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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 1 K 290/01
Rechtsgebiete: InvZulG 1996, GG, BVerfGG, EGV
Vorschriften:
InvZulG 1996 § 2 S. 2 Nr. 4 | |
InvZulG 1996 § 3 S. 1 Nr. 4 | |
InvZulG 1996 § 3 S. 4 | |
InvZulG 1996 § 4 S. 1 | |
InvZulG 1996 § 5 Abs. 1 Nr. 3 | |
InvZulG 1996 § 5 Abs. 3 Nr. 1 | |
InvZulG 1996 § 5 Abs. 3 Nr. 2 | |
InvZulG 1996 § 7 Abs. 2 S. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 | |
GG Art. 100 Abs. 1 S. 1 | |
BVerfGG § 80 Abs. 2 S. 1 | |
EGV Art. 88 Abs. 1 | |
EGV Art. 88 Abs. 2 |
Finanzgericht Sachsen-Anhalt
In dem Rechtsstreit
...
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Dezember 2007
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,
die Richterin am Finanzgericht Hübner,
die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,
die ehrenamtliche Richterin
die ehrenamtliche Richterin
beschlossen:
Tenor:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 2 Satz 2 Nr. 4 des Investitionszulagengesetzes 1996 in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999 vom 19. Dezember 1998 insoweit mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz vereinbar ist, als die Vorschrift auch Investitionen umfasst, bezüglich deren der Investor eine bindende Investitionsentscheidung vor dem 28. September 1998 getroffen hat.
Gründe:
I. Die Klägerin unterhält einen Mühlenbetrieb. Sie beantragte am 10. September 1999 Investitionszulage für das Jahr 1998 in Höhe von zunächst DM 594.859,00 (Fördersatz von 10% bei einer Bemessungsgrundlage von DM 5.948.587,00) und stockte die beantragte Bemessungsgrundlage bei einer Augenscheinseinnahme auf DM 5.962.238,22 auf. Der Beklagte setzte - nachdem die Klägerin augenscheinlich auf Grund eines Versehens Zulage für einen Betrieb des Groß- und Einzelhandels beantragt hatte - Investitionszulage für Handwerk/ verarbeitendes Gewerbe lediglich für eine Bemessungsgrundlage von DM 1.917.977,00 in Höhe von DM 191.798,00 fest. Ein kleinerer Teil der Änderungen beruhte auf nicht mehr streitigen Feststellungen.
Im Klageverfahren hat der Beklagte auf Grund von ebenfalls nicht streitigen Feststellungen eine weitere Kürzung auf eine Bemessungsgrundlage von DM 1.754.677,00 und eine Investitionszulage von DM 175.467,70 vorgenommen, die Klägerin ihrerseits noch ergänzt, dass im Jahre 1998 bei ihr weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt gewesen seien.
Der auf eine Bemessungsgrundlage von DM 3.940.081,00 entfallende und streitige Teil der Kürzung beruht auf der Anwendung des durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 vom 19. Dezember 1998 eingefügten § 2 Satz 2 Nr. 4 Investitionszulagengesetz - InvZulG - 1996, der zahlreiche nach dem 2. September 1998 stattgefundene Anschaffungs- und Herstellungsvorgänge im Agrarsektor von der Investitionszulagenbegünstigung ausschloss. Die Vorschrift wiederum ist zurückzuführen auf eine im Jahre 1998 bestandskräftig gewordene Entscheidung der Europäischen Kommission über Beihilfemöglichkeiten im Agrarsektor, der ein jahrelanger Streit zwischen der Bundesrepublik und der Kommission vorausgegangen war.
Alle in diesem Teil der Bemessungsgrundlage enthaltenen Wirtschaftsgüter waren nach dem 2. September 1998 angeschafft, während die Klägerin unstreitig ihre verbindlichen Investitionsentscheidungen vor dem 3. September 1998 getroffen hatte. Es handelt sich um folgende Investitionskomplexe:
Bemessungsgrundlage (DM) | |
Abstehzellen | 134.711,37 |
Getreidesilo-Komplex | 229.311,62 |
Laborgeräte | 42.678,01 |
Neue Weizenmühle | 1.475.000,00 |
Verarbeitungslinie "Weizen" | 1.475.000,00 |
Transformatorenstation und Niederspannungshauptverteilung | 266.924,84 |
Auflieger MD-MM 67 | 205.000,00 |
FTH-Paletten-Transportanlage | 25.000,00 |
Signiersystem "UNICORN" | 3.620,05 |
Signiersystem "UNICORN" | 3.264,15 |
FTH-Paletten-Transportanlage | 26.100,00 |
Gossenentstaubungsanlage | 53.471,06 |
Summe | 3.940.081,10 |
Für den Getreidesilo-Komplex, die Weizenmühle, die Verarbeitungslinie Weizen, den Auflieger und die zweitgenannte FTH Paletten-Transportanlage (mithin für Wirtschaftsgüter mit einer Bemessungsgrundlage von insgesamt DM 3.410.411,62) liegt zudem ein belegmäßiger Nachweis dafür vor, dass die verbindlichen Bestellungen vor diesem Datum liegen. Die neue Weizenmühle kann überdies ohne Abstehzellen nicht betrieben werden. Alle streitigen Wirtschaftsgüter sind erforderlich für den Betrieb des mit Hilfe der Gesamtinvestition modernisierten Mühlenbetriebes.
Soweit die Klägerin eine streitige Bemessungsgrundlage von DM 3.941.081,00 errechnet hat, beruht dies augenscheinlich darauf, dass der Beklagte im Rahmen seiner Berechnungen im Einspruchsverfahren fälschlich Bemessungsgrundlagen von jeweils DM 1.475.500,00 (und damit DM 500,00 zu viel) für die neue Weizenmühle und die Verarbeitungslinie Weizen angenommen hat.
Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, die Einfügung von § 2 Abs. 2 Nr. 4 InvZulG 1996 durch das Steuerentlastungsgesetz vom 19. Dezember 1998 verstoße gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Wenn auch der Investitionszulagenanspruch erst mit Ablauf des Jahres 1998 entstanden sei, habe eine echte Rückwirkung vorgelegen, weil und soweit die maßgebenden Dispositionen bereits getroffen worden seien. Wenn eine Investitionsentscheidung getroffen worden sei, habe die betreffende Subventionsnorm ihre Lenkungsfunktion erreicht und sei zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage geworden.
Die echte Rückwirkung sei auch nicht ausnahmsweise gerechtfertigt. Insbesondere bestünden hierfür keine zwingenden Gründe des Gemeinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet wären, auch nicht deshalb, weil der Bundesrepublik Deutschland andernfalls ein gemeinschaftsrechtliches Vertragsverletzungsverfahren gedroht hätte. Es könne nicht richtig sein, dass einerseits deutsche Gerichte an eine Kommissionsentscheidung gebunden seien, diese andererseits keiner rechtlichen Überprüfung unterliege, nachdem die Bundesregierung sie aus vermutlich rein politischen Gründen nicht angegriffen habe. Zudem habe es der deutsche Gesetzgeber versäumt, entweder rechtzeitig das InvZulG mit einem gemeinschaftsrechtlichen Vorbehalt zu versehen oder in gemeinschaftsrechtskonformer Weise im Hinblick auf bereits begonnene Investitionen eine Übergangsregelung zu treffen. Nachdem schließlich von dem Jahre 2000 an die hier streitigen Wirtschaftsgüter wieder förderfähig gewesen seien, sei ein überragendes Gemeinwohlinteresse an einer kurzfristigen Beschränkung der Investitionszulageberechtigung nicht zu erkennen.
Vielmehr verletze die vorliegende Rückwirkung das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin. Die von 1994 bis 1998 getroffenen Maßnahmen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene habe sie tatsächlich nicht gekannt, nicht kennen und sich deshalb daran auch nicht orientieren müssen, zumal selbst der Bundesregierung nicht klar gewesen sei, dass die Kommissionsentscheidung aus dem Jahre 1994 zu einer Änderung des Investitionszulagengesetzes verpflichtet habe. Sie, die Klägerin, habe sich frühestens am 28. September 1998, als der BMF mittels einer Veröffentlichung im Bundessteuerblatt eine Gesetzesänderung ankündigte, zuzüglich einer Kenntnisnahmefrist von einem Monat auf diese einstellen müssen. Angesichts des hohen Investitionsvolumens verböten sich schließlich Überlegungen dahin, der Subventionsanreiz habe nicht kausal für die Investition sein können.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Bescheides über Investitionszulage 1998 vom 14. Oktober 1999 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 30. August 2001 sowie des Änderungsbescheides vom 20. April 2006 weitere Investitionszulage nach einer weiteren Bemessungsgrundlage von 3.941.081 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, die Rückwirkung sei aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls, um nämlich ein Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden, zulässig. Im Übrigen sei die Entscheidung der Kommission vom 22. März 1994 am 23. März 1994 im Amtsblatt veröffentlicht worden und seither jedem zugänglich. Von diesem Zeitpunkt an habe die Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen mehr in den Bestand der gesetzlichen Regelung haben können, sondern damit rechnen müssen, dass keine Zulage mehr gewährt würde.
II. Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sind gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz - GG - i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht - BVerfGG - geboten, weil der Senat § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999 vom 19. Dezember 1998 insoweit mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hergeleiteten Rückwirkungsverbot für unvereinbar und damit für verfassungswidrig hält, als die Vorschrift auch Investitionen umfasst, bezüglich deren der Investor eine bindende Investitionsentscheidung vor dem 28. September 1998 getroffen hat.
1. Nach § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 sind nicht begünstigt Wirtschaftsgüter, die der Anspruchsberechtigte nach dem 2. September 1998 angeschafft oder hergestellt hat und die (unter anderem) in Nummer 2 des Anhangs der Entscheidung der Europäischen Kommission 94/173/EG vom 22. März 1994 zur Festlegung der Auswahlkriterien für Investitionen zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Entscheidung 90/342/EWG - ABl. EG Nr. L 79 S. 29 - (Land- und Forstwirtschaftsentscheidung) genannt sind.
Ohne diese Vorschrift wäre Investitionszulage festzusetzen gewesen. Sie schließt jedoch Investitionszulage für alle in der hier streitigen Bemessungsgrundlage enthaltenen Wirtschaftsgüter aus. Es war auf einfachgesetzlicher Grundlage mithin zutreffend, die Investitionszulage zu versagen.
a. Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1996 sind begünstigte Investitionen unter bestimmten weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen die Anschaffung und Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wenn unter anderem sie der Anspruchsberechtigte nach dem 30. Juni 1994 begonnen sowie vor dem 1. Januar 1999 abgeschlossen hat und es sich um Investitionen in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes handelt (§ 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996). Die Bemessungsgrundlage ist gemäß § 4 Satz 1 InvZulG 1996 die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Wirtschaftsjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, wobei der Abschluss der Investition gemäß § 3 Satz 4 InvZulG 1996 der Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung ist. Die Investitionszulage beträgt nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 1996 bei Investitionen im Sinne des § 3 (Satz 1) Nr. 4 als Grundzulage 5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage und erhöht sich, soweit die Bemessungsgrundlage im Wirtschaftsjahr 5 Millionen Deutsche Mark nicht übersteigt, gemäß § 5 Abs. 3 Nrn. 1, 2 InvZulG 1996 auf 10 vom Hundert, wenn unter anderem der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs der Investitionen nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt und die Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes des Anspruchsberechtigten gehören.
Der Betrieb einer Getreidemühle gehört unstreitig zum verarbeitenden Gewerbe. Der Abschluss der streitigen Investitionen lag unstreitig noch im Jahre 1998. Da auch die Arbeitnehmer-Höchstzahl nicht überschritten wurde, erhöhte sich ohne § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage von DM 1.754.677,00 um DM 3.940.081,00 auf DM 5.694.758,00. Auf Grund der Kappungsgrenze für die erhöhte Investitionszulage wären somit DM 500.000,00 erhöhte Investitionszulage nach einer anteiligen Bemessungsgrundlage von DM 5.000.000,00 sowie DM 34.737,90 Grundzulage nach der diese übersteigenden anteiligen Bemessungsgrundlage von DM 694.758,00 festzusetzen.
Das wären insgesamt DM 534.737,90 und damit DM 359.270,20 mehr als derzeit festzusetzen.
b. § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 schließt jedoch die Festsetzung dieser weiteren Investitionszulage für die nach dem 2. September 1998 angeschafften Wirtschaftsgüter und damit für alle hier streitigen Investitionen aus.
aa. Der darin in Bezug genommene Anhang zu der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 22. März 1994 enthält in Nummer 2 Ausschließungen für bestimmte Sektoren. Nummer 2.1 schließt in den Sektoren Getreide und Reis (ausgenommen Saatgut) unter anderem (erster Spiegelstrich) Investitionen betreffend Getreidestärkefabriken, Müllereibetriebe, Mälzereien und Grießmühlen sowie Folgeprodukte dieser Industrien, mit Ausnahme von Erzeugnissen für neuartige Nichtnahrungszwecke (keine Hydrierungserzeugnisse von Getreidestärke) aus, ferner (zweiter Spiegelstrich) Investitionen betreffend Silos, außer für die Aufnahme, Trocknung und Aufbereitung der örtlichen Erzeugung in den Produktionsgebieten, soweit dort nachweislich ein Mangel an derartigen Einrichtungen besteht und die Lagerkapazitäten nicht ausgeweitet werden.
Da die Klägerin mit ihrer Mühle als Müllereibetrieb einzustufen ist und selbst nicht behauptet hat, sie stelle Erzeugnisse für neuartige Nichtnahrungszwecke her, sind grundsätzlich die gesamten Investitionen nach dem Wortlaut des ersten Spiegelstrichs ausgeschlossen. Es mag dahinstehen, in welchem Verhältnis die beiden Spiegelstriche zueinander stehen, namentlich, ob der zweite Spiegelstrich eine Spezialregelung enthält oder gegenüber dem ersten Spiegelstrich nachrangig zur Anwendung kommt. Davon hinge ab, ob auch der Getreidesilo-Komplex als Investition betreffend Müllereibetriebe oder als Investition betreffend Silos im Sinne des zweiten Spiegelstrichs eingestuft zu werden hat, der eine Ausnahmeregelung enthält. Aber weder hat die Klägerin behauptet noch ist dies anderweit erkennbar, dass in dem Produktionsgebiet M., in dem die Klägerin ansässig ist, ein Mangel an Silos bestünde und außerdem die Lagerkapazitäten nicht ausgeweitet werden.
Die streitigen Investitionen der Klägerin gehören mithin insgesamt zu den ausgeschlossenen Sektoren; dies entspricht auch der Rechtsauffassung der Klägerin selbst.
bb. Die streitigen Wirtschaftsgüter sind außerdem, wie § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 fordert, nach dem 2. September 1998 angeschafft.
Der Zeitpunkt der Anschaffung ist nach dem auch im Investitionszulagenrecht angewandten § 9a Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - der Zeitpunkt der Lieferung. Das wiederum ist der Zeitpunkt der Betriebsbereitschaft im Betrieb des Erwerbers (Urteile des BFH vom 2. September 1988, III R 53/84, BStBl. 1988 II 1009, 1010 f. sowievom 7. Dezember 1990, III R 171/86, BStBl. 1991 II 377 f.). Auf die Frage, wann der Erwerb der betreffenden Wirtschaftsgüter geplant oder wann diese bestellt wurden, kommt es für die Bestimmung des Anschaffungszeitpunktes nicht an. Die Anschaffungszeitpunkte in diesem Sinne lagen für alle streitbefangenen Wirtschaftsgüter unstreitig nach dem 2. September 1998.
2. Das InvZulG 1996 enthielt ebenso wie zuvor das InvZulG 1993 keine Einschränkungen für Investitionen im Landwirtschaftssektor. Investitionszulage in Form einer Grundzulage konnte innerhalb bestimmter Investitionsfristen zunächst prinzipiell jeder Betrieb im Fördergebiet (in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) erhalten. Lediglich erhöhte Investitionszulagen waren, versehen mit verschiedenen Staffelungen, an zusätzliche Anforderungen hinsichtlich des Wirtschaftszweigs und der Betriebsgröße sowie teilweise an die Zurechnung des Betriebes zu vormaligen DDR-Bürgern geknüpft. Besondere Bestimmungen für den Landwirtschaftssektor sowie das der Landwirtschaft zugeordnete verarbeitende Gewerbe gab es nicht.
Am 22. März 1994, veröffentlicht am 23. März 1994 (ABl. EG Nr. L 79 S. 29) erließ die Europäische Kommission die Entscheidung 94/173/EG zur Festlegung der Auswahlkriterien für Investitionen zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Entscheidung 90/342/EWG. In der Entscheidungsformel in Artikel 1 Abs. 1 heißt es, die gemeinschaftlichen Auswahlkriterien für die Investitionen, die für eine Gemeinschaftsbeteiligung gemäß den Verordnungen (EWG) Nr. 866/90 und (EWG) Nr. 867/90 in Betracht kommen, seien im Anhang dieser Entscheidung aufgeführt. Nach Abs. 2 könnten im Rahmen der Durchführung der vom Rat beschlossenen Sondermaßnahmen für die Regionen in extremer Randlage oder hinsichtlich von Kühleinrichtungen für die Inseln des Ägäischen Meeres punktuelle Abweichungen von diesen Kriterien genehmigt werden. Der Anhang dieser Entscheidung enthält, wie bereits unter Nr. 1.b.aa. dargestellt, Ausschließungen für Investitionen in bestimmten Sektoren.
Im Bundesgesetzblatt oder im Bundessteuerblatt wurde die Entscheidung zunächst nicht veröffentlicht.
Mit Schreiben Nr. SG(95) D/13086 vom 20. Oktober 1995 (ABl. C 29 vom 2. 2. 1996, S. 4) schlug die Kommission gemäß Art. 93 Abs. 1 EG-Vertrag (heute Art. 88) den Mitgliedstaaten einen Gemeinschaftsrahmen und zweckdienliche Maßnahmen für staatliche Investitionsbeihilfen zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse vor. Sie setzte die Mitgliedstaaten davon in Kenntnis, dass sie im Zusammenhang mit Investitionen in die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse keine gemäß Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag gemeldeten Beihilfevorhaben mehr genehmigen werde, die die Bedingungen des genannten Gemeinschaftsrahmens und der zweckdienlichen Maßnahmen nicht erfüllten und die nach dem 1. Januar 1996 oder über dieses Datum hinaus Anwendung finden sollen. Sie forderte die Mitgliedstaaten ferner auf, innerhalb von zwei Monaten zu bestätigen, dass sie spätestens ab dem 1. Januar 1996 dem Gemeinschaftsrahmen und den zweckdienlichen Maßnahmen nachkommen und zu diesem Zweck ihre bestehenden Beihilferegelungen anpassen würden, soweit letztere den Bedingungen des vorliegenden Gemeinschaftsrahmens und der zweckdienlichen Maßnahmen nicht entsprächen. Andernfalls behalte sich die Kommission vor, das Verfahren nach Art. 93 Abs. 2 EG-Vertrag (das sogenannte Hauptprüfverfahren) einzuleiten.
Die Bundesregierung gab Anfang 1996 Erklärungen ab, dass sie sich an die zweckdienlichen Maßnahmen halten und gegebenenfalls Beihilferegelungen anpassen werde, aber bezüglich der Beihilfen mit sektoraler Zielsetzung eine flexiblere Ausgestaltung der zweckdienlichen Maßnahmen mit Rücksicht auf regional unterschiedliche Bedingungen und agrarstrukturelle Verhältnisse in der Gemeinschaft notwendig sei.
Investitionszulagevorschriften wurden nicht geändert.
Mit Schreiben Nr. SG(96) D/6026 vom 1. Juli 1996 hat die Kommission Deutschland über ihren Beschluss vom 12. Juni 1996 in Kenntnis gesetzt, in Bezug auf staatliche Beihilfen zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die von Deutschland auf der Grundlage bestehender Beihilferegelungen mit regionaler Zielsetzung gewährt werden könnten, das Verfahren gemäß Art. 93 Abs. 2 EG-Vertrag einzuleiten, und zur Äußerung aufgefordert. Mit Veröffentlichung des Fristsetzungsschreibens (ABl. C 36 vom 5. 2. 1997, S. 13) sind auch die anderen Mitgliedstaaten und interessierten Parteien zu einer Äußerung aufgefordert worden.
Mit Schreiben vom 31. Juli 1996 an die Kommission hat sich die Bundesregierung geäußert und, wie es der späteren Kommissionsentscheidung vom 20. Mai 1998 (dort Rn. 11) zu entnehmen ist, die Auffassung vertreten, dass aus den bisherigen Rechtsakten der Gemeinschaft einschließlich der Schreiben der Kommission weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Beschränkung nationaler Beihilfemaßnahmen für die Verarbeitung oder Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse folge.
Die Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1998 (1999/183/EG) über mögliche staatliche Beihilfen Deutschlands zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse Deutschlands auf der Grundlage bestehender Beihilferegelungen mit regionaler Zielsetzung (bekannt gegeben unter K(1998) 1712, ABl. L 60 S. 61 vom 9. 3. 1999) beendete das Hauptprüfverfahren. Die Kommission entschied in Art. 1, dass nationale Regionalbeihilferegelungen mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag insofern unvereinbar seien, als sie dem Gemeinschaftsrahmen und den zweckdienlichen Maßnahmen betreffend staatliche Investitionsbeihilfen zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Deutschland mit Schreiben Nr. SG(95) D/13086 vom 20. Oktober 1995 mitgeteilt wurden, zuwiderliefen. Nach Art. 2 Satz 1 hatte Deutschland innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung bestehende Beihilferegelungen zu ändern, notfalls aufzuheben, um zu gewährleisten, dass sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien. Nach Art. 2 Satz 2 hatte Deutschland insbesondere dafür zu sorgen, dass keine staatlichen Investitionsbeihilfen zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für Investitionen gemäß Nummer 1.2 zweiter und dritter Gedankenstrich des Anhangs der Entscheidung 94/173/EG oder für Investitionen gewährt werden, die gemäß Nummer 2 dieses Anhangs vorbehaltlos ausgeschlossen sind, ferner keine staatlichen Investitionsbeihilfen zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für andere Investitionen gemäß Nummer 2 des Anhangs der Entscheidung 94/173/EG gewährt werden, es sei denn, die besonderen Voraussetzungen dieses Anhangs seien erfüllt.
Das Schreiben der Kommission soll der Bundesregierung am 2. Juli 1998 zugestellt worden sein. Mit Schreiben IV B 3 - S 2056 - 129/98 vom 18. September 1998, das am 28. September 1998 mit einem Abdruck der Entscheidung der Kommission vom 22. März 1994 im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde (BStBl. 1998 I 1132; Veröffentlichungsdatum S. 1123), teilte das Bundesministerium der Finanzen mit, dass ab dem 3. September 1998 unter anderem für die in Nummer 2 des Anhangs der Entscheidung 94/173/EG genannten Investitionen keine Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz 1996 zur Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse gewährt werden dürfen, soweit die Investitionen darin entweder vorbehaltlos ausgeschlossen oder die besonderen Voraussetzungen des Anhangs nicht erfüllt sind. Entsprechende Änderungen des Investitionszulagengesetzes seien vorgesehen. Zu erlassende Verwaltungsakte könnten mit der Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1998 und der vorgesehenen Gesetzesänderung begründet werden.
Art. 4 des Steuerentlastungsgesetzes 1999 vom 19. Dezember 1998 (BGBl. 1999 I 3779, BStBl. 1999 I 81) änderte das InvZulG 1996 schließlich durch Einfügung von § 2 Satz 2 Nr. 4 entsprechend.
Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor vom 1. Februar 2000 (ABl. EG Nr. C 28 S. 2; veröffentlicht ebenfalls durch Schreiben des BMF vom 13. Juli 2001, IV A 5 - S 2056 - 44/01, BStBl. I 2001, 456) fasste schließlich eine Reihe bisheriger Spezialvorschriften über Beihilfen im Agrarsektor zusammen und ermöglichte diese unter bestimmten Bedingungen.
3. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung wie auch diejenige der Fachgerichte beurteilt Gesetzesänderungen, die in bereits (teilweise) verwirklichte Subventions- oder Steuervergünstigungstatbestände eingreifen, von dem Zeitpunkt der Dispositionsentscheidung des Begünstigten an nach den Maßstäben der echten Rückwirkung, wenngleich es sich begrifflich nicht um eine solche handelt.
a. Mit Beschluss vom 3. Dezember 1997 (2 BvR 882/97, Haufe-Index 1458835, BVerfGE 97, 67) hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - eine rückwirkende Gesetzesänderung des Einkommensteuergesetzes zur Einschränkung einer allseits politisch für verfehlt erachteten steuerlichen Förderung des Schiffbaus bereits von dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens der beabsichtigten Gesetzesänderung an für zulässig erklärt. Die Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots sei aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls zulässig. Wenn auch tatbestandlich keine grundsätzlich unzulässige Rückbewirkung von Rechtsfolgen vorliege ("echte" Rückwirkung), sondern nur eine grundsätzlich weniger strengen Beschränkungen unterliegende tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte" Rückwirkung), schaffe der Gesetzgeber mit einem Subventionsangebot und seiner Lenkungs- und Gestaltungswirkung eine Vertrauensgrundlage für die Dispositionen des Steuerpflichtigen zu Gunsten eines bestimmten wirtschaftlichen Verhaltens, das er ohne den steuerlichen Anreiz nicht gewählt hätte. Auch nach den für die echte Rückwirkung geltenden strengen Maßstäben sei die Gesetzesänderung jedoch aus Gründen des gemeinen Wohls zulässig gewesen. Ein Steuerpflichtiger, der die Zeit eines rechtsstaatlichen Gesetzgebungsverfahrens nutze, um der Änderung zuvorzukommen und diese so zu unterlaufen, sei in seinem Vertrauen auf die bestehende Rechtslage nicht geschützt.
Mit Beschluss vom 17. 2. 2000 (2 BvR 1210/98, NJW 2000, 2015) hat die 1. Kammer des 2. Senats des BVerfG eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, in der die Rückforderung einer gemeinschaftsrechtswidrig ausgezahlten Subvention gerügt wurde. Indes ging es nicht um die Rückwirkung von Gesetzen, sondern um die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts. Überdies verneinte die Kammer aus tatsächlichen Gründen die Entstehung verfassungsrechtlich geschützten Vertrauens.
b. Bereits mit Urteil vom 23. Februar 1979 (III R 16/78, BStBl. 1979 II 455) hatte der Bundesfinanzhof - BFH - in ähnlicher Weise den Vertrauensschutz an die Dispositionsentscheidung des Unternehmers angeknüpft. Es ging um verschärfende Rechtsprechung, die zwar grundsätzlich zurückwirke. Jedoch müsse die Verwaltung Übergangsregelungen treffen, die zu berücksichtigen hätten, dass der Unternehmer bei seinen Dispositionsentscheidungen, die er bereits bei Bestellung des Wirtschaftsguts oder Herstellungsbeginn getroffen habe, auf die bisherige günstigere Rechtsprechung vertraut habe. Dem Unternehmer sei daher bis zur Erkennbarkeit der Rechtsprechungsänderung zuzüglich einer angemessenen Orientierungsfrist für die Berater von etwa einem Monat grundsätzlich Vertrauensschutz zu gewähren.
Mit Urteil vom 12. Oktober 2000 (III R 35/95, BStBl. 2001 II 499) hat der BFH sodann, wiederum in Anknüpfung an die Dispositionsentscheidung des Unternehmers und unter Abwägung mit Vertrauensschutzgesichtspunkten, die Rückwirkung auch des Gesetzes in Form von rückwirkender Absenkung von Investitionszulage nach Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit europäischem Recht für grundsätzlich zulässig erachtet, jedenfalls auf den Zeitpunkt, zu dem der BMF die Einleitung des Hauptprüfverfahrens der Europäischen Kommission bekannt gemacht hatte. Selbst den Anforderungen der echten Rückwirkung habe dies genügt. Einerseits habe der Widerspruch des Gesetzes zu höherrangigem Gemeinschaftsrecht zu einer ausfüllungsbedürftigen Lücke geführt, ähnlich wie bei Fortfall einer verfassungswidrigen Norm, zudem andernfalls ein Vertragsverletzungsverfahren und damit eine Gefährdung des Gemeinwohls gedroht. Andererseits habe die Bekanntgabe der Einleitung des Hauptprüfverfahrens, spätestens die Bekanntmachung des BMF, von diesem Zeitpunkt an zum Fortfall verfassungsrechtlich geschützten Vertrauens geführt. Hinsichtlich der Investitionen vor diesem Zeitpunkt habe die aus der Senkung des Fördersatzes folgende Differenz von lediglich DM 699,00 nicht für die Investitionsentscheidung kausal gewesen sein und daher den Vertrauensschutz gegen das öffentliche Interesse an gemeinschaftsrechtskonformer Gesetzeslage nicht überwiegen lassen können.
Mit seinem Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 2003 hat der BFH wiederum den Dispositionsschutz für den Kern des Rückwirkungsverbots erachtet (IX R 46/02, BStBl. 2004 II 284, 292 betreffend die teilweise rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfristen).
Im Anschluss an das Urteil vom 12. Oktober 2000 ging der BFH in seinen Urteilenvom 3. März 2005 (III R 46/03, BFH/NV 2005, 1371) sowievom 21. April 2005 (III R 10/03, BStBl. 2005 II 718) davon aus, dass von der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Mitteilung des BMF über die Einleitung eines Hauptprüfverfahrens an der Investor kein schutzwürdiges Vertrauen mehr genieße. In Fortführung des Beschlusses des BVerfG vom 3. Dezember 1997 sowie des Beschlusses vom 16. Dezember 2003 hat der BFH mit dem wiederum die Investitionszulage betreffendenUrteil vom 14. Dezember 2006 (III R 27/03, BStBl. 2007 II 332) daran festgehalten, dass im Bereich von Lenkungsnormen nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, sondern der Zeitpunkt der Dispositionsentscheidung des Steuerpflichtigen, die er im Hinblick auf einen bestimmten steuerlichen Anreiz getroffen habe, maßgebend für seine Vertrauensgrundlage sei. Indes hielt der BFH im konkreten Fall eine die Rückwirkung vermeidende verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes für möglich und geboten.
c. Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 20. Januar 2003 (1 K 396/99, Haufe-Index 932686; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen, Beschluss des BFH vom 09. Januar 2004, III B 33/03, BFH/NV 2004, 534) einen im Wege der echten Rückwirkung erfolgten Ausschluss von Investitionszulage durch Verkürzung der Investitionsfristen für rechtmäßig gehalten, um ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu vermeiden. Schutzwürdiges Vertrauen sei nicht berührt, weil zum Zeitpunkt des Investitionsbeginns nach den damals geltenden gesetzlichen Regelungen auch keine Investitionszulage hätte gewährt werden dürfen. Investitionszulage hätte lediglich auf Grund einer späteren Gesetzesänderung, die durch das streitige rückwirkende Gesetz wieder rückgängig gemacht worden sei, festgesetzt werden können.
Mit Urteil vom 25. November 2004 (5 K 1993/02, EFG 2005, 893) hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg im Falle einer wiederum auf Gemeinschaftsrecht zurückzuführenden Rückwirkung die Existenz verfassungsrechtlich geschützten Vertrauens verneint, nachdem die Stellungnahme der Europäischen Kommission bereits vor dem maßgebenden Zeitpunkt der Dispositionsentscheidung im Bundessteuerblatt, also einem deutschen Publikationsorgan, veröffentlicht war und damit der Genehmigungsvorbehalt dem Investor hatte bekannt sein müssen.
Das Finanzgericht Nürnberg hat in seinem Urteil vom 27. September 2007 (IV 80/2006, Haufe-Index 1822645 - Revision anhängig unter IX R 70/07) offen gelassen, ob der für Subventionen und Steuervergünstigungen geltende dispositionsbezogene Rückwirkungsschutz auch im Bereich der Einkommensteuer gelte, da es angesichts der konkreten Entwicklung der der Änderung vorangegangenen Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens verneinte.
4. Nach Auffassung des vorlegenden Senats verstößt § 2 Satz 2 Nr. 4 Investitionszulagengesetz 1996 insoweit gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG, als danach auch Investitionen, zu deren Durchführung der Investor vor dem 28. September 1998 seine Dispositionsentscheidung getroffen hatte, von der Investitionszulage ausgeschlossen sind.
a. Der Senat folgt der mittlerweile wohl als gefestigt zu bezeichnenden dargestellten Rechtsprechung, dass der Adressat wirtschaftspolitischer Lenkungsnormen, zu denen das Investitionszulagengesetz 1996 gehört, von dem Zeitpunkt seiner bindenden und nicht mehr ohne weiteres reversiblen Dispositionsentscheidung an Vertrauensschutz gegenüber Gesetzen genießt, die die in diesen Lenkungsnormen enthaltenen Begünstigungen einschränken oder aufheben. Dabei ist das Vertrauen des Adressaten in den Bestand der Norm nach den (strengen) Maßstäben der echten Rückwirkung geschützt. Rückwirkende Gesetze sind nach den für diese geltenden Regeln zu beurteilen.
Zwar liegt begrifflich in derartigen Konstellationen keine echte Rückwirkung, und zwar nicht allein deshalb, weil Investitionszulage schon verfahrensrechtlich gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1996 erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres festgesetzt werden kann. Ein Anspruch auf Festsetzung von Investitionszulage wird auch materiellrechtlich nach § 4 InvZulG 1996 nicht bereits durch eine entsprechende Dispositionsentscheidung begründet, sondern grundsätzlich erst durch Abschluss der Investition, frühestens mit Anzahlungen auf Anschaffungskosten oder der Entstehung von Teilherstellungskosten.
Mit einer Dispositionsentscheidung aber, die der Investor nicht mehr ohne weiteres rückgängig machen kann, hat er ein Investitions- und gegebenenfalls auch Finanzierungskonzept geschaffen, das die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugesagte Subvention einschließt. Der Investor hat sich lenken lassen und so den Zweck der Lenkungsnorm erfüllt. Von diesem Zeitpunkt an verdient sein Vertrauen dahin, dass auch der Staat das mit der Lenkungsnorm gegebene Versprechen erfüllt, nämlich bei planmäßigem Verlauf der Investition die zugesagte Subvention gewährt, den erhöhten Schutz vor rückwirkenden Eingriffen wie bei Tatbeständen der echten Rückwirkung.
b. Die Vertrauensgrundlage in den Bestand der Regeln des Investitionszulagengesetzes 1996 vor Einfügung der streitigen Vorschrift wurde nach Überzeugung des Senats nicht durch Rechtsakte oder Verlautbarungen vor September 1998 erschüttert.
Weder die Entscheidung der Kommission vom 22. März 1994 noch das Schreiben der Kommission vom 20. Oktober 1995, noch die Einleitung des Hauptprüfverfahrens am 12. Juni 1996 und die folgende Bekanntgabe an die Bundesregierung, noch die Aufforderung der Kommission an die anderen Mitgliedstaaten und interessierten Parteien, sich zu äußern, vermochte dies zu bewirken. Erst die Veröffentlichung der Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1998 im Bundessteuerblatt am 28. September 1998 ließ ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der Fördervorschriften entfallen.
aa. Aus der Entscheidung der Kommission vom 22. März 1994 konnte und musste ein Investor schon nicht herleiten, dass diese sich überhaupt auf Investitionszulagen beziehen könnte, so dass schon deswegen die Entscheidung das Vertrauen in den Fortbestand der Investitionszulage nicht erschüttern konnte.
Die Kommission bezieht sich in Art. 1 Abs. 1 auf die gemeinschaftlichen Auswahlkriterien für die Investitionen, die für eine Gemeinschaftsbeteiligung gemäß den Verordnungen ... in Betracht kommen. Bei einer derartigen Formulierung muss kein Bürger auch nur auf den Gedanken kommen, dass diese Entscheidung auch Geltung für Zulagen beanspruche, die allein aus nationalen Mitteln finanziert werden. Die Investitionszulage aber ist gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1996 aus den Einnahmen an Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer auszuzahlen. Es ist nicht erkennbar, worin bei einer derartigen Finanzierung die Gemeinschaftsbeteiligung liegen soll.
Nicht nur die Bundesrepublik Deutschland hatte in dem gesamten Streit um die Investitionszulagen im Agrarsektor die Auffassung vertreten, aus den bisherigen Rechtsakten der Gemeinschaft ergebe sich kein Verbot national finanzierter Fördermaßnahmen. Noch nicht einmal die Kommission selbst vertrat die Auffassung, die Entscheidung vom 22. März 1994 begründe ein unmittelbares Verbot von Beihilfen, die allein aus nationalen Mitteln gespeist werden. Jedenfalls ist das weder deren Begründung noch der eigentlichen Entscheidung vom 20. Mai 1998 zu entnehmen.
Die Kommission hat sich darin mit der Erwägung der Bundesregierung, die Entscheidung vom 22. März 1994 sowie die darin in Bezug genommene Verordnung (EWG) Nr. 866/90 beträfen lediglich die Beteiligung des EAGFL (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft), in der Sache nicht auseinandergesetzt. Die Kommission hat sinngemäß argumentiert und ihre Entscheidung vom 20. Mai 1998 darauf gestützt, dass diese Verordnung ihre Befugnis, die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem freien Markt festzustellen, nicht einschränke (Rn. 30), es im Hinblick auf den Gemeinsamen Markt indes materiell sachgerecht und geboten sei, den Gemeinschaftsrahmen und die zweckdienlichen Maßnahmen, ihrem Vorschlag vom 20. Oktober 1995 entsprechend, auch auf lediglich national finanzierte Beihilfen anzuwenden (Rn. 35-56). Nur deshalb war es folgerichtig, nicht mehr näher darauf einzugehen, ob und inwieweit frühere Rechtsakte unmittelbar und ausdrücklich Beihilfen im Landwirtschaftssektor untersagten.
Hinzu tritt, dass die Kommission in ihrer Entscheidung vom 20. Mai 1998 in Art. 1 gerade nicht feststellte, die Beihilferegelungen Deutschlands seien mit der Entscheidung vom 22. März 1994 unvereinbar. Die Kommission stellte fest, die Beihilferegelungen seien mit dem Gemeinsamen Markt insofern unvereinbar, als sie den mit Schreiben vom 20. Oktober 1995 mitgeteilten Rahmenbedingungen zuwiderliefen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Änderungsanordnung in Art. 2 Bezug auf die Entscheidung vom 22. März 1994 nimmt. Es ist im Gegenteil nur rechtstechnisch vernünftig, die Ausdehnung eines bisher lediglich für Beihilfen unter Gemeinschaftsbeteiligung geltenden Katalogs von Einschränkungen auch auf nationale Beihilfen durch Bezugnahme auf diesen Katalog darzustellen.
bb. Das im Amtsblatt veröffentlichte Schreiben der Kommission vom 20. Oktober 1995 konnte ebenfalls die Entstehung bzw. den Fortbestand schutzwürdigen Vertrauens des Investors in den Fortbestand der Investitionszulage nicht verhindern.
aaa. Das gilt schon deshalb, weil es sich bei diesem Schreiben noch nicht um eine hinreichend bestimmte Aussage über die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der streitigen Beihilfen handelte. Das Schreiben war der Formulierung nach wie auch verfahrensrechtlich ein Vorschlag im Sinne von Art. 93 Abs. 1 (heute Art. 88 Abs. 1) EG-Vertrag, der seinerseits noch im Vorfeld eines rechtsförmlichen Überprüfungsverfahrens steht. Es musste einen Investor noch nicht daran zweifeln lassen, dass bestehende nationale Beihilfevorschriften zunächst fortgelten.
Schon dem Wortsinne nach ist der "Vorschlag" zeitlich und inhaltlich noch keine eindeutige Feststellung über die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von Beihilfen. Er besagt in zeitlicher Hinsicht nur, dass künftig möglicherweise Änderungen zu gewärtigen sind, aber noch nicht unbedingt, dass bereits jetzt ein Rechtsverstoß vorliege. Er kann auch inhaltlich noch nicht als endgültige Auffassung der Kommission verstanden werden.
Der Gang des in Art. 93/ 88 vorgesehenen Verfahrens zeigt, dass ein derartiger Vorschlag noch keine eindeutige und Anspruch auf Befolgung beanspruchende Aussage über die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit entgegenstehender Maßnahmen enthält, sondern nur eine Initiative sein kann und darf. Die fortlaufende Überprüfung der Beihilferegelungen der Mitgliedstaaten, wie sie in Art. 93/ 88 Abs. 1 Satz 1 vorgesehen ist, ist zunächst eine interne Maßnahme der Kommission nach Art einer ständigen Beobachtung, die sodann in den Vorschlag nach Art. 93/ 88 Abs. 1 Satz 2 mündet, ohne dass dem eine förmliche Anhörung des betroffenen Mitgliedstaates vorausgehen müsste. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist aber Bestandteil jedes rechtsstaatlich ordnungsgemäßen Verfahrens. Es ist daher zu erwarten, dass vor Gewährung rechtlichen Gehörs die Meinungsbildung auf Kommissionsebene in jeder Hinsicht offen ist. Ein Vorschlag auf dieser frühen Stufe eines Verfahrens kann aber Rechte, namentlich das Vertrauen des Bürgers in den Geltungsanspruch des nationalen Rechts, nicht beschneiden dürfen. Dem entsprechend enthielt dieses Schreiben noch nicht die Einleitung des Hauptprüfverfahrens nach Art. 93/ 88 Abs. 2, sondern kündigte dieses erst an. Folgerichtig hat die Kommission das Hauptprüfverfahren dann auch erst durch Beschluss vom 12. Juni 1996, einige Zeit nach Eingang der Stellungnahmen der Bundesregierung, eingeleitet und damit eine Zäsur zu einem förmlichen Überprüfungsverfahren gesetzt.
Wenn es zu den Vorsorge- und Vorsichtsobliegenheiten des Bürgers gehörte, sich bereits von einem noch früheren Stadium des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfindungsverfahrens an auf Änderungen des nationalen Rechts einzustellen und seine wirtschaftlichen Entscheidungen nur noch unter Vorbehalte zu stellen, wäre an Stelle der Verlässlichkeit, die das Recht grundsätzlich für sich in Anspruch nehmen muss, eine unter Umständen - so auch hier - Jahre dauernde Ungewissheit gesetzt. Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot liefe praktisch zu einem erheblichen Teil leer, wenn das grundsätzliche Vertrauen des Bürgers in den Bestand des Gesetzes bereits zu einem Zeitpunkt keinen Schutz mehr verdiente, zu dem erstmals Zweifel hieran geäußert werden. Dem entspricht es, dass die deutsche Rechtsprechung bisher einen Fortfall des Vertrauensschutzes erst bei Einleitung des Hauptprüfverfahrens (und deren Veröffentlichung im Inland) annimmt.
Immerhin haben es später auch weder die Bundesrepublik noch die Kommission unternommen, Investitionszulagen bereits mit Wirkung von Ende 1995 (rückwirkend) zu versagen.
bbb. Zudem muss ein Bürger aus materiellrechtlichen Gründen gegenüber dem nationalen Gesetzgeber Vertrauensschutz in den Bestand dessen nationalen Gesetzes genießen, so lange dessen Entstehen nicht durch geeignete Maßnahmen auf nationaler Ebene verhindert wird. Daran fehlte es im Streitfall.
Es erscheint durchaus zweifelhaft, ob von einem Investor - praktisch dessen steuerlichem Berater - überhaupt dem Grunde nach erwartet werden kann, Rechtsakte des Gemeinschaftsrechts uneingeschränkt ebenso zu kennen wie nationales Recht, und diese daher die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens verhindern können. Wenn auch das Gemeinschaftsrecht Bestandteil der Rechtsordnung ist, so ist doch zu bedenken, dass Anforderungen an die Sorgfalt des Steuerpflichtigen und der Beraterschaft nicht überspannt werden dürfen. Sorgfaltsanforderungen, die realistischerweise kaum zu erfüllen sind, sind in Wahrheit keine Sorgfaltsanforderungen, sondern verschuldensunabhängige Ausschlusstatbestände, die sich mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes nicht vertragen. Dem entsprechend hat auch die Rechtsprechung den Fortfall schutzwürdigen Vertrauens und damit den Schutz vor rückwirkender Normänderung zeitlich bisher nur an Bekanntmachungen des BMF und noch nicht an Verlautbarungen auf Gemeinschaftsebene geknüpft.
Selbst dann jedoch, wenn ein Investor die Verlautbarungen der Kommission kannte oder kennen musste, hatte er angesichts des konkreten Verlaufs des Streits und der Rechtsetzung in der Sache nicht zu folgern, die in Gesetzesform zugesagten Investitionszulagen könnten gemeinschaftsrechtswidrig sein und ihm gar nachträglich wieder entzogen werden. Die Bundesrepublik Deutschland selbst hat trotz des Vorschlages der Kommission das InvZulG 1996 weder geändert noch ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren wenigstens eingeleitet noch auch nur durch ihre Exekutive - wie in anderen Fällen geschehen - die Investitionszulage unter Vorbehalte hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit gestellt. Sie hat an ihren Gesetzen und damit an deren Geltungsanspruch festgehalten. Mehr als dem Investor obliegt es aber den staatlichen Organen der Bundesrepublik Deutschland, Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften zu kennen und in materiellrechtlich zutreffender Weise umzusetzen. Sie hätte bei Ungewissheit über den Inhalt des Gemeinschaftsrechts ein Vertrauen in den Fortbestand der innerstaatlichen Rechtslage durch entsprechende national übliche Bekanntmachungen über solche Rechtsakte oder gesetzliche Vorbehalte verhindern können. Sie hätte, wenn sie sich gegenüber dem Bürger anschließend auf höherrangiges Europäisches Recht berufen wollte, dies auch tun müssen, nicht im Sinne einer Verpflichtung, sondern im Sinne einer Obliegenheit.
Die Bundesrepublik selbst hat aber durch ihre zuständigen Organe gegenüber der Kommission aus verschiedenen Gründen die Auffassung vertreten, der Vorschlag der Kommission entspreche nicht dem Gemeinschaftsrecht. Wenn sich die Bundesrepublik ihrer Sache sicher war, war es konsequent, Investitionszulagen nicht unter gemeinschaftsrechtliche Vorbehalte zu stellen und auch nichts zu veröffentlichen. Es wäre allerdings konsequent, dann auch die Verantwortung für eine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zu tragen, statt das Risiko des Ausgangs des Streits mit der Kommission auf den Investor abzuwälzen. Die Organe der Bundesrepublik Deutschland müssen besser einschätzen können als ein Bürger, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein gemeinschaftsrechtliches Überprüfungsverfahren zu welchem Ergebnis kommt, und das nationale Recht zweckentsprechend unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben - einschließlich des Rückwirkungsverbots - gestalten. Tun sie es nicht, liegt dies in ihrer Verantwortung. Umgekehrt muss ein Investor, der beobachtet, dass die Bundesrepublik offenbar keine Bedenken gegen die Gemeinschaftsrechtskonformität geltender Beihilfen hat, diese selbst auch nicht haben.
Es wäre einem Rechtsstaat nicht angemessen, wenn die Organe des Staates von ihren Bürgern bessere Rechtskenntnisse erwarteten als sie selbst besitzen.
cc. Der Beschluss vom 12. Juni 1996, mit dem das Hauptprüfverfahren eingeleitet wurde, sowie das entsprechende Schreiben an die Bundesregierung sind in der Datenbank des Gemeinschaftsrechts (eur-lex.europa.eu/de) nicht auffindbar. Es ist davon auszugehen, dass sie selbst auf Gemeinschaftsebene nicht veröffentlicht wurden. Sie konnten schon deshalb schutzwürdiges Vertrauen in die Investitionszulage nicht erschüttern.
Im Übrigen gelten auch hier die zu dem Vorschlag der Kommission vom 20. Oktober 1995 angestellten Erwägungen, dass es dafür entsprechender Bekanntmachungen im nationalen Rechtskreis bedurft hätte. Entsprechendes gilt auch für die dann wieder im Amtsblatt veröffentlichte Aufforderung der Kommission im Rahmen des Hauptprüfverfahrens an die anderen Mitgliedstaaten und interessierten Parteien, sich zu äußern.
dd. Erst die Veröffentlichung der Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1998 ließ ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Fördervorschriften entfallen. Es bestand kein Zweifel mehr, wie die Kommission die Beihilfen im Agrarsektor behandelt wissen wollte. Der BMF ordnete im Vorgriff auf die nach seinen Vorstellungen zu erfolgen habende Gesetzesänderung an, dass entgegenstehende Investitionszulagen nicht mehr festgesetzt würden. Ein Investor musste fortan damit rechnen, dass das Investitionszulagengesetz mit Wirkung von dieser Anordnung an geändert würde.
Da es sich versteht, dass erst die Veröffentlichung der Entscheidung Auswirkung auf die Vertrauensgrundlage des Bürgers haben kann, ist der maßgebende Stichtag nicht bereits der 3. September 1998, sondern frühestens der 28. September 1998. Die weitere Frage, ob, wie der BFH in seinem Urteil vom 23. Februar 1979 erwogen hat, eine Kenntnisnahmefrist von etwa einem Monat hinzuzurechnen ist, kann offen bleiben. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich, da unstreitig alle Investitionsentscheidungen bereits vor September 1998 getroffen worden sind. Die Vorlagefrage musste daher eine solche Bedenkfrist nicht umfassen.
c. Nach alledem greift der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 eingefügte § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 zwar nicht im Wege einer echten Rückwirkung, doch in einer wie diese zu behandelnden Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensgrundlage des Investors insoweit ein, als er den Fortfall der Investitionszulage auch für solche Investitionen anordnet, zu deren Durchführung der Investor vor dem 28. September 1998 eine bindende Dispositionsentscheidung getroffen hat.
Diese Rückwirkung ist nicht gerechtfertigt. Die beiden in der Rechtsprechung anerkannten Rechtfertigungsgründe sind nicht gegeben. Es wurden nicht durch verfassungsrechtlich - oder anderweit, nämlich auf Grund Gemeinschaftsrechts - unwirksame Rechtsnormen nur vermeintlich geregelt. Es bestehen auch keine zwingenden Gründe des Gemeinwohls, die die Rückwirkung rechtfertigen könnten, namentlich nicht in Gestalt eines anderweit drohenden Vertragsverletzungsverfahrens.
aa. Die Entscheidung der Kommission vom 20. Mai 1998 gebot schon dem Grunde nach nicht, Investitionen, wie geschehen, auch dann von der Investitionszulage auszuschließen, wenn sie bereits in Gestalt bindender Dispositionsentscheidungen begonnen wurden. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin aus eigenem Recht befugt und gegebenenfalls gehalten gewesen wäre, diese Entscheidung anzugreifen.
Das bedeutet zum einen, dass die Kommission die bisherigen nationalen Vorschriften, mögen sie auch gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sein, für die Vergangenheit akzeptiert hatte. Die Verhältnisse waren daher nicht etwa durch gemeinschaftsrechtswidrige Vorschriften nur vermeintlich geregelt, sondern sie waren und blieben tatsächlich geregelt. Die im Falle der nur vermeintlichen Regelungen ausfüllungsbedürftige Lücke fehlt. Es bedeutet zum anderen, dass ein Vertragsverletzungsverfahren materiellrechtlich nicht drohte, da eine Übergangsregelung des Inhalts, dass bereits begonnene Investitionen förderfähig bleiben, mit der Kommissionsentscheidung vereinbar gewesen wäre.
Insofern verhält es sich in einem entscheidenden Punkte anders als in der dem Urteil des BFH vom 12. Oktober 2000 zu Grunde liegenden Gestaltung, in der die Kommission die Bundesrepublik auch verpflichtet hatte, schon gewährte Begünstigungen zurückzufordern. Abgesehen davon, dass der BFH in diesen beiden Umständen noch nicht allein eine Rechtfertigung der (echten) Rückwirkung erblickt, sondern diese außerdem an den Fortfall verfassungsrechtlich geschützten Vertrauens geknüpft hat, hat die Kommission vorliegend nur eine Verpflichtung mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen. In der Anordnung vom 20. Mai 1998, entgegenstehende Beihilfevorschriften zu ändern, gegebenenfalls aufzuheben, liegt weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinn nach eine Verpflichtung, alle Beihilfen für die Vergangenheit aufzuheben. Eine entsprechende ausdrückliche Anordnung fehlt. Sie ist auch nicht etwa selbstverständlich. Dem Gemeinschaftsrecht sind Vertrauensschutzerwägungen nicht grundsätzlich fremd. Hätte die Kommission eine Rückwirkung anordnen wollen, hätte sie dies deshalb ausdrücklich getan. Für dieses Verständnis spricht auch, dass tatsächlich die Bundesrepublik die Entscheidung auch nur als auf die Zukunft bezogen aufgefasst hat. Die Kommission scheint das nicht beanstandet zu haben.
Dass die Kommissionsentscheidung, die danach Wirkung nur für die Zukunft hat, allerdings nicht nur die noch zu beginnenden, sondern auch alle bereits begonnenen, nur noch nicht abgeschlossenen Investitionen erfassen soll, ist ihr nicht zu entnehmen. Eine Investition ist in der Regel ein zwischen Planung und Abschluss zeitlich gestreckter Tatbestand. Soll die Förderfähigkeit von einem bestimmten Stichtag an für die Zukunft entfallen, so ist zu entscheiden, ob Investitionen, deren Planung vor, deren Abschluss nach dem betreffenden Stichtag liegt, dem bisherigen oder dem neuen Recht unterfallen. Ausdrücklich verhält sich die Kommissionsentscheidung hierzu nicht.
Die Finanzverwaltung scheint die Möglichkeit, die Kommissionsentscheidung nur auf noch zu beginnende Investitionen zu beziehen, nicht in Betracht gezogen zu haben. Wie sich aus einer Verfügung der OFD Frankfurt vom 20. Juli 1999 (InvZ 1000 A - 1 St II 24, HaufeIndex 320052) ergibt, haben die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder die Frage erörtert, wie der Begriff der "Gewährung" im Rahmen der Kommissionsentscheidung auszulegen sei. Nach dem Ergebnis der Erörterung könne darunter nicht die Auszahlung verstanden werden. Den Einschränkungen des Gemeinschaftsrahmens unterlägen nur Investitionen, die nach dem 2. September 1998 abgeschlossen würden.
Die weitere Möglichkeit, dass den Einschränkungen des Gemeinschaftsrahmens nur solche Investitionen unterliegen, die nach dem 2. September 1998 begonnen wurden, wurde nicht gesehen oder von vornherein ausgeschlossen. Dieses Verständnis jedoch ist nicht nur nicht zwingend, weil die Kommission sich über Beginn und Abschluss von Investitionen nicht äußert, sondern verkennt den Charakter von Beihilferegelungen.
Die Alternative zu der Gleichsetzung der "Gewährung" mit "Auszahlung" ist nicht allein die Zulagenfestsetzung für abgeschlossene Investitionen. Richtigerweise stellt sich bei der Auslegung der Kommissionsentscheidung zunächst die grundsätzliche Frage, ob die "Gewährung" der Investitionszulage die Auszahlung, die Festsetzung oder die Verwirklichung des materiellrechtlichen Subventionstatbestandes meint. Zu Recht geht die Finanzverwaltung davon aus, dass nicht der möglicherweise von Zufällen abhängende Zeitpunkt der Auszahlung gemeint sein kann. Aus denselben Gründen kann der Zeitpunkt der Festsetzung nicht gemeint sein. Es ist daher an den materiellrechtlichen Tatbestand anzuknüpfen.
Das allerdings präjudiziert noch nicht, wie es sich in Fällen verhalten soll, in denen nur noch Teile des Sachverhalts nach dem Stichtag verwirklicht werden, Teile hingegen bereits verwirklicht worden sind. Schreibt nun die Kommissionsentscheidung nicht ausdrücklich vor, Beihilfen auch für bereits begonnene Investitionen zu versagen, so besteht kein Anlass, sie zunächst ohne zwingenden Grund so auszulegen, dass sie zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Rückwirkung führt, und hieraus im nächsten Schritt eine Rechtfertigung für diese Rückwirkung herzuleiten.
Der Senat sieht seine Annahme, dass die Anordnung der Kommission sich (zwingend) nur auf noch zu beginnende Investitionen bezog, durch den späteren Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor vom 1. Februar 2000 bestätigt. Im Rahmen dieses Regelwerks wird im Rahmen der Allgemeinen Grundsätze in den Ziffern 3.5 und 3.6 ausgeführt, dass Beihilfen Anreizelemente enthalten oder den Begünstigten zu einer Gegenleistung verpflichten müssen und nicht als reine Betriebsbeihilfen zur Verbesserung der finanziellen Lage der Erzeuger zulässig sind. Daher sollten Beihilfen nicht für Arbeiten oder Tätigkeiten gewährt werden, die bereits vor der ordnungsgemäßen Beantragung begonnen oder durchgeführt wurden.
Mithin geht auch das Gemeinschaftsrecht davon aus, dass die lenkende Wirkung einer Subvention sich bereits im Beginn einer Investition niederschlägt. Dies lässt sich in der Sache auch nicht anders beurteilen. Wenn es folgerichtig die Gewährung einer Beihilfe ausschließt, wenn der Zeitpunkt (bereits) des Investitionsbeginns einen Kausalzusammenhang zwischen der Beihilfe und der Investition ausschließt, ist es nur konsequent, wenn umgekehrt ein in die Zukunft gerichtetes Beihilfeverbot auch nur Investitionen umfasst, die noch nicht begonnen sind.
bb. Selbst wenn jedoch bei einer derartigen Regelung, die die Investitionszulage für Maßnahmen mit bereits getroffener Dispositionsentscheidung unberührt gelassen hätte, ein Vertragsverletzungsverfahren mit einem für Deutschland nachteiligen Ergebnis gedroht hätte, rechtfertigte dies die tatsächlich getroffene Regelung nicht.
Nicht jedes drohende Vertragsverletzungsverfahren rechtfertigt jede auch echte Rückwirkung zu Lasten des Bürgers.
In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf die Erwägung zurückzugreifen, dass der Staat nicht von dem Bürger bessere Rechtskenntnisse erwarten darf als seine Organe selbst besitzen, umgekehrt die Folgen etwaiger (allseitiger) Rechtsunkenntnis nicht einseitig zu Lasten des Bürgers gehen dürfen. Der Staat hätte es ohne weiteres in der Hand gehabt, durch gesetzgeberische Maßnahmen oder geeignete Bekanntmachungen die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der Investitionszulage im Agrarsektor zu verhindern. Es ist nicht angängig, dass sich der Staat, der bei Beobachtung gehöriger Sorgfalt ein etwaiges Vertragsverletzungsverfahren im Vorfeld hätte vermeiden können, sich gegenüber dem Bürger mit der Gefahr eines derartigen Verfahrens exkulpieren kann. Er trägt dafür die Verantwortung, nicht der Investor. Der Senat kann keinen Grund erkennen, das Risiko des ungewissen Ausgangs des Streits mit der Kommission auf den Bürger abzuwälzen. Es ist von dem Staat und seinen Organen zu erwarten, dass sie Verantwortung und Risiko für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns tragen. Ein Rechtsstaat sollte sich nicht für eigene Versäumnisse bei dem Betroffenen schadlos halten dürfen.
Gesetzgeber, Verwaltung sowie Rechtsprechung verlangen - nicht nur im Sinne von Verpflichtungen, sondern vor allem von Obliegenheiten - einhellig und zu Recht von dem Bürger, bei Ungewissheiten Vorsorge zu treffen. Diese Erwartung reicht von der persönlichen Lebensführung einschließlich Alter und Arbeitslosigkeit über die Zurückhaltung von Mitteln zwecks pünktlicher Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen bis hin zu Details wie der gemeinhin von dem Bürger erwarteten Sorgfalt bei der Wahrung amtlicher Fristen. Es wäre unverständlich, wenn dem Staat nicht eine vergleichbare Sorgfalt obläge.
Vor diesem Hintergrund ließe sich auch ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren in der vorliegenden Konstellation nicht als eine Gefährdung des Gemeinwohls der Art qualifizieren, dass sie eine echte Rückwirkung von Gesetzen zu rechtfertigen vermöchte. Ebenso wie ein Vertragsverletzungsverfahren schädigt es jedenfalls mittel- und langfristig das Gemeinwohl, wenn das Vertrauen des Bürgers in die Redlichkeit des Staates und seiner Organe erschüttert wird.
Das bedeutet nicht, dass stets dem Vertrauensschutz Vorrang vor der Abwehr eines Vertragsverletzungsverfahrens eingeräumt werden muss. Es bedeutet aber auch nicht, dass umgekehrt stets der Abwehr des Vertragsverletzungsverfahrens Vorrang vor dem Vertrauensschutz eingeräumt werden muss. Bei zwei widerstreitenden Gemeinwohlaspekten bedarf es vielmehr der Abwägung im Einzelfall.
Ist die Gefahr eines gemeinschaftsrechtlichen Vertragsverletzungsverfahrens ausschließlich darauf zurückzuführen, dass der Staat sich auf Grund unsorgfältiger Verfahrensweise im Gemeinschaftsrecht verstrickt hat, so dient es nicht mehr dem Gemeinwohl, den Ausweg hieraus auf Kosten des Vertrauensschutzes anzutreten, ohne zunächst auch nur zu versuchen, das Problem auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts zu lösen, namentlich das Vertragsverletzungsverfahren abzuwehren. Allein die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens bedeutet noch nicht, dass der betreffende Staat hierin unterliegen muss. Gegebenenfalls wird der Staat die Folgen seines Handelns auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts tragen müssen.
5. Für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage wird auf die Ausführungen unter Nr. 1. Bezug genommen. Sollte die Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar sein, wäre die Klage abzuweisen. Sollte sie es nicht sein, wäre weitere Investitionszulage zu gewähren.
Die im Falle verfassungswidriger Gesetze häufige Möglichkeit, für eine Übergangszeit die verfassungswidrige Regelung noch zu akzeptieren und/ oder eine Neuregelung durch den Gesetzgeber abzuwarten, ist in Rückwirkungsfällen, bei denen die Verfassungswidrigkeit gerade aus dem zeitlichen Anwendungsbereich folgt, nicht eröffnet. Im Übrigen berührt sie die Entscheidungserheblichkeit auch nicht.
Eine verfassungskonforme Auslegung von § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 oder eine anderweitige abweichende Auslegung des InvZulG 1996, die zu einem entsprechenden verfassungskonformen Ergebnis führte, ist nicht möglich. Dafür müssten die Begriffe "Anschaffung" bzw. "Herstellung" so verstanden werden, dass sie nicht den Zeitpunkt der Betriebsbereitschaft, sondern den Zeitpunkt des Investitionsbeginns oder wenigstens den gesamten Zeitraum der Investitionsdurchführung meinen. Eine derartige Auslegung ist aber mit der Systematik des InvZulG 1996 nicht vereinbar. Wie § 3 Satz 4 InvZulG 1996 zeigt, setzt das InvZulG 1996, langjährige Rechtsprechung fortsetzend, die Anschaffung bzw. Herstellung mit dem Abschluss der Investition gleich. Selbst wenn schließlich ein Weg gefunden würde, die Begriffe der "Anschaffung" oder "Herstellung" neu zu bestimmen, stünde für Investitionen, die erst begonnen wurden, für die aber noch keine Anzahlungen auf Anschaffungen oder Teilherstellungskosten angefallen sind, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 InvZulG 1996 keine Bemessungsgrundlage zur Verfügung. Ansatzpunkte für eine abweichende Auslegung bietet diese Vorschrift nicht; sie spricht ausdrücklich von abgeschlossenen Investitionen.
Die verfassungsrechtliche Prüfung des § 2 Satz 2 Nr. 4 InvZulG 1996 ist mithin durch anderweitige Auslegungsmaßnahmen nicht zu vermeiden.
6. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht.
Der Senat hat keine Zweifel an der Auslegung der hier maßgebenden Regeln des Gemeinschaftsrechts einschließlich der Entscheidungen der Kommission. Er stellt auch die Vereinbarkeit der Entscheidungen der Kommission mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht nicht in Frage. Der Rechtsverstoß rührt nicht aus dem Gemeinschaftsrecht her, sondern aus dem nationalen Recht.
III. Vorlagebeschlüsse an das Bundesverfassungsgericht einschließlich der lediglich einen unselbständigen Teil der Vorlage darstellenden Verfahrensaussetzung sind als Maßnahmen zur Vorbereitung der Sachentscheidung entsprechend § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar (Beschluss des BFH vom 27. Januar 1981, VII B 56/80, BStBl. 1981 II 324 f.)
Ende der Entscheidung
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