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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 1 K 2702/04
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 14 Abs. 3
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

1 K 2702/04

Umsatzsteuer 1996

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 1. Senat

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht S.

der Richterin am Finanzgericht M.

des Richters am Verwaltungsgericht T. sowie

der ehrenamtlichen Richter G. und W.

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 8. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Änderung des Umsatzsteuer-Bescheids 1996 vom 23. August 2005 wird die negative Umsatzsteuer 1996 auf 222.709,03 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 88% und dem Finanzamt zu 12% auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die OCH AG (OCH) war im Streitjahr 1996 alleiniger Gesellschafter der Klägerin (Blatt 35 Akte Dauerunterlagen). Die OCH hatte der Klägerin am 4. Dezember 1996 eine Rechnung erteilt, in der Umsatzsteuer (USt) in Höhe von 15.000 DM ausgewiesen war. Die der Rechnung zu Grunde liegende Leistung war mit "technischer Beratung und technischer Kontrolle im Jahr 1996" bezeichnet. Zum Inhalt im Einzelnen verweist das Gericht auf das genannte Papier (Blatt 127 Gerichtsakte).

Die Klägerin hatte gegenüber der G.S.GmbH und Co.KG (KG) im Streitjahr 1996 mit zwei Rechnungen Leistungen abgerechnet; in den Rechnungen war USt in Höhe von 75.000 DM und 27.000 DM ausgewiesen.

Der Beklagte (das Finanzamt) erließ am 20. Januar 2003 gegenüber der Klägerin einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Bescheid über USt 1996. In diesem Bescheid hatte das Finanzamt die in der Rechnung der OCH vom 4. Dezember 1996 ausgewiesene USt i.H. von 15.000 DM nicht zum Abzug als Vorsteuer zugelassen. Die in den beiden der KG erteilten Rechnungen ausgewiesene USt wurde entweder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz 1993 (UStG) oder nach § 14 Abs. 3 UStG angesetzt.

Gegen den genannten Bescheid hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 29. November 2004) Klage erhoben. Nach Klageerhebung erging am 23. August 2005 ein geänderter USt-Bescheid, in dem die negative USt für 1996 aus anderen Gründen um 4.345,98 EUR auf 215.039,65 EUR herabgesetzt wurde.

Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, dass mit der Rechnung vom 4. Dezember 1996 über technische Betreuung und Beratung abgerechnet worden sei, die die Anlagentechnik in Tagesgeschäft betroffen habe. Die technischen Leistungen seien von den Ingenieuren der OCH Cz und L über mehrere Monate vor Ort erbracht worden, unter anderem bei der Realisierung der Projekte Krokant und schokolierte Toffees sowie bei Reparaturen und sonstigen technischen Problemen der laufenden Produktion. Dies ergebe sich aus dem Anlagenkonvolut K 15; dort bestätige unter anderem der Ingenieur Cz, dass er im Zeitraum von Juli 1996 bis Juni 1998 während seiner Tätigkeit bei der OCH Bonn einen Großteil seiner Arbeitszeit bei der Klägerin verbracht habe. Die Höhe der abgerechneten Leistungen habe sich an den Jahresgehältern der beiden Ingenieure orientiert.

Außerdem ist die Klägerin der Meinung, dass die festgesetzte USt um die Steuer zu ermäßigen sei, die sie in den Rechnungen an die KG ausgewiesen habe. Denn das Finanzamt habe bei der KG den Abzug dieser Beträge mit der Begründung versagt, dass es sich um Scheinrechnungen handle. Am 11. Dezember 2000 sei die KG auf die Klägerin angewachsen. Wegen der Neutralität der USt müssten die ausgewiesenen Steuerbeträge außer Ansatz bleiben.

Die Klägerin beantragt,

den USt-Bescheid 1996 vom 23. August 2005 in der Weise zu ändern, dass die USt für 1996 um 117.000 DM herabgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Meinung, dass der Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 4. Dezember 1996 in Höhe von 15.000 DM nicht möglich sei, da es sich um eine Scheinrechnung handle. Es sei unklar, welche Leistung die OCH erbracht habe.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist insoweit begründet, als der Vorsteuerabzug i.H. von 15.000 DM aus der Rechnung vom 4. Dezember 1996 geltend gemacht wird. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klägerin kann die in der Rechnung der OCH vom 4. Dezember 1996 ausgewiesene USt in Höhe von 15.000 DM als Vorsteuer abziehen.

2. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Maßgeblich für den Vorsteuerabzug ist hiernach, dass der Unternehmer tatsächlich steuerbelastete Leistungen in Anspruch genommen hat und dass sich dem Abrechnungspapier, auf das sich der Vorsteuerabzugsbegehrende stützt, entnehmen lässt, gerade diese bestimmten Leistungen lägen seinem Anspruch zu Grunde. Erforderlich ist dafür, dass das Abrechnungspapier Angaben tatsächlicher Art enthält, welche die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet wird. Die Angaben müssen, gegebenenfalls unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel, die Identifizierung des Leistungsgegenstandes ermöglichen. Wird über eine sonstige Leistung abgerechnet, kann die erbrachte Leistung mit Angaben über die Leistungshandlung oder über den Leistungserfolg bezeichnet werden (BFH-Urteil vom 24.9.87 V R 50/85, BStBl II 1988, 688 unter Nrn. 7 und 8 der Gründe).

3. Im Streitfall hat die OCH der Klägerin gegenüber Leistungen erbracht, entweder Kontroll- und Beratungsleistungen oder Leistungen durch Arbeitnehmerüberlassung. Dass Leistungen erbracht wurden, ergibt sich aus den Feststellungen des Prüfers ("wurden zwar Leistungen durch Angestellte der OCH für Tochtergesellschaften der OCH erbracht", S. 17 des Fahndungsberichts vom 13.11.2002) und aus den Unterlagen, die als Anlage K 15 bei Gericht eingereicht wurden. So bestätigt z.B. der Ingenieur Robert Cz, dass er einen Großteil seiner Arbeitszeit bei der Klägerin im Bereich der Produktionstechnik (Projektarbeiten) verbracht habe. Auch aus den sonstigen Papieren ergibt sich eine Tätigkeit der beiden Ingenieure der OCH für die Klägerin im Streitjahr.

4. Die Angaben über den Leistungsgegenstand in der Rechnung vom 4. Dezember 1996 genügen gerade noch den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Mit der Bezeichnung "Für technische Beratung und technische Kontrolle im Jahr 1996" kann zwar nicht im Einzelnen festgestellt werden, welche Leistungen durch die OHC gegenüber der Klägerin erbracht worden sind. Andererseits steht fest, dass die OHC gegenüber der Klägerin mit den beiden Ingenieuren Cz und L entweder Kontroll- und Beratungsleistungen erbracht hat oder der Klägerin die beiden Ingenieure überlassen hat. Angesichts der für die Angaben in einer Rechnung gebotenen Kürze und der Schwierigkeit, zutreffende Kurzformeln für Leistungsbeschreibungen der hier in Betracht kommenden Art zu finden, hält der Senat die Angabe in der Rechnung noch für ausreichend.

5. Keinen Erfolg hat das Begehren der Klägerin, die in zwei Rechnungen der Klägerin an die KG insgesamt ausgewiesene USt von 102.000 DM bei der Festsetzung der USt für 1996 außer Ansatz zu lassen.

6. Der Senat konnte darauf verzichten, aufzuklären, ob das Finanzamt die Rechnungen als Scheinrechnungen beurteilt hat und den Ansatz der USt auf § 14 Abs. 3 UStG 1993 stützt oder ob es die in den beiden Rechnungen beschriebenen Leistungen der USt unterworfen hat. Hat die Klägerin tatsächlich Leistungen der in den Rechnungen beschriebenen Art ausgeführt, so unterliegen diese Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der USt. Hieran ändert nichts, dass die Empfängerin der Leistungen nach Angabe der Klägerin vier Jahre später auf die Klägerin verschmolzen wurde. Denn im Zeitpunkt der Leistungserbringung waren die Klägerin und die Leistungsempfängerin verschiedene Unternehmer i.S. des § 2 UStG.

7. Das Gleiche ergibt sich, wenn die Klägerin die in den Rechnungen beschriebenen Leistungen nicht erbracht hat und deshalb den zu Unrecht ausgewiesenen Steuerbetrag gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG schuldet. Hier ist schon fraglich, ob die richtlinienkonforme Auslegung des § 14 Abs. 3 UStG gebietet, eine Berichtigung der Steuerausweises analog § 14 Abs. 2 UStG zuzulassen. Aber auch dann, wenn man § 14 Abs. 2 UStG für entsprechend anwendbar hält und außerdem die Auffassung der Klägerin teilt, dass durch die Anwachsung der KG auf die Klägerin die Gefährdungslage beseitigt wurde, könnte die Berichtigung erst im Veranlagungszeitraum 2000 erfolgen. Denn der Steueranspruch entfällt nicht rückwirkend, sondern erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Gefährdung beseitigt wurde (BFH-Beschluss vom 10.6.02 V B 41/02, BFH/NV 2002, 150).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 138 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 137 Finanzgerichtsordnung (FGO), soweit das Finanzamt dem Begehren der Klägerin durch Erlass eines Änderungsbescheids entsprochen hat. Das Gericht konnte darauf verzichten, aufzuklären, ob die Ausfuhrnachweise tatsächlich dem Finanzamt vor der Fahndungsprüfung bei einer Betriebsprüfung vorgelegt worden sind. Denn die Klägerin hätte im Einspruchsverfahren diese Belege vorlegen können und sollen.

Im übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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