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Gericht: Finanzgericht Saarland
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 1 V 1152/07
Rechtsgebiete: FGO, AO
Vorschriften:
FGO § 69 Abs. 2 | |
AO § 163 | |
AO § 227 |
Finanzgericht Saarland
Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 20. November 2006
In dem Rechtsstreit ...
hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts Dr. Schmidt-Liebig als Vorsitzenden sowie
den Richter Hardenbicker und
die Richterin am Finanzgericht Hörndler
am 8. August 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 20. November 2006 wird bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Entscheidung ergeht unanfechtbar.
Gründe:
I. Die Antragsteller werden beim Antragsgegner zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller erzielte als Maurermeister / Polier bei der Bauuntenehmung G KG, S-Stadt, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Am 12. Mai 1993 erwarb der Antragsteller von der Gemeinde X den Bauplatz "I-Straße 10, G-Stadt". Von 1993 bis 1998 errichtete er dort ein Gebäude mit sieben Wohneinheiten für 645.323 DM. Hiervon veräußerte er 1998 die Wohneinheiten 1, 2 u. 5 für insgesamt 504.800 DM noch vor ihrer endgültigen Fertigstellung. Die Wohneinheiten 3, 4 u. 6 vermietete er an Dritte. Die Wohneinheit Nr. 7 wird von den Antragstellern selbst genutzt.
Die Einkommensteuer-Erklärung 1998 enthielt keine Angaben über gewerbliche Grundstücksgeschäfte der Antragsteller. Der Antragsgegner, dem die Veräußerungen aufgrund der Mitteilungspflichten der Notare bekannt geworden waren, erließ am 18. Februar 2000 den Einkommensteuerbescheid 1998 - wie auch den Änderungsbescheid vom 6. Juni 2001 - hinsichtlich der Wohnungsveräußerungen gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig. Am 20. November 2006 änderte der Antragsgegner den Einkommensteuerbescheid 1998 nach § 165 Abs. 2 AO, in dem er im Hinblick auf die Wohnungsverkäufe Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 239.036 DM ansetzte.
Dagegen legten die Antragsteller am 12. Dezember 2006 Einspruch ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung. Den Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner am 20. Dezember 2006 ab und wies mit Entscheidung vom 27. Februar 2007 auch den hiergegen gerichteten Einspruch zurück. Über den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 ist noch nicht entschieden.
Am 27. März 2007 beantragten die Antragsteller bei Gericht sinngemäß (Bl. 1),
die Vollziehung des Änderungsbescheides vom 20. November 2006 zur Einkommensteuer 1998 bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Der Antragsteller habe von Anfang an nur die Absicht gehabt, eine Einheit selbst zu bewohnen und die restlichen Einheiten zu vermieten. Das Objekt habe der Altersversorgung der Antragsteller dienen sollen. Bei den Vermietungsverhandlungen hätten aber zwei Interessenten den Wunsch nach einem Eigentumserwerb geäußert, dem der Antragsteller schließlich nachgekommen sei, auch um einen Leerstand und einen Ausfall an Finanzierungsmitteln zu vermeiden (Bl. 2).
Die Verkäufe hätten die 3-Objekt-Grenze nicht überschritten. Die zusätzliche Voraussetzungen, von denen die BFH-Rechtsprechung in solchen Fällen ein gewerbliches Handeln abhängig mache, würden nicht vorliegen. Im übrigen habe der Antragsgegner die Höhe der Einkünfte unzutreffend ermittelt und die Festsetzungsfrist sei spätestens am 31. Dezember 2003 abgelaufen. Denn der BMF habe die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 26. März 2004 IV A 6-S 2240/46/04 angewiesen, die neue Sichtweise der 3-Objekt-Grenze nur auf Veräußerungen anzuwenden, die nach dem 31. Mai 2002 stattgefunden hätten. Da der Verkauf der drei Grundstücksobjekte lange vor diesem Zeitpunkt erfolgt sei, hätte der Antragsteller darauf vertrauen können, dass eine Änderung des Steuerbescheides 1998 trotz der Vorbehaltsanordnung nicht mehr erfolgen werde (Bl. 3, 28 f.).
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 24),
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2007 weist er darauf hin, dass an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides keine ernstlichen Zweifel bestünden. Bezüglich der Ermittlung des Gewinns sei zu beachten, dass der Beginn der gewerblichen Tätigkeit der Zeitpunkt der Stellung des Bauantrags (hier: der 18. April 1994) sei, so dass sowohl der Grund und Boden nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG als auch die veräußerten Wohneinheiten nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten anzusetzen seien (Bl. 23).
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Vorläufigkeitsvermerk im Ursprungsbescheid vom 18. Februar 2000 unzulässig gewesen sei, stehe dies der Änderung durch den angefochtenen Bescheid vom 20. November 2006 nicht entgegen. Denn der unzulässige Vorläufigkeitsvermerk hätte nicht etwa die Nichtigkeit, sondern allenfalls die Rechtswidrigkeit zur Folge gehabt. Da die Antragsteller den ursprünglichen Steuerbescheid hätten unanfechtbar werden lassen, könnten Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Festsetzung im Verfahren gegen den nunmehr geänderten, endgültigen Steuerbescheid nicht mehr nachgeholt werden (Bl. 23 f.).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten des Antragsgegners Bezug genommen.
II. Der nach § 69 Abs. 4 FGO zulässige Aussetzungsantrag ist auch begründet. Dem Antragsteller ist im Hinblick auf Rdnr. 36 des BMF-Schreibens vom 26. März 2004 IV A 6-S 2240/46/04, BStBl. I 2004, 434, 440 Vertrauensschutz zu gewähren.
1. Voraussetzungen der AdV
Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung der Vollziehung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (§ 69 Abs. 2 FGO).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides bestehen dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (ständige Rechtsprechung, grundlegend BFH vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967, 533;vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).
2. Zweifel an der Rechtmäßigkeit
Bei Durchführung einer summarischen Prüfung im vorgenannten Sinne bestehen zwar keine ernstlichen Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Bescheid kann aber im Hinblick darauf, dass dem Antragsteller Vertrauensschutz zu gewähren ist, letztlich keinen Bestand haben.
a. Ein Steuerpflichtiger, der - wie der Antragsteller - ein unbebautes Grundstück erwirbt, um es nach Bebauung alsbald (ganz oder teilweise) wieder zu veräußern, wird nicht wie ein privater Grundstücksverwalter, sondern wie ein gewerblicher Wohnungsbauunternehmer tätig. Denn die private Grundstücksverwaltung wird vor allem durch die langfristige Anlage von Vermögenswerten, nicht durch die kurzfristige Schaffung und Veräußerung derselben geprägt. Hieran ändert auch die vom BFH aus Gründen der Praktikabilität erfundene "3-Objekt-Grenze" nichts, durch die - mehr oder weniger willkürlich - erhebliche Wertschöpfungen im Grundstücksbereich von der Einkommensteuer freigestellt werden. Dies entspricht nicht nur seit jeher der Rechtsprechung des Senats (s. bereits Urteil vom 11. Februar 1983 I 642-643/81, EFG 1983, 247), sondern wohl auch dem Beschluss des Großen Senats vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BStBl II 2002, 291. Hierauf kommt es vorliegend aber letztlich nicht entscheidend an.
b. Es ist nämlich nicht zu verkennen, dass die breite Mehrheit der Senate des BFH die "3-Objekt-Grenze" so rigide angewandt hat, dass der BFM diese seinem Schreiben vom 20. Dezember 1990 IV B 2 - S 2240 - 61/90, BStBl I 1990, 884 zu Grunde gelegt hat. Dort heißt es u.a.:
"Die Veräußerung von bis zu drei Objekten ist grundsätzlich nicht gewerblich (sog. "Drei-Objekt-Grenze"). Dies gilt auch dann, wenn der veräußernde Steuerpflichtige eine dem Bau- und Grundstücksmarkt nahestehende Person (z.B. Architekt, Bauunternehmer, Immobilienmakler) ist" ... (Rdnr. 8)
"Bebaut ein Steuerpflichtiger ein Grundstück oder erwirbt er ein unbebautes Grundstück zur Bebauung , liegt stets ein gewerblicher Grundstückshandel vor, wenn mehr als drei Objekte in engem zeitlichem Zusammenhang ... mit ihrer Errichtung veräußert werden und der Steuerpflichtige mit Veräußerungsabsicht handelt." (Rdnr. 17).
Die Praxis des Steuerrechts hat sich auf diese langjährige Verwaltungsanweisung mit einer Reihe von Gestaltungsmodellen eingestellt, zu denen auch das vom Antragsteller vorliegend angewandte gehört (Bau und Aufteilung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen, von denen bis zu drei Einheiten zur Entschuldung des Restobjekts veräußert werden). Zweifelsfrei haben diese Gestaltungen, denen gemeinsam ist, dass der Steuerpflichtige nicht mehr als drei Objekte veräußert, bei Anwendung des o.g. BMF-Schreibens nicht zur Annahme gewerblicher Grundstückgeschäfte durch die Finanzverwaltung geführt.
Dies hat sich nach dem Beschluss des Großen Senats vom 10. Dezember 2001 a.a.O. und dessen Berücksichtigung im BMF-Schreiben vom 26. März 2004 IV A 6-S 2240/46/04, BStBl I 2004, 434 geändert. Unter Rdnr. 28 führt das Schreiben aus:
"Abweichend von den Grundsätzen der "Drei-Objekt-Grenze" kann auch der Verkauf von weniger als vier Objekten in zeitlicher Nähe zu ihrer Errichtung zu einer gewerblichen Tätigkeit führen" (wird ausgeführt).
Diese Änderung der Rechtsauffassung soll nach der unter VI (Rdnr. 36) des BMF-Schreibens enthaltenen Anweisung jedoch erst auf Veräußerungen anwendbar sein, die nach dem 31. Mai 2002 stattgefunden haben. Hieraus folgt für den Entscheidungsfall, dass - nach Verwaltungsauffassung - gewerbliche Grundstücksgeschäfte jedenfalls nicht angenommen werden können, soweit nicht ein viertes Objekt veräußert worden ist (oder werden wird).
c. Zwar sind Verwaltungsanweisungen über die Anwendung und Auslegung zwingender Gesetze keine Rechtsnormen und binden deshalb die Gerichte grundsätzlich nicht. Eine Bindung der Gerichte an Verwaltungsvorschriften wird bisher nur im Bereich des Verwaltungsermessens anerkannt (FG des Saarlandes vom 7. Mai 2002 1 K 74/02, EFG 2002, 951). Gleichwohl gewährt der BFH in ständiger Rechtsprechung dem Steuerpflichtigen einen (auch die Gerichte bindenden) Vertrauensschutz, wenn die Finanzverwaltung - wie unter VI des o.g. BMF-Schreibens - auf der Grundlage der §§ 163, 227 AO Übergangsreglungen in Form von Verwaltungsvorschriften erlässt, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden (z.B.Urteil vom 16. März 2004 VIII R 33/02, BStBl II 2004, 927;31. Oktober 1990 I R 3/86, BStBl II 1991, 610). Den Erlass einer solchen Billigkeitsmaßnahme hat der Antragsteller durch die Berufung auf VI des o.g. BMF-Schreibens beantragt. Der Antragsgegner wird hierüber zu befinden haben. Es ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände ihm eine solche vorliegend verweigert werden könnte.
3. Nach alledem war dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattzugeben.
Die Kosten des Verfahrens werden gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem Antragsgegner auferlegt.
Die Entscheidung ergeht endgültig nach § 128 Abs. 3 FGO. Eine Zulassung der Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO kam nicht in Betracht. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft.
Ende der Entscheidung
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