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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 1 K 806/06
Rechtsgebiete: InsO, UStG
Vorschriften:
InsO § 38 | |
InsO § 55 | |
UStG § 13 |
Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Umsatzsteuer 2004 und 2005
In dem Rechtsstreit
...
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Juli 2007
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,
die Richterin am Finanzgericht Hübner,
den Richter am Finanzgericht Keilig,
den ehrenamtlichen Richter ... und ...
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Bescheides vom 09. März 2006 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 22. Mai 2006 wird die Umsatzsteuer 2004 auf EUR ./. 538,85 festgesetzt. Unter Änderung des Bescheides vom 23. Januar 2007 wird die Umsatzsteuer 2005 auf EUR ./. 3.984,91 festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
A betrieb ein Gewerbe im Baubereich.
Am 16. August 2004 eröffnete das AGB das Insolvenzverfahren über sein Vermögen und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser führte den Betrieb des Schuldners zunächst fort, stellte ihn jedoch zum 30. November 2004 ein.
Der Schuldner hatte seit 1999 die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten entrichtet. In den Jahren 2003 und 2004 (vor Insolvenzeröffnung) erbrachte er verschiedene Leistungen, deren Entgelte er nicht mehr vereinnahmte. Der Kläger jedoch trieb die Forderungen in den Jahren 2004 (nach Insolvenzeröffnung) und 2005 teilweise ein. Die noch eingetriebenen Forderungen enthielten unter anderem die noch streitigen Umsatzsteuerbeträge von
EUR 232,74 im Jahre 2004 und
EUR 326,90 in I/ 2005.
Nach einer Betriebsprüfung setzte der Beklagte mit Bescheiden vom 09. März 2006 gegen den Kläger Umsatzsteuer von
EUR - 306,11 im Jahre 2004 und
EUR - 309,75 in I/ 2005
fest. In diesen Bescheiden behandelte er die oben genannten, in den noch eingetriebenen Forderungen enthaltenen Umsatzsteuern als Masseverbindlichkeiten und berücksichtigte sie daher steuererhöhend. Hiergegen richtete sich der am 23. März 2006 eingegangene Einspruch, der erfolglos blieb. Gegen den Einspruchsbescheid vom 22. Mai 2006 richtet sich die am 22. Juni 2006 eingegangene Klage.
Am 23. Januar 2007 hat der Beklagte den Umsatzsteuerjahresbescheid 2005 über EUR - 3.658,01 erlassen.
Mit Beschluss vom 18. April 2007 hat das Amtsgericht B das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A aufgehoben, mit weiterem Beschluss vom 11. Juli 2007 jedoch auf Antrag des Klägers die Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 Insolvenzordnung - InsO - hinsichtlich der streitigen Umsatzsteuerbeträge angeordnet.
Der Kläger macht geltend, die genannten Umsatzsteuerforderungen seien keine Masseforderungen, sondern Insolvenzforderungen.
Insolvenzforderung sei eine Forderung gemäß § 38 InsO nicht dann, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden sei, sondern wenn zu diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt war, sie also insolvenzrechtlich "begründet" war. Eine Steuerforderung sei daher immer dann Insolvenzforderung, wenn der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (Urteil des BFH vom 05. Oktober 2004).
Der Umsatzsteuertatbestand sei in diesem Sinne verwirklicht, wenn der Unternehmer die entsprechenden Umsätze gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt habe, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Da die Vereinnahmung des Entgelts nicht Voraussetzung der Tatbestandsverwirklichung sei, sei die auf Lieferungen und Leistungen entfallende Umsatzsteuer dann als Insolvenzforderung zu qualifizieren, wenn die Lieferung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt worden sei. Daran ändere auch die spätere Vereinnahmung des Entgelts nichts.
Es handele sich daher bei den betreffenden Umsatzsteuerforderungen nur um Insolvenzforderungen, die der Beklagte zur Tabelle anzumelden habe.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Bescheides vom 9. März 2006 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 22. Mai 2006 Umsatzsteuer 2004 in Höhe von EUR ./. 538,85,
ferner unter Änderung des Bescheides vom 23. Januar 2007 Umsatzsteuer 2005 in Höhe von ./. 3.984,91 festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte ist der Auffassung, es handele sich um Masseforderungen.
Die Vereinnahmung einer Forderung sei eine Maßnahme zur Verwertung der Masse. Die Umsatzsteuer gehöre zu den Ausgaben für die Verwertung der Masse, die ihrerseits gemäß § 55 InsO zu Masseverbindlichkeiten führe (so auch Urteil des BFH vom 04. Juli 1957).
Nachdem der Schuldner Leistungen zwar erbracht, nicht aber versteuert habe und als Ist-Versteuerer auch nicht habe versteuern müssen, sei es nur folgerichtig, wenn nunmehr bei Vereinnahmung, aus der die Masse den Vorteil ziehe, die Versteuerung zu Lasten der Masse erfolge. Da vor Eröffnung die Steuer nicht entstanden sei, habe sie auch nicht berechnet werden können. Entstanden sei sie erst mit Vereinnahmung und damit nach Eröffnung. Der Entstehungszeitpunkt bestimme sich einheitlich.
Dem Senat haben sieben Bände Steuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig und begründet.
Die streitigen Umsatzsteuerforderungen sind Insolvenzforderungen, die zur Insolvenztabelle anzumelden wären, aber nicht gegen die Masse geltend gemacht werden können.
1. Gemäß § 38 InsO dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).
Insolvenzforderungen sind danach solche, die bei Eröffnung insolvenzrechtlich "begründet" sind. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt sein. Das ist auch im Falle von Steuerforderungen nicht gleichbedeutend mit der Entstehung der Forderung im Sinne des § 38 AO. Eine Steuerforderung ist vielmehr dann Insolvenzforderung, wenn der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steueransprüche führt, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht ist. Dies entspricht der insolvenzrechtlichen Literatur zu § 38 InsO (vgl. statt aller Uhlenbruck, Insolvenzordnung, Kommentar, 12. Aufl., Rn. 6 zu § 38 m.w.Nw.) und entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 05. Oktober 2004, VII B 69/03, BStBl. 2005 II 195, 196, m.w.Nw. zur bisherigen Rechtsprechung).
Wenn es mithin genügt, dass der zur Entstehung der Steueransprüche führende Sachverhalt verwirklicht sein muss, dann bedeutet das, dass die Entstehung des Anspruchs selbst nicht gleichbedeutend mit ihrem Begründetsein ist. Erst recht muss der Anspruch nicht fällig sein, was § 41 InsO auch ausdrücklich normiert.
Soweit der Beklagte argumentiert, die Umsatzsteuerforderung sei hier erst mit Vereinnahmen des Entgelts entstanden, ist das zwar im Prinzip zutreffend, aber unerheblich. Nur der Genauigkeit halber möchte der Senat klarstellen, dass die Forderung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. b) UStG nicht mit Vereinnahmung des Entgelts, sondern mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Vereinnahmung des Entgelts entsteht.
2. Der maßgebende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steueransprüche führt, ist die Erbringung der umsatzsteuerpflichtigen Leistung. Das gilt unabhängig davon, ob der Erbringer der Leistung Ist- oder Sollversteuerer ist.
Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass er es vorzöge, in diesem Zusammenhang nicht von dem zivilrechtlichen Sachverhalt, sondern von dem Lebensachverhalt zu sprechen, um die Umsatzsteuerpflicht nicht zwingend an zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen des Geschäftes knüpfen zu lassen. Im Streitfall ist das allerdings nicht entscheidend.
a. Für den Fall der Sollversteuerung, die gemäß §§ 16, 20 UStG die Regel ist, bestehen für den Senat keine Zweifel, dass der zivilrechtliche Sachverhalt/ Lebenssachverhalt, auf dem die Umsatzsteuerforderung gründet, die Erbringung der Leistung ist. Die Vereinnahmung des Entgelts gehört nicht dazu.
aa. Die Erbringung der Leistung führt gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. a) UStG mit Ablauf des betreffenden Voranmeldungszeitraums sogar zur Entstehung der Umsatzsteuerforderung. Wenn erst die Vereinnahmung des Entgelts die Umsatzsteuerforderung "begründete", könnten Entstehung und Fälligkeit zeitlich vor dem Begründetsein im Sinne von § 38 InsO liegen, was systemwidrig wäre.
Eine entsprechende Umsatzsteuerforderung kann vor Vereinnahmung des Entgelts und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestandskräftig festgesetzt sein. Wäre es denkbar, dass eine solche Forderung noch nicht einmal begründet ist, so könnte eine uneingeschränkt beitreibbare Verbindlichkeit, mit der der Schuldner in die Insolvenz gegangen ist, die gar erst zu der Insolvenz geführt haben mag, zu einer Masseverbindlichkeit werden. Eine derartige Vorstellung widerspricht aber gerade dem in §§ 38, 41 InsO zum Ausdruck kommenden Gedanken, alle Gläubiger, deren Ansprüche auf Vorgängen vor Insolvenzeröffnung beruhen, auch dann, wenn ihre Rechtspositionen noch nicht zu durchsetzbaren Ansprüchen erstarkt sind, gleichmäßig nach der Quote aus der Insolvenzmasse zu bedienen. Dass ein Gläubiger, der sogar vor der Insolvenzeröffnung die Möglichkeit hatte, gegen den Schuldner zu vollstrecken, dies jedoch entweder versäumt hat oder damit erfolglos war, sich nicht in die Zahl der Insolvenzgläubiger einreihen müsste, sondern durch gemäß § 53 InsO vorweg zu berichtigende Masseforderungen bevorzugt würde, scheint dem Senat als Verkehrung dieses Gedankens und nach der Konzeption der InsO nicht gewollt.
bb. Soweit hiergegen vorgebracht wird, die Umsatzsteuerforderung sei stets - auch bei der Sollversteuerung - erst mit Vereinnahmung des Entgelts begründet, da sie eigentlich nicht den Unternehmer, sondern den Verbraucher und damit die Gegenleistung besteuern wolle und durch vorzeitige Fälligkeit nur dem Staat (in verfassungswidriger Weise) Kredit des Unternehmers beschaffe (Stadie in Rau/ Dürrwächter/ Flick/ Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., Rn. 828 zu § 18), vermag sich der Senat dem aus rechtssystematischen Überlegungen nicht anzuschließen.
Wenn auch die Umsatzsteuer wirtschaftlich grundsätzlich die Besteuerung des (End)-Verbrauchs bezwecken mag, knüpft sie aber tatbestandlich zunächst nicht an die Vereinnahmung der Entgelte an, sondern erlaubt deren Berücksichtigung nach Maßgabe von § 17 UStG erst zu einem späteren Zeitpunkt. Es ist aber Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, warum er unter welchen Tatbestandsvoraussetzungen bestimmte wirtschaftliche Ziele erreichen will. Zu gewissen Typisierungen ist er dabei regelmäßig gezwungen. Soweit im Einzelfall das konkrete Ergebnis der Rechtsanwendung auch bei sachgerechter Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung seines Sinn und Zwecks von der ursprünglichen wirtschaftlichen Zielsetzung abweichen mag, ist das eine normale und hinzunehmende Begleiterscheinung im übergeordneten Interesse der grundsätzlich zulässigen Typisierung. Der Senat hält es für unzulässig, das Merkmal "begründet" im Sinne von § 38 InsO nur mit Hilfe des wirtschaftlichen Zwecks der fraglichen Steuer zu definieren, sich dabei von den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Steuerforderung zu lösen und damit letztlich die gesetzlich gewollte Typisierung zu umgehen.
Der Senat will zugestehen, dass ein Tatbestandsmerkmal "begründet" dazu einlädt, nach dem (wirtschaftlichen) "Grund" der Forderung zu fragen. Es darf aber auch nicht verkannt werden, dass sich die Einteilung der Gläubiger in Insolvenzgläubiger und Massegläubiger nicht nach der wirtschaftlichen Zielsetzung der Rechtsbeziehungen zum Schuldner, sondern nach der Art ihrer Ansprüche gegen den Schuldner richtet. Gegenstand der Prüfung, ob eine Insolvenzverbindlichkeit oder eine Masseverbindlichkeit vorliegt, ist daher nur diese Verbindlichkeit, nicht statt dessen eine hinter ihr stehende wirtschaftliche Zielsetzung. Zu ermitteln ist daher der "Grund" der Verbindlichkeit nach dem Maßstab der Vorschriften, denen sie entstammt.
Das bedeutet aber, dass die in diesen Vorschriften enthaltenen, gegebenenfalls typisierenden Regeln betreffend diese Verbindlichkeiten zu beachten sind. Dazu gehört dann auch, dass die Umsatzsteuer grundsätzlich an die Erbringung der Leistung und nicht an die Vereinnahmung des Entgelts geknüpft wird.
b. Der zivilrechtliche Sachverhalt/ Lebenssachverhalt, auf dem die Umsatzsteuer gründet, muss bei der Istversteuerung derselbe sein. Auch hier ist daher die Umsatzsteuerforderung bereits bei Erbringung der Leistung begründet (ebenso im Ergebnis auch Uhlenbruck, Rn. 35 zu § 38 InsO; ebenso Frotscher, "Besteuerung bei Insolvenz", 6. Aufl., S. 178).
Zwar ist die Vereinnahmung des Entgelts hier Voraussetzung der steuerrechtlichen Entstehung der Forderung. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Sachverhalte, die der Umsatzsteuer unterliegen, die in § 1 Abs. 1 UStG genannten Formen von Umsätzen sind, zu denen jeweils die Vereinnahmung des Entgelts nicht gehört. Der Haupttatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. UStG nennt als steuerbare Umsätze die gegen Entgelt ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Das bedeutet schon sprachlich, dass zwar die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt, nicht aber das Entgelt gezahlt sein muss. Es genügt vielmehr, dass das Entgelt vereinbart ist. Der eigentliche steuerbare Vorgang ist die Erbringung der Leistung.
Damit harmoniert die grundsätzliche Sollversteuerung. Damit harmoniert auch, dass § 13 UStG, der zwischen der regelmäßigen Sollversteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. a) i.V.m. § 16 UStG und der ausnahmsweise erfolgenden Istversteuerung mit Zustimmung des Finanzamts nach § 13 Abs. 1 Nr. 1. Buchst. b) i.V.m. § 20 UStG differenziert, nur noch den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer regelt. Er befasst sich nicht mehr mit der Bestimmung des umsatzsteuerbaren Vorgangs und damit der Frage, welcher zivilrechtliche Sachverhalt/ Lebenssachverhalt der Besteuerung unterworfen werden soll, sondern setzt diesen voraus und regelt nur noch, wann die Steuer eingetrieben werden darf. Er betrifft mithin die Technik der Steuererhebung.
Beurteilte man dies anders, wäre im Ergebnis wieder die Entstehung der Steuer mit dem Begründetsein im Sinne von § 38 InsO gleichgesetzt. Nur weil bei der Istversteuerung aus einem gewissen sozialen Aspekt für kleinere Unternehmer heraus der Entstehungszeitpunkt der Steuer und damit die Zahlungspflicht hinausgeschoben wird, kann der Entstehungsgrund der Umsatzsteuer nicht unterschiedlich definiert sein. Es handelt sich - ob Soll- oder Istversteuerung - immer noch um die gleiche Steuer, nämlich die Steuer auf einen bestimmten Umsatz.
c. Soweit dieses Ergebnis dazu führt, dass die Masse die von dem Leistungsempfänger entrichtete Umsatzsteuer in vollem Umfange vereinnahmt, während das Finanzamt sich mit der Quote begnügen muss (hierzu kritisch Stadie, a.a.O., da das Finanzamt, für das die Umsatzsteuer eigentlich bestimmt sei, dadurch die übrigen Gläubiger subventioniere), ist das in der Systematik des Umsatzsteuerrechts angelegt und hinzunehmen.
Es mag zutreffen, dass das wirtschaftliche Ziel, den (Umsatz)Steuergläubiger an den Entgelten für Umsätze zu beteiligen, so verfehlt wird. Es ist jedoch notwendige Folge der von dem Gesetzgeber gewählten rechtlichen Ausgestaltung der Umsatzsteuer. Danach hat der Unternehmer eine zivilrechtliche Forderung gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung des Bruttoentgelts, während das Finanzamt (nur) eine Forderung gegen den Unternehmer auf Zahlung der Umsatzsteuer hat. Der Gesetzgeber hat wissentlich und willentlich das Umsatzsteuerrecht über die dargestellte Dreiecksbeziehung gestaltet, um unmittelbare (umsatzsteuerliche) Rechtsbeziehungen zwischen Finanzamt und Leistungsempfänger zu vermeiden. Folgerichtig hat das Finanzamt nur Ansprüche gegen den Leistenden. Folgerichtig trägt das Finanzamt das Insolvenzrisiko des Leistenden, während dessen Forderungen vollständig zur Masse gezogen werden.
Es ist ein allgemeiner Grundsatz, dass das Insolvenzrisiko derjenige trägt, der sich den Schuldner als Vertragspartner ausgesucht hat. Das bedeutet, auf Steuerforderungen übertragen, dass das Finanzamt das Insolvenzrisiko dessen trägt, den der Gesetzgeber zum Steuerschuldner gemacht hat. Das ist der Leistende.
Es ist außerdem Wesenselement der Insolvenz, dass ungekürzt zu zahlen hat, wer etwas schuldet, dass sich mit der Quote begnügen muss, wer etwas zu fordern hat. Dem kann nur entgehen, wer bevorrechtigt, dinglich gesichert oder aufrechnungsberechtigt ist. Das ist das Finanzamt nicht. Ein Vorrecht des Steuergläubigers enthält in Form eines Absonderungsrechts nur § 51 Nr. 4. InsO, soweit zoll- und steuerpflichtige Sachen nach gesetzlichen Vorschriften als Sicherheit für öffentliche Abgaben dienen. Eine gesetzliche Vorschrift aber, nach der die Forderung des Leistenden auf das Entgelt oder die darin enthaltene Umsatzsteuer in derartiger Weise dem Finanzamt als Sicherheit verhaftet wäre, existiert nicht. Allein der wirtschaftliche Zweck der Umsatzsteuer ersetzt eine solche Vorschrift jedenfalls nicht.
Im übrigen wird das wirtschaftliche Ziel der vor Insolvenz zu dem Schuldner begründeten Leistungsbeziehungen im Insolvenzfalle regelmäßig verfehlt. Insoweit nimmt das Finanzamt keine mit Vorrechten zu bedienende Sonderstellung ein.
d. Die seitens des Beklagten vorgebrachte Erwägung, die Vereinnahmung der Forderung sei eine Maßnahme zur Verwertung der Masse, so dass die daraus resultierende Umsatzsteuerschuld eine Masseschuld sei, ist ein unzulässiger Zirkelschluss.
Nach § 55 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die unter anderem durch die Verwertung der Masse begründet werden. Mit der Formulierung "begründet" knüpft die Vorschrift gesetzessystematisch stimmig an § 38 InsO an. Ist die Forderung vor Eröffnung begründet, liegt eine Insolvenzverbindlichkeit vor, ist sie nach Eröffnung begründet, eine Masseverbindlichkeit. Von der Prüfung der Frage, wann die Forderung begründet wird, enthebt die Vorschrift aber nicht, so dass auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen ist. Da die Umsatzsteuerverbindlichkeit nicht durch die Vereinnahmung der Forderung begründet wird, sondern vorher, wird sie konsequenterweise nicht durch die Verwertung der Masse begründet.
II. Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1. und 2. Finanzgerichtsordnung - FGO - zugelassen.
In dem Urteil vom 04. Juli 1957 (V 199/56 U, BStBl. 1957 III 282) hat der BFH aus dem Umstand, dass die Umsatzsteuer bei Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten erst mit Vereinnahmung entstanden sei, gefolgert, dass bei Vereinnahmung nach Konkurseröffnung die Umsatzsteuer Masseschuld sei. Trotz Zweifeln an dieser Rechtsauffassung, die der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 26. Oktober 1961 (VII ZR 107/60, NJW 1962, 46) geäußert hatte, ohne die Frage allerdings zu entscheiden, hat sich der BMF mit Schreiben vom 06. Dezember 1972 (F/IV A 2 - S 7100 - 55/72, BStBl. 1972 I 578, Haufe-Index 1234640) dieser Auffassung auch für das Umsatzsteuergesetz 1967 zunächst angeschlossen.
Zwar hat schon nach der in der Folgezeit in der Rechtsprechung des BFH gefestigten Auffassung, dass eine Steuer auch dann begründet sein kann, wenn sie noch nicht entstanden ist (so bereits ein Urteil vom 27. August 1975 zur Grunderwerbsteuer, II R 93/70, BStBl. 1976 II 77; schließlich das bereits genannte Urteil vom 05. Oktober 2004 m.w.Nw.), zumindest die Begründung des Urteils vom 04. Juli 1957 keinen Bestand mehr. Es mag auch dahinstehen, inwieweit die noch zu der früheren Konkursordnung ergangene Rechtsprechung aus 1957 auf die Insolvenzordnung übertragbar ist.
Nach Ansicht des Senats bedarf jedoch die Frage, wann eine Umsatzsteuerforderung gegen einen Istversteuerer begründet im Sinne von § 38 InsO ist, der grundsätzlichen Klärung.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 151 Abs. 3 FGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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