 39
EGV Art. 118
EGV Art. 121
EGV Art. 234
EGV Art. 293
EStG 1999 § 19 Abs. 1 Nr. 1
EStG 1999 § 9 Abs. 1 S. 1
EStG 1999 § 12 Nr. 1 S. 2
EStG 1999 § 10 Abs. 3
EStG 1999 § 10 Abs. 1
EStG 1999 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a
DBA FRA Art. 13 Abs. 1
DBA FRA Art. 13 Abs. 5 Buchst. a
DBA FRA Art. 13 Abs. 5 Buchst. b
DBA FRA Art. 14 Abs. 1 S. 1
DBA FRA Art. 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzender und der Richter am Finanzgericht ... und ... sowie der ehrenamtlichen Richter ... und ... am 21. Juni 2006 ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, die ihren Wohnsitz in B haben, sind Eheleute, die beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist Deutscher. Er erzielt als beamteter Verwaltungsjurist im Inland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG). Die Klägerin ist Französin. Sie erzielt als Arbeitsmedizinerin in Frankreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die aufgrund des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik vom 21. Juli 1959 i.d.F. des Zusatzabkommens vom 20. Dezember 2001 (künftig: DBA D/F) in Deutschland versteuert werden "Grenzgängerin").

Den Einkommensteuererklärungen der Kläger für 1999 und 2000 waren bezüglich der Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit Lohnnachweise mit folgenden Daten (in FF) beigefügt:

 19992000
Bruttobezüge357.472358.428
Einbehaltene Arbeitnehmeranteile  
 zur gesetzlichen Sozialversicherung47.56847.537
 zu Betriebs-, Pensions- und Sterbekassen34.79134.953
Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung9.18310.538

Der Beklagte rechnete die Daten unter Anwendung der amtlichen Umrechnungskurse (FF/EUR: 6,55957 und DM/EUR: 1,95583) in DM um. Die Sozialversicherungsbeiträge der Klägerin berücksichtigte er zusammen mit denen des Klägers bei den Sonderausgaben im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Die Bescheide sind im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht wegen dieser Vorschrift anhängige Verfahren für vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO erklärt. Bei der Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen ist der Beklagte in mehreren Punkten von den Erklärungen (Umrechnungskurs, Umtauschkosten) abgewichen.

Gegen die Einkommensteuerbescheide legten die Kläger Einsprüche ein, die der Beklagte mit Entscheidung vom 2. Oktober 2002 als unbegründet zurückwies. Am 28. Oktober 2002 erhoben die Kläger Klage. Sie beantragen sinngemäß (Bl. 1, 54),.

die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000, insoweit zu ändern,

als der wahre Wert des Francs-Einkommens und die Kosten des Umtausches von FF in DM - für jeden Veranlagungszeitraum 500 EUR - und

die an die französischen Sozial- und Vorsorgekassen abgeführten Beträge in voller Höhe

1999: 47.568 + 34.791= 82.359 FF,

2000: 47.537 + 34.953 = 82.490 FF

berücksichtigt werden.

Zur Begründung tragen sie Folgendes vor:

Umrechnung und Umtauschkosten der Fremdwährungseinnahmen (Bl. 18 ff., 51 ff, 87 f.)

Die Fremdwährungseinnahmen der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit seien mit dem wahren Wert umzurechnen. Die Umstellung der Umrechnung aufgrund gemittelter Kassakurse (bis 1998) auf die festen offiziellen Euro-Wechselkurse (ab 1. Januar 1999) habe für die Kläger als Grenzgängerfamilie wie eine Steuererhöhung gewirkt.

Der in B lebenden Klägerin sei der Lohn erst nach ihrer Umrechnung in DM im steuerlichen Sinne zugeflossen. Der Umtausch vom französischen Konto in DM-Barmittel oder Kontoeinlagen in B sei keine der privaten Lebensführung zuzurechnende Einkommensverwendung. Erst durch den Transfer des Geldes nach Deutschland habe die Klägerin über den Lohn verfügen können. Die Umtauschkosten seien deshalb als Werbungskosten zu berücksichtigen (BFH vom 19. Januar 1996 VI R 77/94). Zudem widerspreche die Verweigerung des Abzuges der Umtauschkosten dem Europarecht.

Belege über den Umtausch seien nicht verfügbar. Der Umtausch sei aus Sicherheitsgründen in kleineren Summen an den damals an der Landesgrenze vorhandenen Kassenhäuschen erfolgt. Hierbei habe es weder Einzahlungs- noch Auszahlungs- noch Umtauschbelege gegeben. Die Höhe der Umtauschkosten sei unter Berücksichtigung der Einkünfte der Klägerin und der inländischen Lebenshaltungskosten mit 500 EUR pro Veranlagungszeitraum zu schätzen.

Beschränkte Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (Bl. 20 ff., 55 ff., 59 ff., 76 ff.)

Die Frage liege dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Zudem seien die Situation von Grenzgängern und die Besonderheiten des französischen Sozialkassensystems zu berücksichtigen. Der Umstand, dass auch für diese erhöhten Beträge die beschränkte Abzugsfähigkeit gelte, verstoße gegen europäisches Recht (Art 12, 39 EG-Vertrag) und gegen Art. 3, 6, 12 und 14 GG. Der im Inland wohnende Grenzgänger werde durch die Regelungen der Art. 14, 20 DBA-Frankreich drei Mal zur Kasse gebeten (unmittelbare Zahlungen in die französische Sozialkasse, mittelbare Zahlungen über die Steuer an die deutschen Sozialkassen und Quellenbesteuerung in Frankreich beim Rentenbezug). In Frankreich seien die Lohnbeiträge, welche die Rentenversicherung und die Vorsorgeversicherung mit Beiträgen decken, vom Bruttolohn vollständig absetzbar: Der Arbeitgeberanteil werde als nicht steuerbares Einkommen behandelt. Würde man der ökonomischen Vernunft folgen, müssten die Kläger ihren Wohnsitz nach Frankreich verlegen. Dies widerspreche dem Europarecht. Der Europäische Gerichtshof habe sich bereits mehrfach gegen unangemessene, inkohärente steuerliche Regelungen der Mitgliedsstaaten gewandt (s. Fälle "Danner" und "Wielockx"). Unter diesem Aspekt sei das zu versteuernde Einkommen der Antragsteller um die fraglichen Beträge zu mindern.

Der Beklagte beantragt (Bl. 31),

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Zur Begründung trägt er Folgendes vor:

Umrechnung und Umtauschkosten der Fremdwährungseinnahmen (Bl. 29 f.)

Die Umrechnungskurse seien zum 1. Januar 1999 gesetzlich festgelegt worden. Die Umrechnung zu Kursen aus Zeiträumen vor 1999 sei dem Beklagten verwehrt.

Nach der Rechtsprechung des BFH seien nur die Bankgebühren als Werbungskosten abziehbar, die durch die Gutschrift des Gehalts auf dem Konto anfielen. Mit dem Eingang des Lohns auf dem französischen Gehaltskonto der Klägerin sei der Lohn steuerrechtlich zugeflossen und nicht erst bei Überweisung auf das Bankkonto in Deutschland. Die sich nach der Gutschrift auf dem französischen Konto anschließende Verwendung - auch soweit sie der Begleichung der auf den Arbeitslohn der Klägerin entfallenden deutschen Einkommensteuer diene - liege im Bereich der privaten Einkommensverwendung (BFH vom 9. Mai 1984 VI R 63/80, BStBl. II 1984, 560).

Beschränkte Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (Bl. 30 f., 70 ff.)

Diesbezüglich seien die streitigen Bescheide wegen des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens mit einem "Vorläufigkeitsvermerk" nach § 165 Abs. 1 AO versehen worden.

Die steuerliche Behandlung der ausländischen Sozialversicherungsausgaben und die Versteuerung der daraus resultierenden Alterseinkünfte führten zu keiner Diskriminierung gegenüber inländischen Arbeitnehmern und widerspreche auch nicht höherrangigem Recht (EG-Vertrag). Da § 10 Abs. 3 EStG die Steuerpflichtigen nicht nach ihrem Wohnsitz oder der Herkunft des Einkommens unterschiedlich behandle, liege keine Diskriminierung nach EG-Recht, insbesondere nach Art. 39 EGV vor. Die direkten Steuern fielen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Deshalb würden - wie auch vorliegend - Unterschiede, die auf der fehlenden Harmonisierung der Einkommensteuer auf Gemeinschaftsebene beruhten, nicht gegen EG-Recht verstoßen, auch wenn die Höhe der Steuer durchaus auch eine Rolle bei der Wohnortentscheidung spielen könne. Das von den Klägern vorgetragene Problem liege im DBA D/F, das vorliegend die Besteuerung der laufenden Einkünfte der Klägerin dem Wohnsitzstaat und die des Ruhegehalts dem Kassenstaat zuweise.

Mit Schriftsätzen vom 15. und 17. Mai 2006 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 80, 81). Der wesentliche Akteninhalt wurde den Beteiligten mit Schreiben vom 7. Juni 2006 (Bl. 83 ff.) übersandt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat die Fremdwährungseinkünfte zutreffend umgerechnet. Eventuelle Umtauschkosten sind vorliegend nicht als Werbungskosten abziehbar. Ein Verstoß gegen den EG-Vertrag ist nicht feststellbar.

1. Umrechnung der Fremdwährungseinnahmen und Kosten des Transfers

a. Mit Beginn der Endstufe der Währungsunion sind zum 1. Januar 1999 die Wechselkurse der Teilnehmerwährungen (u.a. des FF und der DM) untereinander und zur ECU unwiderruflich fixiert worden (Art. 118, 121 EGV). Nach diesen amtlichen Wechselkursen hat der Beklagte die streitigen Umrechnungen vorgenommen. Ob und inwieweit diese von den bisherigen mittleren Kassakursen abweichen, spielt keine Rolle.

b. Lohnzahlungen sind dem Arbeitnehmer zugeflossen, wenn sie so in seinen Herrschaftsbereich gelangt sind, dass er wirtschaftlich über sie verfügen kann (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG). Im Falle der Überweisung auf ein Bankkonto ist dies der Fall, wenn das Gehalt dem Konto des Arbeitnehmers bei der Bank gutgeschrieben worden ist. Als Werbungskosten sind die Bankgebühren anzuerkennen, die durch die beruflich veranlassten Überweisungen entstanden sind. Dagegen sind andere Aufwendungen (z.B. Fahrtkosten zur Bank, um das Geld abzuheben oder um Überweisungsaufträge zu erteilen) in aller Regel nicht abziehbar, weil sie der Einkommensverwendung dienen und deshalb das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG eingreift (BFH vom 9. Mai 1984 VI R 63/80, BStBl. II 1984, 560).

Mit Urteil vom 19. Januar 1996 VI R 77/94, BFH/NV 1996, 541 hat der BFH ausnahmsweise Transferkosten zum Werbungskostenabzug zugelassen, weil dort der inländische Arbeitgeber das Gehalt des in Paris arbeitenden Steuerpflichtigen auf eine inländische Bank überwiesen hatte und der Kläger deshalb erst durch den Transfer des Geldes auf sein Konto in Paris in der Lage war, über den Lohn für seine täglichen Lebensbedürfnisse zu verfügen.

c. Hiervon unterscheidet sich die Situation im vorliegenden Falle grundlegend. Die Klägerin wohnt mit ihrer Familie in unmittelbarer Grenznähe und sucht arbeitstäglich den räumlichen Bereich der französischen Bank auf, auf die ihr Lohn überwiesen wird. Sie kann damit ohne weiteres in jeder erdenklichen Weise - auch zu Zwecken der Lebensführung - über die gutgeschriebenen Beträge verfügen. Hierzu gehört auch die der Lebensführung zuzuordnende Entscheidung, das Gehalt in Frankreich oder in Deutschland auszugeben oder anzulegen. Die Annahme eines Ausnahmefalles der im Urteil des BFH vom 19. Januar 1996 a.a.O. genannten Art kommt damit vorliegend nicht in Betracht, so dass eine Berücksichtigung der fraglichen Aufwendungen bereits aus diesem Grund ausscheidet.

Zudem ist ungeklärt (und im Verfahren auch nicht mehr zu klären), ob und in welchem Umfang der Lohn tatsächlich nach Deutschland transferiert worden ist. In Deutschland stand das DM-Gehalt des Klägers zur Bestreitung der Lebensführung zur Verfügung. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das Gehalt der Klägerin für die in Frankreich anfallenden Aufwendungen und das des Klägers für die in Deutschland anfallenden Aufwendungen verwendet worden ist. Andere Bewohner des grenznahen Raumes, die in Frankreich einkaufen, dort ihren Urlaub verbringen u.ä., mussten hierzu in den Streitjahren DM in FF umwechseln, ohne diese Kosten steuerlich geltend machen zu können. Die Kläger waren dementsprechend auch nicht in der Lage, ihre Behauptung, es sei ein nennenswerter Transfer des Gehalts der Klägerin nach Deutschland erfolgt, an Hand objektiv nachvollziehbarer Beweismittel zu belegen. Es ist gerichtsbekannt, dass der Umtausch an den Grenzwechselstellen nicht ohne die Möglichkeit der Belegausgabe erfolgt ist. Ob ein Umtausch in nennenswertem Umfang tatsächlich erfolgt ist, erscheint - wie gesagt - im Hinblick auf die unmittelbare Grenznähe und die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten des Gehaltes der Klägerin in Frankreich nicht zweifelsfrei. Diese Zweifel haben die insoweit beweislastpflichtigen Kläger zu tragen.

d. Die vorstehend behandelte Frage der Abziehbarkeit von Transferkosten ist kein Problem des EG-Vertrages sondern des nationalen Steuerrechts.

2. Beschränkte Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen generell

Die streitigen Einkommensteuerbescheide sind u.a. wegen der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG nach § 165 AO vorläufig gestellt worden. Es ist unter den Beteiligten unstreitig, dass der Beklagte den Höchstbetrag nach geltender Gesetzeslage (§ 10 Abs. 3 EStG) zutreffend in Ansatz gebracht hat. Mit Urteil vom 11. Dezember 2002, XI R 17/00, BStBl. II 2003, 650 hat der BFH die Auffassung vertreten, dass § 10 Abs. 3 EStG nicht verfassungswidrig ist. Dagegen ist Verfassungsbeschwerde beim BVerfG (Az. 2 BvR 912/03) eingelegt worden. Ein weiteres Verfahren ist beim BVerfG (Az. 2 BvL 1/06) durch den Vorlagebeschluss des BFH vom 14. Dezember 2005 X R 20/04, BStBl. II 2006, 312 (zur Abzugsfähigkeit von Krankenversicherungsbeiträgen) anhängig geworden. Der Beklagte hat den mit dem Ausgang dieser Verfahren verbundenen Unsicherheiten hinreichend Rechnung getragen, indem er die angefochtenen Bescheide insofern für vorläufig erklärt hat.

3. Beschränkte Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen betreffend die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit

a. Arbeitnehmerbeiträge zur Krankenversicherung

Soweit die Abzüge vom Gehalt der Klägerin die Krankenversicherung betreffen (s. die Aufstellung der Kläger auf S. 10 des Schriftsatzes vom 11. Januar 2006, Bl. 59), gelten keine Besonderheiten. Sie sind zusammen mit den entsprechenden Aufwendungen des Klägers bei den Sonderausgaben im Rahmen der zulässigen Höchstbeträge zu berücksichtigen. Europarechtliche Fragen stellen sich insofern nicht.

b. Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung

Die steuerliche Behandlung der Einzahlungen der Klägerin in die Rentenkassen und die Besteuerung ihrer späteren Renteneinkünfte verletzt nach Auffassung des Senats nicht die Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV - Amsterdamer Fassung). Da weder die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EGV noch das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EGV verletzt sind, kommt eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 EGV nicht in Betracht.

(1) Bei einem deutsch/französischen Besteuerungsvergleich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und den daraus resultierenden Rentenbezügen ist Folgendes festzustellen:

In Deutschland wirken sich die Beiträge der Klägerin zur Rentenversicherung infolge der Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 EStG - wie für alle Personen in gleicher Einkommenssituation, die dem deutschen Steuerrecht unterliegen - bei der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steuerlich nicht aus. Nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a EStG 1999/2000 werden Renten im Zeitpunkt der Auszahlung mit dem sog. "Ertragsanteil" besteuert. Der steuerpflichtige Teil der Rentenbezüge beträgt bei einem zum Rentenbeginn 65-jährigen Steuerpflichtigen in den Streitjahren 27 Prozent. Die Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004 strebt an, die Renten, auch wenn diese vor dem Jahr 2040 beginnen, ab dem Jahr 2005 der sog. nachgelagerten Besteuerung zu unterwerfen.

In Frankreich sind Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung "Régime obligatoire") nach Art. 82 Code général des Impôts - CGI - (Fassung 2001) mit ihrem vollen Betrag zu versteuern. Dem steht die Möglichkeit gegenüber, die Beiträge während der Zeit der Einzahlung nach Maßgabe des Art. 83 CGI von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen (Mémento pratique, Francis Lefebvre, Fiscal, Levallois 2001, Rdn. 1862, 1865 ff.). Für die gesetzliche Grundversorgung "Régimes obligatoires, régimes de sécurité sociale") gilt dies in vollem Umfang. Beiträge für die gesetzliche Zusatzversorgung "Régimes obligatoires, régimes complémentaires") waren im Veranlagungszeitraum 2001 nach Maßgabe des Art. 83 Abs. 2 CGI beschränkt abzugsfähig, und zwar - dem Klägervortrag zufolge (Bl. 63) - 1999 bis zu einem Höchstbetrag von 40.237 EUR und 2000 von 40.875 EUR (vgl. auch Mémento a.a.O., Rdn. 1867). Die Beiträge für eine freiwillige Zusatzversicherung konnten 1999/2000 nicht steuermindernd berücksichtigt werden (Mémento a.a.O., Rdn. 1862; s. auch Duthilleul in Debatin/Wassermeyer, Jan. 2004, DBA, Frankreich, Anh. Rdn. 82 ff.).

(2) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA D/F unterliegen Arbeitnehmer grundsätzlich der Besteuerung durch den Staat, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Art. 13 Abs. 5 Buchst. a und b DBA D/F unterwirft Grenzgänger, die 20 km diesseits und jenseits der Grenze wohnen und arbeiten, der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat. Steuerpflichtige, die Einkünfte aus öffentlichen Kassen beziehen, sind nach Artikel 14 Abs. 1 S. 1 DBA D/F grundsätzlich im Kassenstaat steuerpflichtig. Aus "öffentlichen Kassen" i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 1 DBA stammen auch die Bezüge, die von einer französischen juristischen Person des öffentlichen Rechts gezahlt werden (Kramer in Debatin/Wassermeyer, Okt. 2002, DBA, Frankreich, Art. 14 Rdn. 12). In Art. 21 DBA D/F vereinbaren die Vertragsstaaten ein gegenseitiges Diskriminierungsverbot.

Der Senat geht aufgrund der praktizierten Besteuerung der laufenden Einkünfte und aufgrund des Namens "C" davon aus, dass der Arbeitgeber der Klägerin - auch wenn dessen Unternehmen seine Grundlage in Art. R 241-12 Code du Travail haben und staatlicher Kontrolle unterliegen mag (s. dazu die Erläuterungen der Kläger, Bl. 61 f.) - eine privatrechtliche Vereinigung ist. Dagegen handelt es sich bei dem Rententräger, der E, den Darlegungen der Kläger zu Folge (Bl. 60) um eine öffentlich-rechtliche Einrichtung (s. dazu die - nicht vollständigen - Übersichten zu den französischen Sozialversicherungsträgern - "öffentliche Kassen" - bei FinMin Baden-Württemberg 29. August 1994, S 1301 Frankreich/7, welche die E nicht aufführen).

(3) Voraussetzung für den Anwendungsbereich aller Grundfreiheiten ist, dass ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt. Der sachliche Anwendungsbereich des EG-Vertrages ist nicht auf interne Sachverhalte auszudehnen, die keinerlei Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweisen (z.B. EuGH vom 12. Juli 2005 C-403/03 "Schempp", DStR 2005, 1265 20 m.w.N.). Der Bezug zum Gemeinschaftsrecht ist vorliegend gegeben, weil sich die Klägerin regelmäßig zur Berufsausübung zu ihrem französischen Arbeitgeber von Deutschland nach Frankreich begibt.

Die EG-Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit (Art. 39 ff. EGV), die vorliegend als einzige der Grundfreiheiten tangiert sein könnten, sollen den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stehen allen - auch verdeckten - Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen. Sie verbieten auch, dass der Herkunftsstaat die freie Annahme und Ausübung einer Beschäftigung durch einen seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat behindert (ständige Rechtsprechung des EuGH z.B. Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "De Groot", Slg. 2002, I-11819; vom 29. April 2004 C-387/01 "Weigel", Slg. 2004, I-4981; vom 15. September 2005 C-464/02, BFH/NV 2006, Beil.1, S. 6 m.w.N.). Eine solche Behinderung kann grundsätzlich auch durch das Steuerrecht der Mitgliedsstaaten erfolgen.

Bei der Prüfung einer dementsprechenden Behinderung ist zu beachten, dass es eine gemeinschaftsrechtliche Harmonisierungspflicht bisher nur für die indirekten Steuern gibt (Art. 94 EGV). Dagegen ist die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens ausschließlich Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten und ihrer nationalen Fiskalhoheit. Die Steuersysteme der Mitgliedsstaaten stehen bei den direkten Steuern in einem Wettbewerb um die günstigsten Standortbedingungen. Deshalb hat der EuGH bei der Prüfung einer eventuellen Diskriminierung stets betont, dass sich Gebietsangehörige und Gebietsfremde nicht in einer vergleichbaren Lage befinden (z.B. EuGH vom 5. Juli 2005 C-376/03 "D.", DStR 2005, 1219; vom 1. Juli 2004 C-169/03 "Wallentin", Slg. 2004, I-6443 m.w.N.).

(4) Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 293 EGV gehalten, Vertragsverhandlungen zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung aufzunehmen. Über die Art der Beseitigung der Doppelbesteuerung existieren auf Gemeinschaftsebene bisher keine Vereinheitlichungs- und Harmonisierungsbestimmungen. Zwar dürfen auch Doppelbesteuerungsabkommen nicht den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten zuwider laufen. Es steht den Mitgliedsstaaten aber ansonsten grundsätzlich frei, im Rahmen bilateraler Abkommen die Anknüpfungspunkte für die Aufteilung der Steuerhoheit festzulegen. Die bilateralen Abkommen orientieren sich normalerweise - wie auch das DBA D/F - an dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen, das die Rechtsprechung des EuGH als aus der Völkerrechtspraxis entstandene und gemeinschaftsrechtlich vertretbare Möglichkeit zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung angesehen hat.

Deshalb stellt eine Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen der vertragsschließenden Staaten keine gegen Art. 39 EGV verstoßende Diskriminierung dar, wenn diese ihren Grund in der mangelnden Harmonisierung der direkten Steuern dieser Staaten hat (EuGH vom 5. Juli 2005 C-376/03 "D.", DStR 2005, 1219, Rnr 49 - 52; vom 12. Mai 1998 C-336/96 "Gilly", Slg. 1998, I-2823; BFH vom 9. November 2005 I R 27/03, BFH/NV 2006, 995 jew. m.w.N.). Führt also - wie vorliegend - die Aufteilung der Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten durch ein DBA zu einer Ungleichbehandlung (gemessen am Vergleich der nationalen Rechtssysteme der Vertragsstaaten), so sind nicht die speziellen Grundfreiheiten (wie z.B. Art. 39 EGV), sondern allenfalls das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV verletzt. Die Zuteilung der Besteuerungsrechte als solche kann nicht gegen die Grundfreiheiten verstoßen, sondern lediglich die Ausgestaltung eines bereits zugewiesenen Besteuerungsrechtes in den nationalen Steuerrechtssystemen der Mitgliedstaaten (EuGH-Rechtsprechung im Ertragsteuerrecht, Ernst & Young, Bonn, Berlin 2005, S. 182 f.; Saß, DB 1998, 1482). Eine Diskriminierung i.S.d. Art. 12 EGV liegt vor, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleichartige Situationen oder wenn dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (ständige Rechtsprechung des EuGH, z.B. Urteil vom 11. August 1995 C-80/94 "Wielockx", Slg. 1995, I-2508).

(5) Im Entscheidungsfall werden die Einkünfte der Klägerin infolge mangelnder Harmonisierung der nationalen Steuerrechtssysteme in Frankreich ertragsteuerlich anders als in Deutschland behandelt. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen und der Steuersätze, sondern auch - insbesondere bezüglich der hier interessierenden Besteuerung der Alterseinkünfte - bezüglich der besteuerungssystematischen Zusammenhänge zwischen der Abziehbarkeit von Rentenbeiträgen und der späteren Rentenbesteuerung. Während in den Streitjahren

in Deutschland die Renten u.ä. Bezüge nur mit dem Ertragsanteil besteuert werden (und die Beitragszahlungen nur im begrenzten Rahmen des § 10 Abs. 3 EStG abziehbar sind), werden sie

in Frankreich im Wesentlichen mit ihrem vollen Betrag der Besteuerung unterworfen (und die Beitragszahlungen werden in weitgehendem Umfang von den laufenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen).

Durch das DBA D/F werden die laufenden Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit nach dem für Grenzgänger geltenden Wohnsitzprinzip der deutschen Besteuerung und die der späteren Renteneinkünfte nach dem Kassenprinzip der französischen Besteuerung unterworfen. Dass dadurch eine Doppelbesteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einerseits und der Renteneinkünfte andererseits vermieden wird, steht außer Frage. Eine offene oder verdeckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ist - entsprechend Art. 21 DBD D/F - nicht feststellbar und wird insofern auch von den Klägern nicht behauptet.

In dem o.g. Verfahren "Gilly", das ebenfalls die Besteuerung deutsch/französischer Grenzgänger betraf (dort allerdings mit Wohnsitz in Frankreich), hat der EuGH das sich am OECD-Musterabkommen orientierende DBA D/F geprüft und unter gemeinschaftsrechtlicher Sicht unbeanstandet gelassen. Nicht vom DBA D/F, das nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV verstößt, sondern erst von den nationalen Rechten hängt es ab, ob sich die Aufteilung des Besteuerungsrechtes zugunsten oder zuungunsten eines Ausländers auswirkt. Es ist kaum anzunehmen, dass den Partnern des Abkommens verborgen geblieben ist, dass die Renteneinkünfte (und die vorangehenden Beitragszahlungen) von Grenzgängern in der beschriebenen Weise versteuert werden. Sie haben dies unter Abwägung mit anderen Prinzipien (Wohnsitz-/Kassenprinzip) zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Kauf genommen.

Eine Diskriminierung liegt auch insofern nicht vor, als die Klägerin - im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die dem französischen Steuerrecht unterliegen - ihre Zahlungen an die Rentenkassen nicht einkommensmindernd geltend machen kann und ihre späteren Renteneinkünfte (nach der für die Streitjahre geltenden Regelung) - im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die dem deutschen Steuerrecht unterliegen - in vollem Umfang und nicht nur mit dem Ertragsanteil zu versteuern hat. Denn es gibt keinen zwingenden Rechtsgrundsatz des Steuerrechts, wonach ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Rentenbesteuerung und der steuerlichen Abzugsmöglichkeit der Rentenbeitragszahlungen besteht. Renten können auch dann in vollem Umfang der Besteuerung unterworfen werden, wenn - aus welchen Gründen auch immer - eine vorherige Abzugsmöglichkeit der Beitragszahlungen nicht bestanden hat. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und die Renteneinkünfte sind insofern voneinander unabhängige Einkunftsquellen. So werden auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Kapitalerträge ohne Rücksicht darauf der Besteuerung unterworfen, dass sich der Aufbau des Kapitalstamms nicht steuermindernd ausgewirkt hat, sondern im Gegenteil i.a.R. aus versteuerten Einkünften gebildet wird. Die von den Klägern empfundene Ungleichheit besteht - wie gesagt - vielmehr in der mangelnden Harmonisierung der beiden Steuerrechtssysteme im Bereich der direkten Steuern.

(6) Die Sache "Gilly" und der vorliegende Fall unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von den Entscheidungen "Wielockx" und "Danner", auf die sich die Kläger berufen. In den beiden letztgenannten Fällen ging es - im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt - um die Übereinstimmung der nationalen Steuersysteme (nach Aufteilung der Besteuerungshoheit durch ein DBA) mit dem Gemeinschaftsrecht:

In Sachen "Wielockx" (Urteil des EuGH vom 11. August 1995 C-80/94, Slg. 1995, I-2508) war einem in den Niederlanden tätigen Belgier - im Gegensatz zu den gebietsansässigen Personen - der Abzug von Beiträgen zur Altersrente versagt worden, weil er in Belgien gewohnt hat.

In Sachen "Danner" (Urteil vom 3. Oktober 2002 C-136/00, Slg. 2002, I-8171) war in Finnland der Abzug von Beiträgen zur Altersversorgung ausgeschlossen, weil sie an eine ausländische Versorgungseinrichtung gezahlt worden sind.

Zwar mag es wünschenswert erscheinen, die Rentenbesteuerung wäre im DBA D/F dadurch in sich schlüssiger geregelt worden, dass sowohl die laufenden als auch die Renteneinkünfte einem der Vertragsstaaten, die hierfür in ihren nationalen Steuerrechtssystemen jeweils in sich kohärente Regelungen vorsehen, zugewiesen werden. Hierfür gibt es aber nach der Rechtsprechung des EuGH für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung.

4. Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens werden gemäß § 135 Abs. 1 FGO den Klägern auferlegt.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zur Klärung der Frage zugelassen, inwieweit die nach dem EG-Vertrag bestehenden Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten - hier insbesondere das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EGV und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 EGV - die Mitgliedstaaten beim Abschluss von DBA verpflichten, bei der Aufteilung der Steuerpflicht Regelungen zu vereinbaren, bei denen die Besteuerung der Renten unter Berücksichtigung der vorherigen Abziehbarkeit der Rentenbeiträge erfolgt.

Ende der Entscheidung

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