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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: 1 K 1105/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 1105/06

Einkommensteuer 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung

am 11. Oktober 2006 durch den Richter am Finanzgericht Keilig als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines Einspruchs und um die Begrenzung des Sonderausgabenabzuges nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b i.V.m. Abs. 3 Einkommensteuergesetz in der im Veranlagungszeitraum 2004 geltenden Fassung -EStG 2004-.

Am 02. Januar 2006 ging beim Beklagten die Einkommensteuererklärung 2004 des Klägers ein. Der Kläger erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 0 EUR, aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 0 EUR, Einkünfte im Sinne des § 32 b EStG 2004 in Höhe von 58.599 EUR, Werbungskosten in Anlage N in Höhe von 106 EUR und machte Sonderausgaben in Höhe von gesamt 1.475 EUR geltend (Mantelbogen Zeile 69: 90 EUR, Zeile 71: 1.235 EUR, Zeile 90: 150 EUR).

Mit Einkommensteuerbescheid vom 21. Juni 2006 setzte der Beklagte die Einkommen-steuer auf 0,00 EUR fest. Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut gesonderter Feststellung und aus freiberuflicher Tätigkeit setzte er mit 0 EUR an, Zuwendungen und Spenden nach § 10 b EStG 2004 berücksichtigte er mit 150 EUR, Versicherungsbeiträge mit 1.177 EUR (90 EUR Unfallversicherung sowie 1.235 EUR Rentenversicherung / Kapitallebensversicherung x 88 v.H. = 1.087 EUR). In den Erläuterungen des Bescheides stellte er dar, dass Beiträge zur Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und Kapitalversicherungen in Höhe von 88% als Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt wurden. Ausländische Einkünfte bezog er mit 48.228 EUR (76.179 CHF : 1,55 Kurs 2004 = 49.148 EUR abzüglich Pauschale nach § 9 a S. 1 Nr. 1. EStG 2004 in Höhe von 920 EUR) in den Progressionsvorbehalt ein. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 S. 2 Abgabenordnung -AO- teilweise vorläufig, soweit geänderte Vorschriften nach dem Haushaltsbegleitgesetz, Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten / Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung für Mitglieder des Bundestages sowie die Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchstabe a EStG betroffen waren.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2006, Eingang beim Beklagten am 4. Juli 2006, legte der Kläger Einspruch mit der Begründung eines vor dem Bundesfinanzhof anhängigen Verfahrens hinsichtlich der Begrenzung des Abzuges von Vorsorgeaufwendungen ein. Der Beklagte nahm mit Schreiben vom 11. Juli 2006 Stellung und teilte mit, dass er beabsichtige, den Einspruch mangels Beschwer als unzulässig zu verwerfen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Versicherungsbeiträge ohne Kürzung berücksichtigt worden seien. Mit Verweis auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren 2 BvR 274/03 und Ausführungen zu Art. 5 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 4, 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG- sowie auf §§ 339, 22, 23, 13 Strafgesetzbuch hielt der Kläger den Einspruch mit Schreiben vom 15. Juli 2006 aufrecht. Mit Einspruchsbescheid vom 25. Juli 2006 verwarf der Beklagte den Einspruch mangels Beschwer aufgrund Festsetzung der Einkommensteuer mit 0,00 EUR als unzulässig. Hiergegen richtet sich die am 7. August 2006 erhobene Klage.

Der Kläger ist unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 14. Dezember 2005, X R 20/04, BFHE 211, 351, BStBl. II 2006, 312, der Rechtsauffassung, dass die Beschränkung des Abzuges nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG 2004 auf 88 v.H. und die auf Grund des § 10 Abs. 3 EStG 2004 vorhandene Begrenzung das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und 28. Abs. 1 S. 1 GG, den Gleichheitsanspruch nach Art. 3 Abs. 1 GG, die Handlungsfähigkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG und das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletze.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Vorsorgeaufwendungen für die private Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht für die Jahre 2004 und folgende unbegrenzt und in Höhe von 100 v.H. zu berücksichtigen und nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes darüber einzuholen, ob § 10 Abs. 1 Nr. 2 b i.V.m. Abs. 3 EStG 2004 für den Kläger eine Grundrechtsverletzung darstellt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

Dem Gericht haben die Einkommensteuer- und Einspruchsakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet, so dass das Gericht nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- ohne mündliche Verhandlung entschieden hat.

Die Klage ist unzulässig.

Es fehlt an der nach § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Beschwer des Klägers, da eine Festsetzung der Einkommensteuer auf 0 EUR keine Beschwer zur Folge hat.

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Beschwer ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen. In der Regel ist daher auf den umstrittenen Steuerbetrag abzustellen, nicht auf das geldwerte Interesse des Steuerpflichtigen. Eine auf 0 EUR lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht (vgl. ständige Rechtsprechung z.B. BFH-Urteil vom 20.12.1994, IX R 124/92, BStBl. II 1995, 628 m.w.N.; herrschende Meinung in der Literatur vgl. z.B. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO / FGO, § 40 Anm. 44; Beermann/Gosch-von Beckerath, Kommentar zur AO / FGO, § 40 Anm. 187; Schwarz-Dumke, Praxiskommentar FGO, § 40 Anm. 53; Gräber-von Groll, Kommentar zur FGO, § 40 Anm. 88; Tipke/Kruse-Tipke, Kommentar zur FGO, § 40 Anm. 40 a).

Es liegt auch kein Fall vor, in dem die Rechtsprechung trotz Steuerfestsetzung von 0 EUR aufgrund Bindungswirkung für andere Bereiche ausnahmsweise eine Beschwer angenommen hat. Bindungswirkungen der Steuerfestsetzung für andere Verfahren sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Nur ausnahmsweise kann eine Beschwer im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen liegen, wenn diese für andere Verfahren bindend sind, vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1994, IX R 124/92, BStBl. II 1995, 628. Im vorliegenden Fall hat der Kläger in der Einkommensteuererklärung Versicherungsbeiträge für Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherungen mit mindestens zwölf Jahren Laufzeit (Zeile 71 des Mantelbogens) in Höhe von 1.235 EUR erklärt. In Kopie fügte er der Steuererklärung einen Versicherungsschein für eine xxxRentenversicherung bei, aus der sich ergab, dass für diese Versicherung mit Beginn 01. Dezember 2004 ein monatlicher Tarifbeitrag in Höhe von 382,62 EUR zu zahlen war. Weitere Belege legte er nicht vor. Der Beklagte hat die erklärten Versicherungsbeiträge entsprechend § 10 Abs. 1 Nr. 2 b S. 2 EStG 2004 zu 88 v.H., d.h. mit 1.087 EUR berücksichtigt und demnach erklärte Sonderausgaben in Höhe von 148 EUR nicht in die Einkommensteuerberechnung mit einbezogen. Nach den Berechnungen des Beklagten ergab sich danach ein zu versteuerndes Einkommen von insgesamt ./. 1.327 EUR und eine festzusetzende Einkommensteuer von 0 EUR. Es ist nicht erkennbar, welche Bindungen aufgrund der Nichtberücksichtigung dieser Sonderausgaben in Höhe von 148 EUR im Veranlagungsjahr 2004 für andere Verfahren entstanden sein könnten.

Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit für folgende Jahre begehrt, ist die Klage ebenfalls unzulässig, da insoweit keine Steuerfestsetzungen vorliegen, mithin keine Beschwer besteht und zudem das nach § 44 Abs. 1 FGO erforderliche Rechtsbehelfsverfahren zunächst durchgeführt werden müsste. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber ab dem Veranlagungszeitraum 2005 die gesetzlichen Grundlagen neu gefasst.

Da die Klage unzulässig ist, erübrigen sich Ausführungen zu einer eventuellen materiellen Rechtswidrigkeit oder zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wegen einer eventuellen Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b i.V.m. Abs. 3 EStG 2004.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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