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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 1 K 379/05
Rechtsgebiete: InvZulG 2007


Vorschriften:

InvZulG 2007 § 2 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 379/05

Investitionszulage 2002 und 2003

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Dezember 2007

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzender, die Richterin am Finanzgericht Hübner, den Richter am Finanzgericht Keilig, die ehrenamtliche Richterin ... die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt Metallverarbeitung. Sie begehrt für beide Streitjahre weitere Investitionszulage für eine Drehmaschine.

Am 02. Mai 2003 beantragte die Klägerin für das Jahr 2002 Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1999 - InvZulG 1999 - von 25% unter anderem für eine Drehmaschine CTX 500 S2V3 mit einer anteiligen Bemessungsgrundlage von EUR 57.098,49, die sie von der Firma erworben hatte. Mit einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 22. Mai 2003 setzte der Beklagte Investitionszulage in Höhe von EUR 2.416.699,16 unter Einschluss der Bemessungsgrundlage für die Drehmaschine fest. Eine Augenscheinseinnahme vom 19. Juni 2003 führte nicht zu einer Änderung.

Am 10. März 2004 beantragte die Klägerin für das Jahr 2003 Investitionszulage nach dem InvZulG 1999 wiederum von 25% unter anderem für dieselbe Drehmaschine mit einer anteiligen Bemessungsgrundlage von EUR 177.868,63 in diesem Jahr. Hierauf führte der Beklagte vom 22. bis 29. März 2004 eine weitere Augenscheinseinnahme durch. In deren Rahmen kam der Prüfer unter anderem zu der Auffassung, die Drehmaschine sei nicht neu, sondern gebraucht erworben und daher nicht zulagebegünstigt. Die Maschine besaß ein Typenschild des Jahres 2001. Ferner fand sich ein die Drehmaschine betreffender Bericht einer Servicefirma für CNC Werkzeugmaschinen in den Unterlagen, der das Protokoll einer Personaleinweisung oder Ingangsetzung vom 16./ 17. Dezember 2002 enthält und 295 Betriebsstunden angibt.

Angesichts dessen hielt der Prüfer nicht für nachgewiesen, dass die Maschine bei Erwerb neuwertig gewesen sei. Es sei nicht ausreichend, wenn die Klägerin behaupte, die Betriebsstunden beruhten nur auf der gelegentlichen Inbetriebnahme zwecks Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit. Der Prüfer kürzte die Bemessungsgrundlage für die Drehmaschine für das Jahr 2002 um EUR 54.078,49 und das Jahr 2003 um EUR 177.868,63.

Die Differenz zwischen Antrag und Kürzung in dem Jahre 2002 kommt dadurch zustande, dass nach den Feststellungen des Prüfers in der ursprünglich genannten Bemessungsgrundlage für die Drehmaschine selbständig begünstigte maschinengebundene Werkzeuge für EUR 3.020,00 enthalten waren. Verschiedene weitere Änderungen sind nicht mehr streitig.

Dem folgend setzte der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2004 unter Fortbestand des Vorbehaltes der Nachprüfung die Investitionszulage für das Jahr 2002 auf EUR 2.402.552,06 und mit Bescheid vom 21. April 2004 unter Vorbehalt der Nachprüfung die Investitionszulage für das Jahr 2003 auf EUR 749.934,26 fest; er bezog die Drehmaschine jeweils nicht in die Bemessungsgrundlage ein.

Gegen diese Bescheide richteten sich die am 17. Mai 2004 eingegangenen Einsprüche der Klägerin, die erfolglos blieben. Auf einen Nachtragsantrag zur Investitionszulage 2003, der in keinem Zusammenhang mit der streitigen Drehmaschine steht, setzte der Beklagte unter Fortbestand des Vorbehaltes der Nachprüfung mit Bescheid vom 19. November 2004 Investitionszulage von nunmehr EUR 792.324,31 fest. Gegen den Einspruchsbescheid vom 15. Februar 2005, der beide Jahre betraf, richtet sich die am 15. März 2005 eingegangene Klage.

Die Klägerin trägt vor, die Drehmaschine sei neu im Sinne von § 2 Investitionszulagengesetz - InvZulG - gewesen.

Ursprünglich sei die Maschine über die , die ebenfalls zur Firmengruppe gehöre, für einen Kunden im Elsaß bestellt worden. Dieser Kunde habe die Maschine nicht abgenommen. Die habe sie sodann in Paris in ihrem "Show-Room" zum Zwecke der Veräußerung in Frankreich ausgestellt. Bei der Maschine habe es sich insofern um eine Besonderheit gehandelt, als sie nicht mit einem Reitstock mit Pinole für die Bearbeitung von Wellen ausgestattet gewesen sei. Ihre universelle Nutzung sei daher erheblich eingeschränkt gewesen. Üblicherweise stelle die Firma ähnliche Spezialanlagen (ohne Reitstock) nicht für Werbezwecke aus, sondern verwende hierfür Universalmaschinen. Die Ausstellung sei lediglich zum Zwecke der Veräußerung erfolgt. Die Maschine sei auch nie im Anlagevermögen des Veräußerers geführt worden, sondern stets als FE-Bestand (Fertige Erzeugnisse) im Umlaufvermögen, so dass auszuschließen sei, dass bereits ein anderer für die Maschine Investitionszulage in Anspruch genommen habe. Allerdings sei die Maschine wegen ihrer Spezialität schwer verkäuflich gewesen.

Am 04. Dezember 2002 habe dann die Klägerin die Maschine bestellt. Die im Übergabeprotokoll vom 17. Dezember 2002 ausgewiesenen 295 Betriebsstunden setzten sich, wie die Klägerin zunächst vorgetragen hat und wie auch ein Mitarbeiter der schriftlich bestätigt hat, zusammen aus

- Maschinenabnahme im Lieferwerk,

- 24 Stunden-Dauertest, ca 3-4 Tage, d.h. ca. 96 Stunden

- Einschalten zur Besichtigung bzw. Bewegen der Antriebsachsen, damit die Führungsbahnfettschmierung bei längerer Standzeit nicht verharzt.

Eine kurzfristige Inbetriebnahme sei investitionszulagenrechtlich unschädlich, wenn sie nur dazu diene, die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsguts zu überprüfen und es verkaufsbereit zu machen. Der drei- bis viertägige Dauerbetrieb habe lediglich der Überprüfung, das anschließende regelmäßige Bewegen der Antriebsachsen der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit gedient. Wenn es unschädlich sei, das Wirtschaftsgut zur Herstellung seiner Funktionsfähigkeit in Betrieb zu setzen, müsse das auch für die Aufrechterhaltung dieser Funktionsfähigkeit gelten.

Die Klägerin hat sodann erläutert, der Betriebsstundenzähler erfasse nicht erst den Vollbetrieb der Maschine, sondern bereits jedes Einschalten des Hauptschalters. Die über den Testlauf und den Lauf zur Vermeidung der Verharzung hinausgehenden Betriebsstunden seien bereits durch das Anschalten der Maschine zum Zwecke der Stromzufuhr, um nämlich die Mechanik und die elektronische Steuerung zeigen zu können, aufgelaufen. Dieses Anschalten sei mit dem Hochfahren eines PC vergleichbar. Danach sei der Arbeitsraum der Maschine beleuchtet, um Sicht in die Maschine zu gewähren. Ferner sei es damit möglich, die Achsen zu bewegen und den Antriebsmotor zu starten. Dabei habe es sich aber nicht um Vollbetrieb gehandelt. Zum einen hätten diese Vorführungen nicht der Werbung, sondern nur Verkaufszwecken gedient, so dass von einer schädlichen Nutzung zu Werbezwecken nicht gesprochen werden könne. Zum anderen sei mit der Maschine nicht zerspant worden, sondern man habe nur die Menüführung und das Programmiersystem (Turn Plus) demonstriert. Die Funktionsweise der CNC-Steuerung (computergestützte Steuerung) sei nur erläutert worden. Verglichen mit einem Pkw entspreche das in etwa der Vorführung der Bedienelemente, Radio, Navigationssystem, Bordcomputer etc., ohne zu fahren. Die Durchführung eines Programmablaufs (Bearbeitungszyklus) oder die Bearbeitung von Bauteilen sei in diesem Stadium noch nicht möglich. Dafür müssten alle Achsen referenziert werden. Vor allem müsse ein CNC-Bearbeitungsprogramm entwickelt und installiert worden sein. Ein solches Programm habe die Klägerin aber nicht mit dem Kauf der Drehmaschine erworben, sondern durch eigenes technisches Personal erstellt. Schließlich sei es für eine Bearbeitung notwendig, dass eine Werkstückspanneinrichtung, ein oder mehrere Werkzeuge sowie ein Werkstück aufgebaut seien.

Selbst wenn man bereits die Demonstration der CNC-Steuerung dem Grunde nach als Ingebrauchnahme werten wollte, habe diese einen zu vernachlässigenden Umfang gehabt. Ziehe man von 295 Betriebsstunden zunächst den mehrtägigen Dauerbetrieb zur Inbetriebsetzung, sodann das notwendige Bewegen der Achsen zum Erhalt der Funktionsfähigkeit ab, bedenke man weiterhin, dass bereits jedes Lichtanschalten der Maschine den Stromzähler in Gang gesetzt habe, so verbleibe mit wenigen Stunden im Monat nur noch eine geringfügige und daher investitionszulagenrechtlich unschädliche Nutzung.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Bescheide vom 22. Mai 2003 und 28. April 2004 bezüglich des Jahres 2002 bzw. 21. April und 19. November 2004 bezüglich des Jahres 2003 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 15. Februar 2005 Investitionszulage für das Jahr 2002 in Höhe von 2.416.071,68 EUR (13.519,62 EUR mehr) und Investitionszulage für das Jahr 2003 in Höhe von 836.791,47 EUR (44.467,16 EUR mehr) festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die lange Ausstellung der Maschine im Show-Room auch für Präsentations- und Ausstellungszwecke sei investitionszulageschädlich.

Das gelte unabhängig davon, aus welchen Gründen es zu dieser Ausstellung gekommen sei. Erheblich sei vielmehr, dass eine bestimmungsgemäße Verwendung zu unternehmerischen Zwecken (Kundenaquisition) vorgelegen habe. Eine Ausstellung zu dem Zweck, einen Käufer zu finden, sei eine Ausstellung zu Werbezwecken. Dass eine Maschine ohne Reitstock nur beschränkt nutzbar - und deshalb für Werbezwecke untauglich - sei, könne er nach seinen Internetrecherchen nicht feststellen. Die Firma werbe vielmehr damit, alle Produktlinien in Vorführzentren zeigen zu können. Auch würden Maschinen ohne Reitstock tatsächlich gehandelt. Es widerspreche auch jeglicher Lebenserfahrung, dass die Ausstellung einer Maschine in einem Vorführraum nicht dazu dienen solle, potentielle Kunden zu animieren. Eine Inbetriebnahme allein für Zwecke des Verkaufs sei nicht glaubhaft.

Bei insgesamt 295 angefallenen Betriebsstunden könne nicht mehr von einer nur geringfügigen Nutzung die Rede sein. Von diesen seien etwa 200 Stunden auf die Zeit im Show-Room in Paris angefallen. Davon wiederum komme dem reinen Bewegen der Antriebsachsen zwecks Führungsbahnfettschmierung zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Maschine wohl der zeitlich geringere Anteil zu. Selbst wenn, wie das Finanzgericht Thüringen geurteilt habe, eine 26-tägige Verwendung einer Maschine für Ausstellungszwecke noch eine unschädliche geringfügige Nutzung sei, sei das mit einer Ausstellung über 365 Tage nicht vergleichbar. Dass der Hersteller, unter Umständen zu Unrecht, die Maschine nicht dem Anlagevermögen zugeordnet habe, sei unerheblich.

Soweit die Klägerin vortrage, dass allein das Lichtanschalten den Stromzähler in Betrieb setze, könne das zutreffen. Es sei aber unglaubhaft, dass das Lichtanschalten bereits den Betriebsstundenzähler in Gang setze, zumal auch Garantiefristen in der Regel von geleisteten Betriebsstunden abhingen und der Kunde eine derartige Verkürzung dieser Fristen allein durch Lichtanschalten schwerlich akzeptieren werde.

Auf eine erste mündliche Verhandlung hat der Senat einen Auflagen- und Beweisbeschluss betreffend Art und Umfang der etwaigen Inbetriebnahme der Drehmaschine im Show-Room in Paris erlassen. Der Klägerin sollte Gelegenheit gegeben werden, den Geschäftsführer der zu einem Termin zur Zeugenvernehmung zu stellen, hilfsweise, dessen schriftliche Äußerung vorzulegen, wovon die Klägerin dann auch Gebrauch gemacht hat:

Danach sei die Maschine am 21. Februar 2001 bei der als Neumaschine angeliefert worden. Der eigentlich geplante Verkauf an einen anderen Kunden sei nicht zustande gekommen. Die Maschine sei daher in dem Show-Room in Paris zum Verkauf (und nur zum Verkauf) ausgestellt und zu diesem Zwecke vorgeführt worden. Werbung betreibe nur die Marketingabteilung der Zentrale über Messen und Print-Medien. Bei den Verkaufsaktivitäten werde die Maschine eingeschaltet und die Funktion der Mechanik und der elektrischen Steuerung vorgeführt, auch Programme von Zeichnungen. Der Maschinenstundenzähler, der mit Montage der Elektrik und damit vor dem Testlauf eingebaut werde, zähle mit Einschalten des Hauptmotors die Betriebsstunden.

Der Testlauf für derartige Maschinen betrage durchschnittlich 96 Betriebsstunden. Nach Herstellerempfehlung sei nach 3-monatigem Stillstand ein Testlauf von zwei Stunden erforderlich, um ein Verharzen der Führungsbahnfettschmierung zu verhindern. Die habe die Maschine anbieten können, da nach Vorstandsanweisung des Konzerns nach mindestens sechs und spätestens zwölf Monaten eine im Lagerbestand geführte Maschine für alle -Vertriebs- und Servicegesellschaften weltweit zum Verkauf freigegeben werden müsse. Bei Auslieferung an die Klägerin am 04. Dezember 2002 habe der Betriebsstundenzähler 295 Stunden aufgewiesen.

Im Hinblick auf diese Ausführungen hat die Klägerin sodann erläutert, dass "vorgeführt" im Sinne dieser Stellungnahme keinen Vollbetrieb, sondern nur einen Einblick in die Menüführung gemeint habe, während der Beklagte aus den Ausführungen herleitet, die Maschine sei zu Vorführzwecken und damit investitionszulageschädlich verwendet worden. Dem Gericht haben die von dem Beklagten für die Klägerin geführte Investitionszulagenakte sowie der Rechtsbehelfsvorgang vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Investitionszulagebegünstigt ist bei betrieblichen Investitionen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 nur die Anschaffung und die Herstellung von neuen Wirtschaftsgütern. Ob die übrigen Fördervoraussetzungen nach Grund und Höhe vorliegen, kann dahinstehen, da die Drehmaschine, als die Klägerin sie erwarb, nicht mehr neu in diesem Sinne war.

1. Ein Wirtschaftsgut ist neu, wenn es ungebraucht, d.h. noch nicht in Gebrauch genommen oder sonst verwendet worden ist (grundlegend Urteil des BFH vom 13. März 1979, III R 71/78, BStBl. 1979 II 287, zu § 4b InvZulG 1975; dem folgend Urteile vom 16. Januar 1986, III R 116/83, BStBl. 1986 II 467 sowie vom 23. März 1999, III R 85/97, BStBl. 1999 II 613).

Bereits in dem Urteil vom 13. März 1979 hatte der BFH entschieden, dass die Anschaffung eines neuen Wirtschaftsguts auch noch vorliege, wenn es zur Herstellung seiner Funktions- oder Verkaufsbereitschaft in Betrieb gesetzt werde oder durch den Käufer (erstmals) erprobt werde. Schädlich sei allerdings eine Nutzung zu Werbezwecken. Insoweit liege bereits eine bestimmungsgemäße Verwendung vor. Im Streitfall hatte ein Rechtsanwalt einen Schreibautomaten erworben, der zuvor im Rahmen eines Seminars etwa für eine halbe Stunde vorgeführt worden war.

Die Verwaltung hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und geht von einer schädlichen Ingebrauchnahme etwa bei der Nutzung zu Vorführzwecken aus, erachtet hingegen eine Erprobung des Wirtschaftsguts zur Prüfung der Funktionsfähigkeit für unschädlich (Schreiben des BMF vom 28. Juni 2001 zu § 2 InvZulG 1999, IV A 5 - InvZ 1271 - 21/01, BStBl. 2001 I 379, Rz. 24).

Hinsichtlich der Ausstellung von Wirtschaftsgütern zum Zwecke von Werbung und/ oder Verkauf liegt gering divergierende finanzgerichtliche Rechtsprechung vor. Das Finanzgericht des Landes Brandenburg ist nach einer Ausstellung von Wirtschaftsgütern (Küchengeräte) für 40 Tage zu Werbezwecken von Ingebrauchnahme ausgegangen (Urteil vom 12. Oktober 1999, 3 K 980/98 I, Haufe-Index 425328), während das Thüringer Finanzgericht eine Ausstellung einer hochwertigen Maschine für 26 Tage allein zur Präsentation ohne Vorführung für unschädlich erachtete (Urteil vom 29. November 2000, III 792/00, Haufe-Index 892634). Auf Nichtzulassungsbeschwerde der Finanzverwaltung entschied der BFH mit Beschluss vom 30. November 2001 (III B 12/01, BFH/NV 2002,537, HI 674551), die Entscheidung weiche von seinem Urteil aus 1979 nicht ab, da das Wirtschaftsgut anders als damals nicht, auch nicht zu Vorführzwecken, in Betrieb genommen worden sei.

Dem ist zu entnehmen, dass nach einhelliger Auffassung ein Wirtschaftsgut grundsätzlich nicht mehr neu ist, wenn es so genutzt wurde, wie es seiner Bestimmung entspricht, auch dann nicht, wenn dies nur zu Vorführ-/Werbezwecken erfolgt. Ausnahmen gelten für die Herstellung der Funktionsbereitschaft und Probeläufe des Käufers. Nicht gänzlich geklärt und von den beiden genannten Finanzgerichten unterschiedlich beurteilt ist nur, ob die reine Ausstellung zur Besichtigung ohne bestimmungsgemäße Nutzung investitionszulagenschädlich ist.

2. Mit diesen Maßgaben ist ein Teil der gezählten 295 Betriebsstunden unschädlich, ein Teil jedoch schädlich.

a. Soweit nach Fertigstellung der Maschine ein Dauertest von bis zu vier Tagen, mithin etwa 100 Betriebsstunden stattgefunden haben sollte, diente dieser der Herstellung der Funktionsfähigkeit und ist damit unschädlich.

Soweit die Maschine in der folgenden Zeit bis zur Auslieferung an die Klägerin mehrfach angefahren worden sein sollte, um die Gleitfähigkeit der Antriebsachsen und damit die Funktionsfähigkeit zu erhalten, hält der Senat dies ebenfalls noch für unschädlich, da dies lediglich die einmal hergestellte Funktionsfähigkeit aufrechterhält. Damit wird lediglich ein zum Verkauf bestimmtes, doch wider Erwarten nicht verkauftes Gerät verkaufsbereit erhalten. Geht man mit der Aussage des Geschäftsführers der davon aus, dass dafür alle drei Monate ein zweistündiger Lauf erforderlich und durchgeführt wird, so entfallen darauf etwa 16 (zwei Jahre, vier Quartale à zwei Stunden), aufgerundet also bis zu 20 Betriebsstunden. Dahinstehen kann schließlich, ob es schädlich ist, wenn und soweit eine reine Ausstellung der Maschine ohne jegliche Inbetriebnahme zu Werbe- oder Verkaufszwecken erfolgte, wobei der Senat das Unterfangen der Beteiligten für problematisch erachtet, einen wesentlichen Unterschied zwischen Werbe- und Verkaufszwecken zu sehen. Ausstellung zu Verkaufszwecken enthält stets Werbezwecke; vor allem aber enthält eine Ausstellung zu Werbezwecken stets auch Verkaufszwecke. Der Senat hat Bedenken, ob die alleinige Präsentation einer Maschine ohne Vorführung bereits eine bestimmungsgemäße Verwendung darstellt. Die Frage kann offen bleiben, weil die reine Ausstellung der Maschine - ohne Anschalten - nicht zu einem Lauf des Betriebsstundenzählers geführt hat und daher die verbleibenden 175 Betriebsstunden ohnehin nicht erklären kann. Maßgebend ist daher nicht in erster Linie, ob die Ausstellung schädlich ist, sondern ob die während der Ausstellung mit und an der Maschine ergriffenen Maßnahmen, die zu dem Lauf des Betriebsstundenzählers geführt haben, schädlich waren.

b. Sie sind unabhängig von ihrem Umfang nicht bereits deswegen unschädlich, weil es sich lediglich um Probeläufe von Kaufinteressenten gehandelt hätte.

Soweit der BFH in dem Urteil aus 1979 eine Erprobung durch den Käufer für unschädlich erachtete, war damit erkennbar nur der tatsächliche spätere Käufer gemeint. Es wäre sachwidrig, wenn der Käufer, der die Funktion des neuen und zu erwerbenden Wirtschaftsguts in betrieblich sinnvoller Weise zunächst prüft, dadurch der Investitionszulage verlustig ginge.

Probeläufe von Kaufinteressenten sind jedoch schädlich. Wenn eine unbestimmte und nicht eingrenzbare Personenzahl ein Wirtschaftsgut so ausprobiert, wie es dessen normaler Funktionsweise entspricht, ist dieses Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen und nicht mehr neu, zumal solches Ausprobieren erheblichen Umfang annehmen und die Neuwertigkeit und damit die Lebensdauer des Wirtschaftsguts beeinträchtigen kann. Dies wird beispielsweise an einem vom Werk gelieferten, doch über Monate hinweg eingesetzten Vorführwagen eines Autohauses deutlich. Ob das Ausprobieren im Einzelfall wirklich zu einer Wertminderung geführt hat, ist der Überprüfung nicht mehr zugänglich, weil das Tatbestandsmerkmal "neu" insoweit typisiert.

c. Im übrigen ist der Senat der Auffassung, dass die von der Klägerin geschilderten "Vorführungen" der Maschine, die den Betriebsstundenzähler in Gang gesetzt haben, in der Sache bereits eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Maschine darstellten und daher investitionszulagenschädlich sind.

Auch eine nur Teilfunktionen eines Wirtschaftsguts betreffende bestimmungsgemäße Verwendung stellt eine Ingebrauchnahme dieses Wirtschaftsguts dar, mit der Folge, dass dieses Wirtschaftsgut nicht mehr "neu" im Sinne des Investitionszulagenrechts ist. Dabei kann der Senat die nicht restlos geklärte Frage, in welcher Form oder bis zu welchem Stadium die Maschine hochgefahren wurde und gelaufen ist, im Ergebnis offen lassen; es bedarf daher auch keiner weiteren Beweisaufnahme zu diesem Punkt. Es erscheint dem Senat nicht gänzlich unplausibel, dass bei Präsentationen der Maschine lediglich die elektronische (nicht elektrische, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat) Steuerung gezeigt wurde. Soweit der Geschäftsführer der in seiner schriftlichen Erklärung schilderte, die Maschine sei "vorgeführt" worden, möchte der Senat im Gegensatz zu dem Beklagten allein daraus jedenfalls keinen Beweis für einen Vollbetrieb herleiten. Zum einen ist nicht sicher, ob dieses aus Frankreich stammende Schriftstück auf Feinheiten der deutschen Sprache, gar auf die Begrifflichkeit des Investitionszulagenrechts, abgestimmt ist. Zum anderen kann der allgemeine Sprachgebrauch unter "vorgeführt" auch ein Zeigen gewisser Funktionen unterhalb des Vollbetriebs verstehen. Insofern kann der Senat nicht ausschließen, dass die Maschine tatsächlich nur, wie die Klägerin ergänzend erläutert hat, durch Bedienung der Elektronik und möglicherweise durch Leerlauf der mechanischen Teile (in der Erklärung als "Funktion der Mechanik" beschrieben) "vorgeführt" wurde und keine Werkstücke bearbeitet hat - auch wenn ein Probestück wohl die griffigste Demonstration der Leistungsfähigkeit einer Maschine wäre.

Aber selbst wenn die Vorführung der Maschine nach dem Anschalten tatsächlich höchstens bis zu der Menüführung, also die Bedienung des in die Maschine integrierten Computers, reichte, wäre dies bereits als Ingebrauchnahme der Maschine investitionszulagenschädlich. Es ist unerheblich, dass es sich dabei lediglich um einen Ausschnitt der Gesamtfunktion handelte.

aa. Grundsätzlich kann es bei der Frage, ob bereits eine bestimmungsgemäße Verwendung vorliegt, nicht darauf ankommen, ob sämtliche, häufig vielfältige, Verwendungsmöglichkeiten einer Maschine ausgeschöpft wurden und sämtliche Zubehör- oder Einbauteile genutzt wurden. Gerade eine computergesteuerte Maschine mit vielen verschiedenen möglichen Einstellungen und Arbeitsabläufen kann nicht erst dann als nicht mehr neu betrachtet werden, wenn möglicherweise einige der (nebeneinander) vorhandenen Wahlmöglichkeiten noch nicht genutzt wurden, aber andere Einstellungen betrieben wurden.

bb. Es kann für die Frage der bestimmungsgemäßen Verwendung aber auch nicht darauf ankommen, ob die Maschine im Vollbetrieb gelaufen ist.

Es genügt vielmehr, wenn die Maschine in Teilfunktionen gelaufen ist, ohne den eigentlichen Betriebszweck, hier die Bearbeitung von Werkstücken, erreicht zu haben. Wenn mehrere technisch hintereinander (und nicht mehr nebeneinander) geschaltete Funktionen, die insgesamt den Vollbetrieb bedeuten, nicht bis zum letzten Schritt genutzt wurden, sondern die Maschine nur bis zu einem Zwischenschritt gearbeitet hat, so ist auch das eine bestimmungsgemäße Verwendung in Form einer teilweisen Verwendung, auch wenn damit die eigentliche Bestimmung, die naturgemäß im Vollbetrieb liegt, noch nicht erreicht wurde.

Solche zwei technisch hintereinander geschaltete Funktionen sind bei der streitigen Drehmaschine wie bei vielen Maschinen die elektronische Steuerung und ihr folgend die Mechanik. Wird lediglich der elektronische Teil, also der Computer, genutzt, der mechanische Teil nicht, so ist die Maschine teilweise, nämlich hinsichtlich des Computers, so in Betrieb genommen wie es ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung entspricht. Dies stellt eine investitionszulagenschädliche Ingebrauchnahme der Maschine insgesamt dar.

aaa. Bei der Frage, was eine "bestimmungsgemäße Verwendung" ist, ist nicht darauf abzustellen, ob die betreffende Maschine bereits bestimmungsgemäß produziert hat, sei es auch nur in Form von Probestücken.

Wie schon das Wort "Verwendung" zeigt, kommt es nicht auf das Arbeitsergebnis der Maschine an, sondern auf den Arbeitsprozess. Das ist auch sachgerecht, da die Unterscheidung von neuen und gebrauchten Wirtschaftsgütern sich sinnvoll nicht danach richten kann, ob mit den Wirtschaftsgütern bereits andere wirtschaftlich verwertbare Güter produziert wurden, sondern ob die Wirtschaftsgüter der Beanspruchung ausgesetzt waren, die zu dem nutzungstypischen Verschleiß und Wertverlust führt. Bei einer Maschine bedeutet das, dass eine Verwendung (jedenfalls) dann vorliegt, wenn sie so in Betrieb gesetzt wurde, wie es ihrer Funktionsweise entspricht.

bbb. Eine bestimmungsgemäße Verwendung liegt aber auch bereits dann vor, wenn die Maschine (nur) teilweise so in Betrieb gesetzt wurde, wie es ihrer Arbeitsweise entspricht. Der Senat stützt diese Auffassung nicht zuletzt darauf, dass er es für problematisch, wenn nicht unmöglich hält, einen geeigneten allgemeinen Abgrenzungsmaßstab zwischen schädlicher und unschädlicher Teilverwendung zu finden. Zwar wäre es im vorliegenden Fall wohl leicht möglich, den elektronischen Teil von dem mechanischen Teil zu unterscheiden.

Wollte man allerdings eine nur teilweise Verwendung für unschädlich halten, wäre ein sachgerechtes abstraktes Abgrenzungskriterium zu schaffen, das es nach Überzeugung des Senats nicht gibt.

Nicht angängig erschiene es dem Senat, eine nur teilweise Verwendung generell für unschädlich zu halten. Auch die teilweise Verwendung kann regelmäßig zu Verschleiß und Wertverlust führen. Anschaulich wird dies an Hochleistungsmaschinen, die mehrere hintereinander geschaltete Arbeitsgänge automatisiert erledigen können. Diese sind auch dann in Gebrauch genommen, wenn sie nicht in allen Arbeitsgängen genutzt wurden. Sollte jemand bei einem Mähdrescher - soweit technisch möglich - die Funktionen des Druschs und des Strohhäckselns ausschalten und den Mähdrescher längere Zeit ausschließlich zum Mähen nutzen, so ist es selbstverständlich, dass auch dieser Mähdrescher nicht mehr neu ist, auch wenn es gerade Sinn und Zweck eines modernen Mähdreschers ist, nicht nur zu mähen, sondern sogleich auch zu dreschen und zu häckseln. Der Senat sieht aber auch keinen stichhaltigen Grund, generell die Elektronik aus der Gesamtheit der "bestimmungsgemäßen Verwendung" auszunehmen. Die Elektronik ist nicht nur Dekoration oder unwesentliche Nebenfunktion nach Art einer angenehmen, aber nicht wirklich notwendigen Bequemlichkeit. Sie ist integraler und wertbestimmender Bestandteil moderner Maschinen und gehört zu deren "Funktionieren" untrennbar dazu. Deshalb wäre es auch nicht richtig, bei elektronisch gesteuerten Maschinen davon auszugehen, der mechanische Teil präge den Charakter der Maschine, während der elektronische Teil nur dienende und damit untergeordnete Funktion habe und deswegen dessen Nutzung noch keine bestimmungsgemäße Verwendung sei. Dienstleistung ist nicht allein deshalb unwesentlich, weil sie Dienstleistung ist. Die wirtschaftliche Bedeutung der (dienenden) Funktion der Computersteuerung verträgt sich mit einer Herabstufung zu untergeordneter Bedeutung nicht.

Zwar ist möglicherweise die Nutzung lediglich des elektronischen Teils weniger verschleißanfällig als die Nutzung der mechanischen Teile. Insofern berührt die Ingebrauchnahme allein der Elektronik möglicherweise weniger den Wert der Maschine als die Ingebrauchnahme der mechanischen Teile. Auch will der Senat zugestehen, dass es dem spontanen Empfinden ein wenig widerspricht, eine Drehmaschine als gebraucht anzusehen, mit der noch niemals gedreht wurde. Das sind aber keine Gründe, die Verwendung von Elektronik nicht als Verwendung zu betrachten. Auch Software ist ein abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut, nicht nur, weil sie immer wieder an Wert verliert, sondern auch, weil die meisten Programme Empfindlichkeiten gegenüber (alltäglichen und normalen) Bedienungsfehlern haben und insofern durchaus dem Verschleiß unterliegen. Insofern mindert die Nutzung eines Computerprogramms doch den Neuwert einer Maschine. Das ggf. abweichende spontane Empfinden rührt daher, dass das Drehen greifbarer und fassbarer ist als die elektronische Steuerung im Hintergrund. Das ist jedoch eine Frage der menschlichen Wahrnehmung und nicht der Sache.

ccc. Der Senat sieht schließlich auch keine Veranlassung, mit Erwägungen über Geringfügigkeit die Nutzung nur der elektronischen Steuerung für unschädlich zu halten. Abgesehen davon, dass die Computersteuerung gerade kein gering zu achtender Teil der gesamten Maschine ist, hält er es auch für grundsätzlich unzulässig, wegen Geringfügigkeit und damit aus Gründen der Billigkeit gegen den Rechtsgedanken des § 6 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 Ausnahmen zu schaffen. Der Gesetzgeber hat mit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 gewählten Formulierung lediglich neue und nicht auch im Wesentlichen neue oder fast neue Wirtschaftsgüter für investitionszulagenbegünstigt erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordung - FGO -.

III.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der Senat hält die Frage, ob bereits eine teilweise Verwendung einer multifunktionalen Maschine eine bestimmungsgemäße Verwendung darstellt, für grundsätzlich klärungsbedürftig.



Ende der Entscheidung

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