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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 1 K 1970/04
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 36 Abs. 4 S. 3
FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 1970/04

Rückforderungsbescheid

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. April 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Hübner,

die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,

die ehrenamtliche Richterin und

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 ergab sich zugunsten der Klägerin und ihres mit ihr zusammen veranlagten Ehemannes ein Erstattungsanspruch. Der Betrag sollte laut Einkommensteuererklärung vom März 2001 auf ein von beiden Ehegatten benanntes Konto bei der ... Bank und laut Fragebogen zur Eröffnung eines Gewerbebetriebes vom September 2001 auf ein vom Ehemann benanntes Konto bei der ...sparkasse überwiesen werden. Tatsächlich wurde er jedoch aufgrund einer - im Namen der Eheleute formulierten aber nur vom Ehemann der Klägerin unterschriebenen - Mitteilung über die Änderung ihrer Bankverbindung vom 24. Oktober 2001 auf ein darin benanntes anderes Konto bei der ...sparkasse überwiesen.

Da die Eheleute dauernd getrennt lebten und auf dem in der Steuererklärung angegebenen Konto keine Erstattung einging, bat die Klägerin den Beklagten zunächst um eine Kopie des Einkommensteuerbescheides und teilte ihm später mit, dass es sich bei dem Konto, auf dem die Erstattung eingegangen war, um ein privates Konto ihres Ehemannes gehandelt habe und dass sie von der Änderung der Bankverbindung weder gewusst habe noch mit ihr einverstanden gewesen sei. Daraufhin erließ der Beklagte am 9. Oktober 2002 gegenüber der Klägerin einen Bescheid, der als Abrechnungsbescheid überschrieben war, nach "antragsgemäßer" Aufteilung der Steuerschuld für die Klägerin einen anteiligen Erstattungsbetrag von 3.902,69 EUR auswies und dessen Überweisung an die Klägerin zum 21. Juni 2002 feststellte, sowie einen Rückforderungsbescheid gegenüber ihrem Ehemann in entsprechender Höhe.

Allerdings erreichte ihr Ehemann nach erfolglosem Einspruchsverfahren eine Aufhebung seines Rückforderungsbescheides durch ein Urteil des Finanzgerichtes vom 23. Februar 2004. Daraufhin forderte der Beklagte mit dem hier streitigen Rückforderungsbescheid vom 26. März 2004 von der Klägerin den an sie ausgezahlten Betrag mit der Begründung aus dem finanzgerichtlichen Urteil wieder zurück und wies den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch (nach einer inzwischen unstreitigen und auch wieder aufgehobenen Teilrücknahme) mit Einspruchsbescheid vom 22. September 2004 zurück. Dagegen hat die Klägerin am 25. Oktober 2004 Anfechtungsklage erhoben.

Die Klägerin meint, der Erstattungsbetrag sei nicht schuldbefreiend an ihren Ehemann ausgezahlt worden. Die gesetzliche Vermutung einer Einziehungsvollmacht des einen für den anderen Ehegatten sei nur dadurch gerechtfertigt, dass die Steuererklärung zwingend durch beide Ehegatten eigenhändig zu unterschreiben sei, weil nur dann jeder der Ehegatten die Angaben der gemeinschaftlichen Steuererklärung ausdrücklich gebilligt habe. Folglich sei sie widerlegt, wenn der Beklagte hätte erkennen müssen, dass einer der beiden mit der gewählten Verfahrensweise aus beachtlichen Gründen nicht einverstanden gewesen sei, so wie im vorliegenden Fall, da die zeitlich spätere Kontoangabe ihres Ehemannes von ihrer gemeinschaftlichen Angabe in der Steuererklärung abweiche. Zumindest aber hätte er im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes sowie seiner Fürsorge- und Betreuungspflichten vor einer Auszahlung auf dieses Konto Rücksprache mit der Klägerin nehmen und sie anhören müssen, denn ansonsten habe sie gar keine Gelegenheit, rechtzeitig Einwendungen vorzubringen. Für eine extensive Auslegung der gesetzlichen Vermutung sei angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift kein Raum. Jedenfalls erscheine ihr eine Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber ihrem Ehemann aussichtslos, da dieser nach ihrer Scheidung wegen der ihn treffenden Unterhaltspflicht für den gemeinsamen Sohn praktisch nicht pfändbar sei.

Da bei einem Erörterungstermin Unsicherheit über die genaue Höhe des Rückforderungsanspruches entstanden war, hat der Beklagte auf Anregung des Gerichts am 10. Mai 2006 einen weiteren Abrechnungsbescheid erlassen, der inzwischen bestandskräftig ist. Darin sind die noch zu entrichtenden bzw. zu erstattenden Beträge wegen Einkommensteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2000 unter Hinweis darauf, dass die Klägerin den damals an sie ausgezahlten Betrag von 3.902,69 EUR am 1. November 2004 wieder zurückgezahlt hatte, jeweils mit 0 EUR festgestellt worden.

Im Hinblick darauf beantragt die Klägerin nunmehr,

festzustellen, dass der Rückforderungsbescheid vom 26. März 2004 und der Einspruchsbescheid vom 22. September 2004 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, der Erstattungsbetrag sei schuldbefreiend an den Ehemann der Klägerin ausgezahlt worden. Die gesetzliche Vermutung einer Einziehungsvollmacht des einen für den anderen Ehegatten gelte nämlich nicht nur für Bankverbindungen, die von beiden Ehegatten durch Unterschrift auf der gemeinsamen Steuererklärung bestätigt werde, sondern bspw. auch für die im Bescheid angegebene oder die tatsächlich angesprochene Bankverbindung. Nachdem die Klägerin auch der dem Fragebogen zur Eröffnung des Betriebes des Ehemannes entnommenen Bankverbindung nicht widersprochen habe, habe für ihn kein Anlass bestanden anzunehmen, dass die Ehe der Gesamtschuldner nicht mehr intakt gewesen sei.

Dem Gericht haben die Steuer- und Abrechnungsakten des Beklagten über die Klägerin und ihren früheren Ehemann (...) (2 Bände) vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unzulässig.

Zwar ist die Klägerin zu Recht von einem Anfechtungsantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag übergegangen, weil sich der streitbefangene Rück- forderungsbescheid vom 26. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. September 2004 mit Bestandskraft des auch darüber abrechnenden Bescheides vom 10. Mai 2006 erledigt hat, so dass für die ursprünglich von ihr erhobene Anfechtungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht. Allerdings fehlt für die von ihr nunmehr verfolgte Klage das dafür ausdrücklich in § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO geforderte Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches lässt sich im vorliegenden Fall ersichtlich nicht mit einem Rehabilitationsinteresse begründen, weil der Rückforderungsbescheid keinen diskriminierenden Inhalt hat, und ebenso wenig mit Wiederholungsgefahr, weil die Eheleute inzwischen geschieden sind und deshalb eine vergleichbare Situation nicht mehr eintreten kann, sondern allenfalls auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen stützen. Das würde allerdings zum Ersten voraussetzen, dass die Klägerin bereits einen Schadensersatzanspruch anhängig gemacht hat oder wenigstens mit hinreichender Sicherheit machen will, und zum Zweiten, dass der avisierte Schadensersatzprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist und dass die Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage dessen Ergebnis beeinflussen könnte (BFH, Beschl. v. 17. Mai 2001, I S 2/01, BFH/ NV 2001, 1426 m.w.N.). Die Klägerin erfüllt aber schon die erste Voraussetzung nicht, denn sie hat nicht einmal ansatzweise vorgetragen, dass sie überhaupt einen Amtshaftungsprozess gegenüber dem Beklagten beabsichtigt. Im Übrigen ist auch die zweite Voraussetzung nicht erfüllt, denn ein Amtshaftungsanspruch gegenüber der Beklagten würde spätestens an § 839 Abs. 3 BGB scheitern, weil die Klägerin den Abrechnungsbescheid vom 10. Mai 2006 hat bestandskräftig werden lassen.

Insofern sei nur angemerkt, dass die Rückforderung des Erstattungsbetrages nicht nur nach Ansicht des damals in der Sache des Ehemanns der Klägerin zuständigen Einzelrichters, sondern auch nach Ansicht des für die Klägerin nunmehr zuständigen Senates die materiell zutreffende Rechtslage wieder hergestellt hat. Gemäß § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG wirkt nämlich bei Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen.

Zwar hat der Bundesfinanzhof dazu in einem Leitsatz (zum Urt. v. 5. April 1990, VII R 2 /89, BStBl. II 1990, 719) formuliert, dass das Finanzamt nicht von seiner Erstattungspflicht frei werde, wenn es in Fällen der Zusammenveranlagung den Erstattungsbetrag nicht auf das ihm in der Einkommensteuererklärung als Erstattungskonto ausdrücklich benannte Konto, sondern auf ein Konto des anderen Ehegatten überweist. Und in den betreffenden Gründen hat er sogar ausdrücklich angemerkt, dass eine zwischenzeitlich durchgeführte Speicherung eines anderen Kontos aufgrund der Anzeige der Eröffnung eines Gewerbebetriebes dem anderen Ehegatten nicht zugerechnet werden könne, weil ein betriebliches Bankkonto des einen Ehegatten in der Regel nicht dazu bestimmt sei, die privaten Steuererstattungen des anderen Ehegatten aufzunehmen. Aber der oben zitierte Fall unterscheidet sich von dem hier vorliegenden Fall zum Einen dadurch, dass der Beklagte hier wenigstens die zeitlich letzte Willensäußerung im Namen der Eheleute umgesetzt hat, und zum Zweiten dadurch, dass die Argumentation des Bundesfinanzhofes zur Zweckbestimmung eines betrieblichen Bankkontos für das vom Beklagten angesprochene Konto nicht greift, weil der Ehemann das Konto als gemeinsames Konto bezeichnet hat.

Ohnehin ist nach Ansicht des erkennenden Senats die Regelung des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG gerade nicht auf die Fälle beschränkt, in denen sich die Eheleute durch ihre beiderseitigen Unterschriften auf der Steuererklärung gegenseitig bevollmächtigten, den Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen, denn bei beiderseitigen Unterschriften auf der Einkommensteuererklärung oder auch sonst beiderseitigen Willenserklärungen zur angegebenen Kontenverbindung bedarf es einer solchen - von der Formulierung her sogar unwiderleglichen - Vermutung gar nicht. Vielmehr wird diese Vermutung überhaupt erst relevant bzw. ergibt sich für die Vorschrift überhaupt erst ein sinnvoller Anwendungsbereich, wenn eine der beiden Unterschriften zur Bankverbindung fehlt. Für diese Interpretation spricht auch, dass der BFH selbst zugesteht, dass die Vorschrift von der Annahme ausgeht, dass bei einer intakten Ehe die Steuererstattung an einen Ehegatten vom anderen gebilligt wird, und damit die Ursache der gesetzlichen Vermutung nicht den beiderseitigen Unterschriften sondern der nach außen jedenfalls intakten Ehe zuschreibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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