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Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: 2 K 2284/04
Rechtsgebiete: BierStG 1993


Vorschriften:

BierStG 1993 § 1 Abs. 1 S. 1
BierStG 1993 § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

2 K 2284/04

Biersteuer

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Peter Bilsdorfer als Vorsitzender,

die Richterinnen am Finanzgericht Hörndler und Dr. Anke Morsch sowie

die ehrenamtlichen Richter Bubel (Geschätsführer) und Neumann (kaufmännische Angestellte)

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Biersteuer für die Klägerin für das Jahr 2004 der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden ist. Streitig ist, ob die Erhöhung der Sätze in § 2 Abs. 2 Biersteuergesetz (BierStG) 1993 um 12 v.H. durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 2004 in verfassungsgemäßer oder verfassungswidriger Weise zustande gekommen ist.

Die Klägerin ist eine mittelständische Brauerei mit einer Jahreserzeugung von unter 200.000 hl im Jahr 2004. Mit ihrer Produktion unterliegt sie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BierStG 1993 der Biersteuerpflicht.

Für das in ihrem Betrieb produzierte Bier, für das nach § 7 Abs. 1 BierStG 1993 Biersteuer entstanden ist, hat sie als Steuerschuldnerin gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BierStG 1993 jeweils bis zum siebten Tag des Folgemonats bei dem nach § 17 Biersteuerverordnung (BierStV) zuständigen Hauptzollamt S (Bl. 4 Einspr-A) eine Steuererklärung abgegeben.

Der Beklagte legte den vorläufigen Monatsbescheiden und dem - endgültigen - Jahresbescheid 2004 vom 7. Februar 2005 (Bl. 36) die ab 1. Januar 2004 gültigen ermäßigten Steuersätze gemäß § 2 Abs. 2 BierStG 1993 (sog. Mengenstaffel) zugrunde, die durch Art. 15 HBeglG 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I, 3076) von vormals 50%, 60%, 70% und 75% auf Sätze von 56%, 67,2%, 78,4% und 84% erhöht wurden.

Gegen den Steuerbescheid für den Monat Januar 2004 vom 9. Februar 2004 (Bl. 6) legte die Klägerin am 5. März 2004 Einspruch ein (Bl. 2 Einspr-A), den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2004 als unbegründet zurückwies (Bl. 13 Einspr-A). Auch gegen die weiteren Monatsbescheide und den - endgültigen - Jahresbescheid vom 7. Februar 2005 (Bl. 36) legte die Klägerin Einsprüche ein.

Mit der am 29. Juli 2004 ursprünglich gegen den Monatsbescheid für Januar 2004 erhobenen Klage beantragt die Klägerin,

das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Änderung durch das HBeglG 2004 sei formell und materiell verfassungswidrig.

Die formelle Verfassungswidrigkeit folge daraus, dass bereits das Anrufungsbegehren an den Vermittlungsausschuss unzulässig gewesen sei, indem es die Einbeziehung des "Koch-Steinbrück-Papiers" als Ziel mit aufgenommen habe (Bl. 84 ff.), da diesbezüglich zuvor keine Debatte im Bundestag stattgefunden habe (Bl. 85). Das Papier sei zudem weder dem Anrufungsbegehren beigefügt gewesen, noch seien dessen Aussagen darin inhaltlich wiedergegeben worden (Bl. 86).

Das "Koch-Steinbrück-Papier" sei zwar in der vom Haushaltsausschuss durchgeführten öffentlichen Anhörung zum HBeglG 2004 am 8. Oktober 2003 wiederholt erwähnt worden, sei aber selbst nicht Gegenstand der Anhörung gewesen. Die bloße Vorstellung des Papiers durch zwei Mitglieder des Bundesrates sei nur als politische Meinungsäußerung zu sehen (Bl. 87 f.). Auch die Tatsache, dass das Papier als Ausschussdrucksache 15/8/852 verteilt wurde, sei keine ordentliche Einbringung. Das gelte selbst dann, wenn man unterstelle, dass die Landesminister Diekmann (NRW) und Riebel (Hessen) als Beauftragte für die ordentlichen Mitglieder ihrer Länder teilgenommen hätten, da gemäß Art. 43 Abs. 2 GG auch den Landesministern allenfalls ein Anhörungsrecht zustehe (Bl. 89). Deswegen hätten auch die Fraktionen von CDU/CSU und FDP betont, dass es sich nicht um eine Einbringung ins Gesetzgebungsverfahren handele (BT-Drks. 15/1751, S. 3 ff.). Die Beratung in einem Ausschuss ersetze nicht die Beratung im Plenum, da dadurch die parlamentarischen Rechte der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) unangemessen verkürzt würden (vgl. BVerfG vom 13. Mai 1986 1 BvR 99/85; 461/85, BVerfGE 72, 175). Aus diesem Grund sei auch der Widerspruch gegen die Einbeziehung des Papiers durch die Abgeordneten Kampeter (CDU/CSU) und Fricke (FDP) in der 2. und 3. Lesung zum HBeglG 2004 im Bundestag am 17. Oktober 2004 erfolgt (BT-Plenarprotokoll 15/67, S. 5762 B, D, 5763 B; 5770 D, 5832 ff.).

Weiterhin habe der Vermittlungsvorschlag den Umfang des Anrufungsbegehrens überschritten. Bei der Änderung im BierStG handele es sich nicht um Subventionsabbau im Sinne des "Koch-Steinbrück-Papiers", noch lasse sich die vorgenommene Regelung auf dieses Papier zurückführen (Bl. 91). Vielmehr sei durch die Änderung in § 2 Abs. 2 BierStG eine Steuererhöhung erfolgt. Die bisherige Regelung sei nur der Belastungsgleichheit gefolgt und habe keine außersteuerlichen Ziele verfolgt. Schon historisch habe die Mengenstaffel dem Schutz kleinerer und mittlerer Brauereien gedient. Zudem hätte ein Subventionsabbau lediglich eine Kürzung der Ermäßigung zur Folge haben dürfen - ungeachtet des Umstandes, dass die Kürzung ohnehin auf drei Jahre verteilt vorgesehen war. Im Ergebnis habe die Neuregelung eine Mehrbelastung von bis zu 36 v. H. bewirkt (Bl. 92 f.).

Diese Verstöße seien durch die Verabschiedung des HBeglG 2004 im Plenum des Bundestages am 19. Dezember 2003 nicht geheilt worden (Bl. 94).

Zudem sei mit der Verfahrensweise gegen den Grundsatz der parlamentarischen Öffentlichkeit (Art. 42 Abs. 1 Satz 2 GG) verstoßen worden (Bl. 99 f.), da es für die Abgeordneten zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen sei, dass das BierStG Regelungsgegenstand des HBeglG 2004 habe werden können. Ebenso liege ein Verstoß gegen das Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) vor, da der Vorschlag des Vermittlungsausschusses eine Gesetzesinitiative darstelle (Bl. 100).

Das von der Verwaltung in parallelen Verfahren angeführte Schreiben des parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesministerium der Finanzen Diller vom 22. August 2003 stehe ebenfalls außerhalb des maßgeblichen Gesetzgebungsverfahrens und weise auf das "Koch-Steinbrück-Papier" zudem nur für künftige Vorschläge der Bundesregierung hin (Bl. 102 f.). Die Bezugnahmen auf das Papier in den Reden der Abgeordneten Schöler (SPD) und Rexrodt (FDP) im Rahmen der 1. Lesung des Regierungsentwurfs im Bundestag am 9. September 2003 habe nicht zu einer Einbeziehung in das Gesetzgebungsverfahren geführt, zumal die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu dieser Zeit noch nicht vorgelegen hätten (Bl. 103). Am 24. September 2003 habe der Abgeordnete Spiller (SPD) in der 27. Sitzung des Finanzausschusses zwar auf diese Vorschläge verwiesen. Sie seien jedoch nicht weiter erörtert worden (Bl. 103 f.). Dabei habe der Abgeordnete aber bereits zum Ausdruck gebracht, dass diese im Rahmen des zu erwartenden Vermittlungsverfahrens einbezogen würden (Bl. 104). Als Einbringung ins Gesetzgebungsverfahren könnten auch die Hinweise einzelner Sachverständiger auf im Rahmen der öffentlichen Anhörung des BT-Haushaltsausschusses am 8. Oktober 2003 nicht gesehen werden, da solche Hinweise eine Einbringung durch ein initiativberechtigtes Organ nicht ersetzen könnten. Zudem sei auch bei dieser Anhörung von einer Änderung im BierStG nicht gesprochen worden (Bl. 105 f.).

Selbst die abschließende Beratung im Haushaltsausschuss am 15. Oktober 2003 habe letztlich nur dazu gedient, die spätere Einbeziehung dieser Vorschläge durch den Vermittlungsausschuss zu ermöglichen (Bl. 106 ff.). Das gleiche gelte für die 36. Sitzung des Finanzausschusses vom 15. Oktober 2003. Auch hier seien ausdrücklich - vom Abgeordneten Dr. Meister (CDU/CSU) - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorgehensweise erhoben worden. Diesen sei ebenfalls entgegen gehalten worden, dass die Erörterung im Ausschuss ausreiche, um die Kompetenzen für den Vermittlungsausschuss zu eröffnen (Bl. 108 ff.). Die anderslautende Ansicht der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium Dr. Hendricks zur Einbringung sei insoweit unzutreffend (vgl. BT-Protokoll der 36. Sitzung des Finanzausschusses vom 15. Oktober 2003, S. 63; Bl. 34). Es sei deutlich zu erkennen, dass - vermeintlich - die Voraussetzungen dafür geschaffen werden sollten, dem Vermittlungsausschuss die Einbeziehung des "Koch-Steinbrück-Papiers" ohne vorherige inhaltliche Diskussion im Bundestag zu ermöglichen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung).

Auch die Verweise in einzelnen Redebeiträgen auf das "Koch-Steinbrück-Papier" bei der 2. und 3. Lesung im Bundestag am 17. Oktober 2003 seien im Hinblick auf die strikten Vorgaben des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens unbeachtlich und stellten keine Einbringung dar (Bl. 110 f.).

Aber selbst wenn von einer ordnungsgemäßen Einbringung des "Koch-Steinbrück-Papiers" auszugehen sein sollte, wäre die Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG verfassungswidrig, da sie in dieser Form nicht im "Koch-Steinbrück-Papier" enthalten gewesen sei (Bl. 113).

Die Änderung sei auch materiell verfassungswidrig, da sie gegen den rechtsstaatlichen Dispositionsschutz und das Gleichheitsgebot verstoße und die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen missachte (Bl. 114 ff.).

Durch die Änderung sei in schutzwürdiges Vertrauen eingegriffen worden. Denn die Änderung habe in bereits verbindliche Dispositionen der Brauereien eingegriffen. Die Bezugs- und Lieferverträge seien längst abgeschlossen gewesen. Es hätte einer Übergangslösung bedurft (Bl. 114 ff.).

Weiterhin sei ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben, da die Anhebung umso gravierender ausfalle, je kleiner die Brauerei sei und die Mehrbelastung bis zu 36 v. H. betrage (Bl. 116 ff.). Dabei werde insbesondere die Leistungsfähigkeit der kleineren Brauereien nicht berücksichtigt, die von der Änderung am stärksten betroffen seien (Bl. 118 f.).

Der Beklagte beantragt (Bl. 13),

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, an dem verfassungsmäßigen Zustandekommen des HBeglG 2004 bestünden keine Zweifel. Die im Vermittlungsverfahren zustande gekommenen Änderungen hielten sich im Rahmen des zulässigen Anrufungsbegehrens des Bundesrates und des ihm zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens. Das Verfahren habe den vom BVerfG im Beschluss vom 15. Januar 2008 (2 BvL 12/01, BFH/NV 2008, 248) aufgestellten Anforderungen genügt (Bl. 14, 125 ff.).

Es sei insbesondere von Anfang an klar gewesen, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück in das Gesetzgebungsvorhaben einbezogen werden sollten (vgl. Anschreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Karl Diller vom 22. August 2003, a.a.O.; Bl. 127 ff.).

Der Senat hat durch Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2008 (Bl. 38), der Klägerin zugestellt am 7. August 2008 (Bl. 57) die Klage als unbegründet abgewiesen. Am 5. September 2008 (Bl. 58) hat die Klägerin Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Dem Senat hat die Einspruchsakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Klage ist zulässig, wenngleich sie gegen den vorläufigen Biersteuerbescheid für den Monat Januar 2004 erhoben wurde. Denn inzwischen ist der endgültige Jahressteuerbescheid auf der Grundlage der tatsächlichen Jahresproduktion des Jahres 2004 nach § 17 Abs. 2 Satz 3 BierStV ergangen. Damit ist der Jahresbiersteuerbescheid nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er den Monatsbiersteuerbescheid "ersetzt" hat (vgl. BFH vom 22. Oktober 2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502 zur Umsatzsteuer).

B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit der Änderung der ermäßigten Steuersätze des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 durch Art. 15 HBeglG 2004 überzeugt.

I. Der Beklagte hat die Biersteuer dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgesetzt.

Nach § 2 Absatz 1 Satz 2 BierStG 1993 beträgt die Biersteuer je Hektoliter Bier 0,787 Euro je Grad Plato - dem Stammwürzegehalt des Bieres in Gramm je 100 Gramm Bier (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BierStG 1993). Abweichend hiervon sieht § 2 Abs. 2 BierStG 1993 einen ermäßigten Steuersatz vor für Bier aus unabhängigen Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200.000 Hektolitern. Die Klägerin ist - unstreitig - eine im Sinne von § 2 Abs. 3 und 4 BierStG unabhängige Brauerei, deren Jahreserzeugung 2004 noch unter 20.000 hl blieb. Die Festsetzung entspricht den gesetzlichen Vorgaben.

II. Die Biersteuer für die Klägerin ist auch auf Grund eines gültigen und verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes festgesetzt worden. Der Senat ist - trotz der in der Literatur vielfach geäußerten Bedenken - nicht davon überzeugt, dass die geänderte Regelung in verfassungswidriger Weise zustande gekommen ist.

1. Gesetzgebungsverfahren

Das HBeglG 2004 wurde als Gesetzentwurf der Bundesregierung am 15. August 2003 dem Bundesrat (BR-Drks 652/03, S. 1) und am 8. September 2003 dem Bundestag (BT-Drks 15/1502) zugeleitet. Der Entwurf wurde als besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG bezeichnet, weil die erfolgreiche Umsetzung des Haushaltsstabilisierungskonzepts 2004 ein zeitgleiches Inkrafttreten mit dem Bundeshaushalt 2004 zum 1. Januar 2004 erfordere (BT-Drks 652/03 - Übersendungsschreiben des Bundeskanzlers an den Präsidenten des Bundesrates).

Das BierStG war in dem Entwurf nicht angesprochen. Auch in der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung vom 1. Oktober 2003 (BT-Drks 15/1639) findet sich kein Hinweis auf das BierStG.

Im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf wurde - nach Ankündigung am 28. September 2003 in der ARD-Talkshow "Sabine Christiansen" - ein von dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und seinem hessischen Kollegen Roland Koch erarbeitetes Papier am 30. September 2003 in Berlin allgemein vorgestellt (WDR-Archiv 30. September 2003). In diesem Papier ("Koch-Steinbrück-Papier") ist im "Bereich I - Subventionsabbau" als Regelabbau eine Kürzung von Subventionen von 12% grds. in 3 Jahren vorgesehen. Dort ist als laufende Nummer 27 die Mengenstaffel bei der Biersteuer genannt, deren Subventionswirkung durch "Anhebung der gestaffelten Steuersätze um 12% in 3 Schritten" reduziert werden sollte ("Koch-Steinbrück-Papier", S. 21). Allerdings wurde weder in den Medien noch sonst erkennbar das BierStG konkret angesprochen.

Der Bericht des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 (BT-Drks 15/1751 vom 16. Oktober 2003) erwähnt das "Koch-Steinbrück-Papier" mehrfach; es wurde dem Ausschuss-Vorsitzenden formal mit der Bitte überreicht, es per Umdruck allen Abgeordneten zur Kenntnis zu geben (BT-Drks 15/1751 vom 16. Oktober 2003, S. 4 oben links), was dann auch geschah. Zugleich wurde jedoch ausdrücklich betont, dass die Vorschläge keine Einbringung in das parlamentarische Verfahren darstellten (BT-Drks 15/1751, S. 5 unten links).

Der Entschließungsantrag von 35 Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU vom 14. Oktober 2003 zur dritten Beratung des Gesetzentwurfs (BT-Drks 15/1752 vom 15. Oktober 2003) spricht das "Koch-Steinbrück-Papier" erstmals ausdrücklich im Gesetzgebungsverfahren an, indem "Die Bundesregierung ... aufgefordert <wurde> - umgehend die inhaltliche Ausgestaltung der angekündigten gesetzlichen Regelungen <...> zur Umsetzung der Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück im parlamentarischen Verfahren offen zu legen."

In einem weiteren Entschließungsantrag von 37 Abgeordneten und der Fraktion der FDP vom 15. Oktober 2003 zur dritten Beratung des Gesetzentwurfs (BT-Drks 15/1753 vom 16. Oktober 2003) wurde ein genereller Subventionsabbau gefordert und beantragt, "sämtliche Subventionen und staatliche Zuwendungen ... linear um 20 Prozent zu kürzen." (BT-Drks 15/1753 vom 16. Oktober 2003, S. 4 unter II. 3.).

Für die 793. Sitzung des Bundesrates am 7. November 2003 beantragte das Land Baden-Württemberg eine pauschale Kürzung aller Subventionen (BR-Drks 729/2/03 vom 6. November 2003). In der 793. Sitzung vom 7. November 2003 begrüßte der damalige Finanzminister den "weiteren Vorschlag" der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück und betonte, es sei erforderlich, alles <mit seinem eigenen Vorschlag zu> kombinieren und noch weiter <zu> gehen (BR-Plenarprotokoll der 739. Sitzung vom 7. November 2003, S. 427). In dieser Sitzung wurde dann die Ausschussempfehlung angenommen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Als Ziel der Anrufung war formuliert:

"1. das Gesetz grundlegend zu überarbeiten

und

2. die Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück zum Abbau von Steuervergünstigungen und Finanzhilfen einzubeziehen, die in den Sitzungen des Haushaltsausschusses und des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 15. Oktober 2003 vorgelegt wurden."

Nach der Begründung des Anrufungsbeschlusses sind die Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück im Haushaltsausschuss und im Finanzausschuss beraten worden (BR-Drks 729/03 (Beschluss) vom 7. November 2003 und BT-Drks 15/1992 vom 11. November 2003).

Die Beschlussempfehlung zu dem HBeglG 2004, in dessen Artikel 8a - neu - die Änderung der Mengenstaffel in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 enthalten war (BT-Drks 15/2261 vom 16. Dezember 2003), wurde dann in der 84. Sitzung der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am Freitag, 19. Dezember 2003, in namentlicher Abstimmung nahezu einstimmig angenommen (Stenographischer Bericht S. 7369, 7375 ff). Dies obwohl einige Abgeordnete verfassungsrechtliche Bedenken erhoben: Zum einen hinsichtlich der erstmals im Vermittlungsausschuss eingebrachten Subventionskürzungen aus dem "Koch-Steinbrück-Papier", zum anderen hinsichtlich des Umstandes, dass die Beschlussvorlagen erst weniger als 24 Stunden (Stenographischer Bericht S. 7440, 7441), die des HBeglG sogar erst am Vorabend zugeleitet worden waren (Stenographischer Bericht S. 7370).

Das HBeglG 2004 mit der in Art. 15 enthaltenen Änderung der ermäßigten Steuersätze des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 wurde am 31. Dezember 2003 verkündet und trat am 1. Januar 2004 in Kraft.

2. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Vorschläge des Vermittlungsausschusses

Das BVerfG hat in mehreren Verfahren ausführlich zu den Kompetenzen und Grenzen der Befugnisse des Vermittlungsausschusses Stellung genommen, zuletzt mit Beschluss vom 15. Januar 2008 (2 BvL 12/01, BFH/NV 2008, 248) im Anschluss an das Urteil vom 7. Dezember 1999 (2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162).

Danach verfügt der Vermittlungsausschuss über kein eigenes Gesetzesinitiativrecht. Ihm kommt daher lediglich die Aufgabe zu, auf der Grundlage dieses Gesetzesbeschlusses und des vorherigen Gesetzgebungsverfahrens Änderungsvorschläge zu erarbeiten, die sich sowohl im Rahmen der parlamentarischen Zielsetzung des Gesetzgebungsvorhabens bewegen als auch die jedenfalls im Ansatz sichtbar gewordenen politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat ausgleichen.

Erforderlich ist, dass die Anträge und Stellungnahmen vor dem Gesetzesbeschluss bekannt gegeben worden sind und die Abgeordneten in Wahrnehmung ihrer ihnen aufgrund ihres freien Mandats obliegenden Verantwortung (vgl. BVerfGE 102, 224, 238 f.) die Möglichkeit hatten, diese zu erörtern, Meinungen zu vertreten, Regelungsalternativen vorzustellen und hierfür eine Mehrheit im Parlament zu suchen.

Die Abgeordneten werden mit dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses mit einem fertigen Gesetzentwurf konfrontiert, dessen einzelne Bestandteile sie in diesem Verfahrensabschnitt nicht mehr in das übliche Beratungsverfahren aufnehmen können. Dies ist nur vertretbar, wenn es sich sämtlich um Regelungsgegenstände handelt, die jedenfalls dem Grunde nach im Gesetzgebungsverfahren erkennbar geworden sind. Andernfalls können auch keine Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat bestehen, auf deren Ausgleich das Vermittlungsverfahren zielt, da das Parlament mit dem Regelungsgegenstand noch nicht befasst war.

Der Vermittlungsvorschlag ist deshalb durch diejenigen Regelungsgegenstände begrenzt, die bis zur letzten Lesung im Bundestag in das jeweilige Gesetzgebungsverfahren eingeführt waren. Dies muss nicht in Form eines ausformulierten Gesetzentwurfs erfolgen. Der Regelungsgegenstand muss aber so bestimmt sein, dass seine sachliche Tragweite dem Grunde nach erkennbar wird. Eine allgemeine Zielformulierung genügt hierfür nicht (Franßen, Der Vermittlungsausschuss - politischer Schlichter zwischen Bundestag und Bundesrat?, in: Die Freiheit des Anderen, Festschrift für Martin Hirsch, 1981, 273, 280). So genügt etwa die bloße Formulierung eines Finanzierungszweckes nicht, über das Vermittlungsverfahren belastende steuerrechtliche Regelungen einzuführen.

3. Verfassungsmäßigkeit des Zustandekommen der Änderung

Die Änderung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 ist ohne Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt (Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1, Art. 76 Abs. 1 und Art. 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 5 GG) erfolgt.

Mit der Aufnahme einer Kürzung der Biersteuerermäßigung für kleinere Brauereien in den Einigungsvorschlag für das HBeglG 2004 hat der Vermittlungsausschuss seine Kompetenzen nicht überschritten (ebenso zur Einbeziehung des "Koch-Steinbrück-Papiers" - ohne Erwähnung der Änderung im BierStG mit Schwerpunkt auf dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) - Schenke, Das Koch-Steinbrück-Papier, das Haushaltsbegleitgesetz 2004 und die Grenzen der Änderungsbefugnisse des Vermittlungsausschusses, FR 2004, 638 und - zu den Änderungen im ErbStG - Wieland, Verfassungsfragen der Mitwirkung des Vermittlungsausschusses beim Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, [...] Praxisreport Steuerrecht 13/2004 Anm. 3; zur Änderung von § 45a PBefG durch das HBeglG 2004 OVG Sachsen-Anhalt vom 1. März 2007 1 L 205/06 -juris).

a) Der Anrufungsbeschluss ist nicht unzulässig und der Vermittlungsausschuss hat kein Gesetzesinitiativrecht in Anspruch genommen, das gemäß Art. 76 Abs. 1 GG ausschließlich dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zusteht.

Die Änderung der Mengenstaffel war zwar im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht enthalten. Entgegen den kritischen Stimmen in der Literatur, die auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 7. Dezember 1999 (2 BvR 301/98, a.a.O.) überwiegend zu den Änderungen in §§ 13a und 19 a ErbStG erhoben wurden (BB-Forum [Kaminski u.a.] "Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen" (Art. 77 Abs. 1 GG), BB 2004, 695; Gutike, Anmerkungen zum BMF-Schreiben und zur Verfassungsbeschwerde bezüglich des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, BB 2004, 190 ; Höninger/Levedag, Zur formellen Verfassungsmäßigkeit der Änderungen des ErbStG durch das HBeglG 2004, FR 2004, 739; Köster, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, Stbg. 2004, 251; Leisner, Die Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 - verfassungswidrig? NJW 2004, 1129, ders. Verfassungswidrigkeit des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 - gebotener Rechtsschutz gegen Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer? DStR 2004, 804; Wachter, Heimliche Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer, DB 2004, 31, ders., Verfassungsmäßigkeit des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, BB 2004, 780; Wendt, Von der Härte des Gesetzgebers und der Milde des BFH, FR 2004, 209), kommt es, wie das BVerfG in der Entscheidung vom 15. Januar 2008 klargestellt hat, nicht darauf an, dass es sich um ausformulierte Vorschläge handelt (so aber z.B. Wachter, a.a.O., 781; Wendt, a.a.O., 212).

Die Biersteuer ist zwar nicht ausdrücklich in den Lesungen im Bundestag angesprochen worden. Insoweit war sie nicht unmittelbar Bestandteil der öffentlichen Debatte. Sie war jedoch im "Koch-Steinbrück-Papier" in der Liste der Subventionskürzungen enthalten, von dem jedenfalls alle Abgeordneten des BT und die Mitglieder des BR Kenntnis hatten oder ohne Mühe Kenntnis nehmen konnten. Ob die Parlamentarier den Inhalt dieses Papiers im Einzelnen wahrgenommen und verstanden haben, kann dahingestellt bleiben, da diese Frage für das Gesetzgebungsverfahren generell nicht konkret gestellt wird. Bei vielen Gesetzentwürfen wird nicht über jede einzelne Änderung gesprochen.

Nach der in der Öffentlichkeit angekündigten Vorstellung des "Koch-Steinbrück-Papiers" wurde über dieses Papier zumindest in der 2. Lesung des Bundestages pauschal diskutiert (vgl. w. N. bei Höninger/Levedag, a.a.O., 743). Zudem wurde es im Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion vom 14. Oktober 2003 zur dritten Beratung des Gesetzentwurfs (BT-Drks 15/1752 vom 15. Oktober 2003) ausdrücklich angesprochen und in der 793. Sitzung des Bundesrates vom 7. November 2003 vom damaligen Finanzminister als weiterer Vorschlag begrüßt, der mit dem bisher Erarbeiteten kombiniert werden sollte (BR-Plenarprotokoll der 739. Sitzung vom 7. November 2003, S. 427). Auch von anderen Parlamentariern wurde in dieser Sitzung über das Papier gesprochen (BR-Plenarprotokoll der 793. Sitzung, z.B. S. 421 sowie die auch von der Klägerin hierzu zitierten Stellen), bevor in dem Beschluss des BR zur Anrufung des Vermittlungsausschusses ausdrücklich die Einbeziehung der Vorschläge des "Koch-Steinbrück-Papiers" gefordert wurde (BR-Drks 729/03 (Beschluss) vom 7. November 2003/BT-Drks 15/1992 vom 11. November 2003). Danach ist es nicht mehr von Bedeutung, ob mit dem Verteilen des "Koch-Steinbrück-Papiers" an alle Abgeordneten, wie im Bericht des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 dargestellt, eine Einbringung in das parlamentarische Verfahren gewollt war oder bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgt ist (BT-Drks 15/1751 vom 16. Oktober 2003). Denn es wurde spätestens in dieser Sitzung des Bundestages über dieses Papier gesprochen, wie auch die von der Klägerin zitierten Redebeiträge erkennen lassen. Ob und inwieweit dabei auf den Inhalt im Einzelnen tatsächlich eingegangen wurde, ist für seine Einbeziehung in das Gesetzgebungsverfahren letztlich ohne Bedeutung, da es allen Abgeordneten unbenommen blieb, auf Einzelheiten einzugehen. Spätestens mit der Einbeziehung des "Koch-Steinbrück-Papiers" in den Anrufungsbeschluss ist es insoweit Inhalt des Gesetzgebungsverfahrens geworden, dass die darin enthaltenen Vorschläge wie Bestandteile einer Stellungnahme des BR anzusehen sind.

Dabei spielt es keine Rolle, ob einzelne Abgeordnete bereits zuvor davon ausgegangen sind, dass die Befassung mit den Vorschlägen des "Koch-Steinbrück-Papiers" im Detail erst im Rahmen des Arbeit des Vermittlungsausschusses erfolgen würde. Denn eine Diskussion darüber wäre auch schon zuvor möglich gewesen. Warum sie - über alle Parteigrenzen hinweg - unterblieben ist, sei es aus Gründen der Überlastung der Abgeordneten oder aus sonstigen Gründen (vgl. hierzu exemplarisch den Hinweis der Abgeordneten Tillmann (CDU/CSU) in der 27. Sitzung des Haushaltsausschusses am 8. Oktober 2003, Stenographisches Protokoll Nr. 15/27, S. 65 dazu, dass zur Anhörung der Sachverständigen und zur Diskussion über die Familienpolitik weniger als ein Viertel der Ausschussmitglieder der Regierungskoalition anwesend war), ist letztlich ohne Belang.

b) Der Vermittlungsausschuss ist mit seinem Vorschlag auch im Rahmen des Anrufungsbegehrens und der bestehenden Differenzen zwischen Bundestag und Bundesrat geblieben.

Der Auftrag, "das Gesetz grundlegend zu überarbeiten", war sehr weit gefasst. Grundsätzlich sind aber auch sogenannte "offene Anrufungen" zulässig (Lücke in Sachs GG-Kommentar 3. Aufl. München 2003, Art 77 RdNr. 29, Höninger/Levedag, a.a.O., 745 m.w.N.). Vorliegend wurde die Anrufung durch die Bezugnahme auf das "Koch-Steinbrück-Papier" ergänzt. Damit wurde der weitere Abbau von Subventionen über eine - nach dem Beschluss des BVerfG vom 15. Januar 2008 unter C. I. 1. - unzulässige "bloße Formulierung eines Finanzierungswecks" hinaus konkretisiert. Die Vorschläge des Vermittlungsausschusses für weiteren Subventionsabbau waren damit auf die in dem allerdings sehr umfangreichen Katalog des "Koch-Steinbrück-Papiers" genannten Materien beschränkt. Die Mengestaffel war darin unter der laufenden Nr. 27 enthalten.

Zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat war das BierStG zwar kein konkreter Streitpunkt, über den zuvor offen gesprochen worden wäre. Streitig war indessen, in welcher Weise die Gegenfinanzierung der Vorziehung der dritten Steuerentlastungsstufe (Gesetzentwurf der Bundesregierung unter A, BR-Drks 652/03 vom 15. August 2003) durch das HBeglG 2004 im Einzelnen erfolgen sollte. Dazu wurden - neben ausführlich diskutierten Einsparungsvorschlägen wie bei der Entfernungspauschale oder der Eigenheimzulage -, generell weitere Subventionskürzungen gefordert (siehe Plenarprotokolle und die verschiedenen Anträge der Fraktionen und Länder).

c) Die Anhebung des ermäßigten Steuersatzes in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 ist vom Anrufungsbeschluss und den streitigen Punkten gedeckt.

Denn im "Koch-Steinbrück-Papier" war zwar eine Anhebung der ermäßigten Steuersätze um insgesamt 12% in drei Schritten vorgeschlagen und nicht - wie im Vermittlungsvorschlag - in einem Schritt. Die Grundlage war aber eine generelle Kürzung der Subventionen, die nach den im Entschließungsantrag der FDP-Fraktion zur dritten Beratung zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen linear sogar 20% betragen sollte (BT-Drks 15/1753 vom 16. Oktober 2003, S. 4 unter 3.), bzw. nach Ansicht der Abgeordneten Hajduk (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) noch über die Vorschläge im "Koch-Steinbrück-Papier" hinausgehen sollten (Plenarprotokoll 15/67 (neu) vom 17. Oktober 2003, S. 65 unter (D)). Auch in der Literatur wird eine weitergehende Abweichung von vorgeschlagenen Werten in die eine oder andere Richtung für zulässig erachtet (Maunz in Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Art. 77 RdNr. 16).

Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich auch nicht um eine Steuererhöhung oder um eine Subventionskürzung, die über diese Beträge hinausginge.

Eine Kürzung von Subventionen, die über steuerliche Ermäßigungen gewährt worden sind, sieht aus wie einen Steuererhöhung, da für den identischen Sachverhalt mehr Abgaben zu zahlen sind als zuvor. Dennoch handelt es sich "nur" um eine Kürzung von Subventionen.

Vorliegend wurden die Subventionen um 12 v. H. gekürzt, ausgehend davon, dass der Regelsatz 100 v. H. beträgt. Die Ansicht der Klägerin, es müsse ein Prozentsatz auf der Grundlage des ermäßigten Satzes gebildet werden, ist ein Ansatz, der schon nicht dem allgemeinen Sprachverständnis von prozentualen Kürzungen einer Subvention entspricht, wie es schon des Wort "Prozent" selbst anzeigt.

d) Auch der Umstand, dass der Beschlussvorschlag des Vermittlungsausschusses den Abgeordneten erst sehr kurz vor der Abstimmung zugegangen ist (Stenographischer Bericht des BT, 84. Sitzung der 15. Wahlperiode, S. 7370, 7440 f.), führt nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. Wenngleich es wünschenswert wäre, wenn im Gesetzgebungsverfahren alle Abgeordneten alle anstehenden Gesetzesmaterialien ausreichend lange studieren und erwägen könnten, so wäre doch auch das keine Gewähr dafür, dass stets alle Abgeordneten alle Regelungen über die sie im Parlament entscheiden auch umfassend verstanden haben. Dies ist bei der Fülle der Vorschriften und Materien auch nicht zu erwarten. Beim HBeglG 2004 war zudem im Hinblick auf das anstehende Weihnachtsfest mit Sitzungspause im Parlament und dem geplanten Inkrafttreten des HBeglG zum 1. Januar 2004 der zeitliche Druck am 19. Dezember 2003 sehr hoch. Dennoch blieb es die Entscheidung der Abgeordneten, den Beschlussvorschlag anzunehmen oder abzulehnen.

4. Weitere Grundrechte

Es ist keine Verletzung weiterer durch das Grundgesetz geschützter Rechte der Klägerin gegeben.

In dem von der Klägerin in Bezug genommenen, inzwischen durch Beschluss des BVerfG vom 7. November 2007 (2 BvR 412/04 und 2 BvR 2491/04, HFR 2008, 277) als unzulässig nicht angenommene Verfassungsbeschwerdeverfahren sah sich die Klägerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Diese Rügen greifen vorliegend nicht durch.

a) Bei einer Subventionskürzung ist ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) kaum vorstellbar. Wenngleich der Klägerin insoweit zu folgen ist, als die Mengenstaffel historisch zum Ausgleich größenbedingter Unterschiede der Leistungsfähigkeit der Brauereien geschaffen worden ist, so handelt es sich dennoch um eine Subventionsnorm. Denn grundsätzlich beträgt die Biersteuer je Hektoliter Bier 0,787 Euro je Grad Plato (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BierStG). Eine Verpflichtung des Staates zur Subventionierung Einzelner besteht indessen grundsätzlich nicht.

b) Das gilt ebenso für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Nach der - inzwischen schon lange bestehenden - "neuen Formel" des BVerfG ist der Gleichheitssatz "vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können" (BVerfG Beschluss vom 7. Oktober 1980 1 BvL 50, 89/79 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88 m.w.N.). Die Schaffung eines Subventionstatbestandes spricht zwar dafür, dass der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt einen Unterschied zur nicht subventionierten Gruppe gesehen hat. Grundsätzlich führt aber die Streichung einer steuerlichen Begünstigung zur Herstellung größerer Gleichheit, sofern sich nicht ausnahmsweise auf Grund eines anderen Rechts eine Pflicht zur Ungleichbehandlung herleiten lässt (vgl. BVerfG Beschluss vom 29. November 1989 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87, BVerfGE 81, 108). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.

c) Die Subventionskürzung verstößt nicht gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Zwar kann im Einzelfall eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit bei staatlicher Planung und Subventionierung mit berufsregelnder Tendenz erfolgen (BVerfG Beschluss vom 12. Juni 1990 1 BvR 355/86, BVerfGE 82, 209). Die Mengenstaffel im BierStG bezweckt aber schon keine staatliche Planung bezüglich der Brauereien und der Betrieb einer Brauerei ist auch ohne die entsprechende Subventionierung möglich. Zudem sind die Subventionen für alle subventionierten Betriebe im gleichen Umfang gekürzt worden, auch wenn im Einzelfall die Auswirkungen unterschiedlich sein können. Solche Unterschiede ergaben sich - je nach der tatsächlichen Jahresproduktion - aber auch schon in der Vergangenheit, wenn eine Stufe in der Mengenstaffel überschritten wurde.

d) Desgleichen verstößt die Subventionskürzung nicht gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG). Das gilt schon deshalb, weil die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, verfassungsrechtlich nicht geschützt ist (BVerfG Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 40). Insbesondere ist auch kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegeben. Die Klägerin kann ihren Betrieb weiterführen, lediglich die von der Klägerin zu entrichtende - grundsätzlich auf den Endverbraucher abwälzbare Biersteuer - ist höher als vorher, doch immer noch niedriger als für große Brauereien. Eine Übergangslösung, die es den betroffenen Brauereien ermöglicht hätte, sich bei den Vertragsabschlüssen auf die geänderte Lage einzustellen, wäre sicherlich wünschenswert gewesen. Ihr Fehlen führt aber nicht zur Verfassungswidrigkeit der geänderten Norm. Dies um so weniger, als die endgültige Höhe der zu zahlenden Biersteuer auch nach der alten Mengenstaffel erst am Ende des Jahres auf Grund des Jahresproduktion feststand.

C. Da die Klage keinen Erfolg hat, ergeht die Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 1 FGO zu Lasten der Klägerin.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

Ende der Entscheidung

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