Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: 1 K 437/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14
UStG § 25d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 437/05

Haftung für Steuern

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. März 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar,

den Richter am Finanzgericht Keilig,

den ehrenamtlichen Richter und

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Haftung für Umsatzsteuer nach § 25d Umsatzsteuergesetz (UStG).

Mit Rechnungen vom 28. Juni 2004 lieferte die Firma R. Unternehmensberatungsgesellschaft mbH an die Klägerin zehn Lkw zum Nettopreis von insgesamt 324.553,47 EUR zuzüglich 51.928,56 EUR Umsatzsteuer. In den Rechnungen wurde Umsatzsteuer gemäß § 14 UStG gesondert ausgewiesen. Die Umsatzsteuer wurde bei Lieferung bar bezahlt und die Zahlung der Umsatzsteuer durch den Geschäftsführer der Firma R., Herrn B., in zehn Quittungen mit Datum 30. Juni 2004 bestätigt. Eine Zahlung der Umsatzsteuer durch die Firma R. an das zuständige Finanzamt erfolgte trotz entsprechender Anmeldung (bis heute) nicht.

Nach Haftungsvoranfrage vom 19. Oktober 2004 nahm der Beklagte mit Haftungsbescheid vom 11. November 2004 die Klägerin für schuldhaft nicht abgeführte Umsatzsteuer nach § 25d UStG in Höhe von 51.928,56 EUR in Haftung.

Unter Darstellung wirtschaftlicher und rechtlicher Beziehungen natürlicher und juristischer Personen ging der Beklagte davon aus, dass der Klägerin bei Abschluss des Vertrages klar gewesen sein musste, dass die Firma R. die Steuern nicht abführen werde. Der Beklagte führte im Einzelnen wie folgt aus:

Der angegebene Firmensitz der Firma R. sei eine Briefkastenadresse, bei der nach Ermittlungen des Finanzamtes für Körperschaften I in B. ein Büroservice arbeite.

Der ehemaligen Geschäftsführerin der (ab 01. Januar 2004 von G. GmbH in R. Unternehmensberatung mbH umbenannten und ab Juli 2004 nochmals in M. umbenannten) Verkäuferin, Frau M. - jetzt Geschäftsführerin der Klägerin -, sei bekannt gewesen, dass Steuerschulden bestanden hätten bzw. den Steuererklärungspflichten nicht nachgekommen worden sei.

Darüber hinaus habe Frau M. auch nach Abberufung als Geschäftsführerin der Firma R. zum 01. April 2004 und nach Lieferung der Lkw Schriftstücke der G./ R. unterzeichnet. Gegenüber Geschäftskunden sei auch die Zusammenlegung der G. und der T. mitgeteilt worden.

Soweit Umsatzsteuerbeträge bei Lieferung der Lkw in bar an den Geschäftsführer der Firma R. bezahlt worden seien, sei dies ungewöhnlich und spreche für ein zielgerichtetes Zusammenwirken der handelnden Personen. Diesbezügliche von der Klägerin behauptete vertragliche Vereinbarungen seien unbekannt und zudem entbehrlich, da die Abführung der Umsatzsteuer eine gesetzliche Pflicht darstelle. Eine ggf. bestehende Vereinbarung und die Barzahlung sprächen nach Ansicht des Beklagten vielmehr dafür, dass die Umsatzsteuer nicht abgeführt werden sollte, und mithin für Kenntnisse der Klägerin. Bei dieser hätten - insbesondere aufgrund der Barzahlung - Zweifel entstehen müssen.

Zudem habe der zwischenzeitlich nicht mehr auffindbare B. im Rahmen mehrerer Beschuldigtenvernehmungen vor der Kriminalpolizei ausgesagt, nur als Strohmann (verschiedener GmbH) tätig gewesen zu sein und dass er bezüglich des Komplexes T. keine Kenntnisse habe bzw. die aufgefundenen Unterschriften von ihm vorab blanko erfolgt seien. Maßgeblich Handelnder sei vor allem ein Herr Sch. gewesen, für den Herr B. als Strohmann aufgetreten sei. Die Aussagen des Herrn B. seien nach Angaben des Beklagten durch andere Zeugen bestätigt worden.

Darüber hinaus würden die wirtschaftlichen und persönlichen Verflechtungen der verschiedenen Firmen weit über den üblichen Umfang eines gewöhnlichen Geschäftsverkehrs hinausgehen und zudem würden auffallend häufig bei den verschiedenen Unternehmen die Geschäftsführer und die Anteilsinhaber wechselseitig wechseln.

Letztlich seien Geschäftsanteile der betroffenen Firmen auch unentgeltlich veräußert worden, was auf eine schwierige wirtschaftliche Situation hindeute bzw. bei einem Mantelkauf auf den Versuch, sich dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen.

Den Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 10. Dezember 2004 wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 8. März 2005 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 22. März 2005 Klage erhoben.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Inhaftungnahme rechtswidrig sei. Bei der Lieferung am 28. Juni 2004 sei die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe der Haftungsschuld Herrn B. in bar übergeben worden. Dafür, dass Herr B. die von der Klägerin an die Firma R. gezahlte Umsatzsteuer nicht entrichtet habe, könne nicht die Klägerin in Haftung genommen werden. Bei der Firmenadresse der R. handele es sich nicht um ein Briefkastendomizil, sondern um einen Betriebssitz, von dem geschäftliche Tätigkeit ausgegangen sei. Die Geschäftsführerin Frau M. konnte und musste nach Ansicht der Klägerin nicht davon ausgehen, dass Herr B. die entstehende Steuerlast nicht begleiche. Zudem sei am 28. Juni 2004 zwischen Frau M. und Herrn B. eine Vereinbarung getroffen worden, dass Herr B. der Steuerlast sofort nachkomme. Es gebe kein Zusammenwirken der Vertragsparteien und auch kein planmäßiges und absichtliches Vorgehen gemeinsam mit Frau M. Ob und inwieweit Herr B. ggf. beabsichtigt habe, die Umsatzsteuer nicht abzuführen, könne nicht der Klägerin angelastet werden. Die Übernahme der Lkw durch die Klägerin sei aufgrund des Drucks der finanzierenden Gesellschaft entstanden, da die Firma R. ihren Unternehmensgegenstand geändert habe und sich auf den Dienstleistungs- bzw. Baubereich spezialisieren wollte. Deshalb sei ein rechtswirksamer Verkauf der Lkw an die Klägerin unter Übernahme der bestehenden Kaufpreisverbindlichkeiten erfolgt. Die unentgeltliche Übertragung von Geschäftsanteilen sei auf wirtschaftliche Risiken bzw. veränderte Tätigkeitsabsichten zurückzuführen.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 11. November 2004 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 08. März 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seinen Ausführungen im Haftungsbescheid und im Einspruchsbescheid fest.

Dem Senat hat die Haftungsakte des Beklagten vorgelegen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte die Klägerin nach § 25d UStG für in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Haftung genommen.

Gemäß § 25d UStG haftet der Unternehmer für die Steuer aus einem vorangegangenen Umsatz, soweit diese in einer nach § 14 UStG ausgestellten Rechnung ausgewiesen wurde, der Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet oder sich vorsätzlich außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten, und der Unternehmer bei Abschluss des Vertrages über seinen Eingangsumsatz davon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen. Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Überzeugung, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 25d UStG im Streitfall vorliegen.

Die Firma R. hat ausweislich der in den Akten enthaltenen Rechnungen vom 28. Juni 2004 zehn Lkw der Marke Renault an die Klägerin verkauft. Diesem Verkauf ging eine Vertragsumschreibung vorhandener Finanzierungsverträge mit der Firma Renault Trucks F. GmbH zwischen der (am 17. Juni noch unter dem Firmennamen G. auftretenden) Firma R. und der Klägerin voraus. In der Lieferung und dem Verkauf der zehn Lkw ist der vorangegangene Umsatz zu sehen.

Die Verkaufsrechnungen vom 28. Juni 2004 - die den Vorschriften des § 14 UStG entsprechen - weisen jeweils Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 16 v.H. gesondert aus. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Umsatzsteuerbeträge: 5.418,07 EUR, 5.418,02 EUR, 5.418,02 EUR, 5.236,92 EUR, 5.236,92 EUR, 4.968,08 EUR, 5.058,13 EUR, 5.058,13 EUR, 5.058,13 EUR und 5.058,13 EUR. Insgesamt ergibt sich aus allen zehn Rechnungen ein Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 51.928,56 EUR. Die Rechnungen enthalten zusätzlich folgenden Vermerk: "Der Nettobetrag wird durch die ...-Bank finanziert, der Vorsteuerbetrag ist in bar bei Übernahme des Fahrzeugs fällig!"

Nach Angaben des Beklagten sind die ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge bis heute von der Verkäuferin nicht beglichen worden, obwohl die Firma R. beim Finanzamt für Körperschaften I in B. eine Umsatzsteuervoranmeldung für das 2. Quartal 2004 abgegeben hat und entsprechende Umsätze mit einer Umsatzsteuerzahllast ausgewiesen worden sind. Ob die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer auf einer vorgefassten Absicht oder auf einem Außer-Stande-Sein zur Steuerentrichtung beruht, ist offen.

Betrachtet man den Gesamtkomplex der Firmenverflechtungen (u.a. Darstellung in den Entscheidungsgründen des Einspruchsbescheides vom 08. März 2005), die ständigen Umbenennungen der Firmen (mit teilweise behauptetem Wechsel des Unternehmenszweckes) und den wiederholten Austausch der (teilweise personenidentischen) Geschäftsführer, geht der Senat davon aus, dass vieles für ein von vornherein geplantes, absichtliches Verhalten spricht. Dies bestätigt sich auch dadurch, dass die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge in bar entrichtet worden sein sollen. Barzahlungen (ausschließlich der Umsatzsteuerbeträge - nicht der Restbeträge) sind ungewöhnlich und lassen darauf schließen, dass diese Gelder nicht in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und vor allem nicht in die Hände der Finanzverwaltung gelangen sollten.

Geht man davon aus, dass die Umsatzsteuerbeträge seitens der Klägerin an die Verkäuferin tatsächlich in bar gezahlt worden sind und die vorhandenen zehn Barquittungen mit Datum 30. Juni 2004 über den Erhalt der Umsatzsteuerbeträge der Wahrheit entsprechen, hätte die Verkäuferin darüber hinaus unmittelbar vor Ablauf des Voranmeldezeitraumes der Umsatzsteuer über entsprechende Geldmittel verfügt, um die angemeldeten Umsatzsteuerbeträge an die Finanzverwaltung entrichten zu können. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Hierbei lässt der Senat dahinstehen, was mit den angeblichen Barmitteln passiert ist. Werden diese nicht zur Begleichung von Umsatzsteuerzahllasten verwendet (und ggf. anderweitig eingesetzt), liegt auf alle Fälle ein Außer-Stande-Setzen zur Steuerentrichtung vor, so dass der Senat insoweit von einer Verwirklichung der Tatbestandsalternative des § 25d UStG ausgeht.

Der Senat ist des Weiteren der Überzeugung, dass die zuständigen Vertreter der Klägerin bei Abschluss des Vertrages Kenntnis von der beabsichtigten Nichtentrichtung der Steuern hatten. Hierbei ist zu beachten, dass die Geschäftsführerin der Klägerin, Frau M., offiziell bis kurz vor Verkauf der Lkw die Geschäftsführerin der G./R. war (offizielle Abberufung am 01. April 2004) und nach in den Akten enthaltenen Unterlagen für die G./ R. weiter aufgetreten ist (z.B. bei der Vertragsumschreibung des Finanzierungsvertrages mit der Renault Trucks F. GmbH zwischen G. und der Klägerin am 17. Juni 2004 / Schreiben der G. an die ... Bank GmbH vom 19. Juli 2004 betreffend Einverständnis und Einwilligung mit einer Finanzierungsumschreibung auf die Klägerin / Schreiben der G. vom 09. Dezember 2004 an die ... Bank GmbH bezüglich eines Darlehens) bzw. beide Firmen tatsächlich nur als ein Unternehmen am Markt agiert haben bzw. agieren wollten (z.B. Schreiben der G. vom 21. November 2003 an die Firma M. Güterkraftverkehr bezüglich einer Firmenzusammenlegung und Angabe der neuen Firmenbezeichnung "T. GmbH" / Übernahme eines Leasingvertrages der ...Leasing vom 22. Juni 2004, den Frau M. sowohl für die G. als für die Klägerin unterschrieben hat / Einzugsermächtigung gegenüber der ... Bank GmbH von der G. über das Konto der Klägerin vom 20. Juli 2004). Der Senat geht danach von einem zielgerichteten Zusammenwirken der Vertragsparteien und einem planmäßigen und absichtlichen Vorgehen aus. Hierfür sprechen auch die sich aus den Akten ergebenden vielfältigen Wechselbeziehungen persönlicher und wirtschaftlicher Art der beteiligten Firmen und Personen.

Selbst wenn Zweifel an einem positiven Kennen bestehen würden - solche sind jedoch für den Senat nicht ersichtlich oder aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens entstanden -, würde die zweite Tatbestandsalternative - das Kennen-müssen - Anwendung finden. Die Barzahlung von Beträgen ausschließlich in Höhe der Umsatzsteuer muss bei einem Kaufmann bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu entsprechenden Zweifeln führen. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum bei einem Kaufvertrag lediglich die Umsatzsteuer bar bezahlt wird und hierfür sogar gesonderte Quittungen - für jeden Kaufvertrag einzeln, zwei Tage nach behauptetem Liefertermin - ausgestellt werden. Diese Art der Vertragsabwicklung ist so ungewöhnlich, dass jeder Kaufmann davon ausgehen muss, dass Steuern in der Folgezeit nicht durch den Leistenden entrichtet werden sollen. Gründe oder Anhaltspunkte, die eine Barzahlung ggf. rechtfertigen würden, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Soweit die Klägerin behauptet, dass gesonderte vertragliche Vereinbarungen betreffend die Umsatzsteuer zwischen den Vertragsparteien geschlossen worden sein sollen, hat sie diese weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Unabhängig davon, dass der Senat Zweifel am Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung hat, würde eine solche vertragliche Vereinbarung nicht zu einer Umkehr des voran Dargestellten führen. Die Abführung der Umsatzsteuer ist eine gesetzliche Pflicht und insofern im Geschäftsverkehr eine Selbstverständlichkeit, die keiner gesonderten vertraglichen Vereinbarung bedarf. Sollte eine solche tatsächlich geschlossen worden sein, könnte dies allenfalls als der Versuch einer vorweggenommenen Exkulpation darstellen. Hierdurch bestätigt sich jedoch um so mehr die Überzeugung des Senats, dass die gesamte Vertragsgestaltung und -abwicklung darauf abzielte, die Umsatzsteuerbeträge der Finanzverwaltung vorzuenthalten. Für den Senat ist der zugrundeliegende Sachverhalt eindeutig und offenkundig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

Zurück