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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.05.2008
Aktenzeichen: 1 K 59/04
Rechtsgebiete: AO, HGB


Vorschriften:

AO § 44
AO § 166
AO § 191
HGB § 128
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 59/04

Haftung für Umsatzsteuerschulden der Firma K. und R. OHG

In dem Rechtsstreit

....

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. Mai 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Hübner,

den Richter am Finanzgericht Keilig,

die ehrenamtliche Richterin ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Haftung für Steuerschulden der Firma K. und R. OHG.

Nach Betriebsprüfung ergingen am 2. Dezember 2002 die K. und R. OHG betreffende Feststellungsbescheide, Umsatzsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1996 und 1997. In der Betriebsprüfung konnten Unterlagen trotz mehrfacher Aufforderungen nicht vollständig vorgelegt werden und wurden unter anderem hohe Einlagen und Entnahmen, hohe Fremdleistungen, Arbeitszeitvergütungen für Gesellschafter, Büropauschalen und gezahlte Provisionen festgestellt. Die Buchführungsunterlagen der vormaligen Steuerberaterin wiesen für 1997 einen Verlust von 451.303 DM aus. Nach Erläuterung des Klägers im Rahmen der Betriebsprüfung seien etwa 600.000 DM Forderungen (Projekt C. L.) nicht eingebucht worden.

Aufgrund einer Nachkalkulation durch Ansatz durchschnittlicher Aufschlagssätze auf die Aufwendungen für Material und Arbeitskrafteinsatz (Grundlage waren insoweit die vorhandenen Buchführungsunterlagen der Steuerberaterin der OHG) kam die Prüfung zu Hinzuschätzungen von netto 57.226 DM in 1996 und 738.406 DM in 1997. Unter Berücksichtigung weiterer unstreitiger Prüfungsfeststellungen wurde ein Gewinn der OHG für 1996 in Höhe von 255.598 DM und für 1997 in Höhe von 346.917 DM festgestellt.

In der Folgezeit soll nach Angaben des Klägers gegen die ergangenen Bescheide rechtzeitig Einspruch eingelegt worden sein. Diese Einsprüche wurden mit Einspruchsbescheiden vom 20. Juni 2003 als unzulässig verworfen. Die hiergegen erhobene Klage unter dem Aktenzeichen 1 K 1271/03 (soweit die einheitliche und gesonderte Feststellung 1996 und 1997 betroffen war) ist durch Urteil vom 22. Mai 2008 abgewiesen worden.

Nach Haftungsvoranfrage vom 3. Februar 2003 nahm der Beklagte den Kläger mit Haftungsbescheid vom 10. März 2003 für Umsatzsteuerschulden der Firma K. und R. OHG in Höhe von insgesamt 95.288,43 EUR (Umsatzsteuer 1996/1997, Zinsen und Verspätungszuschläge) in Haftung. Der Beklagte führte aus, dass die Haftungsinanspruchnahme nach § 128 Handelsgesetzbuch (HGB) als Gesellschafter der OHG erfolge und die OHG erfolglos zur Zahlung der rückständigen Ansprüche aufgefordert worden sei. Soweit der Kläger sich auf einen Einspruch gegen nach Außenprüfung erlassene Bescheide beziehe, liege ein solcher nicht vor. Die Stellungnahme des Klägers vom 2. März 2003, dass er für den aufgetretenen Schaden nicht verantwortlich und ausschließlich der Mitgesellschafter R. einziger Verursacher sei, nahm der Beklagte zur Kenntnis.

Gegen den Haftungsbescheid richtete sich der Einspruch vom 21. März 2003. In diesem verwies der Kläger auf den Einspruch zur Außenprüfung, der im Finanzamt nicht bekannt war. Nach Aufforderung des Beklagten, die Umstände der Einspruchseinlegung gegen die Ausgangsbescheide darzulegen, erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 2003, dass die Steuerfestsetzungen total falsch seien und auf herbeigeholten Schätzungen sowie Tatsachen beruhten. Die Haftungsinanspruchnahme seiner Person wies er mit Bezug auf sein Schreiben vom 2. März 2003 zurück.

Mit Einspruchsbescheid vom 22. Dezember 2003 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Haftungsbescheid als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete die Haftungsinanspruchnahme aus der Gesellschafterstellung des Klägers und führte aus, dass aufgrund der Auflösung der Gesellschaft Vollstreckungsmaßnahmen gegen diese nicht mehr möglich gewesen seien und beide Gesellschafter gesamtschuldnerisch in Haftung genommen würden. Weiter führte er aus, dass bei einer Haftung nach § 128 HGB eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung unerheblich sei. Er stellte zudem dar, dass die Einsprüche gegen die Umsatzsteuer, Gewerbesteuermessbetrag und gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen jeweils der Jahre 1996 und 1997 mit Einspruchsbescheiden vom 20. Juni 2003 als unzulässig verworfen worden seien.

Gegen den Einspruchsbescheid hat der Kläger am 12. Januar 2004 Klage erhoben. Der Kläger führte wörtlich aus:

"Da Herr R. die Firma und auch mich betrogen hat ist er der alleinige Schuldige (Beweisstücke liegen dem FA in Schriftform und Brieftext vor. Da ich nicht bestrebt bin ein Sozialfall zu werden und auch selbstständig weiter arbeiten will bitte ich Sie, mich von der Haftungsinanspruchnahme auszuschliesen (Ermessensgerecht)."

Auf Nachfrage des Gerichts zur Konkretisierung der Klage führt der Kläger aus:

"Der Beklagte ist das Finanzamt M. und die Klage richtet sich gegen die luschigen und falschen Festsetzungen und Schätzungen und auch der persönlichen Entscheidungen der Mitarbeiter des Beklagten. 1.) Gewinnfeststellungsbescheide 1996-97 2.) Umsatzsteuerbescheide 1996-97 3.) Gewerbesteuermessbescheide 1996-97 Hiermit möchte ich auch noch einmal betonen dass ich eine Haftungsinanspruchnahme meiner Person aus schon mehren schriftlich übersandten Gründen ablehne."

Im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 6. Oktober 2006 hat der Kläger angekündigt, Rücksprache mit seiner damaligen Steuerberaterin B. zu halten, um die Kalkulationen der Betriebsprüfung zu überprüfen.

In der Folgezeit führte der Kläger aus, dass die von der Steuerberaterin erstellten Steuerunterlagen richtig seien. Es gebe einen Verlust von circa 450.000 EUR, der durch geschriebene, aber nicht bezahlte Rechnungen entstanden sei. Die Rechnungen würden auch nicht mehr bezahlt werden, da teilweise eine Insolvenz eines Kunden vorliege und zum anderen der Mitgesellschafter R. eklatante Fehler begangen habe. Die betreffenden Rechnungen seien ausgebucht worden, so dass die Umsatzsteuer sowie die Gewerbesteuer sich nach unten korrigieren müssten.

Nach Durchführung eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 6. Oktober 2006, einem nachfolgenden Antrag auf Befangenheit gegen den Berichterstatter, einem insoweit ergangenen zurückweisenden Beschluss vom 10. September 2007 erfolgte zum 27. März 2008 eine Ladung zur mündlichen Verhandlung. Am 25. März 2008 teilte der Kläger per Telefax mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen könne. Nach richterlicher Aufforderung durch den Vorsitzenden übersandte der Kläger am Verhandlungstag ein ärztliches Attest, nach dem der Kläger vom 25. März bis 8. Mai 2008 arbeitsunfähig sei. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde sodann mit Beschluss vom 27. März 2008 vertagt. Mit Schreiben des Berichterstatters vom 10. April 2008 wurde der Kläger nachfolgend unterrichtet, dass die nächste mündliche Verhandlung für den 22. Mai 2008 geplant sei und er gebeten, das Gericht zu unterrichten, ob er an der Verhandlung teilnehmen könne. Eine Reaktion erfolgte in der Folgezeit nicht. Mit richterlicher Verfügung des Vorsitzenden vom 22. April 2008 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2008. Die Ladung wurde ausweislich der Zustellungsurkunde am 25. April 2008 in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingeworfen. Am 21. Mai 2008 ging per Telefax ein Schreiben des Klägers ein, wonach er aus gesundheitlichen Gründen nicht anreisen und am Termin teilnehmen könne. Mit Telefax vom 21. Mai 2008 wies der Vorsitzende den Kläger darauf hin, dass dem Terminverlegungsantrag nur entsprochen werden könne, wenn ein entsprechendes ärztliches Attest vorgelegt werde, welches die Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit bescheinige. Am 22. Mai 2008 wurde die mündliche Verhandlung durchgeführt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Beteiligten niemand erschienen.

Der Beklagte hält die Klage für unbegründet und verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.

Am 28. Mai 2008 ging bei Gericht ein Fax des Klägers mit einer Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. W. vom 28. Mai 2008 ein, wonach es dem Kläger aufgrund seiner Erkrankung nicht möglich sei, zum genannten Termin anzureisen.

Dem Senat haben die Umsatzsteuerakte, die Feststellungsakte, die Betriebsprüfungsakte, eine Haftungsakte sowie eine Einspruchsakte vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Haftung für Umsatzsteuerschulden der Firma K. und R. OHG klagte den Kläger für Steuerschulden der Firma K. und R. OHG nach § 128 HGB i.V.m. § 191 AO in Anspruch genommen.

Nach § 128 HGB i.V.m. § 191 AO haften Gesellschafter einer OHG gesamtschuldnerisch für deren Verbindlichkeiten. Zu den Verbindlichkeiten zählen auch Steuerschulden. Der Kläger war bis zur Auflösung der OHG in 1998 Gesellschafter der OHG und damit Haftender der gegen diese festgesetzten Umsatzsteuerschulden.

Die der Haftung zu Grunde liegenden Umsatzsteuerbescheide sind bestandskräftig geworden.

Insoweit wird ergänzend auf das Urteil des Finanzgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt im Verfahren 1 K 1271/03 vom 22. Mai 2008 verwiesen.

Der Mitgesellschafter R. hat die gegen die OHG ergangenen Steuerbescheide nicht angefochten und auch keine Klage erhoben.

Der Kläger muss sich die Bestandskraft und deren Folgen nach § 166 AO zurechnen lassen. § 166 AO bestimmt, dass derjenige, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten, gegen sich gelten lassen muss.

Als Gesellschafter der OHG - dem die Bescheide persönlich bekannt gegeben worden sind - hätte er sich gegen die Steuerfestsetzungen mit einem fristgemäßen Einspruch wehren können und - soweit er sich die Folgen nicht zurechnen lassen wollte - auch müssen. Dies hat er - nach dem Ergebnis im Verfahren 1 K 1271/03 und aufgrund der fehlenden Klageerhebung betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag - nicht getan.

Die Inanspruchnahme des Klägers für gegen die OHG bestandskräftig festgesetzte Steuern ist ermessensgerecht. Der Kläger war Gesellschafter der OHG. Entscheidend ist ausschließlich die Gesellschafterstellung bei Entstehung der Verbindlichkeit. Bei der Haftung nach § 128 HGB kommt es auf eine eventuelle Pflichtverletzung oder sorgfaltswidriges Verhalten nicht an. Der Mitgesellschafter R. wurde ebenfalls vom Beklagten nach § 44 AO gesamtschuldnerisch neben dem Kläger in Haftung genommen. Ermessensfehler liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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