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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: 1 K 1865/06
Rechtsgebiete: EStG, KStG


Vorschriften:

EStG 1999 § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
EStG 1999 § 44 Abs. 5 S. 1
EStG § 43 Abs. 1 Nr. 1
KStG § 8a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 1865/06

Haftung nach § 44 Abs. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz (i.d.F. 1999)

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2007

durch den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzender, die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar, den Richter am Finanzgericht Schulz, die ehrenamtliche Richterin ... den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Änderung des Haftungsbescheides vom 16. Dezember 2003 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 29. November 2006 wird die Haftungsschuld um EUR auf EUR reduziert.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, falls die Klägerin nicht vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2003 nahm der Beklagte die Klägerin für nicht abgeführte Steuern in Höhe von insgesamt DM ( EUR) in Anspruch. Im Rahmen einer vorangegangenen Betriebsprüfung ermittelte das Finanzamt , gewerbliche Großbetriebsprüfung, unter anderem folgenden Sachverhalt:

Der ist alleiniger Gesellschafter der GmbH (Klägerin) und gewährte dieser zur Errichtung einer ein Darlehen in Höhe von DM. Im abgeschlossenen Darlehensvertrag vom 01. Juli 1998 war zunächst Unverzinslichkeit vereinbart. Erst mit Vertrag vom 24. September 1999 wurde rückwirkend zum 01. Januar 1999 eine 1%-Verzinsung vereinbart. Die Zinsen zahlte die Klägerin an . Diese und andere gezahlte Zinsen (z.B. Bauzeitzinsen in schwankender Höhe ohne entsprechende Vereinbarung) aktivierte die Klägerin bei den verschiedenen Wirtschaftsgütern der Kläranlage.

Die Zahlung der Zinsen für den Zeitraum 01. Januar bis 24. September 1999 ( DM) wertete die Betriebsprüfung daraufhin als verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG), da keine klare und von vornherein getroffene Vereinbarung ersichtlich und mithin die Berechnung der Zinsen auf gesellschaftsrechtliche Veranlassung zurückzuführen sei. Für den restlichen Zeitraum des Jahres 1999 ermittelte die Betriebsprüfung Zinszahlungen in Höhe von DM und wertete diese als verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8a Abs. 1 KStG.

Das Finanzamt ermittelte Ausschüttungsbelastungen im Sinne von §§ 8 und 8a KStG und berechnete Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag. Soweit die rückwirkende Verzinsung betroffen war, ermittelte das Finanzamt für den unter § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG fallenden Betrag von DM Kapitalertragsteuer in Höhe von DM zuzüglich DM Solidaritätszuschlag und für den unter § 8a Abs. 1 KStG fallenden Betrag von DM Kapitalertragsteuer in Höhe von DM ( EUR) zuzüglich DM Solidaritätszuschlag (25 v.H. gem. § 43 a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 und 3 Einkommensteuergesetz 1999 [EStG]). Kapitalertragsteuer war an das Finanzamt nicht abgeführt worden. Der Beklagte nahm die Klägerin als Schuldnerin für die Nichtabführung der Steuer nach § 44 Abs. 5 EStG in Haftung.

Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass mit der verdeckten Gewinnausschüttung eine Kapitalertragsteuer gemäß §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (1999) und ein entsprechender Solidaritätszuschlag zu entrichten sei.

Gegen den Haftungsbescheid richtete sich der am 22. Dezember 2003 erhobene Einspruch, der sich inhaltlich mit einem Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 05. September 2000, 6 K 2821/97 KE, EFG 2001, 84, ausschließlich gegen die Feststellungen aus dem Prüfvermerk Nr. 1 (§ 8a Abs. 1 KStG / DM Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag) richtete, soweit das Jahr 1999 betroffen war. Nach Ansicht der Klägerin werde die Einkommensteuer für verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8a Abs. 1 KStG nicht durch den Abzug vom Kapitalertrag erhoben.

Mit Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2005 reduzierte der Beklagte die festgesetzte Kapitalertragsteuer auf die verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8a Abs. 1 KStG für das Kalenderjahr 1999 um die Hälfte auf EUR und den Solidaritätszuschlag ebenfalls um die Hälfte auf EUR. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 29. November 2006 als unbegründet zurück. Er vertrat weiterhin die Ansicht, dass die Klägerin als Schuldnerin der Kapitalerträge 25 v.H. dieser Erträge als Kapitalertragsteuer an das Finanzamt hätte abführen müssen und dass das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf über den entschiedenen Einzelfall hinaus keine Anwendung finde.

Gegen den Einspruchsbescheid richtet sich die am 27. Dezember 2006 erhobene Klage, mit der die Klägerin eine Reduzierung der Haftungsschuld um insgesamt EUR begehrt. Die anderen festgesetzten Steuerbeträge sind unstreitig.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (1999) nur vorliege, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwende und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis habe. Da im Streitfall derartige gesellschaftsrechtliche Veranlassungen nicht gegeben seien, bestehe auch keine Verpflichtung zur Abführung der Kapitalertragsteuer. Die entsprechende verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8a Abs. 1 KStG stelle keine Ausschüttung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dar; somit liege auch keine Verpflichtung zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG und mithin kein Haftungstatbestand nach § 44 Abs. 5 EStG vor.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Haftungsbescheid vom 16. Dezember 2003 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 29. November 2006 abzuändern und die Haftungsschuld von EUR um EUR auf EUR zu reduzieren und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er bezieht sich zur Begründung des Antrages auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.

Dem Senat hat die Haftungsakte des Beklagten vorgelegen

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Qualifizierung von Zinszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen gemäß § 8a KStG in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung führt nicht zur Annahme der Leistungen als verdeckte Gewinnausschüttungen an die Anteilseigner im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (1999). Demzufolge entfällt auch die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG (1999) wird unter anderem bei inländischen Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG Kapitalertragsteuer erhoben. Die im Rahmen der Ermittlungen der Betriebsprüfung festgestellten und als verdeckte Gewinnausschüttungen qualifizierten Zinszahlungen der Klägerin an sind keine Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (1999). Zwar gehören nach dieser Vorschrift zu den sonstigen Bezügen aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung auch verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die als verdeckte Gewinnausschüttungen gemäß § 8a KStG geltenden Zinszahlungen an den Gesellschafter für von diesem zur Verfügung gestellte Darlehen sind jedoch keine verdeckten Gewinnausschüttungen im Sinne der einkommensteuerlichen Vorschriften.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Das Erfordernis der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung knüpft insoweit an die Definition der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG an.

Der Senat folgt dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 05. September 2000, 6 K 2821/97 KE, EFG 2001, 84, und ist der Auffassung, dass verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nur solche Leistungen einer Kapitalgesellschaft an den Anteilseigner sind, denen eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung zugrunde liegt. Die gemäß § 8a KStG ohne das Vorliegen einer derartigen gesellschaftsrechtlichen Veranlassung umqualifizierten Zinsen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG, wonach Vergütungen für Fremdkapital lediglich als verdeckte Gewinnausschüttungen "gelten". Obwohl das Finanzgericht Düsseldorf im Jahre 2000 ein entsprechendes Urteil gefällt hat und die von der Finanzverwaltung eingelegte Revision unter dem BFH-Aktenzeichen I R 109/00 von der Finanzverwaltung zurückgenommen wurde, hat der Gesetzgeber bis zum Veranlagungszeitraum 2003 den Wortlaut des § 8a KStG unverändert gelassen. Erst mit der Neufassung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 ist geregelt, dass Vergütungen für Fremdkapital verdeckte Gewinnausschüttungen "sind".

Der Senat geht daher davon aus, dass verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 20 EStG und von § 8a KStG im Streitjahr 1999 nicht dasselbe sind (so auch Wassermeyer, DStR 2004, 749). Damit liegen im Streitfall keine verdeckten Gewinnausschüttungen im Sinne von § 20 EStG vor. Eine andere Bewertung würde eine Fiktion darstellen, die einer Rechtsgrundlage bedürfte (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1986, GrS 2/86 unter C.I.2.c, BStBl. 1998 II 349, 354). Eine solche ist nicht ersichtlich, da im EStG kein Hinweis auf das KStG enthalten ist und es sich bei § 8a KStG auch "nur" um eine Gewinnermittlungsvorschrift für die Körperschaft handelt.

Darüber hinaus bedürfen verdeckte Gewinnausschüttungen eines Bezuges zum Gesellschaftsverhältnis bzw. müssen mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis (societatis causa) entstanden sein. Dies kann - zumindest im Streitjahr - der dort geltenden Fassung des § 8a KStG jedoch nicht ohne weiteres entnommen werden, wenn lediglich im Rahmen einer Gewinnermittlungsvorschrift Vergütungen als verdeckte Gewinnausschüttungen "gelten" sollen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da nach Rücknahme der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf eine höchstrichterliche Entscheidung zur Streitfrage aussteht.



Ende der Entscheidung

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