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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Gerichtsbescheid verkündet am 04.03.2008
Aktenzeichen: 2 K 2146/04
Rechtsgebiete: BewG, II. BVO


Vorschriften:

BewG § 22 Abs. 1
BewG § 22 Abs. 3
BewG § 22 Abs. 4
II. BVO § 42 Abs. 4 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

2 K 2146/04

Einheitsbewertung

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken unter Mitwirkung

des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Peter Bilsdorfer als Vorsitzender sowie der Richterinnen am Finanzgericht Eva Hörndler und Dr. Anke Morsch

am 4. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eheleute. Sie streiten mit dem Beklagten um die zutreffende Bewertungsmethode (Ertragswert- oder Sachwertverfahren) für das von ihnen mit notariellem Vertrag vom 13. Juni 1996 zum Preis von 935.000 DM erworbene Grundstück in V

Für das vorerwähnte Grundstück war vom Beklagten im Sachwertverfahren ein Einheitswert von 338.000 DM festgestellt worden (Bescheid vom 24. Juni 1987, BewA, Bl. 64). Begründet wurde dies u.a. mit der Feststellung, dass die Wohnfläche des auf dem Grundstück errrichteten Einfamilienhauses mehr als 220 qm betrage (BewA, Bl. 45, 91).

Am 10. März 1997 stellten die Kläger wegen bestehender Baumängel einen Antrag auf Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1997 (BewA, Bl. 90). Hierauf ermäßigte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Juni 1997 den Einheitswert auf 309.900 DM (BewA, Bl. 94).

Am 10. Oktober 2002 beantragten die Kläger die Nachfeststellung auf den 1. Januar 2003 wegen der Abtrennung und Veräußerung einer Teilfläche (BewA, Bl. 98). Gleichzeitig stellten sie den Antrag auf Wertfortschreibung (Anwendung des Ertragswert- statt des Sachwertverfahrens). Sie gaben an, das Haus werde zu 20% zu freiberuflichen Zwecken -der Kläger betreibt in dem Gebäude auf einer Fläche von rd. 50 qm eine Steuerberaterpraxis- genutzt (Gebäudeplan, BewA, Bl. 101).

Mit Bescheid vom 25. Juni 2003 (BewA, Bl. 105) lehnte der Beklagte insbesondere unter Hinweis auf die Wohnfläche von mehr als 220 qm die Bewertung des Grundstücks im Ertragswertverfahren ab. Die für den Betrieb der Steuerberatungspraxis genutzte Fläche sei in die anrechenbare Wohnfläche mit einzubeziehen. Wegen Veränderung in der Grundstücksfläche erging am selben Tag ein geänderter Einheitswertbescheid, der hinsichtlich der Anwendung des Sachwertverfahrens keine Abweichung aufwies.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 29. Juli 2003 Einspruch ein (BewA).

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. März 2004 wurde der Einspruch insoweit als unbegründet zurückgewiesen, als die Kläger die Anwendung des Ertragswertverfahrens beansprucht hatten (Bl. 8).

Am 30. April 2004 erhoben die Kläger Klage (Bl. 1).

Sie beantragen (sinngemäß, Bl. 1),

den Einheitswertbescheid vom 25. Juni 2003 (Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2003) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2004 dahingehend zu ändern, dass für das Grundstück in V statt des Sach- das Ertragswertverfahren zur Anwendung kommt.

Die Kläger machen geltend (Bl. 19), das streitige Grundstück sei nicht besonders gestaltet. In die Wohnflächenberechnung seien die Räume nicht mit einzubeziehen, die vom Kläger für freiberufliche Zwecke genutzt werden. Da die herfür genutzte Fläche unstreitig 24 qm ausmache, ergäbe sich insgesamt eine anrechenbare Fläche von noch 212 qm, demzufolge also eine Fläche, der unter dem entscheidenden Wert von 220 qm liege. Entscheidend sei die tatsächliche Nutzung und nicht die mögliche (zu Wohnzwecken). § 42 Abs. 4 Nr. 4 der II. Berechnungsverordnung (II. BV) regele ausdrücklich die Nichteinbeziehung von Geschäftsräumen.

Der Beklagte beantragt (Bl. 11),

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass eine Wertfortschreibung allein nach § 22 BewG erreicht werden könne. Dies setze entweder eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraus oder aber eine fehlerhafte Bewertung, die es zu korrigieren gelte. Beides sei nicht der Fall. Die Einbeziehung der unstreitig zum Zwecke der Steuerberatungspraxis genutzten Räume mit insgesamt 24 qm sei bereits Gegenstand der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1997 gewesen. Insoweit sei keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Auch läge kein korrekturbedürftiger Fehler vor, da die freiberuflich genutzten Flächenanteile in die Berechnung der Wohnfläche eingehen müssten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Für das Grundstück der Kläger in V hat der Beklagte zu Recht das Sach- und nicht das Ertragswertverfahren zur Anwendung gebracht.

1. Rechtsgrundlagen

Nach § 22 Abs. 1, 3 BewG findet eine Wertfortschreibung auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt. Eine Fortschreibung ist vorzunehmen (§ 22 Abs. 4 BewG), wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen. Der Fortschreibung werden vorbehaltlich des § 27 BewG die Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde gelegt. Fortschreibungszeitpunkt ist

1. bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahrs, das auf die Änderung folgt;

2. in den Fällen des Absatzes 3 der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, bei einer Erhöhung des Einheitswerts jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird.

Ein Fehler wäre anzunehmen, wenn das Finanzamt statt des Ertragswertverfahrens unzutreffender Weise das Sachwertverfahren zur Anwendung gebracht hätte.

Nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des BFH weist ein Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche die Grenzgröße von 220 qm überschreitet, eine besondere Gestaltung i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG auf und ist deshalb im Sachwertverfahren zu bewerten (zuletzt BFH vom 23. August 2007 II B 71/06, BFH/NV 2007, 2247 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt darin nicht (BVerfG vom 16. Juli 2004 1 BvR 1139/04).

Die Wohnflächenberechnung erfolgt in Anlehnung an die II. BVO (BFH vom 12. Februar 1986 II R 192/78, BStBl II 1986, 320). Nach § 42 Abs. 4 Nr. 4 II. BV gehören Geschäftsräume nicht zur Wohnfläche. Geschäftsräume im Sinne dieser Vorschrift sind grundsätzlich nur solche Räume, die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung auf die Dauer anderen als Wohnzwecken, insbesondere gewerblichen oder beruflichen Zwecken zu dienen bestimmt sind und solchen Zwecken dienen. Allerdings können Geschäftsräume auch Räume mit einer indifferenten baulichen Anlage sein, die in gleicher Weise für Wohnraum oder zu Geschäftszwecken genutzt werden können. Solche Räume sind jedoch nur dann Geschäftsräume im Sinne des § 42 Abs. 4 Nr. 4 II. BVO, wenn sie tatsächlich zu geschäftlichen oder gewerblichen Zwecken benutzt werden und vom Wohnbereich in ausreichender Weise getrennt sind. Dies ist der Fall, wenn sie in räumlicher, wirtschaftlicher und funktioneller Beziehung so von den Wohnräumen getrennt sind, dass sie nicht mit diesen als Einheit angesehen werden können (FG Köln vom 18. August 1992 4 K 3856/89, EFG 1993, 504). Dazu ist erforderlich, dass die Geschäftsräume keine Verbindung zu den Wohnräumen haben und einen selbständigen Zugang besitzen (Pergande / Heix in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Wohnungsbaurecht, II. BV, § 42 Anm. 11 m.w.N.).

Allein eine solche Betrachtung erfüllt nach Meinung des Senats die Grundsätze des Bewertungsrechts, wonach ein nicht abgetrennter Teil einer wirtschaftlichen Einheit eben keiner besonderen Bewertung bzw. Betrachtungsabweichung zugänglich ist.

2. Anwendung im Streitfall

Im Streitfall kommt eine Korrektur (Wertfortschreibung) jedenfalls deswegen nicht in Betracht, weil der streitige Bescheid keinen korrekturfähigen Fehler ausweist. Die Bewertung des Grundstücks der Kläger im Sachwertverfahren ist rechtmäßig, da der Beklagte zu Recht die freiberuflich genutzten Flächen des Hauses in die Wohnflächenberechnung einbezogen und damit zu einer Wohnfläche von mehr als 220 qm gelangt ist, die alleine bereits die Anwendung des Sachwertverfahrens rechtfertigt.

Im Streitfall fehlt es -ungeachtet der speziellen Nutzung zum Zwecke einer freiberuflichen Tätigkeit- an der wirtschaftlichen und funktionellen Selbständigkeit der als Geschäftsraum geltend gemachten Flächen im Verhältnis zu den Wohnräumen. Die streitigen Räumlichkeiten ("Bauernzimmer", "Arbeitszimmer") können allein deshalb benutzt werden, weil sie die Verkehrsflächen ("Garderobe", "Diele") gemeinsam mit den unstreitig zu Wohnzwecken genutzten sonstigen Räumlichkeiten haben (Bl. 103). Das "Arbeitszimmer" kann sogar nur dann erreicht werden, wenn das Wohnzimmer der Kläger durchquert wird. Umgekehrt sind auch das im Eingangsbereich gelegene WC sowie die Garderobe ohne Weiteres sowohl für Arbeitnehmer und Mandanten der Steuerberatungskanzlei wie auch für die sonstigen Bewohner und Gäste des Hauses erreich- und nutzbar.

Ein gedachter Erwerber des Hauses könnte ohne jedweden Umbau die Räume des Hauses insgesamt für Wohnzwecke nutzen. Das äußere Erscheinungsbild des Hauses ist -schon vom Umfang der freiberuflich genutzten Räume her- keinesfalls unterschiedlich (hier Steuerberatungspraxis, dort Wohnräume) geprägt, sondern stellt sich im Sinne einer Einheit dar (dazu auch BFH vom 9. November 1988 II R 61/87, BStBl II 1989, 135).

Dies alles rechtfertigt die Einbeziehung der streitigen Büroflächen in die Wohnfläche des Hauses, mit der Folge, dass gemäß § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG eine Bewertung nach dem Sachwertverfahren zu erfolgen hat.

3. Damit konnten die Kläger mit ihrem Klagebegehren keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, da er der hier streiterheblichen Frage, unter welchen Umständen freiberuflich genutzte Flächen in die Wohnflächenberechnung einzubeziehen sind, grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Ende der Entscheidung

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