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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.05.2008
Aktenzeichen: 1 K 1271/03
Rechtsgebiete: AO, BGB


Vorschriften:

AO § 108
AO § 110 Abs. 2 S. 1
AO § 110 Abs. 2 S. 2
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
AO § 347 Abs. 1 S. 1
AO § 355 Abs. 1
BGB § 187
BGB § 188
BGB § 189
BGB § 190
BGB § 191
BGB § 192
BGB § 193
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 1271/03

Einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1996 und 1997

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. Mai 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Hübner,

den Richter am Finanzgericht Keilig,

die ehrenamtliche Richterin ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten sich um die Rechtzeitigkeit einer Einspruchseinlegung.

Mit Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1996 vom 29. September 1997 erklärte die K. & R. OHG einen Gewinn in Höhe von 111.080 DM. Der Beklagte stellte zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) den Gewinn im Bescheid vom 20. Januar 1998 fest. Aufgrund der Nichtabgabe der Steuererklärung für 1997 schätzte der Beklagte den Gewinn 1997 auf 148.100 DM und stellte diesen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Bescheid vom 4. Mai 1999 fest.

Nach Betriebsprüfung stellte der Beklagte den Gewinn 1996 auf 255.598 DM und den Gewinn 1997 auf 346.917 DM fest. Die geänderten Bescheide vom 2. Dezember 2002, in denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, wurden beiden Gesellschaftern bekannt gegeben.

Am 21. März 2003 ging beim Beklagten ein Einspruch gegen einen Haftungsbescheid vom 10. März 2003 ein. Der Kläger führte wörtlich wie folgt aus:

"Hiermit lege ich Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein. Ihren Schreiben entnehme ich, dass Sie den Einspruch zur Außenprüfung von Ihrer Poststelle noch nicht bekommen haben. Ich fertigte den Einspruch mit meinen Steuerberater D. in der letzten Dezemberwoche. Ich bitte Sie, mich über den Verbleib zu Informieren anderenfalls könnte ich Ihnen ein Duplikat nach Anfrage zu senden. Anmerkung: Warum nur, ist Herr R. nicht aufzufinden?"

Mit Schreiben vom 16. Mai 2003 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sein Einspruch am 21. März 2003 eingegangen sei. Der Beklagte führte wörtlich aus:

"Sie tragen vor, dass Sie sich bereits durch Einsprüche gegen die Bescheide nach Außenprüfung gegen die der Haftung zugrundeliegenden Steuerfestsetzungen gewandt haben. Ein Eingang dieser Einsprüche im Finanzamt ist jedoch nicht zu verzeichnen. Bitte reichen Sie unter Darstellung der Umstände der Einspruchseinlegung den Einspruch/die Einsprüche nochmals ein. Ich gebe Ihnen dazu Gelegenheit bis zum 12.06.2003."

Mit Schreiben vom 3. Juni 2003, Eingang beim Beklagten am 4. Juni 2003, benannte der Kläger im Betreff "Einspruch gegen den Haftungsbescheid und diverse Steuerfestsetzungen" und führte wörtlich aus:

"Hiermit lege ich nochmals Einspruch wie o.g. ein. Zum einen sind die Steuerfestsetzungen total falsch und beruhen auf herbeigeholten Schätzungen sowie Tatsachen. Die Haftungsinanspruchnahme meiner Person weise ich zurück, da ich die Begründung laut Schreiben vom 02.03.2003 dargestellt habe."

Dem Schreiben war ein weiteres Schreiben vom 27. Dezember 2002 in Kopie beigefügt. In diesem Betreff benannte der Kläger "Einspruch gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1996-97 Umsatzsteuerbescheide 1996-977 und Gewerbesteuermessbescheide 1996-97 Vom 2.12.2002" und führte wörtlich aus:

"Hiermit lege ich gegen die o.a. Steuerbescheide Einspruch ein. Die Steuerbescheide wurden aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung erlassen. Die Ergebnisse der Betriebsprüfung entsprechen nicht den tatsächlichen Verhältnissen da die Prüfungsunterlagen nicht vollständig bei der Prüfung vorgelegt werden konnten, da der Gesellschafter R. die Unterlagen teilweise verlegt oder vernichtet hat. Ich bitte Sie die Prüfungsergebnisse nochmals zu überprüfen."

Mit zwei Einspruchsbescheiden (Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1996/ 1997 sowie gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1996/1997) vom 20. Juni 2003 verwarf der Beklagte die Einsprüche als unzulässig. Er führte aus, dass nicht fristgerecht Einspruch eingelegt worden sei und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne, da keine ausreichenden Entschuldigungsgründe dargelegt worden seien. Der Kläger habe weder erklärt, ob die Einsprüche per Post an das Finanzamt gesandt oder persönlich in den Briefkasten eingeworfen wurden, noch wann die Übermittlung an das Finanzamt erfolgt sei. Er trage lediglich vor, dass die Einsprüche in der letzten Dezemberwoche gefertigt worden seien. Es bleibe offen, ob die Einsprüche überhaupt abgesandt wurden. Für den Absendevorgang und den Zugang der Einspruchsschrift trage der Kläger die objektive Beweislast.

Am 22. Juli 2003 hat der Kläger Klage mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den "vorherigen" Stand erhoben. Im Betreff des Klageschriftsatzes benannte er seine Steuernummer und führte aus "wegen Einspruchsbescheid vom 20.06.2003 über den Einspruch vom 27.12.2002." Dem Klageschriftsatz war der Einspruchsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1996 und 1997 und ein Abdruck seines Schreibens vom 27. Dezember 2002 beigefügt. Der zweite Einspruchsbescheid über Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1996 und 1997 wurde vom Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgelegt.

Der Kläger führt aus, dass die Hinzuschätzungen der Betriebsprüfung unrealistisch seien und dass er den Einspruch am 27. Dezember 2002 persönlich bei der Post aufgegeben habe, nach dem dieser mit seinem Steuerberater geschrieben worden sei. Wörtlich führt er aus:

"Warum sollte ich bei solchen weit hergeholten Steuerbescheiden keinen Einspruch machen, um mich etwa selber zu ruinieren, das wäre doch töricht oder nicht?" Mit Schreiben vom 15. März 2006 hat der Kläger "an Eides Statt" versichert, dass er den Widerspruch rechtzeitig zur Post gegeben habe. Er hat ein Schreiben vom 14. Februar 2006 des Herrn D. beigefügt, der wörtlich ausführt:

"Wie bereits von Herrn K. vorgetragen, habe ich mit ihm zusammen am 27.12.2002 den Einspruch gegen die angeführten Feststellungsbescheide der K. & R.OHG entworfen. Herr K. hat den Einspruch dann geschrieben und am 27.12.2002 zur Post aufgegeben.. Nach einer Rückfrage bei Herrn K. hat er mir bestätigt, dass er den Brief zur Post gegeben hat. Weitere Angaben zu dem Sachverhalt kann ich nicht mehr machen."

Nach Durchführung eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 6. Oktober 2006, einem nachfolgenden Antrag auf Befangenheit gegen den Berichterstatter, einem insoweit ergangenen zurückweisenden Beschluss vom 10. September 2007 erfolgte zum 27. März 2008 eine Ladung zur mündlichen Verhandlung. Am 25. März 2008 teilte der Kläger per Telefax mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen könne. Nach richterlicher Aufforderung durch den Vorsitzenden übersandte der Kläger am Verhandlungstag ein ärztliches Attest, nach dem der Kläger vom 25. März bis 8. Mai 2008 arbeitsunfähig sei. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde sodann mit Beschluss vom 27. März 2008 vertagt. Mit Schreiben des Berichterstatters vom 10. April 2008 wurde der Kläger nachfolgend unterrichtet, dass die nächste mündliche Verhandlung für den 22. Mai 2008 geplant sei, und er gebeten, das Gericht zu unterrichten, ob er an der Verhandlung teilnehmen könne. Eine Reaktion erfolgte in der Folgezeit nicht. Mit richterlicher Verfügung des Vorsitzenden vom 22. April 2008 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2008. Die Ladung wurde ausweislich der Zustellungsurkunde am 25. April 2008 in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingeworfen. Am 21. Mai 2008 ging per Telefax ein Schreiben des Klägers ein, wonach er aus gesundheitlichen Gründen nicht anreisen und am Termin teilnehmen könne. Mit Telefax vom 21. Mai 2008 wies der Vorsitzende den Kläger darauf hin, dass dem Terminverlegungsantrag nur dann entsprochen werden könne, wenn ein entsprechendes ärztliches Attest vorgelegt werde, welches die Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit bescheinige. Am 22. Mai 2008 wurde die mündliche Verhandlung durchgeführt.

Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Für den Beklagten ist im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen.

Grundsätzlich vertritt der Beklagte die Auffassung, dass Wiedereinsetzung nicht zu gewähren sei, da der Wiedereinsetzungsantrag verspätet gestellt und zudem nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei weiterhin nicht erkennbar geworden, wann, wo und wie der behauptete Einspruch eingelegt worden sein soll. Da insoweit den Kläger die Feststellungslast treffe, sei der Einspruch nach seiner Ansicht zu Recht als unzulässig verworfen worden.

Am 28. Mai 2008 ging bei Gericht ein Fax des Klägers mit einer Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. W. vom 28. Mai 2008 ein, wonach es dem Kläger aufgrund seiner Erkrankung nicht möglich sei, zum genannten Termin anzureisen.

Dem Senat haben die Umsatzsteuerakte, die Feststellungsakte, die Betriebsprüfungsakte, eine Haftungsakte sowie eine Einspruchsakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte den Einspruch des Klägers wegen Verfristung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen.

Gemäß § 355 Abs. 1 AO ist ein Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 AO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Die geänderten Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1996 und 1997 wurden ausweislich des Abgangsvermerks des Beklagten am 02. Dezember 2002 zur Post gegeben. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Die Bescheide galten damit am 05. Dezember 2002 als bekannt gegeben. Der Einspruch hätte innerhalb eines Monats beim Beklagten eingehen müssen. Da das Ende der Einspruchsfrist (05. Januar 2003) auf einen Sonntag fiel und der darauf folgende Tag (06. Januar 2003) in Sachsen-Anhalt gesetzlicher Feiertag ist, lief die Einspruchsfrist am 07. Januar 2003 ab, § 108 AO i.V.m. §§ 187 - 193 BGB.

Ein fristgerechter Einspruch ist beim Beklagten jedoch nicht eingegangen. Erstmals mit Schreiben vom 3. Juni 2003, Eingang beim Beklagten am 04. Juni 2003, übersandte der Kläger im Zusammenhang mit einem anderen Einspruchsverfahren (Haftung für Steuerschulden) die Kopie eines Einspruchsschreibens vom 27. Dezember 2002, nachdem er im Schreiben vom 21. März 2003 darauf hingewiesen hatte, dass ein Einspruch eingelegt worden sei, die Poststelle diesen jedoch wohl nicht bekommen habe.

Die Feststellungslast für die rechtzeitige Erhebung und den Zugang eines Einspruchs trägt der Steuerpflichtige (vgl. BFH, Beschluss vom 15.10.1998 - IV B 5/98, BFH/NV 99, 585). Der Kläger hat nicht nachgewiesen oder nachweisen können, dass er den Einspruch rechtzeitig erhoben hat. Er hat weder im Vorverfahren noch im Klageverfahren dargelegt, wo genau und wann er den Einspruch abgesandt hat und dass dieser beim Beklagten eingegangen ist. Soweit er ein Schreiben des Herrn D. vom 14. Februar 2006 vorgelegt hat, ergibt sich aus diesem allenfalls die Fertigung eines entsprechenden Einspruchsschreibens, nicht jedoch die Absendung des Schriftstückes und erst recht nicht der fristgemäße Zugang des Einspruchsschreibens beim Beklagten.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren.

Nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein Wiedereinsetzungsantrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; nach Satz 2 sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Das bedeutet: Innerhalb der Monatsfrist muss der Wiedereinsetzungsantrag gestellt und auch begründet worden sein. Nach Ablauf der Frist können nur noch Ergänzungen, ggf. weitere Glaubhaftmachungen nachgereicht werden (u.a. Urteile des BFH vom 20. Februar 1990, VII R 125/89, BStBl. 1990 II 546 und vom 27. September 2001, X R 66/99, BFH/NV 2002, 358).

Hieran fehlt es im Streitfall.

Das Hindernis an der rechtzeitigen Einlegung des Einspruchs fiel fort, als der Kläger von dem Nichteingang seines Einspruchs erfuhr. Das dürfte bereits der Zugang des Haftungsbescheides gewesen sein, spätestens aber der Zugang des Schreibens des Beklagten vom 12. Mai 2003, mit dem der Beklagte ihn außerdem bat, die Umstände der Einspruchseinlegung darzustellen. Letzteres hätte der Kläger tun müssen, um seinen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen. Stattdessen hat er nur seinen Einspruch wiederholt, ohne innerhalb der Frist auch nur im mindestens zu der Einspruchseinlegung vorzutragen. Wenn er sich über die erforderliche Begründung oder darüber, was sich der Beklagte unter "Umstände der Einspruchseinlegung" vorstellte, im Unklaren gewesen sein sollte, hätte er sich wenigstens an den Beklagten wenden und nachfragen können und müssen, was dieser eigentlich von ihm erwarte. Das hat er jedoch nicht getan, so dass der Beklagte den Einspruch nur als unzulässig verwerfen konnte.

Von einer Beiladung des Herrn R. nach § 60 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) hat der Senat Abstand genommen, da die Klage wegen der verspäteten Einspruchseinlegung offensichtlich unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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