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Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 2 K 2338/01
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 69
AO § 191 Abs. 1 S. 1
EStG § 42d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

2 K 2338/01

Haftungsbescheid vom 23. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Bilsdorfer als Vorsitzender, die Richterinnen am Finanzgericht Hörndler und Dr. Morsch sowie die ehrenamtliche Richterin Schäfer (Leiterin Finanzbuchhaltung) und den ehrenamtlichen Richter Güth (Geschäftsführer)

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage der Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids für die Lohnsteuer-Haftungsschulden der E-GmbH (künftig: GmbH).

Die GmbH wurde im November 1998 vom Kläger und seiner Ehefrau mit einem Stammkapital in Höhe von 50.000 DM als Auffanggesellschaft gegründet, um den Geschäftsbetrieb der in Insolvenz geratenen F & G GmbH zu übernehmen. Ab 1. Juli 1999 übernahm die GmbH die Arbeitnehmer der F & G GmbH. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH war der Kläger.

Am 18. Mai 2001 wurde über das Vermögen der GmbH ein Insolvenzantrag gestellt, ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (Bl. 166 Vollstr). Am 1. Juli 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

Mit Haftungsbescheid vom 23. Mai 2001 nahm der Beklagte den Kläger für die in den Anmeldungszeiträumen November 1999 bis April 2001 angemeldeten, aber nicht abgeführten Lohnsteuern und Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 845.091 DM in Anspruch (Bl. 14 HA; Bl. 2 ff Rbh). Die im Nachgang übersandte Anlage zu dem Haftungsbescheid enthielt eine Aufstellung der für die jeweiligen Voranmeldungszeiträume geschuldeten Steuern und Nebenleistungen (Bl. 2 ff Rbh). Den Einspruch gegen den Haftungsbescheid (Bl. 1 Rbh) wies der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 16. November 2001 als unbegründet zurück (Bl. 30 Rbh).

Am 17. Dezember 2001 hat der Kläger Klage erhoben. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 7. Februar 2002 den Haftungsbescheid eingeschränkt, indem er ihn bezüglich des Monats April 2001 aufgehoben hat (Bl. 18 HA).

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 7. Februar 2002 aufzuheben.

Der Haftungsbescheid sei bereits wegen mangelnder Bestimmtheit nichtig, weil er nicht die einzelnen Arbeitnehmer benenne. Überdies habe der Kläger seine Pflichten als Geschäftsführer nicht schuldhaft verletzt, weil er letztlich zu der Fortführung des Unternehmens gedrängt worden sei. Das Geschehen sei über die gesamte Zeit hinweg von dem Insolvenzverwalter der F & G GmbH, Herrn Rechtsanwalt H, den Banken und dem Wirtschaftsministerium bestimmt worden. Der Kläger habe sich lediglich als deren "Marionette" gefühlt. H habe ihn davon überzeugt, dass der Gewerbebetrieb des insolventen Unternehmens fortführungsfähig sei, und habe dies durch eine Unternehmensberatungsgesellschaft untermauern lassen. Zudem sei der Kläger auch durch einen Bediensteten des saarländischen Wirtschaftsministeriums bestärkt worden, den Gewerbebetrieb fortzuführen, wofür dieser ihm Landeszuschüsse und Fördermittel zugesagt habe. Aufgrund dessen habe er sich letztlich überzeugen lassen und zusammen mit seiner Ehefrau die Auffanggesellschaft gegründet. Auf einen an Wirtschaftsministerium gerichteten Antrag, der ein Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von 3.905.000 DM ausgewiesen habe, sei ihm die maximale Förderung durch das Saarland zugesagt worden. Da aber keine Hausbank habe gefunden werden können, sei es zu einer sehr starken Anspannung der finanziellen Situation gekommen. Dennoch sei Anfang Mai 1999 von einem Herrn I, der eng mit dem Wirtschaftsministerium zusammengearbeitet habe, eine positive Zukunftsprognose erstellt worden. Nachdem im Juli 1999, als die Betriebsgrundlagen von der Auffanggesellschaft übernommen worden seien, noch keine Fördermittel gewährt worden seien, hätten die Arbeitnehmer der GmbH, jeweils vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden, unter Mitwirkung des Insolvenzverwalters mit der K-Bank einen Forderungskaufvertrag abgeschlossen. Im Rahmen dieses Vertrags sei vereinbart worden, dass die K-Bank monatliche Beträge in Höhe der Nettolöhne gegen Abtretung der Lohnzahlungsansprüche gegenüber der GmbH an die Arbeitnehmer auszahle. Eine Verpflichtung zur Zahlung der öffentlich-rechtlichen Nebenleistungen, insbesondere von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen, habe die K-Bank ausdrücklich nicht übernommen. Auf das Darlehenskonto habe ausschließlich der Betriebsratsvorsitzende, nicht aber der Kläger zugreifen können. Die aus den Lohnzahlungen resultierenden Lohnsteuerbeträge seien ab November 1999 rückständig geworden, jedoch durch Zahlungen und durch Aufrechnung mit Vorsteuer-Erstattungsansprüchen aufgerechnet worden. Den letztlich für das Wirtschaftsjahr 1999 verbleibenden Fehlbetrag in Höhe von 150.000 DM habe der Kläger nachgeschossen. Jedoch hätten die Liquiditätsschwierigkeiten fortbestanden. Daraufhin habe der Betriebsratsvorsitzende anlässlich einer Veranstaltung der saarländischen Landesregierung den Ministerpräsidenten des Saarlandes auf die GmbH angesprochen, woraufhin dieser erklärt habe, die Angelegenheit zur Chefsache zu machen. Wenige Wochen danach habe sich die L-Bank wegen eines durch Landesbürgschaft gesicherten Darlehens beim Kläger gemeldet, und es seien ein Kontokorrentkredit in Höhe von 1.000.000 DM und ein Avalkredit in Höhe von 600.000 DM gewährt worden. Die Landesbürgschaft sei in Kenntnis der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Lohnsteuerrückstände gestellt worden. Nachdem absehbar gewesen sei, dass das planmäßige Ergebnis im Jahr 2000 nicht erreicht werden könne, habe sich der Kläger an den saarländischen Wirtschaftsminister gewandt, der die Kontaktaufnahme zur zuständigen Industrie- und Handelskammer empfohlen habe. In Zusammenarbeit mit dieser sei eine Liquiditäts- und Rentabilitätsplanung erstellt und die Überlebensfähigkeit der GmbH bescheinigt worden.

Durch die Fortführung des Unternehmens bei schwieriger Liquiditätslage sei der Kläger in eine notstandsähnliche Zwangslage geraten, in der er sich zur Zahlung der Nettolöhne entschlossen habe, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können (Loose in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 69 Rn. 41). An die Entrichtung der Lohnsteuer seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Zahlung anderer Steuern. Außerdem treffe den Beklagten, der die anwachsenden Steuerrückstände geduldet habe, ein erhebliches Mitverschulden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Zur Begründung führt er unter Bezugnahmen auf seine Einspruchsentscheidung im Wesentlichen aus, der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass ihm lediglich Mittel für die Auszahlung der Nettolöhne zur Verfügung gestanden hätten. Vielmehr habe er vorsätzlich gegen seine Geschäftsführerpflichten verstoßen, indem er über Monate hinweg Löhne in voller Höhe ausgezahlt habe, ohne die entsprechende Lohnsteuer für die Vormonate abzuführen.

Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, er habe sich lediglich als "Marionette" gefühlt. Vielmehr sei der Kläger ein erfahrener Geschäftsmann, der sich bewusst zur Gründung der GmbH und zur Übernahme der Geschäftsführertätigkeit entschieden habe. Der im Zuge der Gründung der GmbH erstmalig gestellte Antrag auf Wirtschaftsförderung Ende 1998 sei abgelehnt worden, da in dem Finanzierungsplan keine Eigenmittel eingeplant gewesen seien. Der Kläger habe sich gleichwohl entschlossen, die GmbH zu gründen.

Der Kläger sei auch nie von politischer Seite ermuntert worden, das Unternehmen unter Verletzung der ihm obliegenden Pflichten weiterzuführen. So sei entgegen der Ansicht des Klägers auch die Landesbürgschaft nicht in Kenntnis der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Lohnsteuerrückstände gewährt worden. Denn die Darlehensgewährung sei aufgrund einer - wie sich nachträglich herausgestellt habe - falschen Bilanz zum 31. Dezember 1999 erfolgt. Die Bilanz habe eine Gesamtleistung von 11.900.000 DM sowie einen vergleichsweise geringen Jahresfehlbetrag in Höhe von 46.000 DM und damit ein fast ausgeglichenes Ergebnis ausgewiesen, obwohl das Unternehmen über kein nennenswertes Eigenkapital verfügt habe. Die Landesbürgschaft sei im Hinblick darauf sowie auf eine Zwischenbilanz zum 31. März 2000 und eine positive Ertragsplanung für die Jahre 2000 und 2001 am 2. Mai 2000 gewährt worden. Unmittelbar danach habe die M-Wirtschaftprüfungsgesellschaft, die die Bilanz erstellt hatte, mitgeteilt, dass der von ihr am 17. April 2000 attestierte Jahresabschluss für das Jahr 1999 aufgrund von Fehlern in der Lohn- und Gehaltsabrechnung falsch sei, weil die von der GmbH zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge statt als Verbindlichkeit als Aufwandsminderung gebucht worden seien. Die Korrektur dieses Fehlers habe zu einer Erhöhung des Jahresfehlbetrages zum 31. Dezember 1999 auf 466.000 DM und damit zu einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 416.000 DM geführt. Die M-Wirtschaftprüfungsgesellschaft habe ihr Testat für die Bilanz zum 31. Dezember 1999 zurückgenommen. Die für die Kredit- und Bürgschaftsgewährung eingereichte Zwischenbilanz zum 31. März 2000 weise bei den Passiva keine Lohnsteuerrückstände aus, obwohl - wie der Kläger selbst in seiner Klagebegründung angeführt habe - ca. 400.000 DM Lohnsteuern rückständig gewesen seien. Bei Kenntnis dieser Umstände wäre weder eine Darlehensgewährung durch L-Bank noch eine Bürgschaftsgestellung durch das Wirtschaftsministerium erfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2007 hat der Senat die Klage als unbegründet abgewiesen und die Kosten des Verfahrens dem Kläger zu 92/100 und dem Beklagten zu 8/100 auferlegt. Am 5. November 2007 hat der Kläger die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt (Bl. 149). Der Kläger bekräftigt erneut, dass die politisch Verantwortlichen ständig über die Situation der GmbH informiert gewesen seien. Im Dezember 1998 habe man einen Investitionsantrag gestellt, der vom Wirtschaftsministerium nie beschieden worden sei. Es habe von Anfang an keine Liquidität bestanden, um die Löhne zu zahlen. Der Buchungsfehler, der unstreitig passiert sei, habe nicht auf einem Versehen oder gar Absicht des Klägers beruht, sondern auf einem Fehler eines von H eingesetzten Buchhalters. Im Übrigen wäre die Landesbürgschaft auch gewährt worden, wäre der Fehler bekannt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten in dem Verfahren 2 V 023/02, die beigezogenen Behördenakten, die Landtagsakten des Untersuchungsausschusses "Steuervollzug" sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist unbegründet. Der auf der Grundlage des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO ergangene Haftungsbescheid ist rechtmäßig. Denn die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach § 69 AO sind im Streitfall gegeben.

a) Nach § 69 AO haften unter anderem die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen (§ 34 Abs. 1 AO), soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden. Der Kläger war als Geschäftsführer der GmbH deren gesetzlicher Vertreter (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Als solcher hatte er die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 AO).

b) Der Kläger hat seine Pflicht zur Erfüllung der der GmbH als Arbeitgeberin erwachsenen Lohnsteuerhaftungsansprüche aus § 42d EStG nicht erfüllt. Denn die Lohnsteuern für die Arbeitnehmer der GmbH sind zwar für die Anmeldungszeiträume November 1999 bis März 2001 gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angemeldet, aber nicht an den Beklagten abgeführt worden, wie es § 41a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG verlangt.

c) Die in der Nichtzahlung oder nicht vollständigen Zahlung der angemeldeten Lohnsteuern und Nebenleistungen liegende Pflichtverletzung erfolgte vorsätzlich und damit schuldhaft.

aa) Vorsätzlich handelt, wer die Pflichten gekannt und ihre Verletzung gewollt hat (vgl. BFH vom 12. Juli 1983 VII B 19/83, BStBl. II 1983, 655). Dazu genügt es, dass der Betreffende die Pflichtverletzung vorausgesehen und in Kauf genommen hat (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, § 69 AO, Tz. 24).

bb) Im Streitfall handelte der Kläger vorsätzlich. Er war als Geschäftsführer der GmbH gemäß § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 GmbHG auch unter den dargestellten Umständen nach § 41a Abs. 1 EStG verpflichtet, die Lohnsteuern für deren Arbeitnehmer einzubehalten, anzumelden und an den Beklagte abzuführen. Der Kläger hat dies nicht getan, sondern - in Kenntnis seiner Pflicht zur Abführung einbehaltener Lohnsteuer - die vollen ihm zur Verfügung stehenden Beträge an die Arbeitnehmer in voller Höhe ausgezahlt. Damit hat er seine Pflicht zur Abführung der Lohnsteuer vorsätzlich verletzt.

Am Verschulden des Klägers ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die K-Bank aufgrund des Forderungskaufvertrages verpflichtet hatte, Kreditmittel ausdrücklich nur für die Zahlung der Nettolöhne zur Verfügung zu stellen (Bl. 57). Als Geschäftsführer der GmbH hatte er dafür zu sorgen, dass die Lohnsteuer abgeführt wurde. Er durfte daher einer Vereinbarung mit einer Bank nicht die Zustimmung geben, die einseitig den Fiskus schlechter stellte (BFH vom 12. Juli 1983 VII B 19/83, BStBl. II 1983, 655). Auch der Umstand, dass über diese Kreditmittel nur der Betriebsratsvorsitzende, nicht aber der Kläger verfügen konnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Kläger konnte sich seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht, für die Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu sorgen, nicht durch privatrechtliche Vereinbarung entziehen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH vom 21. Mai 1969 I R 8/68, BStBl II 1969, 539).

Der Einwand des Klägers, bei der Vereinbarung habe es sich der Sache nach bereits um "vorweggenommenes Insolvenzgeld" gehandelt, so dass bereits für Februar und März 2001 keine Löhne mehr gezahlt worden seien, überzeugt nicht. Denn in der fraglichen Vereinbarung ist ausdrücklich von "Netto-Arbeitsentgelt" bzw. "Netto-Vergütungsansprüchen" die Rede, die die K-Bank im Wege eines Forderungskaufvertrags von den einzelnen Arbeitnehmern erworben hat. Zwar ist unter Tz. 8 klargestellt, dass im Rahmen der an die K-Bank abgetretenen Forderungen auch Ansprüche umfasst sind, die dem Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz gegen die Bundesanstalt für Arbeit zustehen (Insolvenzgeld). Diese Vereinbarung ändert aber nicht den rechtlichen Gehalt der Zahlungen für Februar und März. Denn soweit die K-Bank das Netto-Arbeitsentgelt für Februar und März gezahlt hat, stand den Arbeitnehmern insoweit kein Insolvenzgeld zu. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Denn die K-Bank hat mit den Zahlungen den von ihr erworbenen Netto-Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer erfüllt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Frage des Verschuldens bei der Abführung einbehaltener Lohnsteuer streng zu beurteilen (z.B. BFH vom 20. April 1982 VII R 96/79, BStBl II 1982, 521;vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BStBl II 1988, 859;vom 1. August 2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Grund dafür liegt im System des Lohnsteuerabzugsverfahrens begründet. Die abzuführende Steuer ist ein bei der Lohnzahlung zurückbehaltener Teil des Lohnes der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 EStG). Der Arbeitgeber zieht die Lohnsteuer nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein; es handelt sich mithin für ihn um wirtschaftlich fremde Gelder, die er nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden darf. Die Nichtabführung der Lohnsteuer verletzt daher im allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, dass die Steuer aus den von ihm verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird. Die Verletzung dieser Verpflichtung ist regelmäßig schuldhaft.

Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf die von Loose in Tipke/Kruse, AO, § 69 AO Rz. 41 vertretene Auffassung, bei der Nichterfüllung von Ansprüchen auf Entrichtung von Abzugssteuern seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei Nichtzahlung anderer Steuern. Es ergibt sich zwangsläufig aus dem oben geschilderten System des Lohnsteuerabzugsverfahrens, dass bei der Abführung der Lohnsteuer an das Verhalten der Verantwortlichen strengere Anforderungen zu stellen sind als bei der Zahlung anderer Steuern (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH vom 21. Januar 1972 VI R 187/68, BStBl II 1972, 364, 366).

Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH schließen das Verschulden des Geschäftsführers bei der Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nicht aus (BFH vom 21. Dezember 1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745, m.w.N.). Ein verantwortlicher gesetzlicher Vertreter darf, wenn die vorhandenen Gelder für die Abführung der Lohnsteuer nicht reichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, und er muss die entsprechende Lohnsteuer aus den dann übrigbleibenden Mitteln abführen (BFH vom 20. April 1982 VII R 96/79, BStBl II 1982, 521, m.w.N.).

Auch soweit der Kläger in der Erwartung gehandelt hat, die Lohnsteuerrückstände später aufgrund von Krediten, sonstiger Fördermittel oder durch die Unterstützung der saarländischen Landesregierung ausgleichen zu können, entlastet ihn dies nicht (vgl. BFH vom 24. März 2004 VII B 317/03, BFH/NV 2004, 1069; vom 1. Februar 2000 VII B 256/99, BFH/NV 2000, 939). Denn für die vorsätzliche Erfüllung des Haftungstatbestandes nach § 69 AO reicht die bewusste, nicht fristgerechte Abführung der Steuerabzugsbeträge aus; eine spätere Tilgung der dadurch entstandenen Rückstände mittels nachträglich beschaffter Finanzierungsmittel würde nicht die Erfüllung des gesetzlichen Haftungstatbestandes, auf den sich nach § 69 AO der Verschuldensvorwurf bezieht, sondern lediglich die Haftungsfolge beseitigen können (BFH vom 1. Februar 2000 VII B 256/99, BFH/NV 2000, 939). Nimmt der Geschäftsführer die gebotene Lohnkürzung nicht vor, geht er damit bewusst ein Haftungsrisiko ein, so dass ihn die Haftungsfolgen des § 69 AO auch bei unerwartetem Ausbleiben der Kreditmittel oder bei einem unerwarteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit treffen (BFH vom 11. Dezember 1990 VII R 85/88, BStBl II 1991, 282).

cc) Den Kläger vermag auch der Umstand nicht zu entschuldigen, dass er den Eindruck hatte, lediglich eine "Marionette" von H, den Banken und dem Wirtschaftsministerium zu sein. Es kann im Streitfall dahinstehen, ob der Eindruck des Klägers objektiv zutreffend war. Denn selbst wenn dieser Eindruck zutreffend gewesen wäre, ließe dieser Umstand den Vorwurf des Vorsatzes nicht entfallen.

Die Haftung ergibt sich schon aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und ob sie ausgeübt werden soll (vgl. Rüsken in Klein, AO, 8. Aufl., § 69 Rz. 56, m.w.N.). Der GmbH-Geschäftsführer kann sich mithin nicht damit entschuldigen, dass er von der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte ferngehalten wurde und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Selbst eine lediglich nominell zum Geschäftsführer bestellte Person könnte sich nicht damit entlasten, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, ihre rechtliche Stellung als Geschäftsführer innerhalb der Gesellschaft zu verwirklichen und die steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (vgl. BFH vom 16. Juli 1985 VII R 185/82, BFH/NV 1987, 210, und vom 23. März 1993 VII R 38/92, BFHE 171, 10, BStBl II 1993, 581, m.w.N.).

dd) Anzeichen dafür, dass sich die saarländische Landesregierung durch die Haftungsinanspruchnahme des Klägers treuwidrig verhalten hätte, bestehen nicht. Der Senat kann es im Streitfall dahinstehen lassen, ob der Kläger sich bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung überhaupt auf ein treuwidriges Verhalten des Staates berufen kann. Dahinstehen kann auch, ob derartige Erwägungen auf Tatbestandsebene anzustellen sind oder ob sie ggf. im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind.

Denn Umstände, die auf ein treuwidriges Verhalten der saarländischen Landesregierung schließen lassen, sind nicht erkennbar. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die GmbH zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits Lohnsteuerrückstände bestanden, seitens der Landesregierung eine Förderung in Form einer Landesbürgschaften erfahren hat. Wie der Beklagte vorgetragen hat und aus den Akten (Bl 90f) ersichtlich ist, waren in der für die Bürgschaftsgewährung eingereichten Zwischenbilanz zum 31. März 2000 keine Lohnsteuerrückstände enthalten. Überdies wies die Bilanz zum 31. Dezember 1999 eine Gesamtleistung von 11.900.000 DM sowie einen vergleichsweise geringen Jahresfehlbetrag in Höhe von 46.000 DM und damit ein fast ausgeglichenes Ergebnis aus. Erst nach der Bürgschaftsvergabe teilte die M-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die die Bilanz erstellt hatte, mit, dass der von ihr am 17. April 2000 attestierte Jahresabschluss für das Jahr 1999 aufgrund von Fehlern in der Lohn- und Gehaltsabrechnung falsch sei, weil die von der GmbH zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge statt als Verbindlichkeit als Aufwandsminderung gebucht worden seien und die Korrektur dieses Fehler zu einer Erhöhung des Jahresfehlbetrages zum 31. Dezember 1999 auf 466.000 DM und damit zu einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 416.000 DM führe. Die Landesbürgschaft ist daher aufgrund der vom Kläger vorgelegten, objektiv falschen Bilanzen erfolgt. Der Vortrag des Klägers, die Gewährung der Landesbürgschaft wäre auch erfolgt, wenn der Fehler bekannt gewesen sei, führt zu keiner anderen Beurteilung der Sache. Denn die Behauptung des Klägers stellt eine reine Spekulation dar, die nicht belegbar ist und für die sich aus den Akten keine Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Dass der Kläger von Mitgliedern der saarländischen Landesregierung in Kenntnis seiner Pflichtverletzung zur Fortführung des Unternehmens gedrängt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Den umfangreichen Zeugenvernehmungen im Rahmen des Untersuchungsausschusses "Steuervollzug" des saarländischen Landtags lässt sich allenfalls entnehmen, dass der Kläger bestärkt worden ist, das Unternehmen fortzuführen und ihm hierfür im Rahmen der üblichen Wirtschaftsförderung Unterstützung zugesagt worden ist. Ein treuwidriges Verhalten des Staates lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten.

d) Dem Fiskus ist aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers ein Schaden in Höhe der nicht abgeführten Lohnsteuern und steuerlichen Nebenleistungen entstanden.

aa) Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der Lohnsteuer entstandenen Vermögensschaden besteht ein adäquater Kausalzusammenhang, der nicht dadurch entfällt, dass der Insolvenzverwalter Zahlungen, wenn diese vom Kläger innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet worden wären, nach § 130 InsO hätte anfechten können.

bb) Durch die pflichtwidrige Nichtabführung fällig gewordener Steuerbeträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt, so dass die Kausalität dieser Ursache für den Schadenseintritt durch eine gedachte Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht rückwirkend beseitigt werden kann. Der vom Gesetzgeber § 69 AO beigemessene Schutzzweck und die vom BGH geforderte wertende Beurteilung lassen es nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, nicht geboten erscheinen, den hypothetischen Kausalverlauf im Falle einer gedachten Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO im Rahmen der Schadenszurechnung zu berücksichtigen und infolgedessen die Haftung des von § 69 AO erfassten Personenkreises (vgl. § 34 und § 35 AO) entfallen zu lassen (BFH vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, [...]; im Ergebnis ebenso Sächsisches FG vom 24. Mai 2005 1 K 2361/04, EFG 2005, 1238; FG Köln vom 12. September 2005 8 K 5677/01, EFG 2006, 86 und 8 K 5395/01, EFG 2006, 241, und FG Schleswig-Holstein vom 1. Dezember 2005 2 K 174/04, EFG 2006, 321; a.A. FG Baden-Württemberg vom 28. Juli 2004 1 V 30/04, EFG 2004, 1425, und vom 30. August 2004 1 V 49/03, EFG 2005, 2 ; FG des Saarlandes vom 20. Dezember 2004 2 V 385/04, EFG 2005, 680; FG Münster vom 23. Juni 2004 7 K 5031/00, EFG 2006, 13; FG Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 2005 6 K 2803/04, EFG 2006, 83, und FG Düsseldorf vom 10. Januar 2006 10 K 4216/02 H (L), EFG 2006, 618 ).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH besitzt § 69 AO Schadensersatzcharakter (vgl. etwa BFH vom 1. August 2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Ziel der Haftung ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO bezeichneten Personen verursacht worden sind. Die auf § 69 AO gestützte Haftung begründet eine Sonderverbindlichkeit gegenüber dem Fiskus, die den Individualansprüchen aus rechtsgeschäftlicher Haftung, Vertrauenshaftung und unerlaubter Handlung vergleichbar ist (BFH vom 2. November 2001 VII B 155/01, BStBl II 2002, 73). Das Erreichen dieses Ziels würde durch die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe gefährdet. Denn ein gesetzlicher Vertreter könnte innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllung der ihm als Vertreter obliegenden steuerlichen Pflichten mit dem Hinweis vernachlässigen, dass, wenn er Steuerzahlungen vornähme, diese ohnehin der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO ausgesetzt seien und er infolgedessen auch nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könne. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der pflichtwidrigen Nichtzahlung des geschuldeten Abgabenbetrages keine zuverlässige Feststellung darüber getroffen werden kann, ob es tatsächlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen wird und ob im Falle der Eröffnung eines solchen Verfahrens eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO überhaupt erfolgen und auch erfolgreich sein würde. Denn zum einen ist es nicht auszuschließen, dass ein Insolvenzverwalter auch im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von bestehenden Anfechtungsmöglichkeiten keinen Gebrauch macht; zum anderen kann eine Anfechtung daran scheitern, dass das Finanzamt die Umstände nicht kannte, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hätten schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO).

cc) Überdies kommt nach Auffassung des Senats eine Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht in Betracht.

Bei der Abführung der geschuldeten Lohnsteuer handelt es sich vielmehr um ein Bargeschäft i.S. von § 142 InsO mit der Folge der Anfechtbarkeit nach § 133 InsO. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 133 InsO (Kenntnis des Anfechtungsgegners - hier des Arbeitnehmers - von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht) vorliegen, vermag der Senat indes nicht zu erkennen.

Die Frage, ob die Abführung von Lohnsteuer in der Insolvenz des Steuerschuldners gläubigerbenachteiligend wirkt oder ob ein nur unter den Voraussetzungen des § 133 InsO und damit nahezu anfechtungsfestes Bargeschäft vorliegt, wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet (vgl. zur Problemstellung BFH vom 11. August 2005 VII B 244/04, BStBl II 2006, 201).

Nach einer Entscheidung des BFH (BFH vom 21. Dezember 1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745), die im summarischen Verfahren zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 der Gesamtvollstreckungsordnung ergangen ist, liegt deshalb ein Bargeschäft vor, weil die Abzugsbeträge zum Arbeitslohn gehören, auf den die Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch haben. Die Lohnsteuer stellt somit ein aufgrund der steuerrechtlichen Vorschriften nicht direkt an die Arbeitnehmer auszuzahlendes Entgelt für die von ihnen erbrachte Arbeitsleistung dar, so dass die Entrichtung an das Finanzamt ebenso wenig wie die Auszahlung des Nettolohnes an die Arbeitnehmer als eine objektive Benachteiligung der übrigen Gläubiger der GmbH hätte angesehen werden können. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an und hält sie auch im Kontext des § 142 InsO für durchgreifend.

Die Gegenargumente des BGH, wonach der Schuldner mit dem Finanzamt weder eine Vereinbarung getroffen noch von ihm eine Gegenleistung erhalten habe (vgl. hierzu BGH vom 22. Januar 2004 IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, vom 11. April 2002 IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159, und vom 10. Juli 2003 IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666), überzeugen nicht. § 142 InsO setzt eine Leistung des Schuldners voraus, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt. Diese Voraussetzung sind hinsichtlich der Lohnsteuer erfüllt; denn der Schuldner leistet die Lohnsteuer als einen Teil des arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitslohns für den Arbeitnehmer, der alleiniger Schuldner der Steuer ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG), an das Finanzamt. Als Gegenleistung erhält der Schuldner die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Der Umstand, dass der Schuldner als Arbeitgeber einen Teil des Arbeitslohns für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und ihn spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums an das Finanzamt weiterzuleiten (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) hat, ändert an dem tatsächlichen dinglichen Leistungsaustausch zwischen dem Schuldner und seinem Arbeitnehmer (und nicht, wie der BGH meint, zwischen dem Schuldner und dem Finanzamt) nichts. Die steuergesetzlichen Regelungen ersetzen vielmehr eine privatrechtliche Regelung eines Treuhandverhältnisses in Bezug auf diese Gelder.

e) Der Haftungsbescheid ist in Verbindung mit der Anlage hinreichend bestimmt. Nach § 191 Abs. 1 AO muss er hierzu die zu erlassende Finanzbehörde, den Haftungsschuldner, den zu zahlenden Geldbetrag und für welche Steuer der Haftungsschuldner als Haftender in Anspruch genommen werden soll, erkennen lassen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Eine Benennung der einzelnen Arbeitnehmer, wie sie grundsätzlich bei einer Haftung des Arbeitgebers nach § 42d EStG erforderlich ist, konnte unterbleiben. Maßgeblich ist insoweit, dass der Kläger selbst insgesamt als Haftender für die Schuld bzw. Haftungsschuld der GmbH in Anspruch genommen wurde und allein dem Kläger aufgrund der von ihm selbst gefertigten Anmeldung die Verhältnisse bekannt sind.

f) Der Haftungsbescheid lässt - zumindest in Zusammenhang mit der Einspruchsentscheidung (vgl. § 44 Abs. 2 FGO) - keinen Ermessensfehler erkennen. Dabei kann das Gericht die Ermessensausübung nur nach Maßgabe des § 102 Satz 1 FGO überprüfen.

aa) Der Beklagte hat dargelegt, dass er den Haftungsbescheid zur Vermeidung eines endgültigen Forderungsausfalls erlassen hat. Dies stellt eine hinreichende Begründung für die Ausübung des Entschließungsermessens dar.

bb) Auch die Ausübung des Auswahlermessens ist nicht zu beanstanden. Eine Inanspruchnahme der GmbH als Arbeitgeber gemäß § 42d EStG war bei Erlass des Haftungsbescheides wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder zulässig noch erfolgversprechend. Von ihrer Inanspruchnahme als mögliche Haftungsschuldnerin hat der Beklagte deshalb mit zutreffender Begründung abgesehen. Der Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die anderen Arbeitnehmer mit Rücksicht auf § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG nicht in Anspruch genommen werden konnten. Es kann dahinstehen, ob dies auch insoweit gilt, als der Kläger selbst Arbeitnehmer war und er den Verstoß gegen die lohnsteuerrechtlichen Vorschriften kannte. Der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft haftet auch für nicht abgeführte Lohnsteuer, die auf seinen eigenen Arbeitslohn entfällt. Es geht insofern nicht um die Erfüllung einer eigenen Steuerschuld, sondern um die Entrichtungsschuld der GmbH, d.h. um eine fremde Steuerschuld, für deren Erfüllung er einzustehen hat, so dass § 42d Abs. 3 EStG insoweit keine Anwendung findet (vgl. BFH vom 8. Mai 2001 VII B 252/00, BFH/NV 2001, 1222).

Weitere mögliche Haftungsschuldner kamen nicht in Betracht. Der Kläger hat zwar vorgetragen, sich lediglich als "Marionette" von H, den Banken und dem saarländischen Wirtschaftsministerium gefühlt zu haben. Die Annahme eines faktischen Geschäftsführers und damit eines weiteren etwaigen Haftungsschuldners ergab sich aus diesen Sachvortrag indessen nicht.

cc) Ein die Haftung begrenzendes Mitverschulden des Beklagten ist nicht ersichtlich. Eine Berücksichtigung eines etwaigen Mitverschuldens der Finanzbehörde kann ohnehin nach der Rechtsprechung des BFH nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, bei denen das finanzbehördliche Fehlverhalten ein solch erhebliches Ausmaß annimmt, dass demgegenüber das Verschulden des Haftungsschuldners nicht entscheidend ins Gewicht fällt (BFH vom 11. Mai 2000 VII B 217/99, BFH/NV 2000, 1442; vom 28. August 1990 VII S 9/90, BFH/NV 1991, 290, und vom 2. Oktober 1986 VII R 28/83, BFH/NV 1987, 349). Eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Haftungsschuldners - wie sie im Streitfall nach der Überzeugung des Senats vorliegt - schließt die Berücksichtigung eines etwaigen Mitverschuldens des Finanzamts grundsätzlich aus (BFH vom 30. August 2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232).

Eine Verpflichtung der Finanzbehörde, bei Steuerrückständen in jedem Fall die Vollstreckung einzuleiten, besteht überdies nicht. Vielmehr steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, ob und in welcher Weise sie von der eingeräumten Ermächtigung Gebrauch machen will.

2. Die Klage war damit als unbegründet abzuweisen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger gemäß § 135 Abs. 1 FGO auferlegt. Soweit der Beklagte dem Klagebegehren nach Klageerhebung durch Erlass des Änderungsbescheids vom 7. Februar 2002 abgeholfen hat, sind dem Kläger die Kosten des Verfahrens nach § 137 Satz 1 FGO aufzuerlegen. Danach können einem Beteiligten auch im Falle des Obsiegens die Kosten auferlegt werden, soweit die Entscheidung auf Tatsachen beruht, die er hätte früher geltend machen können. Im Streitfall hat der Kläger erstmals im Klageverfahren vorgetragen, die von der GmbH angemeldeten Löhne für April 2001 seien nicht mehr von der GmbH, sondern vom Insolvenzverwalter gezahlt worden. Ihm waren daher auch insoweit die Kosten des Verfahren aufzuerlegen.

Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.



Ende der Entscheidung

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