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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Gerichtsbescheid verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 2 K 2221/06
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 31 S. 3
EStG § 64 Abs. 2 S. 1
EStG § 68 Abs. 1
AO § 37 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

2 K 2221/06

Kindergeld

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Peter Bilsdorfer als Berichterstatter

am 13. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger streitet mit der Beklagten um die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsanspruchs bezüglich einer Kindergeldforderung.

Der Kläger ist Vater der am 21. September 1976 geborenen Tochter M. Bei M liegt eine Schwerbehinderung vor (KiG, Bl. 55), weshalb die Beklagte auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres Kindergeld zahlt. M lebt im Haushalt ihrer Mutter, deren Ehe mit dem Kläger am 1. Oktober 1991 rechtskräftig geschieden wurde (KiG, Bl. 85, 91 ff.). Nach der Ehescheidung zog der Kläger aus der gemeinsamen Wohnung aus. M wohnte weiterhin dort. Die Beklagte zahlte auch danach das Kindergeld an den Kläger.

Nachdem die Beklagte mittels einer Meldebescheinigung im Jahre 2005 in Erfahrung gebracht hatte, dass M im Haushalt der Mutter und nicht in dem des Klägers lebte, hob sie mit Bescheid vom 13. März 2006 die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger auf und forderte von diesem das Kindergeld für den Zeitraum Januar 1996 bis Juli 2005 i.H. von 15.395,68 Euro zurück (KiG, Bl. 94).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 13. April 2006 Einspruch ein (KiG, Bl. 109). Den Einspruch wies die Beklagte am 24. April 2006 als unbegründet zurück (KiG, Bl. 122).

Am 26. Mai 2006 erhob der Kläger Klage (Bl. 1).

Er beantragt sinngemäß (Bl. 1),

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 13. März 2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2006 aufzuheben.

Der Kläger macht geltend, im Rahmen eines Scheidungsvergleichs seiner Ehefrau monatliche Zahlungen i.H. von 1.050 DM geleistet zu haben. Diese Zahlungen dienten nicht zuletzt im Interesse von M dem Erhalt des vormals gemeinsamen Haushalts. Hierin sei quasi auch ein Zufluss von Kindergeld an seine geschiedene Ehefrau zu sehen.

Eine Rückforderung scheide auch aus, weil diese Zahlweise einvernehmlich zwischen ihm und seiner geschiedenen Ehefrau erfolgt sei. Zudem sei der Kindergeldkasse kein Schaden entstanden, weil diese ja ohnehin habe Kindergeld zahlen müssen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Einspruchsentscheidung.

Auf die Aufforderung des vormaligen Berichterstatters gegenüber der Mutter von M hat diese die Abgabe einer Weiterleitungserklärung verweigert (Bl. 71).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger ist zur Rückzahlung des Kindergeldes verpflichtet. Der streitige Bescheid ist rechtmäßig.

1. Rechtsgrundlagen

Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten entsprechend dem sog. Obhutsprinzip demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Eltern trennen und das Kind anschließend nur bei einem Berechtigten im Haushalt lebt (vgl. BFH vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BStBl II 1999, 231). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt darin nicht (vgl. BFH vom 10. November 1998 VI B 125/98, BStBl II 1999, 137).

2. Anwendung im Streitfall

Im Streitfall haben sich die für die Zahlung des Kindergeldes erheblichen Verhältnisse dadurch geändert, dass der Kläger nach Scheidung seiner Ehe im Jahr 1991 M nicht mehr in seinen Haushalt aufgenommen hatte. Ab diesem Zeitpunkt stand das Kindergeld daher nicht mehr dem Kläger, sondern der Mutter von M zu. Die bisherige Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Klägers war demgemäß vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an -hier jedoch lediglich im Rahmen der Festsetzungsverjährung- aufzuheben (§ 70 Abs. 2 EStG). Einen Entscheidungsspielraum besitzt die Verwaltung insoweit nicht (BFH vom 10. November 1998 VI B 125/98, BStBl II 1999, 231; BFH vom 14. Mai 2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425).

Aufgrund der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 1996 war der Kläger daher gemäß § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn seit diesem Zeitpunkt gezahlte Kindergeld von insgesamt 15.395,68 Euro zu erstatten. Denn ist eine Steuervergütung, zu der das Kindergeld gemäß § 31 Satz 3 EStG zählt, ohne rechtlichen Grund gezahlt, so hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (hier: die Beklagte), nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger (hier: dem Kläger) einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Diese Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).

Durch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung mit Bescheid des Beklagten vom 13. März 2006 ist der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes an den Kläger weggefallen. Dieser ist daher verpflichtet, der Beklagten den zurückgeforderten Betrag zu erstatten.

Vertrauensschutzgedanken stehen dem nicht entgegen, weil der Kläger als ursprünglich Kindergeldberechtigter seine im Rahmen des Kindergeldrechtsverhältnisses bestehende Mitwirkungspflicht objektiv dadurch verletzt hat, dass er die Änderung der Wohnverhältnisse der Kindergeldkasse gegenüber nicht offenbart hatte. Gemäß § 68 Abs. 1 EStG hat derjenige, der Kindergeld beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen (vgl. BFH vom 10. November 1998 VI B 125/98, BStBl II 1999, 231). Ob der Kläger von dieser Verpflichtung wusste, ist unerheblich. Er hat jedenfalls objektiv hiergegen verstoßen.

Ob der Kläger --unterhaltsrechtlich gesehen-- einen Betrag in Höhe des vollen Kindergeldes an seine geschiedene Ehefrau gezahlt und diese eine etwaige zivilrechtliche Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger anerkannt hat, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Belang. Denn durch zivilrechtliche Vereinbarungen, auch wenn sie durch gerichtlichen Vergleich bestätigt werden, kann § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht außer Kraft gesetzt werden (vgl. BFH vom 14. Mai 2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425). Insoweit ist auch der Vortrag des Klägers, er sei von seiner geschiedenen Ehefrau als Berechtigter nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG bezeichnet worden, ohne jeden Belang. Die Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG kommt nur dort zum Tragen, wo ein gemeinsamer Haushalt von mehreren Berechtigten besteht.

Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch der Beklagten auch nicht darauf berufen, er habe das Kindergeld an seine geschiedene Ehefrau als vorrangig Berechtigte weitergeleitet. Unabhängig davon, welchen Charakter man der Anerkennung einer solchen Erklärung zuweist (dazu BFH vom 14. Mai 2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425), hat die Mutter von M unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine solche Weiterleitungserklärung nicht abgibt.

Insgesamt schließt sich der Senat auch der Auffassung des BFH an, wonach es im sog. Weiterleitungsverfahren nicht Aufgabe der Familienkasse (und damit auch der Finanzgerichte) ist, Unterhaltsvereinbarungen bzw. -zahlungen unter verschiedenen Kindergeldberechtigten (Ehegatten) zu berücksichtigen, zu überprüfen und zivilrechtlich zu beurteilen (vgl. BFH vom 14. Mai 2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425). Bei Wechsel der Anspruchsberechtigung ist es vielmehr Sache der Kindergeldberechtigten, ihre privatrechtlichen Vereinbarungen interessengerecht zu regeln (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Mai 1999 VI B 39/99, [...]). Ob sie dies tun und in welchem Umfang etwa die Mutter von M den aus ihrer Sicht bestehenden Ausgleichsansprüchen -über das Maß des jetzigen Streitverfahrens hinaus- nachgeht, spielt für die Streitentscheidung keine Rolle.

3. Die von der Beklagten getroffene Entscheidung ist daher insgesamt nicht zu beanstanden. Somit war die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kosten des Verfahrens waren dem Kläger aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO).

Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestand keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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